Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat, 2 U 95/15 GmbH: Voraussetzung für die Ausübung von Gesellschafterrechten durch Erben

Mai 14, 2018

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat, 2 U 95/15

GmbH: Voraussetzung für die Ausübung von Gesellschafterrechten durch Erben

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Oktober 2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des Landgerichts sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 

A.

 

Die Klägerin macht die Unwirksamkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.04.2015 geltend, mit dem der Geschäftsanteil ihres verstorbenen Ehemannes Dr. J. K. eingezogen worden ist.

 

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand die Produktion und der Vertrieb von Damen-Hygieneartikeln ist. Sie wurde im Jahre 2012 mit einem Stammkapital von 25.000 € gegründet. Gründungsgesellschafter waren der o.g. Dr. J. K. und M. C., jeweils mit einem Geschäftsanteil von 12.500 €. M. C. wurde von den Gesellschaftern zum alleinigen Geschäftsführer bestellt.

 

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu UR Nr. 86/2012 des Notars Dr. T. F. in A. vom 24.01.2012 (künftig: Satzung) enthält in Ziffer VI. Bestimmungen über Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse; danach gilt für Abstimmungen grundsätzlich das einfache Mehrheitsprinzip. Eine Bestimmung über die Versammlungsleitung in Gesellschafterversammlungen enthält die Satzung nicht. Weiter ist geregelt, dass – soweit keine notarielle Niederschrift aufgenommen wird – unverzüglich eine Niederschrift anzufertigen ist, in welcher der Tag der Verhandlung oder Beschlussfassung sowie der Inhalt der gefassten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung anzugeben sind.

 

Ziffer IX. 2. lit. d) der Satzung sieht unter anderem für den Fall des Versterbens eines Gesellschafters die Einziehung von dessen Geschäftsanteil „ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters“ vor. Nach IX. 3. ist der Beschluss mit einfacher Mehrheit zu fassen, wobei „der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht“ hat. In Ziffer IX. 5. heißt es hierzu weiter:

 

„Die Einziehung kann jedoch nur innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt beschlossen werden, in dem die Gesellschaft und alle Gesellschafter von den Einziehungsvoraussetzungen Kenntnis erlangt haben. …“

 

Im Falle der Einziehung ist dem betroffenen Gesellschafter nach Ziffer X. 1. eine Abfindung zu zahlen, für deren Festsetzung die Satzung weitere Regelungen enthält.

 

Am 26.08.2014 verstarb der Gesellschafter Dr. J. K.. Hierüber informierte die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten telefonisch am 27.08.2014. Am selben Tage hielt dieser eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss die Einziehung des Geschäftsanteils des verstorbenen Mitgesellschafters, worüber er eine Niederschrift verfasste. Der Geschäftsführer der Beklagten informierte die Klägerin am 18.09.2014 in einem persönlichen Gespräch über diesen Beschluss. Nach übereinstimmenden Angaben beider Prozessparteien befand sich die Unternehmung im Jahr 2014 in einer wirtschaftlich schwierigen Lage.

 

In der Folgezeit kam es zu verschiedenen Gesprächskontakten zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.03.2015, beim jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 23.03.2015 eingegangen, informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass sie nach den am 18.11.2014 eröffneten Verfügungen des Erblassers von Todes wegen, und zwar in Form zweier Erbverträge, als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Dem Schriftsatz waren das Eröffnungsprotokoll des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Köln vom 18.11.2014 und beide Erbverträge in Kopie beigefügt. Der Geschäftsführer der Beklagten trug die Klägerin nicht in die Liste der Gesellschafter der Beklagten ein.

 

Mit Schreiben vom 10.04.2015 lud der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin („rein vorsorglich“) zu einer Gesellschafterversammlung am 23.04.2015 ein; als Gegenstand der Versammlung wurde die Erörterung der bisherigen Einziehung des Geschäftsanteils des verstorbenen Mitgesellschafters und dessen vorsorgliche erneute Einziehung angekündigt. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Schreiben Bezug genommen.

 

An der Gesellschafterversammlung am 23.04.2015 nahmen der Geschäftsführer der Beklagten und Rechtsanwalt W. für die Klägerin teil. Der Vertreter der Klägerin, Rechtsanwalt W., widersprach der Versammlungsleitung durch den Geschäftsführer der Beklagten. Der Geschäftsführer der Beklagten verkündete in der Versammlung den Beschluss, den Geschäftsanteil des verstorbenen Mitgesellschafters einzuziehen. Er hat unwidersprochen vorgetragen, dass er während der Verhandlung ein Protokoll erstellt habe; eine Abschrift hiervon ist weder der Klägerin ausgehändigt worden noch zur Gerichtsakte gelangt.

 

Am 25.08.2015 informierte die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten darüber, dass sie die Beantragung eines Erbscheins erwäge und ihr Steuerberater ihr geraten habe zu prüfen, ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen solle. Im Hinblick auf diese Entscheidung erbat sie weitere Informationen.

