LG Dortmund, Urt. v. 14.11.2014 – 3 O 158/14
Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Beschenkte
Tatbestand:
Am 07.06.2011 verstarb der im Juni 1922 geborene Vater der Klägerin (nachfolgend Erblasser). Der Erblasser war verheiratet mit der im April 1927 geborenen […]. Er hinterließ drei Abkömmlinge, nämlich die Klägerin, den Beklagten und […]. Er war Eigentümer des bebauten Grundstücks […].
Mit notariell beurkundetem Vertrag v. 20.06.2005 übertrug er dieses Grundstück dem Beklagten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Beklagte räumte den Eltern der Parteien auf deren Lebensdauer ein dingliches Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung und zwei Kellerräumen ein. Er verpflichtete sich, mindestens 40.000,00 € an seinen Bruder […] zu zahlen, der auf Pflichtteilsansprüche beschränkt auf das Grundstück verzichtete.
Mit Anwaltsschreiben v. 17.10.2011 und v. 02.11.2011 forderte die Klägerin den Beklagten auf, Auskunft über den Bestand des Nachlasses und über Schenkungen zu erteilen.
Nach Beratung durch […] am 16.11.2011 erklärte der Beklagte am 17.11.2011 gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung der Erbschaft sowie die Anfechtung des Erbanfalls, weil ihm zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, dass eine Ausschlagungsfrist in Gang gesetzt worden sei.
Mit Anwaltsschreiben v. 17.11.2011 lehnte der Beklagte ab, Auskunft zu erteilen und erklärte sich bereit, die Wertermittlung des Grundstücks durch einen Sachverständigen zu dulden.
Mit Anwaltsschreiben v. 09.12.2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er die Erbschaft ausgeschlagen habe.
Am 02.07.2012 erklärte die Klägerin gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung der Erbschaft und die Anfechtung des Erbanfalls.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Pflichtteilsergänzung und die Erstattung der Kosten des von ihr am 10.12.2011 in Auftrag gegebenen Wertermittlungsgutachtens des Sachverständigen […] v. 18 01.2012 i.H.v. 1.666,00 €.
Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf das Gutachten v. 18.01.2012, der Verkehrswert des Grundstücks habe zum Zeitpunkt des Erbfalls mindestens 123.000,00 € betragen. Der Nachlass sei wertlos. Bank- und Sparguthaben sowie Schmuck oder werthaltige Gegenstände seien nicht vorhanden gewesen. Der Hausrat sei 25-30 Jahre alt und wertlos.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 11.916,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz seit dem 23.11.2011 zu zahlen und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, wegen einer Forderung i.H.v. 11.916,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz seit dem 23.11.2011 die Zwangsvollstreckung in das im Grundbuch des AG Hamm von […] eingetragene Grundstück […] in Größe von 592 qm mit aufstehendem Zweifamilienhaus mit Garagen zugunsten der Klägerin zu dulden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und hilfsweise, für den Fall, dass die Klage begründet ist, die Klägerin zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über sämtliche Schenkungen des Erblassers, welcher dieser vor seinem Tod an die Klägerin oder Dritte geleistet hat unter Angabe des Zuwendungsempfängers, weiter hilfsweise, Auskunft zu erteilen über sämtliche Zuwendungen des Erblassers, die gem. der §§ 2050 ff., 2057, 2057a, 2316 BGB zur Ausgleichung kommen können.
Der Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung. Er behauptet, vereinbart und an [….] gezahlt worden seien 73.000,00 €.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet, weil die Klägerin weder einen Anspruch auf Zahlung noch auf Duldung der Zwangsvollstreckung i.H.v. 11.916,00 € hat.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten gem. §§ 2314 Abs. 2, 2058, 1967 BGB. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob der Klägerin eine Nachlassforderung auf Erstattung der Gutachterkosten gem. § 2314 Abs. 2 BGB zusteht, denn der Beklagte haftet dafür nicht. Nach §§ 1967, 2058 BGB haften der Erbe bzw. Miterben als Gesamtschuldner für die Nachlassverbindlichkeiten.
