Ein Rechtsanwalt kann auch auf Wunsch des Betroffenen nicht zum Betreuer bestellt werden, wenn er durch die Übernahme der Betreuung gegen ein Tätigkeitsverbot nach § 45 BRAO verstößt. Das ist der Fall, wenn er den Betroffenen im Betreuungsverfahren als Verfahrensbevollmächtigter vertritt.
Verstößt der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen durch die Weiterführung des Mandats gegen das Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO, ist die Bestellung des Verfahrenspflegers trotz § 276 Abs. 4 FamFG nicht aufzuheben.
Die Bestellung eines Betreuers ist bei einer umfassenden und zweifelsfrei wirksam erteilten Vorsorgevollmacht auch dann nicht erforderlich, wenn eine Bank nicht bereit ist, diese zu akzeptieren.
Der Beschluss des Amtsgerichts Moers vom 17.02.2015 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beteiligte zu 2.) wird als Betreuer der Betroffenen entlassen und das Verfahren zur einstweiligen Anordnung einer Betreuung eingestellt.
Die Entscheidung ist sofort wirksam.
I.
Die Betroffene leidet u.a. an einer Alzheimer-Erkrankung und Demenz sowie an einer organischen wahnhaften schizophrenuniformen Störung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das ärztliche Zeugnis der Ärztin T vom 30.01.2015 (Bl. 50/51 GA) verwiesen. Die Beteiligte zu 1.) ist von der Betroffenen mit notarieller Vollmacht vom 18.10.2006 (UR-Nr. 1241/06 K des Notars L) umfassend bevollmächtigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die notarielle Vollmacht (Bl. 9-15 GA) Bezug genommen. Die Beteiligte zu 1.) regte ihre einstweilige Bestellung zur Betreuerin an, u.a. weil die schweizerische V-Bank die Vorsorgevollmacht nicht akzeptiere. Das Amtsgericht hörte die Betroffene in Gegenwart ihrer Verfahrenspflegerin und ihres anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten an, wegen der Einzelheiten wird auf den Anhörungsvermerk vom 17.02.2015 (Bl. 61/62 GA) verwiesen. Im Anschluss erließ das Amtsgericht die angefochtene einstweilige Anordnung und bestellte den anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten zum vorläufigen Betreuer der Betroffenen bis zum 17.08.2015 mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Kontrolle eines Bevollmächtigten, Vermögensangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern. Der Beschluss wurde allen Beteiligten (nur) formlos übersandt. Die Beteiligte zu 1.) erhielt den Beschluss am 20.02.2015. Gegen den Beschluss vom 17.02.2015 richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.) aus dem Schriftsatz vom 05.03.2015, der am 06.03.2015 beim Amtsgericht eingegangen ist und der es mit Beschluss vom 06.03.2015 nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1.) ist zulässig, §§ 58 ff. FamFG. Die Beteiligte zu 1.) ist gemäß § 303 Abs. 4 FamFG und gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt.
Die Beschwerde ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG eingelegt worden. Die zweiwöchige Beschwerdefrist hat gemäß §§ 63 Abs. 3 S. 1, 15 Abs. 2 S. 1 FamFG, 189 ZPO am 20.02.2015 zu laufen begonnen, weil die Beschwerdeführerin den Beschluss an diesem Tage erhalten hat. Der Beschluss ist unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften im Sinne von § 189 ZPO zugegangen, weil es an einer nach § 41 Abs. 1 S. 1 FamFG erforderlichen ordnungsgemäßen Bekanntgabe fehlt, die gemäß § 15 Abs. 2 FamFG durch Zustellung oder Aufgabe zur Post erfolgen kann. Der Beschluss wurde vorliegend nicht durch Aufgabe zur Post bekanntgegeben, sondern nur formlos übersandt. Eine Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post setzt voraus, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in den Akten vermerkt, wann und an welche Anschrift das Schriftstück zur Post aufgegeben worden ist, ein formloser „Ab-Vermerk“ genügt nicht, weil der Vermerk die Zustellungsurkunde nach § 182 ZPO ersetzt (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 15, Rn. 69a/69b). § 15 Abs. 3 FamFG gestattet eine formlose Übersendung aber nur dann, wenn eine Bekanntgabe nicht geboten ist. Verfahrensabschließende Beschlüsse sind gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 FamFG zwingend bekanntzugeben.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Sie ist auch in der Sache begründet.
