Oberlandesgericht Hamm, 10 U 10/10 Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten. Ausschlagung der Erbschaft

Mai 28, 2018

Oberlandesgericht Hamm, 10 U 10/10

Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten. Ausschlagung der Erbschaft

Auf die Berufungen der Beklagten werden das am 16. Dezember 2009 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster und das am 10. Februar 2010 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 28.762,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 24.06.2009 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 28.07.2009 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Widerklage abgewiesen.

Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 72 % der Beklagten und zu 28 % dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht jeweils der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Gründe

 

I.

 

Die Parteien streiten über Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers nach der am 21.04.2008 verstorbenen Erblasserin S2. Der Kläger nimmt die Beklagte als „Weiterbeschenkte” in Anspruch.

 

Der Kläger, der an diesem Verfahren nicht Beteiligte S3 und der am 29.10.2007 verstorbene Ehemann der Beklagten, S4, sind Brüder und die Söhne der Eheleute S und S2. Der Vater verstarb am 30.06.1982. Er wurde von seiner Ehefrau, der Erblasserin, allein beerbt. Zum Nachlass gehörte das im Grundbuch von P Blatt ####1, Amtsgericht Osnabrück, eingetragene Hausgrundstück Y-Straße in P.

 

Der Kläger erhielt nach dem Tod des Vaters von der Erblasserin einen Betrag in Höhe von 10.225,84 €.

 

Mit notariellem Vertrag vom 22.06.1999 übertrug die Erblasserin das Grundstück unentgeltlich auf ihre Söhne S3 und S4 zu je ½-Miteigentumsanteil. Sie selbst behielt sich ein Nießbrauchsrecht an der Grundbesitzung vor. S4 übertrug seinerseits seinen ½-Miteigentumsanteil mit notariellem Vertrag vom 10.08.2007 unentgeltlich auf die Beklagte. Er verstarb am 29.10.2007. Kinder hatte S4 nicht. Die Beklagte hat am 22.02.2008 ihre Einsetzung als Erbin ihres Ehemannes ausgeschlagen. Ebenso haben der Kläger und seine Kinder die Erbschaft als gesetzliche Miterben nach S4 ausgeschlagen.

 

Die Erblasserin S2 verstarb am 21.04.2008. Sie wurde von ihrem Sohn S3 allein beerbt, nachdem der Kläger und seine Kinder die Erbschaft nach der Mutter bzw. Großmutter ebenfalls ausgeschlagen haben. Der Nachlass betrug nach Abzug der Verbindlichkeiten 22.475,60 €.

 

S3 und die Beklagte verkauften das Grundstück Y-Straße in P mit notariellem Vertrag vom 09.06.2009 mit einem Erlös in Höhe von 320.000,00 €.

 

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger gegen die Beklagte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 40.000,00 € geltend gemacht. Der Bruder S3 hat ihm seinerseits einen Betrag in Höhe von 40.000,00 € gezahlt.

Widerklagend hat die Beklagte die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.419,19 € nebst Zinsen verlangt.

Sie hat sich darauf berufen, das der Anspruch gegen sie als Beschenkte gemäß § 2329 BGB subsidiär sei. Der Kläger müsse sich an den Erben halten, dieser habe 160.000,00 € aus dem Verkaufserlös bekommen. Außerdem stehe ihm der Nachlass zur Verfügung. Dem Erben verbliebe damit mehr als sein gesetzlicher Pflichtteil. Sie sei auch nicht Beschenkte im Sinne des § 2329 BGB, da die Erblasserin den Miteigentumsanteil an S4 und nicht an sie verschenkt habe. Die Vorschrift des § 822 BGB sei hier nicht anwendbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Weitergabe der Schenkung erfolgt sei, weil sie zur Begleichung der hohen Krankheitskosten für ihren Ehemann private Mittel eingesetzt und einen Kredit über 20.754,24 € aufgenommen habe. Der Kläger habe seinerseits erheblich Zuwendungen von der Erblasserin erhalten, die er sich anrechnen lassen müsse.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des im ersten Rechtszug streitigen Vorbringens der Parteien und der in der ersten Instanz gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils vom 16.12.2009 Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem am 16.12.2009 verkündeten Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dabei ist es davon ausgegangen, dass durch die unentgeltliche Weitergabe des Geschenks die Haftung gemäß §§ 2329, 822 BGB auf die Beklagte verlagert worden sei. Die Voraussetzungen des § 2329 BGB seien erfüllt. Der Kläger sei pflichtteilsberechtigt mit einer Quote von ¼. Der Nachlass habe unstreitig 22.475,60 € betragen. Unter Hinzurechnung des unstreitigen Wertes des Grundstücks von 320.000,00 € ergebe sich ein fiktiver Nachlass in Höhe von 342.475,60 €. Davon könne der Kläger ¼ = 85.618,90 € verlangen. Im Hinblick darauf, dass der aktive Nachlass 22.475,60 € betragen habe und dass der Erbe S3 dem Kläger bereits 40.000,00 € ausgezahlt habe, sei dieser zu einer weiteren Pflichtteilsergänzung nicht verpflichtet. Das gelte selbst dann, wenn man die streitige Behauptung der Beklagten berücksichtige, dass der Kläger von der Erblasserin eine anzurechnende Zuwendung in Höhe von 10.225,84 € erhalten habe. Durch sein Verhalten habe der Erbe S3 zu erkennen gegeben, dass er sich auf die Einrede des § 2328 BGB berufe. Die Beklagte habe den ½-Miteigentumsanteil unentgeltlich erlangt. Sie sei zur anteilsmäßigen Herausgabe dieser unentgeltlichen Bereicherung in Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 16.12.2009 verwiesen.

