Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluß des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 07. September 1989 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. ist Alleinerbe des am 19. September 1986 … Herrn …
Mit Kostenrechnung vom 20. Dezember 1988 hat ihm des Amtsgericht für die Eröffnung einer Verfugung von Todes wegen, für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung, für die Erteilung eines Erbscheins und eines Testamentsvollstreckerzeugnisses sowie für die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung des Testamentsvollstreckers Gebühren in einer Gesamthöhe von 26.462,50 DM in Rechnung gestellt. Gegen diesen Kostenansatz hat der Beteiligte zu 1. mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigen vom 10. Januar 1989 Erinnerung eingelegt; er hat darin die Ansicht vertreten, daß die geschuldete Erbschaftssteuer bei der dem Kostenansatz zugrunde zu legenden Berechnung des reinen Nachlaßwertes berücksichtigt werden müsse. Der Rechtspfleger hat die Erinnerung mit Beschluß vom 07. September 1989 zurückgewiesen. Das Landgericht hat der dagegen mit Schreiben seines Verfahrenbevollmächtigten vom 01. Oktober 1989 eingelegten Beschwerde des Beteiligten zu 1., mit der er die Nichtberücksichtigung der Erbschaftssteuer bei dem Gebührenansatz für die Testamentseröffnung nicht mehr angegriffen hat, durch Beschluß vom 2. November 1989 stattgegeben und den angefochtenen Beschluß sowie den Kostenansatz des Amtsgerichts aufgehoben. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der durch den Bezirksrevisor beim Landgericht Münster vertretenen Landeskasse vom 11. Dezember 1989.
II.
1.
Die weitere Beschwerde der durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beschwerten Landeskasse ist zulässig (§ 14 Abs. 2-4 KostO). Der Bezirksrevisor beim Landgericht Münster ist zur Vertretung der Landeskasse auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz berufen (Abschnitt A I 2 e aa der AV des JM vom 17. März 1987 – JMBl. NW S. 81).
2.
Die weitere Beschwerde ist begründet, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 14 Abs. 3 S. 3 KostO).
Das Landgericht ist allerdings zu Recht von einem ordnungsgemäßen Verfahren des Amtsgerichts ausgegangen. Für die Entscheidung über die Erinnerung ist das Gericht des Kostenansatzes zuständig. Soweit es sich um die Kosten eines Geschäftes handelt, das – wie hier – dem Rechtspfleger übertragen ist, ist dieser auch für die Erinnerung gegen den Kostenansatz zuständig (§ 4 RpflG; Hartmann, Kastengesetze, 23. Aufl., § 14 KostO Anm. 2 C b m.w.N.). Zu Recht hat insoweit statt der Rechtspflegerin, die den Kostenansatz gefertigt hatte, deren Vertreter über die Erinnerung entschieden, weil die Rechtspflegerin nach vorangegangener Tätigkeit in derselben Sache von der Entscheidung ausgeschlossen war (BayObLG Rpfleger 1974, 391 ff m.w.N.).
Die gegen den Beschluß vom 07. September 1989 gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat das Amtsgericht zutreffend als Erinnerung gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 RpflG behandelt; der Rechtspfleger und der Richter am Amtsgericht haben ihr nicht abgeholfen, so daß sie als Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers zu behandeln war (§ 11 Abs. 2 S. 5 RpflG).
Zur Begründetheit der Beschwerde hat das Landgericht mit näherer Begründung ausgeführt, daß die Erbschaftssteuerschuld des Erben bei der Berechnung des Nachlaßwertes gemäß § 107 KostO abzuziehen sei, weil sie den Erben als solchen, treffe und damit keine Eigenschuld, sondern als sog. Erbfallschuld eine Nachlaßverbindlichkeit im Sinne von §§ 1967 BGB, 107 Abs. 2 S. 1 KostO sei. Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht beizutreten.
Die gemäß §§ 49 Abs. 2, 109 Abs. 1 KostO über die Gebühr für die Erteilung des Erbscheins hinaus auch für die weiteren Gebührenansätze, die Gegenstand der Beschwerde des Beteiligten zu 1. gewesen sind, anwendbare Wertberechnung des § 107 Abs. 2 S. 1 KostO bezweckt, den Schuldner nur insoweit mit Kosten zu belasten, als ihm Vermögen zufließt (OLG Köln MDR 1987, 1036). Demgemäß ist für die Erhebung der Gebühr maßgebend der Wert des nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten verbleibenden reinen Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Für den Begriff der Nachlaßverbindlichkeiten stellt die Kostenordnung als Folgerecht keine eigene Begriffsbestimmung auf; maßgebend ist vielmehr die Regelung des bürgerlichen Rechts.