 

Die Klägerin hat mit ihrer am 26.05.2015 beim Landgericht eingereichten und der Beklagten am 25.06.2015 zugestellten Klage den Gesellschafterbeschluss vom 23.04.2015 angefochten und hilfsweise dessen Nichtigkeit geltend gemacht. Sie hat den Beschluss für fehlerhaft erachtet, weil über die Einziehung des Geschäftsanteils ihres verstorbenen Ehegatten nicht innerhalb der 3-Monats-Frist entschieden worden sei, weil die Gesellschafterversammlung mangels Wahl eines Versammlungsleiters und mangels Protokollierung keine wirksamen Beschlüsse habe fassen dürfen, weil die Feststellung des Beschlusses mangels Wahl eines Versammlungsleiters nicht habe erfolgen können und weil die Einziehung wegen ausstehender Zahlung des Abfindungsbetrages noch keine Wirksamkeit entfalte. Im Übrigen sei die Einziehung angesichts des geringen Betrags der Abfindung rechtsmissbräuchlich, weil die Einziehung nur auf ein Herausdrängen der Klägerin und ihrer Kinder aus der Unternehmung gerichtet gewesen sei.

 

Die Beklagte hat sich auf die Wirksamkeit des (ersten) Einziehungsbeschlusses vom 27.08.2014 berufen und hierzu unwidersprochen – und bestätigt durch Ziffer II. 1. der Gründungsurkunde – vorgetragen, dass die Gesellschafterversammlungen der Beklagten stets spontan, d.h. ohne förmliche Einberufung, und unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften abgehalten worden seien.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und sich allein darauf gestützt, dass die Klägerin mangels Eintragung in die Gesellschafterliste keine Anfechtungsbefugnis innehabe.

 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.11.2015 zugestellte Urteil mit einem am 14.12.2015 (Montag) beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel innerhalb der bis zum 15.02.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

 

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.04.2015.

 

Sie beantragt,

 

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

 

den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.04.2015 für nichtig zu erklären,

 

hilfsweise festzustellen, dass der o.a. Beschluss nichtig ist.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung.

 

Der Senat hat am 26.08.2016 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 26.08.2016 Bezug genommen.

B.

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

 

Die Anfechtungsklage der Klägerin und deren hilfsweise erhobene Feststellungsklage sind jeweils zulässig, aber unbegründet. Die Einziehung des Geschäftsanteils des Gründungsgesellschafters Dr. J. K. (künftig: der Geschäftsanteil) ist wirksam vorgenommen worden.

 

  1. Die auf die Nichtigerklärung bzw. auf die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.04.2015 gerichtete Klage ist zulässig. Die Klägerin hat insbesondere auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihr unternommene Rechtsverfolgung.

 

  1. Allerdings hat die Beklagte, ohne dass das Landgericht dem nachgegangen wäre, zu Recht darauf verwiesen, dass der Klägerin das für die Prozessführung erforderliche rechtlich schützenswerte Interesse fehlen würde, wenn der Geschäftsanteil bereits mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 27.08.2014 wirksam eingezogen worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.

 

  1. Der Beschluss vom 27.08.2014 ist gesetzeswidrig und deswegen nichtig, weil entgegen § 51 Abs. 1 GmbHG nicht alle beiden Gesellschafter der Beklagten zu dieser Gesellschaftsversammlung geladen worden sind. Für diese Feststellung kann noch offen bleiben, wer am 27.08.2014 anstelle des verstorbenen Gesellschafters Dr. J. K. hätte geladen werden müssen. Die Nichtigkeit des Beschlusses ist von Amts wegen zu berücksichtigen; hierfür bedurfte es keiner besonderen Feststellungs- oder Anfechtungsklage.

 

  1. a) aa) Nach Ziffer VI. 1. S. 1 der Satzung waren Beschlüsse grundsätzlich in einer Gesellschafterversammlung zu fassen, das galt nach § 46 Nr. 4 GmbHG insbesondere auch für den Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils. Der Geschäftsführer der Beklagten ging am 27.08.2014 ebenfalls von der Notwendigkeit einer entsprechenden Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung aus. Nach § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG hatte die Einberufung der Versammlung durch eingeschriebenen Brief zu erfolgen und war nach S. 2 mindestens mit einer Frist von einer Woche zu bewirken. Die Satzung enthält keine von § 51 Abs. 1 GmbHG abweichende Regelung zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung.

 

  1. bb) Danach hätte eine form- und fristgerechte Ladung auch gegenüber dem Mitgesellschafter, ggf. gegenüber dessen Vertreter oder dessen Rechtsnachfolger bzw. dessen Vertreter erfolgen müssen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Gesellschaft zwar Kenntnis vom Tod eines Gesellschafters hat – diese Kenntnis erlangte hier der Geschäftsführer der Beklagten am 27.08.2014 vor Einberufung der Gesellschafterversammlung -, aber die Erbfolge noch nicht geklärt ist, kann eine ordnungsgemäße Einberufung und Ladung beispielsweise vollzogen werden, wenn für die verstorbene Person ein Vertreter – auch über deren Tod hinaus – bevollmächtigt ist. Denn für die Gesellschaft gilt die verstorbene Person noch als Gesellschafter, weil sie in der Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG), auch wenn diese Person nicht mehr existiert und ihre Rechte selbst nicht mehr wahrnehmen kann.