Da das Landgericht in diesem Urteil über die Widerklage der Beklagten nicht entschieden hatte, ist am 10.02.2010 ein Ergänzungsurteil ergangen, mit dem die Widerklage der Beklagten abgewiesen worden ist. Sie könne die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Kosten nicht verlangen, da sie sich zu Unrecht gegen den Anspruch des Klägers zur Wehr gesetzt habe.

Die Beklagte hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Ziele weiter und beanstandet, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag die Erbschaft ausgeschlagen habe. Damit stehe ihm auch kein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Die Voraussetzungen für die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen gemäß § 2306 BGB lägen nicht vor. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die §§ 2329, 822 BGB nicht anwendbar seien, da sie nicht die von der Erblasserin Beschenkte sei. Außerdem hafte sie gemäß § 2329 BGB nur subsidiär. Der Erbe müsse zunächst die Erbmasse bis auf seinen Pflichtteil einsetzen. Die Beklagte hält schließlich ihren Vortrag aufrecht., dass der Kläger von der Erblasserin Zuwendungen erhalten habe, die er sich anrechnen lassen müsse.

Die Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Landgerichts Münster vom 16.12.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen,
  2. das Ergänzungsurteil des Landgerichts Münster vom 10.02.2010 abzuändern mit der Maßgabe, dass der Kläger und Berufungsbeklagte im Wege der Widerklage verurteilt wird, nicht anrechenbare Anwaltskosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.419,19 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2009 an sie zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

beide Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Urteile unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Nach seiner Auffassung beeinträchtige die Ausschlagung der Erbschaft seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht. Der Kläger weist darauf hin, dass sich der Erbe seinerseits auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen habe. Außerdem bestreitet er, von der Mutter Schenkungen erhalten zu haben. Die Zahlung von 10.225,84 € habe sich auf seine Pflichtteilsansprüche nach dem Vater bezogen, die er einschließlich Zinsen der Mutter gestundet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat im Termin am 80.06.2010 die Berufungsverfahren 10 U 10/10 und 10 U 21/10 unter Führung des Aktenzeichens 10 U 10/10 miteinander verbunden.

Die Grundakten von P Blatt ####1, Amtsgericht Osnabrück, haben zur Information des Senats vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufungen der Beklagten haben zum Teil, so wie aus dem Urteilstenor ersichtlich, Erfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel nicht begründet und waren zurückzuweisen.

1.

Der Kläger hat gemäß §§ 2329 Abs. 1, 822 BGB gegen die Beklagte als Beschenkte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 28.762,20 €.

a)

Er ist Gläubiger des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Der Kläger gehört als Sohn der Erblasserin gemäß § 2303 BGB zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Da der Sohn S4, der Ehemann der Beklagten, ohne Abkömmlinge verstorben ist, beträgt die Pflichtteilsquote des Klägers neben dem Bruder S3 ¼.

