KG Berlin, Beschl. v. 30.06.2015 – 9 W 103/14 Entwurfsgebühr für die Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments

Juni 17, 2018

KG Berlin, Beschl. v. 30.06.2015 – 9 W 103/14

Entwurfsgebühr für die Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments

Gründe:

  1. Die Beteiligten streiten im Notarkostenbeschwerdeverfahren um die Berechtigung einer Kostenberechnung des Kostenschuldners für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments. Der Kostengläubiger besprach mit den Kostenschuldnern die Frage, ob sie ein notariell beurkundetes Ehegattentestament errichten sollten. Ohne dass diese Frage beantwortet war und ohne zu erwähnen, dass hierfür Kosten i.H.v. 852,69 € anfallen würden, übersandte er ihnen mit ihrem Einverständnis einen Testamentsentwurf. Die Kostenschuldner meinen, keinen Entwurf in Auftrag gegeben zu haben und die geltend gemachten Kosten jedenfalls nicht zu schulden, weil sie hierüber nicht belehrt worden waren.

 

II.

Die gem. § 129 Abs. 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbes. nach § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. den §§ 63 Abs. 1 und 3, 65 Abs. 1 FamFG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kostenschuldner ist begründet. Die beanstandete Kostenberechnung des Kostengläubigers war aufzuheben, weil sich aus ihr im Hinblick auf den entgegenstehenden und von den Kostenschuldnern auch aufgerechneten Notarhaftungsanspruch gleicher Höhe aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO keine Kostenforderung mehr herleiten lässt.

  1. Allerdings ist der von dem Kostengläubiger mit seiner von den Kostenschuldnern beanstandeten Kostenberechnung geltend gemachte Gebührenanspruch gem. § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO entstanden.

Auch wenn es sich so verhalten haben sollte, wie die Kostenschuldner vortragen, besteht an der Erteilung eines Entwurfsauftrags kein Zweifel. Daran würde auch der von den Kostenschuldnern behauptete Umstand, der Kostengläubiger habe die Entwürfe zu dem Zweck übersenden wollen, dass sie sich informieren können, nichts ändern. Denn für die Entstehung der Gebühr kommt es nicht darauf an, für welche Zwecke der Entwurf angefordert wird. Anders als die Kostenschuldner meinen, handelt es sich bei dem ihnen von dem Kostengläubiger übersandten dreiseitigen Testamentstext um einen Entwurf i.S.d. § 145 KostO, auch wenn es sich um einen Standardentwurf handelt, in dem noch nicht alle Einzelheiten aufgenommen waren. Denn, dass ein Entwurf noch an die jeweiligen Besonderheiten des Falls anzupassen ist, entspricht seinem Wesen.

  1. Dem Kostenanspruch des Kostengläubigers steht ein Notarhaftungsanspruch der Kostenschuldner aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO in entsprechender Höhe entgegen, den sie auch gegenüber dem Anspruch aus der Kostenrechnung aufgerechnet haben. Ein solcher Anspruch kann im Notarkostenbeschwerdeverfahren der Kostenforderung entgegengehalten werden, wenn er die abgerechnete Tätigkeit selbst betrifft oder aus typischen mit der Notartätigkeit zusammenhängenden Tatbeständen erwächst, wobei es bei dem Einwand der Amtspflichtverletzung ohne Bedeutung ist, ob die Pflichtwidrigkeit des Notars in einer unrichtigen Sachbehandlung oder in einem sonstigen der Beurkundungstätigkeit vorgehenden pflichtwidrigen Verhalten des Notars liegt (Sikora in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl. 2015, § 127 GNotKG Rn. 36 m.w.N.). Hier ergibt sich der der Kostenforderung entgegenstehende Notarhaftungsanspruch nicht aus der der Kostenberechnung selbst zugrunde liegenden Tätigkeit, der Anfertigung eines Testamentsentwurfs, sondern der diesem Auftrag vorgelagerten beratenden Tätigkeit des Kostengläubigers.
  2. a) Die Anfertigung von Urkundsentwürfen fällt unter die selbstständigen Betreuungstätigkeiten des Notars nach 24 BNotO (Ganter, in: Handbuch der Notarhaftung, 3. Aufl. 2014, Rn. 2064). Inhalt und Umfang der Betreuungspflicht richten sich nach dem übernommenen Auftrag, insbes. auch danach, ob der Notar über die § 17 BeurkG analog geschuldete Aufklärung und Beratung hinaus auch  – wie es hier vorliegend unstreitig gewesen ist – zu einer Beratung verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 05.11.1992  – IX ZR 260/91– Juris Rn. 21). Zu unterscheiden ist sodann zwischen planender und gestaltender Beratung. Eine planende Beratung wird dem Notar übertragen, wenn die Ansuchenden noch nicht genau wissen, wie und mit welchem Inhalt sie die Angelegenheit regeln wollen; demgegenüber steht bei der sog. gestaltenden Beratung das Ziel fest und sind sich die Beteiligten nur über den einzuschlagenden Weg noch nicht schlüssig (Ganter, a.a.O., Rn. 964).