 

  1. cc) Es ist unstreitig, dass die Gesellschafterversammlung vom 27.08.2014 spontan, d.h. ohne förmliche Einberufung, vom Geschäftsführer der Beklagten abgehalten wurde und er der einzige Anwesende war. Der weitere eingetragene, zuvor verstorbene Gesellschafter war nicht vertreten.

 

  1. b) Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, dass die beiden Gründungsgesellschafter auf diese Formalien regelmäßig verzichtet hätten, haben sie hierüber keine Satzungsregelung getroffen, sondern – entsprechend der Regelung des § 51 Abs. 3 GmbHG – den Einberufungsmangel jeweils durch das Abhalten einer sog. Vollversammlung aller Gesellschafter unter Einvernehmen mit der Abhaltung der Versammlung geheilt. Das traf jedoch nicht für die Gesellschafterversammlung vom 27.08.2014 zu.

 

  1. c) Wird ein Gesellschafter nicht geladen, so liegt keine ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung vor. Hierin liegt ein Nichtigkeitsgrund (vgl. auch § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog). Eine Heilung durch eine Vollversammlung (vgl. auch § 242 Abs. 2 S. 4 AktG) ist per se ausgeschlossen (vgl. Lange NJW 2016, 1852, 1853).

 

  1. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist unbegründet.

 

  1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass der Klägerin die Anfechtungsbefugnis für die Erhebung dieser Klage fehlt. Die Beklagte darf sich im vorliegenden Rechtsstreit auch auf die fehlende Anfechtungsbefugnis der Klägerin berufen.

 

  1. a) Im Verhältnis zur Gesellschaft, hier zur Beklagten, darf sich im Falle einer Veränderung in der Person des Gesellschafters nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG auf die Rechte eines Gesellschafters nur derjenige berufen, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Diese Bestimmung gilt uneingeschränkt auch im Erbfall.

 

  1. aa) Allerdings haben die Prozessparteien, insbesondere die Klägerin im Rahmen ihrer Berufungsbegründung, zutreffend darauf verwiesen, dass die Auslegung der vorgenannten Vorschrift in der gesellschaftsrechtlichen Literatur umstritten ist. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Gesetzgeber sich mit der Neuregelung des § 16 Abs. 1 GmbHG an der Regelung des § 67 Abs. 2 AktG orientiert hat, welche das Konzept der relativen Rechtsstellung des Gesellschafters bereits für die Namensaktie begründet hatte (vgl. BR-Drs. 354/07, S. 84: „Die Änderung des § 16 lehnt sich an das Regelungsmuster des § 67 Abs. 2 AktG an.“; S. 85: „Die Gesellschafterliste wird dogmatisch an das Aktienregister bei der Namensaktie angenähert, bei dem sich Probleme aus der relativen Rechtsstellung nicht ergeben haben.“). Für die Parallelvorschrift geht die wohl (noch) überwiegende Meinung davon aus, dass mit dem Erbfall nicht nur die materiell-rechtliche Inhaberschaft übergeht, sondern auch die formell-rechtliche Legitimation als ein selbständiger, von der Mitgliedschaft losgelöster Vermögenswert (vgl. Lutter/ Drygala in: Kölner Komm. z. AktG, 3. Aufl. 2011, § 67 Rn. 71; Merkt in: Hopt/ Wiedemann, Großkomm. z. AktG, 4. Aufl. 2008, § 67 Rn. 76). Dem folgt für das GmbHG lediglich eine Mindermeinung (vgl. Altmeppen in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 16 Rn. 21 f.). Der Senat schließt sich der teilweise für das Aktienrecht (vgl. Cahn in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 67 Rn. 38), mehrheitlich jedoch für das GmbH-Recht vertretenen Gegenauffassung an, wie zuvor bereits das Oberlandesgericht Zweibrücken (vgl. Beschluss v. 15.12.2011, 3 W 144/11, GmbHR 2012, 689, in juris Tz. 5).

 

  1. bb) Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG n.F. differenziert nicht nach der Art der Rechtsnachfolge, sondern erfasst sowohl die Einzel- als auch die Gesamtrechtsnachfolge.

 

  1. cc) Die Gesetzesgenese zeigt, dass eine Differenzierung zwischen Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge auch nicht gewollt war. In der Begründung des Gesetzesentwurfs ist das ausdrücklich niedergelegt (vgl. BR-Drs. 354/07, S. 86: „Die Vorschrift gilt nicht nur bei rechtsgeschäftlicher Übertragung durch Abtretung, sondern bei allen Formen des Anteilsübergangs, insbesondere bei der Gesamtrechtsnachfolge.“). Damit ist der Gesetzgeber der ihm bekannten Rechtsauffassung zu § 67 Abs. 2 AktG bewusst nicht gefolgt.

