Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 861/10
Inhaltskontrolle; ,Leistungspflichten;
Tenor:
– 14 Ca 10581/09 – wird zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch über den zeitlichen Umfang der Arbeitszeit des Klägers. In dem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es in § 2 Ziffer 2:
„Der Mitarbeiter ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten, wobei diese Arbeitstage auch auf Samstage, Sonnt- und Feiertage fallen können. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem jeweiligen Diensteinsatzplan, der von der Gesellschaft rechtszeitig im Voraus erstellt wird. (…)“
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 08.06.2010 überwiegend stattgegeben und festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis mit einer monatlichen Arbeitszeit von 160 Stunden besteht. Dies folge wegen der Unwirksamkeit der Arbeitszeitklausel in dem Formulararbeitsvertrag der Parteien aus der allgemeinverbindlichen Regelung in § 2 Nr. 1 des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2005 (MTV NRW). Wegen der Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Begründung wird auf Blatt 92 ff. der Akten Bezug genommen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, ein Vollzeitarbeitsverhältnis sei gerade nicht vereinbart worden. Die Arbeitszeitklausel im Arbeitsvertrag schreibe jedenfalls eine monatliche (Mindest-)Arbeitszeit von 150 Stunden fest. Zudem bestünden auch Bedenken gegen die Streichung der Gesamtregelung, weil durch die Klausel eine Arbeitszeit von 150 Stunden als vertragliche Hauptleistung des Arbeitnehmers definiert werde. Gemäß § 307 Abs. 3 BGB unterlägen aber Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig keiner Inhaltskontrolle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 14 Ca 1581/09 – vom 08.06.2010, zugestellt am 23.10.2010, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Arbeitsgericht ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Berufungsgerichts zu vergleichbaren Fallgestaltungen mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte den Kläger in Umfang von 160 Stunden monatlich zu beschäftigen hat. Die dagegen erhobenen Einwände der Berufung greifen nicht durch. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Der Kläger kann beanspruchen, monatlich mit mindestens 160 Stunden beschäftigt zu werden. Dieser Anspruch folgt wegen der Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer Arbeitszeit von 150 Stunden „im monatlichen Durchschnitt“ aus § 611 BGB i. V. m. § 2 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW vom 08.12.2005.
Mit der Klausel wird die vertragliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers einem sehr weitgehenden Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers unterworfen. Der Umfang der Leistungspflicht muss aber so bestimmt und zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was „auf ihn zukommt“, d. h. welche Leistung er maximal erbringen muss.
Die Klausel in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ist in mehrfacher Hinsicht völlig unbestimmt. Sie enthält nicht nur hinsichtlich der monatlichen Höchst- bzw. Mindestleistung irgendeine Grenze, es ist in ihr auch in keiner Weise festgelegt, in welchem Zeitraum der monatliche Durchschnitt von 150 Stunden zu erreichen ist. Es lässt sich nicht erkennen, ob die monatlich durchschnittlichen 150 Stunden im Jahr erreicht werden müssen oder gar erst in mehreren Jahren. Der Kläger kann nicht mit einer monatlichen Mindestvergütung, nicht einmal mit einer jährlichen rechnen, die er für die Planung seines privaten Lebens benötigt. Die Klausel ist gänzlich intransparent (vgl. auch BAG, 01.09.2010 – 5 AZR 517/09).
Die Klausel des § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ist aber – wie gezeigt – schon mangels hinreichender Transparenz unwirksam. Auch die Regelung von Hauptleistungspflichten unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BAG, 01.09.2010 – 5 AZR 517/09).
Darüber hinaus aber sind vertraglich eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrechte auch im Bereich der Hauptleistungspflichten kontrollfähig (vgl. HWK/Gotthardt, 4. Aufl., § 307 BGB Rz. 8 m.w.N.; ErfK/Preis §§ 305 – 310 Rn. 40). Die Klausel des § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages stellt die Bestimmung, wie viel Stunden monatlich geleistet werden müssen in ein außerordentlich weites Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers. Das Leistungsbestimmungsrecht „im monatlichen Durchschnitt“ ist – wie oben gezeigt – untrennbar mit der Zahl 150 Stunden verbunden. Eine feste monatliche Stundenzahl sollte gerade nicht vereinbart werden, wie auch die Vertragspraxis zeigt. Daher muss im vorliegenden Fall auch unter dem Gesichtspunkt der reinen Angemessenheitskontrolle (außerhalb der Transparenzfrage) die Unwirksamkeit der Flexibilisierungsabrede auf die Abrede „150 Stunden“ durchschlagen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Dr. Kalb Hilbert-Hesse Dujardin
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