Gemäß § 1967 Abs. 1 BGB gehören zu den Nachlaßverbindlichkeiten außer den vom Erblasser herrührenden Schulden, den allgemein sog. Erblasserschulden, die schon vor dem Erbfall in seiner Person entstanden waren, auch die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, für die sich die Bezeichnung Erbfallschulden eingebürgert hat. Sie entstehen im Gegensatz zu den Erblasserschulden frühestens mit dem Erbfall, und zwar notwendigerweise in der Person des Erben als den Träger des Nachlasses (Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, 3. Aufl., § 49 III 1). Zu ihnen gehören neben den in § 1967 Abs. 2 BGB beispielhaft genannten Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten (§§ 2303 ff BGB), Vermächtnissen (§§ 2150, 2174 BGB) und Auflagen (§§ 2192 ff BGB) auch solche aus Erbersatzansprüchen (§ 1934 b Abs. 2 BGB), vermächtnisähnlichen Ansprüchen wie Voraus (§ 1932 BGB) und Dreißigster (§ 1969 BGB), die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers (§ 1968 BGB, OLG München NJW 1974, 704) und die sog. Nachlaßkosten- und Nachlaßverwaltungsschulden (vgl. Palandt-Edenhofer, 49. Aufl., § 1967 Anm. 1 b; Soergel-Stein, BGB, 11. Aufl., § 1967 Rz. 1, 7 m.w.N.; Lange/Kuchinke, a.a.O., § 49 III, IV m.w.N.). Davon zu unterscheiden sind die sog. Nachlaßerbenschulden, die aus nicht in ordnungsgemäßer Nachlaßverwaltung bestehenden Rechtshandlungen des Erben anläßlich des Erbfalls herrühren (Soergel-Stein, a.a.O., § 1967 Rz. 8) und andere Eigenschulden des Erben.
Die rechtliche Einordnung der vom Erben geschuldeten Erbschaftssteuer ist umstritten. Während Palandt/-Edenhofer, a.a.O., § 1967 Anm. 1 b; Erman-Schlüter, BGB, 7. Aufl., § 1967 Rn. 6; Soergel-Stein, a.a.O., § 1967 Rz. 7; Lange/Kuchinke, a.a.O., § 49 III b aE; Brox, Erbrecht, 12. Aufl., § 37 V 2 Rn. 626; v. Lübtow, Erbrecht, 10. Kap. § 2 A II; Göttlich-Mümmler, KostO, 9. Aufl. Stichwort „Erbschaftssteuer“ Anm. 2; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reinmann, KostO, 11. Aufl., § 107 Rn. 28; Meincke/Michel, ErbStG, 8. Aufl., § 10 Anm. 72; Troll, Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz, 9. Ergänzungslieferung 4/89, § 20 Rn. 2; Kuhn-Uhlenbrock, KO, 10. Aufl., § 226 Rn. 3; Hess/Kropshofer, Kommentar zur Konkursordnung, 3. Aufl, § 226 Rn. 4, von einer Nachlaßverbindlichkeit in der Form der Erbfallschuld ausgehen, verneinen dies BGB-RGRK-Johannsen, 12. Aufl., § 1967 Rn. 16; MK-Leipold, BGB, 2. Aufl., Bd. 6 Einl. Rn. 154; Hartmann, Kostengesetze, 23. Aufl., § 107 KostO Anm. 2 A; Beushausen/Küntzel-Kersten/Bühling, KostO, 5. Aufl., § 49 Anm. 5 a ff; Rohs/Wedewer, KostO, 3. Aufl., § 107 Rn. 19 i.V.m. § 49 Rn. 13, § 103 Rn. 4; Jonàs-Melsheimer, ReichskostO, 4. Aufl., § 99 Anm. IV 5; Mügel-Ehm, Die preußischen Kostengesetze, 7. Aufl., § 81 Anm. 14; differenzierend Staudinger-Marotzke, BGB, 12. Aufl., § 1967 Rn. 33; Jaeger-Weber, KO, §§ 226, 227 Rn. 12.
Nach Ansicht des Senats stellt die vom Erben geschuldete Erbschaftssteuer eine Eigenverbindlichkeit dar, die bei der Wertberechnung nach § 107 Abs. 2 S. 1 KostO keine Berücksichtigung finden kann. Die Bedeutung des Begriffs „Nachlaßverbindlichkeiten“ erschließt sich aus § 1967 Abs. 1 BGB, nach dem der Erbe für solche Verbindlichkeiten haftet. Anknüpfungspunkt der Haftung ist der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 Abs. 1 BGB; die Erbschaft geht kraft Gesetzes „als Ganzes“ (Palandt-Edenhofer, a.a.O., § 1922 Anm. 2), dh. mit Aktiva und Passiva, auf den Erben über, er erwirbt sie also auch mit sämtlichen Verbindlichkeiten, die somit nach dem Tode des Erblassers notwendigerweise nur in seiner Person entstehen können (BGHZ 32, 60, 64; Lange/Kuchinke, a.a.O., § 49 III 1). Zu unterscheiden ist damit zwischen zwei Voraussetzungen der Nachlaßverbindlichkeit; die Verpflichtung muß (nur) den Erben in seiner Eigenschaft als Erbe (Motive V S. 603) treffen und sie muß, sei es, daß sie wie die in § 1967 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgezählten Verpflichtungen im Zeitpunkt des Erbfalls entsteht, sei es, daß sie erst nach Eintritt des Erbfalls vom Erben begründet wird, zur Abwicklung des Nachlasses gehören (BGH a.a.O., 60, 64 f m.w.N.).