 

  1. dd) Mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungssystematik lässt sich eine Differenzierung zwischen den Fällen der Einzelrechtsnachfolge und den Fallgestaltungen der Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere der erbrechtlichen Universalsukzession, nicht vereinbaren. Die vorgenannte gesetzliche Regelung folgt, ebenso wie bereits die Vorgängerregelung des § 16 Abs. 1 GmbHG a.F., dem Konzept der relativen Rechtsstellung des Gesellschafters. Im Unterschied zur Vorgängerregelung, welche an die ordnungsgemäße Anmeldung des Gesellschafterwechsels und damit zwar an ein formales, aber hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Anmeldung immer noch streitträchtiges Kriterium anknüpfte, hat der Gesetzgeber mit der Schaffung der Gesellschafterliste durch das am 01.01.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ein Rechtsinstitut geschaffen, das die Frage, wen die Gesellschaft als Gesellschafter zu behandeln hat, nicht nur von dem mitunter schwer festzustellenden Umstand, wer materiell-rechtlich wirksam Inhaber der Geschäftsanteile ist, entkoppelt hat, sondern auch von weiteren formalen Prüfungsfragen – der Blick auf die im Handelsregister hinterlegte Liste schafft ohne weiteres Rechtsklarheit (vgl. nur Heidinger ZNotP 2012, 449, 453; Miersch NZG 2015, 1336; Seibt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012-2015, § 16 Rn. 1 und 2 m.w.N.; vgl. auch Entwurf der Bundesregierung für das MoMiG vom 25.05.2007, BR-Drs. 354/07, S. 85: „Ohne die Eintragung und die Aufnahme der Liste in das Handelsregister bleibt dem Neugesellschafter allerdings die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte verwehrt, da ihm gegenüber der Gesellschaft erst mit Aufnahme der entsprechend geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister die Gesellschafterstellung zukommt.“ und: „Das Abstellen auf diesen Zeitpunkt dient der durch die Neufassung angestrebten Transparenz der Anteilsverhältnisse, da die Liste ab der Aufnahme im Handelsregister eingesehen werden kann.“). Daraus folgt zugleich, dass die materiell-rechtliche Inhaberschaft an den Geschäftsanteilen und die formell-rechtliche Legitimation als Gesellschafter auseinanderfallen können. Die Gesellschaft darf und muss nur denjenigen als einen Gesellschafter mit mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten behandeln, der formell-rechtlich legitimiert ist; auf die materielle Rechtslage kommt es nicht an (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur Urteil v. 13.10.2008, II ZR 76/07, GmbHR 2009, 38, in juris Tz. 7 m.w.N. – noch zu § 16 GmbHG a.F.).

 

  1. ee) Entscheidend ist aus Sicht des Senats, dass der Zweck der Legitimationsvorschrift, Rechtssicherheit zu schaffen, durch eine Ausnahme vom Abstellen auf den formalen Legitimationsträger eingeschränkt werden würde (so auch Miersch, a.a.O., 1337). Die Gesellschaft soll gerade von den Risiken der Unsicherheiten über die materielle Rechtslage befreit werden. Diese Unsicherheiten bestehen auch beim Erbfall. Es ist zwar gewiss, dass der Verstorbene seine mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten nicht mehr ausüben bzw. erfüllen kann, im Zusammenhang mit der Erbschaft können jedoch eine Vielzahl von Unsicherheiten auftreten, gerade für einen juristischen Laien, so z.B. im Hinblick auf eine etwaige Testierunfähigkeit des Erblassers, auf Formmängel der letztwilligen Verfügung oder Zweifel an deren Authentizität bzw. im Hinblick auf die Auslegung einer letztwilligen Verfügung, bezüglich der Erbenermittlung (vgl. Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2015, § 16 Rn. 17), oder auch im Hinblick darauf, ob die Erbschaft von einem berufenen Erben (wirksam) ausgeschlagen worden ist bzw. noch ausgeschlagen werden kann, ob Haftungsbeschränkungen für den oder die Erben gelten u.s.w. (vgl. Heidinger, a.a.O., S. 454; Seibt, a.a.O., § 16 Rn. 18, 22, 24).

 

  1. ff) Soweit die Gegenauffassung mit dem Eintritt des Erben in die formale Legitimation argumentiert, ist darauf zu verweisen, dass der rechtsgeschäftliche Erwerber ebenso in die (gesamte) Rechtsstellung des veräußernden Gesellschafters eintritt, d.h. im Zweifel nicht nur in die materielle, sondern zumindest konkludent auch in dessen formale Rechtsstellung; insoweit unterscheidet sich der Erbfall nicht von jedem anderen Erwerbstatbestand (vgl. Wolff BB 2010, 454, 455). Das Gesetz erfordert gleichwohl eine aktive Umsetzung durch Aktualisierung der Gesellschafterliste.

