Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 27.03.2018
Az.: 6 U 170/17
Rechtsschutzbedürfnis und Rechtsmissbrauchsvorwurf bei Verfahrensspaltung
OLG Frankfurt am Main, 27.03.2018 – 6 U 170/17
Hat ein Kläger wegen eines Wettbewerbsverstoßes in einer ersten Klage, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht, fehlt einer weiteren Klage vor einem anderen Gericht, mit der wegen desselben Verstoßes die Erstattung der Abmahnkosten verlangt wird, nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
In dem in Ziffer 1. dargestellten Fall kann auch nicht von einer missbräuchlichen (§ 8 IV UWG) Verfahrensspaltung ausgegangen werden, wenn nach den Gesamtumständen die nachträgliche Geltendmachung des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten vor einem anderen Gericht auf einem Versehen beruhte.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.8.2017 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.168,60 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2015 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung des eingeklagten Anspruchs auf Erstattung von Anwaltskosten wäre nur dann zu verneinen, wenn der Klägerin zur Durchsetzung dieses Anspruchs ein einfacherer Weg zur Verfügung stünde; dies ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Klägerin den Anspruch auch im Wege der Klageerweiterung vor dem Landgericht Schweinfurt in dem dort bereits anhängigen Verfahren zwischen den Parteien hätte verfolgen können, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die stattdessen vor dem Landgericht Darmstadt erhobene gesonderte Klage nicht entfallen. Wenn das Prozessrecht für die Geltendmachung eines Anspruchs mehrere Gerichtsstände zur Verfügung stellt und der Kläger an einem dieser Gerichtsstände klagt, kann diese Klage nicht als unzulässig eingestuft werden, weil eine Klage an einem anderen Gerichtsstand möglich gewesen wäre.
Das Landgericht Schweinfurth hat in seinem Urteil vom 13.1.2017 tatsächliche Feststellungen getroffen, deren Richtigkeit die Beklagte im vorliegenden Fall nicht in Abrede stellt; insbesondere hat die Beklagte den Tatsachenvortrag im Schriftsatz des Klägervertreters vom 23.6.2016 zum Inhalt des Telefongesprächs vom 5.2.2015 im vorliegenden Verfahren nicht bestritten. Der vom Landgericht Schweinfurth in seinem Urteil weiter vorgenommenen rechtlichen Bewertung dieser Feststellungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an.
Danach kann die Klägerin gemäß § 12 I 2 UWG Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom 16.2.2015 insoweit verlangen, als damit die vom Landgericht Schweinfurth zuerkannten Unterlassungsansprüche geltend gemacht worden sind. Dies betrifft die Unterlassungsverlangen gemäß dem ersten und dem zweiten Spiegelstrich der der Abmahnung beigefügten Unterlassungsverpflichtungserklärung (Tenor zu 1 a und b des Urteils vom 13.1.2017), während das weiter gehende Unterlassungsverlangen gemäß dem dritten Spiegelstrich der beigefügten Unterlassungsverpflichtungserklärung (vom Landgericht Schweinfurth abgewiesener Klageantrag zu I. 3.) unberechtigt war. Demzufolge hat die Beklagte der Klägerin zwei Drittel der durch die Abmahnung entstandenen Kosten zu erstatten (vgl. BGH GRUR 2010, 744 – Sondernewsletter, Tz. 52).
Der für die Berechnung der Geschäftsgebühr zugrunde gelegte Streitwert von 125.000,- € erscheint allerdings übersetzt. Im Hinblick auf Schwere und Bedeutung der beanstandeten Wettbewerbsverstöße ist ein Gegenstandswert von 25.000,- € für jeden der abgemahnten Verstöße, für die Abmahnung insgesamt also ein Gegenstandswert von 75.000,- € angemessen. Dies steht im Einklang mit der Streitwertfestsetzung im Verfahren vor dem Landgericht Schweinfurth; ausweislich der in der Kostenentscheidung im Urteil vom 13.1.2017 vorgenommenen Quotelung hat das Landgericht Schweinfurth dem dort ebenfalls zugesprochenen Antrag auf Veröffentlichungsbefugnis (Tenor zu 2.) einen erheblichen Wert beigemessen.
Danach ist dem Klägervertreter für die Abmahnung ein Vergütungsanspruch von 1.752,90 € (1,3 Gebühr aus einem Wert von 75.000,- € zuzüglich 20,- € Postpauschale) entstanden. Der Erstattungsanspruch beläuft sich auf 2/3 hiervon, mithin 1.168,60 €. Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gerechtfertigt.
Die Beklagte war daher unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in dem genannten Umfang zu verurteilen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.
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