Der Kostengläubiger hat hier eine sog. planende Beratung geschuldet. In diesem Rahmen hatte er darüber zu unterrichten, dass schon die Anfertigung des Entwurfs eines Testaments erhebliche Kosten verursacht, da die Kostenschuldner sich – nach der Beratung – nicht einmal darüber im Klaren waren, ob sie überhaupt ein gemeinschaftliches Testament benötigen würden. Selbst bei der gestaltenden Beratung ist anerkannt, dass der Notar im Einzelfall, insbes. bei hohen Kosten und eingeschränkter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Beteiligten, über den Kostenfaktor informieren muss, da dieser für die Wahl der Gestaltungsmöglichkeit erheblich sein kann (Ganter, a.a.O., Rn. 975 m.w.N.).

Wissen die Beteiligten nicht einmal, ob ein notariell beurkundetes Testament für sie zweckmäßig ist, ist das Ansinnen des Notars im Rahmen der planenden Beratung, ihnen einen – kostenpflichtigen – Entwurf zukommen zu lassen, amtspflichtwidrig, wenn er die Beteiligten nicht über die dafür entstehenden Kosten informiert hat. Das folgt vorliegend auch daraus, dass der von dem Kostengläubiger übersandte Entwurf den Kostenschuldnern bei der Klärung der Frage, ob sie überhaupt ein gemeinsames Ehegattentestament brauchen, in keiner Weise helfen konnte. Soweit der Kostengläubiger darauf verweist, dass der Notar im Rahmen seiner Amtstätigkeit nicht über deren Kosten zu belehren habe, ist dies – jedenfalls grds. – richtig (Senat, Beschl. v. 21.10.2010 – 9 W 195/10 – Juris Rn. 19 m.w.N.).

Darum geht es hier jedoch nicht, sondern um eine Beratungstätigkeit i.S.v. § 24 BNotO, in deren Rahmen der Notar, wie vorstehend ausgeführt, durchaus auch über die Kostenseite einer etwaigen notariellen Tätigkeit zu informieren hat.

  1. b) Die aufgezeigten amtspflichtwidrigen Mängel bei der Beratung der Kostenschuldner waren schuldhaft – der Kostengläubiger musste wissen, dass er im Rahmen seiner Beratungstätigkeit nach 24 BNotO über die Kosten der von den Kostenschuldnern erwogenen Tätigkeit aufzuklären hatte – und haben die Kostenschuldner dazu bewegt, von ihm in Unkenntnis der dabei entstehenden Kosten einen Urkundsentwurf anzufordern. Hätte der Kostengläubiger sie auf die Kosten hierfür hingewiesen, hätten die Kostenschuldner aufgrund des geringen Bedürfnisses für ein notarielles Testament und ihrer angespannten finanziellen Lage davon abgesehen, einen dreiseitigen Entwurf eines Standard-Testaments für 852,69 € anzufordern. Der Schaden besteht darin, dass sie sich der Kostenforderung des Kostengläubigers aus der angefochtenen Kostenberechnung ausgesetzt sehen. Anrechenbare Vorteile hatten die Kostenschuldner aus der Übersendung des für sie unbrauchbaren Entwurfs nicht. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO für einen dem Kostenanspruch des Kostengläubigers in gleicher Höhe entgegenstehenden Notarhaftungsanspruch sind mithin gegeben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es entspricht in gerichtlichen Verfahren in Notarkostensachen regelmäßig der Billigkeit gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die Kostenentscheidung jedenfalls dann, wenn die Kostenberechnung einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand hält, grds. am Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten zu orientieren (Senat, Beschl. v. 25.03.2015 – 9 W 42–46/14 – Juris Rn. 29). Das gilt umso mehr, wenn die Kostenberechnung, wie hier, im Hinblick auf eine Amtspflichtverletzung und den sich daraus ergebenden Notarhaftungsanspruch aufzuheben war.

 

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