 

  1. gg) Tatsächlich unterscheidet sich die erbrechtliche Rechtsnachfolge nur dadurch von der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung, dass im Erbfall der bisherige Gesellschafter nicht mehr in der Lage ist, seine Gesellschafterrechte selbst auszuüben oder seinen Rechtsnachfolger, den Erben, zur Ausübung der Gesellschaftsrechte zu ermächtigen, also in der sog. Vakanz. Hierdurch ist aber eine Abweichung vom ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen nicht gerechtfertigt. Dem Gesellschafter ist eine rechtsgeschäftliche Vorsorge durch Erteilung einer Vollmacht von Todes wegen bzw. über den Todesfall hinaus möglich (vgl. Wolff, a.a.O., S. 456). Die Gesellschaft hat es in der Hand, im Falle eilbedürftiger Entscheidungen durch das Hinwirken auf die Bestellung eines Nachlasspflegers für die (noch) unbekannten Erben und dessen Eintragung in die Gesellschafterliste eine Möglichkeit der Einberufung und Durchführung der Gesellschafterversammlung herzustellen. Der Erbprätendent wiederum kann seine Eintragung in die Gesellschafterliste durch die Mitteilung und den Nachweis seiner Erbenstellung, z.B. durch Vorlage eines Erbscheins, rasch herbeizuführen (vgl. Wiersch, a.a.O., S. 1338; auch BR-Drs. 354, S. 86: „Dem eintretenden Gesellschafter steht ein Rechtsanspruch auf Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister zu. Eine entsprechende einklagbare Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber dem Neugesellschafter ist bei § 67 Abs. 2 AktG ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung anerkannt. Gleiches gilt aufgrund der Parallelität der Vorschriften künftig auch für die GmbH. Insbesondere finden auch für den Anspruch auf Einreichung der Gesellschafterliste die Regeln des einstweiligen Rechtsschutzes Anwendung. …“). Der Gesetzgeber hat, wie seine Entwurfsbegründung erkennen lässt, der Rechtssicherheit den Vorrang vor praktischen Umsetzungsproblemen und damit verbundenen Verzögerungen eingeräumt (vgl. BR-Drs. 354/07, S. 86: „Die Verkehrsfähigkeit von GmbH-Anteilen wird hierdurch nicht eingeschränkt, da die Eintragung in die Gesellschafterliste sehr zeitnah erfolgen kann, wozu auch die elektronische Einreichung zum Handelsregister beiträgt.“).

 

  1. hh) Soweit die Gegenauffassung – und so argumentiert auch die Klägerin – schließlich in einem Erbschein ein höherwertiges Beweismittel als in der Gesellschafterliste sieht und deswegen die Ausnahme vom formalen Listensystem für geboten erachtet, ist der Gesetzgeber dieser Wertung evident nicht gefolgt. Wie sich aus den Vorausführungen ergibt, besteht im Falle des Vorliegens eines Erbscheins auch keine Notwendigkeit, den Grundsatz der formalen Legitimation zu durchbrechen, weil mit diesem Erbrechtsnachweis die formale Legitimation schnell herbeigeführt werden kann und auch insoweit der Verkehrssicherheit der Vorrang vor einer (scheinbar höheren) Einzelfallgerechtigkeit einzuräumen ist. Zudem hat im vorliegenden Fall die Klägerin der Beklagten jedenfalls bis zum 23.04.2015 keinen Erbschein vorgelegt. Wie sich aus der eMail ihres Rechtsanwalts vom 25.08.2015 ergibt, hat sie bis zu diesem Zeitpunkt die Erteilung eines Erbscheins nicht einmal beantragt und vielmehr noch eine Ausschlagung der Erbschaft erwogen.

 

  1. b) Die Klägerin war und ist nicht in die Liste der Gesellschafter der Beklagten eingetragen, so dass sie gegenüber der Beklagten keine mitgliedschaftlichen Rechte geltend machen kann, insbesondere auch keine Befugnis zur Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung innehat.

 

  1. c) Der Beklagten ist es auch nicht ausnahmsweise verwehrt, sich auf die fehlende Eintragung der Klägerin in die Gesellschafterliste zu berufen. Insbesondere kann der Senat nicht feststellen, dass die Geltendmachung der fehlenden Anfechtungsbefugnis der Klägerin durch die Beklagte hier rechtsmissbräuchlich wäre. Die Nichterweislichkeit eines Rechtsmissbrauchs fällt der Klägerin zur Last, die sich hierauf berufen hat.

 

  1. aa) Allerdings wird es allgemein als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sich die Gesellschaft gegenüber einem Neugesellschafter auf die fehlende Eintragung in die Gesellschafterliste beruft, obwohl sie die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste selbst zu vertreten hat (vgl. nur Fastrich, a.a.O., § 16 Rn. 11 m.w.N.). Das kann insbesondere deswegen der Fall sein, weil der Geschäftsführer der Gesellschaft nach § 40 Abs. 1 GmbHG nach Mitteilung des Erbfalls und nach der Vorlage von Nachweisen zum Erbrecht, deren Qualität in der Vorschrift nicht näher beschrieben ist, verpflichtet ist, die Gesellschafterliste unverzüglich zu aktualisieren. Eine rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Eintragung der Klägerin in die Gesellschafterliste der Beklagten hat die Klägerin jedoch nicht schlüssig dargelegt.