Es bestand kein Anlass, den Beteiligten zu 2.) einstweilen zum Betreuer der Betroffenen zu bestellen. Es besteht bereits kein „dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden“ des Gerichts im Sinne von § 300 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Die Betroffene hat eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt, die von der Beteiligten zu 1.) auch wahrgenommen wird und bei der keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die gegen deren Wirksamkeit sprechen.
Aufgrund der erteilten Vorsorgevollmacht ist die Anordnung der Betreuung überdies nicht erforderlich, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, die an der Wirksamkeit der am 18.10.2006 nota- riell beurkundeten Vollmacht zweifeln ließen. Die Betroffene hat die Vollmacht auch nicht widerrufen. Dass einige Banken die Vollmacht nicht zu akzeptieren bereit sind, ändert daran nichts. Diese sind bei unberechtigter Weigerung notfalls im ordentlichen Rechtswege dazu zu zwingen.
Auch die (mit angeordnete) Bestellung eines Kontrollbetreuers im Sinne des § 1896 Abs. 3 BGB ist nicht erforderlich. Eine Kontrollbetreuung darf wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB) nur dann errichtet werden, wenn sie erforderlich ist (BGH FGPrax 2011, 178 [BGH 30.03.2011 – XII ZB 537/10]). Das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung kann nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen, weil der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall errichtet hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden (BGH FGPrax 2011, 178 [BGH 30.03.2011 – XII ZB 537/10]). Dieser Wille ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten, § 1896 Abs. 1a BGB (BGH FGPrax 2011, 178 [BGH 30.03.2011 – XII ZB 537/10]). Demgemäß kann eine Kontrollbetreuung nur dann angeordnet werden, wenn der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht besteht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (BGH FGPrax 2011, 178 [BGH 30.03.2011 – XII ZB 537/10]). Dafür sind konkrete Bedenken gegen die Redlichkeit oder Tauglichkeit des Bevollmächtigten erforderlich, aufgrund derer konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (BGH FGPrax 2011, 178 [BGH 30.03.2011 – XII ZB 537/10]).
Derartige Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus dem mündlichen ärztlichen Zeugnis der behandelnden Ärztin J, welches im Anhörungsvermerk vom 17.02.2015 niedergelegt ist, dass der Eindruck der Betroffenen, der Tochter „gehe es um das Geld“ auf einer krankheitsbedingten Wahnvorstellung der Betroffen beruhe. Konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten finden sich nicht und werden auch von der Betroffenen selbst nicht benannt. Trotz der nach § 26 FamFG bestehenden Amtsermittlungspflicht besteht daher keine Pflicht des Gerichts zu weiteren Nachforschungen ins Blaue hinein (vgl. BGH FGPrax 2011, 178 [BGH 30.03.2011 – XII ZB 537/10]).
Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Bestellung des Beteiligten zu 2.) zum Betreuer der Betroffenen. Dieser ist als Betreuer der Betroffenen ungeeignet gemäß § 1897 Abs. 1 BGB. Ein Rechtsanwalt, der mit der Übernahme des Betreueramts gegen ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 2 BRAO verstößt, kann auch auf Wunsch des Betroffenen nicht zum Betreuer bestellt werden (BGH NJW 2014, 935 [BGH 18.12.2013 – XII ZB 460/13]). Der Beteiligte zu 2.) hat durch die Übernahme des Betreueramtes gegen § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO verstoßen. Er war (und ist!) innerhalb des vorliegenden gerichtlichen Betreuungsverfahrens anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter der Betroffenen und damit mit der Betreuungsangelegenheit als Rechtsanwalt befasst. Er darf daher das Betreueramt gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO nicht übernehmen (vgl. dazu auch LG Kleve, Beschluss vom 20.10.2014, Az.: 4 T 429/14 und 4 T 436/14, zitiert nach […], bestätigt durch BGH, Beschluss vom 28.01.2015, Az.: XII ZB 569/14 zur Unzulässigkeit der Übernahme des Betreueramtes durch den vormaligen anwaltlichen Verfahrenspfleger).
Die Bestellung der Beteiligten zu 3.) zur anwaltlichen Verfahrenspflegerin der Betroffenen war nicht nach § 276 Abs. 4 FamFG aufzuheben, auch wenn die Betroffene durch den Beteiligten zu 2.) anwaltlich vertreten wird. Ab Übernahme des Betreueramtes verstößt der Beteiligte zu 2.) durch die Weiterführung des Mandats gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO. Insoweit gebietet die staatliche Fürsorgepflicht für die Betroffene, die Verfahrenspflegerbestellung aufrechtzuerhalten.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, § 81 FamFG.
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 287 FamFG.
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