Der Beklagte ist gem. § 1953 BGB kein Erbe, weil er die Erbschaft am 17.11.2011 gegenüber dem Nachlassgericht (§ 1945 BGB) wirksam ausgeschlagen hat. Die Ausschlagungsfrist von 6 Wochen (§ 1944 BGB) war zwar zu diesem Zeitpunkt abgelaufen mit der Rechtsfolge des § 1943 BGB. Der Beklagte hat aber die Versäumung der Ausschlagungsfrist, mit der die Erbschaft als angenommen gilt, am 17.11.2011 gem. §§ 1956, 1954 BGB wirksam gegenüber dem Nachlassgericht gem. § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtums angefochten, weil er sich ebenso wie die Klägerin unstreitig über die Folge des Ablaufs der Anfechtungsfrist, die ihm nicht bekannt war, geirrt hat.
Die wirksame Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist und damit der Annahme der Erbschaft gilt nach § 1957 BGB als Ausschlagung der Erbschaft.
Die Beweislast für eine eventuelle Nichteinhaltung der Anfechtungsfrist obliegt der Klägerin (Palandt, § 1954 Rn. 8, § 121 Rn. 6). Seiner sekundären Darlegungslast ist der Beklagte hinreichend nachgekommen.
Dahinstehen kann auch die streitige Schenkung des Grundstücks, denn ein Beschenkter haftet aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Kosten der Wertermittlung (BGHZ 107, 200, Palandt, § 2314 Rn. 17).
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch i.H.v. 10.250,00 € gem. §§ 2303, 2317, 2325 BGB. Der Beklagte ist nach dem oben Gesagten kein Erbe und haftet daher nicht für die Nachlassverbindlichkeiten zu denen auch der Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch zählen.
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob und ggfs. in welcher Höhe der Klägerin ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 2325, 2329 BGB zusteht, denn der Anspruch ist verjährt.
Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 195 BGB seit dem 01.01.2010 3 Jahre (Palandt, § 195 Rn. 6, § 197 Rn. 1, vor § 194 Rn. 3). Die Verjährungsfrist des dem Pflichtteilsberech-
Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beschenkten – ErbR 2015 Ausgabe 2 – 106 << >>
tigten nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten zustehenden Anspruchs beginnt nach § 2332 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall, vorliegend also am 07.06.2011. Die Verjährungsfrist lief damit am 07.06.2014 ab.
Die erst mit Schriftsatz v. 14.08.2014 erhobene Klageerweiterung auf Duldung der Zwangsvollstreckung erfolgte erst nach Ablauf der Verjährungsfrist.
Die vor dem Ablauf der Verjährungsfrist zugestellte Zahlungsklage v. 13.05.2014 begründet keine Hemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, weil der Duldungsanspruch nicht Streitgegenstand war und der Beklagte kein Erbe ist (BGH, Beschl. v. 13.05.2009 – IV ZA 5/09, OLG Zweibrücken, Urt. v. 24.03.2009 – 8 U 29/08, BeckOK, § 2332 Rn. 22, MünchKomm, § 2332 Rn. 10).
Auch der vorprozessuale Schriftwechsel begründet keine Hemmung gem. § 203 BGB, weil nicht der Duldungsanspruch sondern ein Auskunftsanspruch wegen der Verwaltung des Nachlasses und ein Zahlungsanspruch Gegenstand des vorprozessualen Schriftverkehrs und damit der Verhandlungen der Parteien war. Es gilt im Übrigen das zur Zahlungsklage Gesagte entsprechend.
Festzuhalten bleibt damit, dass die Klage nicht begründet ist. Über die insoweit bedingte Hilfswiderklage war daher nicht zu entscheiden.
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