 

  1. bb) Die telefonische Mitteilung der Klägerin an den Geschäftsführer der Beklagten vom Versterben des Mitgesellschafters am 27.08.2014 genügte hierfür nicht. Die ordnungsgemäße Mitteilung sollte, auch wenn das Gesetz keine Form vorschreibt, jedenfalls in den Fällen, in denen eine Erzwingung der Änderungseintragung in Betracht kommt, grundsätzlich schriftlich erfolgen im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit, die Prüfung der Mitteilungsbefugnis und aus Beweisgründen. Inhaltlich muss die Mitteilung im Erbfall nicht nur die Nachricht vom Versterben des bisherigen Gesellschafters, sondern auch die Bezeichnung des konkreten Rechtsnachfolgers unter Berücksichtigung der Pflichtangaben in der Gesellschafterliste umfassen. Hieran fehlte es in der Mitteilung vom 27.08.2014. Notwendig ist nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 GmbHG weiter die Vorlage von Nachweisen. Solche Nachweise des Erbrechts lagen dem Geschäftsführer der Beklagten am 27.08.2014 nicht vor. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts kann sich die Klägerin nicht erfolgreich darauf berufen, dass diese Voraussetzungen wegen des wechselseitigen Näheverhältnisses zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der Familie des Erblassers entbehrlich gewesen wären.

 

  1. cc) Es kann nicht sicher festgestellt werden, ob der Geschäftsführer der Beklagten aufgrund des Schriftsatzes der Beklagten vom 19.03.2015 rechtlich verpflichtet war, die Änderung der Gesellschafterliste durch Eintragung der Klägerin als Gesellschafterin an Stelle ihres verstorbenen Ehemannes zu bewirken.

 

(1) Die Mitteilung der Beklagten vom 19.03.2015 war nach den o.g. Maßstäben zwar inhaltlich ausreichend, denn sie enthielt die Angabe, dass die Klägerin Alleinerbin nach dem verstorbenen Mitgesellschafter sei. Die Ernsthaftigkeit dieser Angabe steht im vorliegenden Fall aber ausnahmsweise deswegen im Zweifel, weil sich die Klägerin, anwaltlich vertreten, noch im Mai 2015, also zwei Monate danach, unsicher darüber äußerte, ob sie die Erbschaft annehmen oder (wohl zugunsten ihrer Kinder) ausschlagen sollte. Da die Klägerin auch auf den Vorhalt dieser schriftlichen Äußerungen keine überzeugende Darstellung abgegeben hat, auch nicht zu der Frage, wieso sie bis Mai 2015 keinen Erbschein zu ihren Gunsten beantragt hat, ist nicht auszuschließen, dass sie ihre Zweifel dem Geschäftsführer der Beklagten gegenüber auch in den Gesprächen bis einschließlich März 2015 geäußert und ihm dadurch Veranlassung gegeben hat, an der Ernsthaftigkeit der Mitteilung zu zweifeln.

 

(2) Es kann offen bleiben, ob sich der vorgenannte Umstand auch auf die Aussagekraft der Nachweise der Klägerin für ihr Erbrecht auswirkt. Der Nachweis i.S. von § 40 Abs. 1 GmbHG muss – seiner Funktion nach – eine schlüssige und nach Lage der Dinge für den Geschäftsführer überzeugende Unterrichtung über die Veränderung in der Person des Gesellschafters sein (vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, a.a.O., § 40 Rn. 25). Dabei ist der Nachweis des Erbrechts nicht auf die Vorlage des Erbscheins beschränkt. Im vorliegenden Fall, in dem die Erbverträge bereits im November 2014 vom Nachlassgericht eröffnet worden waren, war es zumindest ungewöhnlich, dass die Klägerin bis März 2015 die Erteilung des Erbscheins, welcher sie als Alleinerbin ausgewiesen hätte, noch nicht beantragt hatte. Die bloße Vorlage der Erbverträge musste für einen juristischen Laien noch keine Sicherheit hinsichtlich des Erbrechts vermitteln. Spätere abweichende Erbverträge, z.B. zugunsten der Kinder, bzw. die Erbausschlagung durch die Klägerin waren nicht ausgeschlossen.

 

(3) Eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung der Beklagten auf die fehlende Eintragung der Klägerin in die Gesellschafterliste ergibt sich hier auch nicht daraus, dass der Geschäftsführer der Beklagten sich insoweit etwa widersprüchlich verhalten hätte. Er hat die Klägerin zwar am 10.04.2015 – „rein vorsorglich“ – zu einer Gesellschafterversammlung geladen, primär jedoch dazu, die aus seiner Sicht bereits wirksam erfolgte Einziehung des Geschäftsanteils zu erörtern. Im Einladungsschreiben verwies er darauf, dass er die Klägerin auch materiell-rechtlich nicht als Gesellschafterin ansehe und dass sie insbesondere bislang nie Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses vom 27.08.2014 geltend gemacht habe.

 

  1. Selbst wenn man – anders als der erkennende Senat – davon ausginge, dass die Klägerin anfechtungsbefugt sei bzw. dass sich die Beklagte auf die fehlende formelle Legitimation der Klägerin als Gesellschafterin nicht berufen dürfe, fehlte es an einem Anfechtungsgrund.