Beides trifft für die an den Erbfall geknüpfte Erbschaftssteuerschuld nicht zu. Zwar trifft, diese Verbindlichkeit den Erben gerade in seiner Eigenschaft als Erbe, jedoch entsteht sie nicht notwendigerweise (nur) in seiner Person. Der Erbe haftet vielmehr nicht für die Erbschaftssteuer anderer Erwerber, dh. derjenigen Personen, denen außer dem Erben ein Erwerb von Todes wegen anfällt (Troll, a.a.O., § 20 Rn. 2), wie etwa den in § 1967 Abs. 2 BGB beispielhaft genannten Vermächtnisnehmern und Pflichtteilsberechtigten. Es wird also auch nicht etwa – wie beim Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben (vgl. §§ 1944 f BGB) – eine Verbindlichkeit zunächst in der Person des Universalrechtsnachfolgers begründet und die Person des Schuldners anschließend ausgewechselt. Die Haftung für die die Steuerschuld auslösende Erfüllung etwa der Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche und die Haftung für die Erfüllung der Steuerschuld selbst fallen vielmehr auseinander. Daraus folgt zugleich, daß die Erbschaftssteuerschuld nicht in der Abwicklung der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 Abs. 1 BGB angelegt ist, der Nachlaß also nicht belastet mit der Erbschaftssteuerschuld wie mit den beispielhaft in § 1967 Abs. 2 BGB genannten Verpflichtungen auf den Erben übergeht. Die Entstehung der Steuerschuld knüpft vielmehr an jeden einzelnen Erwerb von Todes wegen und damit an jeden einzelnen durch den Tod des Erblassers bedingten Vermögenszuwachs an (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 ErbStG). Sie gehört nicht zur Abwicklung des Nachlasses, sondern kann ihr – wie § 9 Abs. 1 Ziff. 1 a-i ErbStG zeigt – als Wertabschöpfung aufgrund legislativen Aktes ggf. auch folgen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Erblasser die Entrichtung der von dem Erwerber geschuldeten Steuer dem Erben durch Verfügung von Todes wegen auferlegt hat. In diesem Fall kann der Erbe die anteilige Steuerschuld wie jede andere Vermächtnislast von seinem Erwerb abziehen (Meincke/Michel, a.a.O., § 10 Rn. 73).
Für diese empfänger- und nicht nachlaßgebundene Sichtweise spricht auch der Umstand, daß das ErbStG die Höhe der Steuerschuld von nach dem Grad der verwandtschaftlichen Bindung des Empfängers zum Erblasser bemessenen Freibeträgen und Steuersätzen (§§ 15-17, 19 ErbStG) abhängig macht. Wäre die Erbschaftssteuerschuld eine in der Gesamtrechtsnachfolge angelegte Verbindlichkeit, bedürfte es zudem nicht der durch § 20 Abs. 3 EStG angeordneten Haftung des Nachlasses für die Erbschaftssteuerschuld sämtlicher Erwerber bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 BGB), weil der Erbe für Nachlaßverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB entweder ausschließlich oder jedenfalls auch mit dem Nachlaß haftet (vgl. Palandt-Edenhofer, a.a.O., Anm. 1 vor § 1967). Zu Recht hat das Amtsgericht schließlich darauf hingewiesen, daß es nicht gerechtfertigt erscheint, die Bereicherung des Erben zwar bei der Bemessung der Erbschaftssteuer uneingeschränkt zu mindern, wie sich aus der ausdrücklichen Anordnung der Nichtabzugsfähigkeit der Erbschaftssteuer in § 10 Abs. 8 ErbStG ergibt, bei der Berechnung geschuldeter Gebühren aber von einem um die geschuldete Erbschaftssteuer verringerten reinen Nachlaßwert auszugehen.
Das Amtsgericht hat daher zu Recht die vom Beteiligten zu 1. geschuldete Erbschaftssteuer bei der Berechnung des Nachlaßwertes nicht berücksichtigt, so daß seine Entscheidung wiederherzustellen war.
3.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 5 KostO).
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