Die Ausschlagung der Erbschaft ist unschädlich für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Es reicht aus, dass der Pflichtteilsanspruch des Klägers dem Grunde nach besteht. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Kläger auch einen konkreten Pflichtteilsanspruch geltend machen kann. Die Ausschlagung der Erbschaft führt zwar dazu, dass der Kläger auch keinen Pflichtteilsanspruch mehr hat, weil er nicht durch eine Verfügung der Erblasserin von Todes wegen, sondern durch seine eigene Willensentscheidung von der Erbschaft ausgeschlossen ist (s. dazu Palandt-Edenhofer BGB, 69. Aufl., § 2303 Rdnr. 3 und § 1953 Rdnr. 2). Der Pflichtteilsergänzungsanspruch verbleibt ihm aber trotzdem (s. dazu BGH NJW 1973 S. 995 f; Palandt-Edenhofer a.a.O. § 2325 Rdnr. 2,4; Lange in Münchner Kommentar BGB, 4. Aufl., § 2325 Rdnr. 5; Birkenheier in juris-Praxiskommentar, 4. Aufl. 2008, § 2325 Rdnr. 11 und § 2329 Rdnr. 12). Der von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgetragenen Auffassung kann somit nicht gefolgt werden.

b)

Schuldnerin des geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist die Beklagte. Ursprünglicher Empfänger der Schenkung des ½-Miteigentumsanteils an dem Grundstück der Erblasserin war der Ehemann der Beklagten, S4. Er hat das Geschenk der Erblasserin mit dem notariellen Vertrag vom 10.08.2007 unentgeltlich an die Beklagte weitergegeben. Damit greift zugunsten des Pflichtteilsberechtigten § 822 BGB ein. Nach dieser Vorschrift ist ein Dritter – hier die Beklagte -, der von dem Empfänger das Erlangte unentgeltlich erhalten hat, zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte, soweit infolge der Zuwendung an den Dritten die Verpflichtung des Empfängers – hier der Erben des S4 – zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist (s. zu Birkenheier a.a.O. § 2329 Rdnr. 46; Lange a.a.O. § 2329 Rdnr. 11). Die Beklagte hat sich zwar wegen der Schenkung ihres Ehemannes auf „moralisch nachvollziehbare Gründe” wegen dessen Erkrankung und auch den Verbrauch des gemeinsamen Vermögens einschließlich einer Kreditaufnahme berufen. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen, dass der Übertragung des ½-Miteigentumsanteils eine Gegenleistung ihrerseits gegenüber gestanden hat mit der Folge, dass hier keine Schenkung vorgelegen hätte. Der Vertrag vom 10.08.2007 ist im Gegenteil ausdrücklich als Schenkungsvertrag formuliert.

c)

Dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten steht ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 Abs. 1 BGB zu.

Die Erblasserin hat im Wege der Schenkung das Grundstück mit dem Vertrag vom 22.06.1999 auf ihre Söhne S3 und S4 zu je ½-Miteigentumsanteil übertragen, wobei die Grundbuchumschreibung im Jahr 2000 erfolgt ist. Die Parteien geben übereinstimmend den Wert des Grundstücks – entsprechend dem im Jahr 2009 erzielten Verkaufserlös – mit 320.000,00 € an. Der Senat geht bei dieser Sachlage davon aus, dass dieser Wert auch unter Berücksichtigung des Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 BGB) der maßgebliche Wert für die weiteren Berechnungen ist.

Da der Nachlass mit 22.475,60 € unstreitig positiv ist, würde der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers ¼ = 80.000,00 € betragen. Zu beachten ist jedoch die Regelung des § 2326 BGB, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist (s. dazu Palandt-Edenhofer a.a.O. § 2326 Rdnr. 2) und die auch im Fall der Ausschlagung des Erbteils durch den Pflichtteilsberechtigten gilt (s. BGH NJW 1973 S. 955, 956; Lange a.a.O. §2326 Rdnr. 5; Birkenheier a.a.O. § 2326 Rdnr. 14, 15). Dem Pflichtteilsberechtigten steht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB nur zu, soweit der Wert des Hinterlassenen zurückbleibt hinter der Summe aus dem ordentlichen Pflichtteil und dem Ergänzungspflichtteil. Das bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte sich auf seinen Ergänzungsanspruch das anrechnen lassen muss, was er aus dem aktiven Nachlass über den Pflichtteil hinaus an mehr erhält oder – wie hier – erhalten hätte, wenn die Ausschlagung der Erbschaft nicht erfolgt wäre. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers beträgt deshalb 74.391,10 € und berechnet sich wie folgt:

Nachlass 22.475,60 €

davon Erbteil des Klägers ½ 11.237,80 €

Pflichtteil ¼ 5.618,90 €

Pflichtteil 5.618,90 €

+ Ergänzungspflichtteil 80.000,00 €

85.618,90 €

./. Erbteil 11.237,80 €

Ergänzungsanspruch des Klägers 74.381,10 €

d)

Als Beschenkte haftet die Beklagte gemäß § 2329 Abs. 1 BGB nur subsidiär, soweit der Erbe nicht gemäß § 2325 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden kann, weil es an rechtlichen Gründen für seine Verpflichtung fehlt. Der Erbe S3 hat zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Klägers einen Teilbetrag in Höhe von 16.856,70 € aus dem Nachlass aufzubringen.