 

  1. a) Der am 23.04.2015 ergangene Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils ist nicht außerhalb der in der Satzung vorgesehenen Entscheidungsfrist von drei Monaten gefasst worden.

 

  1. aa) Nach dem Inhalt der Satzung sollte die 3-Monats-Frist mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung aller verbleibenden Gesellschafter, hier des Geschäftsführers der Beklagten, „von den Einziehungsvoraussetzungen“ beginnen. Welche Voraussetzungen dies im Einzelnen sind, ist nicht beschrieben. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die einzige Voraussetzung für die Einziehung nach Ziffer IX. 2 lit. d) der Tod des Gesellschafters sei, könnte hierfür der Wortlaut der Satzungsregelungen sprechen, weil eine weitere Voraussetzung nicht ausdrücklich genannt ist, sowie die von der Beklagten dargelegten Intention beider Gründungsgesellschafter, dem verbleibenden Gesellschafter unmittelbar nach dem Eintritt der Vakanz eine Handlungsmöglichkeit zu verschaffen.

 

  1. bb) Die Satzung ist jedoch nach §§ 133, 157 BGB ergänzend auszulegen.

 

(1) Wie oben aufgezeigt, war eine wirksame Einziehung des Geschäftsanteils eines verstorbenen Gesellschafters durch den längerlebenden Gesellschafter nicht ohne weiteres möglich, insbesondere bedurfte es hierzu zwingend der wirksamen Durchführung einer Gesellschafterversammlung. Die Gründungsgesellschafter hatten bei Festlegung der vorgenannten Satzungsbestimmung nicht bedacht, dass die Einberufung einer Gesellschafterversammlung im Falle des Todes eines Gesellschafters auf besondere Schwierigkeiten stößt. Es ist aber davon auszugehen, dass sie eine Satzungsbestimmung treffen wollten, die wirksam umsetzbar ist. Es war daher im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu ermitteln, wie die beiden Gründungsgesellschafter die Regelung der Ziffer IX. 5. formuliert hätten, wenn sie sich dieser Schwierigkeiten bewusst gewesen wären.

 

(2) Allerdings bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gründungsgesellschafter in diesem Falle in der Satzung geregelt hätten, dass die Frist zur Herbeiführung eines Einziehungsbeschlusses erst ab dem Zugang der Mitteilung und des Nachweises des Erbrechts zu laufen beginnt, wie es die Beklagte geltend gemacht hat. Die Gründungsgesellschafter wollten vielmehr nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten den Eintritt eines Dritten in die Gesellschaft gerade ausschließen, d.h. dass die Einziehung ohne Ansehen der Person des Erben erfolgen konnte.

 

(3) Ausgehend vom Interesse an der Vollziehbarkeit der Satzungsbestimmungen ist davon auszugehen, dass die Gründungsgesellschafter unter den Begriff „Einziehungsvoraussetzungen“ erweiternd nicht nur den Tod des Gesellschafters, sondern auch die Möglichkeit der Gesellschaft zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung verstanden hätten. Diese Möglichkeit konnte, wie oben dargestellt, auf verschiedene Weisen herbeigeführt werden, entweder durch die wechselseitige Erteilung einer Vertretungsvollmacht über den Tod hinaus zu Lebzeiten, durch das Hinwirken des Längerlebenden auf die Bestellung eines Nachlasspflegers oder durch das Abwarten der Klärung der Erbfolge.

 

(4) Die Möglichkeit zur wirksamen Einberufung einer Gesellschafterversammlung bestand frühestens ab dem 23.03.2015, dem Zeitpunkt des Zugangs des Schriftsatzes der Klägerin vom 19.03.2015. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Geschäftsführer der Beklagten die Eintragung der Klägerin in die Gesellschafterliste der Beklagten bewirken und die Klägerin form- und fristgerecht zu einer Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über die Einziehung des Geschäftsanteils einladen können. Gerechnet ab diesem frühest möglichen Beginn des Fristlaufs war z. Zt. der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung vom 23.04.2015 die 3-Monats-Frist gewahrt.

 

  1. b) Die von der Klägerin gerügten Verfahrensverstöße haben sich auf die Beschlussfassung jedenfalls nicht ausgewirkt.

 

  1. aa) Fehler bei der Einberufung und Vorbereitung der Beschlussfassung macht die Klägerin schon nicht geltend. Solche lägen selbst dann nicht vor, wenn man von der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Berufung der Beklagten auf die fehlende formale Legitimation ausginge, weil die Klägerin wie eine Gesellschafterin form- und fristgerecht zur Gesellschaftsversammlung am 23.04.2015 geladen und ihr das Thema der avisierten Beschlussfassung mitgeteilt worden ist.

 

  1. bb) Etwaige Fehler der Versammlungsleitung waren jedenfalls für die Beschlussfassung nicht relevant.

 

(1) Es ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten zur Versammlungsleitung berufen war. Zwar enthält die Satzung der Beklagten keine ausdrückliche Bestimmung über den Versammlungsleiter in einer Gesellschafterversammlung. Angesichts der Bestellung des einen Gründungsgesellschafters zum Alleingeschäftsführer und der unstreitig passiven Stellung des anderen Gesellschafters ist die Satzung dahin auszulegen, dass dem Geschäftsführer auch die Versammlungsleitung in der Gesellschafterversammlung obliegen sollte. Ginge man von einer solchen Auslegung der Satzung aus, so wäre in dem „Widerspruch“ des Vertreters der Klägerin gegen die Ausübung der Versammlungsleitung durch den Geschäftsführer der Beklagten in der Gesellschafterversammlung ein Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters zu sehen, der keine Mehrheit gefunden hätte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 02.10.2012, 5 U 10/12, in juris Tz. 57 ff.).

 

(2) Selbst wenn der Geschäftsführer der Beklagten im Folgenden als nicht ordnungsgemäß gewählter Versammlungsleiter agiert hätte, so hätte dieser Verfahrensfehler die Willensbildung des einzigen stimmberechtigten Gesellschafters nicht beeinflusst. Soweit ein Gesellschafter kraft seiner Mitgliederstellung die Gelegenheit haben muss, seine Auffassung über die anstehende Beschlussfassung vorzutragen und Einwendungen geltend zu machen (vgl. nur BGH, Urteil v. 12.07.1971, II ZR 127/69, WM 1971, 1150, in juris Tz. 7), hat der Geschäftsführer der Beklagten als Versammlungsleiter der Klägerin diese Gelegenheit eingeräumt. Die Klägerin konnte in der Gesellschafterversammlung ihre Einwendungen gegen die Einziehung des Geschäftsanteils vorbringen. Danach erfolgte die Abstimmung. Die Feststellung des Beschlussinhalts und des Abstimmungsergebnisses war durch die Person des Versammlungsleiters nicht beeinflusst. Denn die Klägerin selbst hatte kein Stimmrecht für die Entscheidung über die Einziehung des Geschäftsanteils, weil der betroffene Gesellschafter lt. Satzung nicht mitstimmen durfte. Bei der Abgabe einer einzigen Stimme ist auszuschließen, dass ein anderer Versammlungsleiter eine andere Feststellung getroffen hätte. Die fehlende Relevanz des möglichen Verfahrensverstoßes in Form der Versammlungsleitung durch eine nicht ordnungsgemäß gewählte Person steht einer erfolgreichen Anfechtung entgegen (vgl. nur K. Schmidt in: Scholz, GmbHG, a.a.O., § 45 Rn. 100 m.w.N.).

 

  1. cc) Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der Umstand, dass der Klägerin keine Niederschrift über die Beschlussfassung übergeben worden ist, von Relevanz für die Beschlussfassung gewesen sein soll. Insoweit handelt es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift; der Beschlussinhalt ist zwischen den Parteien nicht im Streit (vgl. K. Schmidt, a.a.O., § 45 Rn. 99).
  2. c) Der Umstand, dass die Beklagte an die Klägerin bislang eine Abfindung für den Geschäftsanteil nicht gezahlt hat, ist nach Angaben der Beklagten darauf zurückzuführen, dass der Geschäftsanteil im Jahr 2014 wertlos gewesen sei. Selbst wenn dies nicht zuträfe, berührte dieser Umstand die Wirksamkeit der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung nicht; vielmehr ist ein wirksamer Einziehungsbeschluss Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer angemessenen Abfindung.
  3. d) Der Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten ist schließlich auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten. Es entspricht der in der Satzung zum Ausdruck gebrachten Ansicht der Gründungsgesellschafter, dass im Falle des Versterbens eines Gesellschafters die Einziehung seines Geschäftsanteils erfolgen soll und damit das vom Willen des verbleibenden Gesellschafters unabhängige Eintreten eines Dritten in die Gesellschaft durch Erbfolge vermieden werden kann.

 

III. Die hilfsweise auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.04.2015 gerichtete Klage ist unbegründet. Einen Nichtigkeitsgrund i.S.v. § 241 AktG analog hat die Klägerin schon nicht benannt. Der geltend gemachte Mangel der Versammlungsleitung, der schon für eine Anfechtbarkeit nicht genügt, begründet erst recht keine Nichtigkeit des in der Gesellschafterversammlung gefassten Einziehungsbeschlusses. Die unterlassene Aushändigung der Niederschrift des Beschlusses ist kein Beurkundungsfehler i.S.v. § 241 Abs. 1 Nr. 2 AktG analog, weil nach der Satzungsregelung lediglich eine Ordnungsvorschrift existiert, wonach Gesellschafterbeschlüsse unverzüglich nach der Gesellschafterversammlung schriftlich niederzulegen sind. Schließlich liegt auch der Nichtigkeitsgrund der Sittenwidrigkeit i.S.v. § 241 Abs. 1 Nr. 4 AktG analog nicht vor. Die Einziehung der Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters einer zweigliedrigen Gesellschaft stellt keine das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzende Rechtshandlung dar, gerade auch unter den hier gegebenen Umständen des fehlenden oder zumindest sehr geringen Werts dieser Geschäftsanteile.

C.

 

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10,711, 713 ZPO in der seit dem 28.10.2011 geltenden Fassung.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert

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