Im Nachlass waren noch 22.475,60 €. Dieser Betrag wäre grundsätzlich in voller Höhe zur Erfüllung des Ergänzungsanspruchs einzusetzen. Der Kläger trägt jedoch – von der Beklagten nicht bestritten – vor, dass sich der Erbe S3 auf sein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 2328 BGB berufen habe, weil er selbst pflichtteilsberechtigt ist. Dem Erben steht die Einrede aus § 2328 BGB zu. Er muss den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers nur mit dem Teil des Nachlasses erfüllen, der nach Abzug seines eigenen Pflichtteilsanspruchs und eines eigenen etwaigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs (berechnet nach den §§ 2325, 2326, 2327 BGB) verbleibt (s. dazu Birkenheier a.a.O. § 2328 Rdnr. 13). Ein Pflichtteilsanspruch des Erben, für den ebenfalls die Quote von ¼ gilt, besteht nach den obigen Ausführungen in Höhe von 5.618,90 €. Darüberhinaus hat der Bruder S3 grundsätzlich ebenfalls einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 80.000,00 €. Darauf muss dieser sich aber gemäß § 2327 Abs. 1 S. 1 BGB anrechnen lassen, dass ihm selbst ein ½-Miteigentumsanteil an dem Grundstück geschenkt worden ist und er deshalb aus dem Verkaufserlös 160.000,00 € erhalten hat. Einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat der Erbe S3 selbst deshalb nicht mehr. Aus dem Nachlass kann nach Abzug des dem Erben gebührenden ordentlichen Pflichtteils von 5.618,90 € ein Betrag von 16.856,70 € zur Erfüllung des Ergänzungsanspruchs des Klägers eingesetzt werden.

Damit verbleiben für den subsidiären Anspruch gegen die Beschenkte gemäß § 2329 Abs. 1 BGB 57.524,40 € (74.381,10 € – 16.856,70 €). Nur dieser Betrag kann aus dem Nachlass nicht aufgebracht werden.

Die Beklagte haftet dafür anteilig zu ½ = 28.762,20 € entsprechend ihrem ½-Miteigentumsanteil an dem geschenkten Grundstück. § 2329 Abs. 3 BGB ist hier nicht anwendbar, weil der Vollzug der Schenkung an mehrere Beschenkte gleichzeitig und nicht nacheinander erfolgt ist (s. dazu Birkenheier a.a.O. § 2329 Rdnr. 28; Lange a.a.O. § 2329 Rdnr. 16).

  1. e)

Schenkungen, die der Kläger selbst von der Erblasserin erhalten hat, sind gemäß § 2327 BGB nicht anzurechnen. Der Vortrag der Beklagten dazu ist nicht ausreichend. Es genügt nicht, wenn lediglich pauschal behauptet wird, dass der Kläger von der Erblasserin Zuwendungen in erheblichem Maße erhalten habe, ohne dass jedoch konkrete Einzelheiten dargelegt werden. Der Kläger hat zu der unstreitigen Zahlung der Erblasserin an ihn in Höhe von 20.000,00 DM = 10.225,84 € vorgetragen, dass es sich um die Auszahlung seines Pflichtteils nach seinem Vater gehandelt habe, den er der Mutter zunächst gestundet habe. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

f)

Der Anspruch gemäß § 2329 Abs. 1 BGB gegen den Beschenkten richtet sich grundsätzlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Gegenstand der Schenkung, und zwar in der Höhe begrenzt auf den fehlenden Betrag. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn – wie hier – der geschenkte Gegenstand veräußert wurde. Die Beklagte schuldet deshalb gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz und kann auf Zahlung in Anspruch genommen werden (s. dazu Lange a.a.O. § 2329 Rdnr. 8; Birkenheier a.a.O. § 2329 Rdnr. 39, 44)

2.

Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten ist nur in Höhe eines Betrages von 837,52 € begründet. Die Beklagte war berechtigt, sich wegen eines Betrages von 11.237,80 € (40.000,00 € – 28.752,20 €) gegen die Forderung des Klägers zur Wehr zu setzen und anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach diesem Streitwert berechnet sich ihr Anspruch auf der Grundlage ihrer Abrechnung im Schriftsatz vom 20.07.2009 wie folgt:

Gegenstandswert bis 13.000,00 €

Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG

526, € * 1,3 683,80 €

+ Postgebühr Nr. 7200 RVG 20,00 €

703,80 €

+ 19 % Umsatzsteuer 133,72 €

837,52 €

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10. 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Auch gebieten weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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