Oberlandesgericht München
Beschl. v. 12.04.2018, Az.: 31 AR 52/18
Bindungswirkung der Verweisung in einer Nachlasssache durch das Amtsgericht Schöneberg an ein anderes Nachlassgericht
I.
Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zur Entscheidung des zwischen den Amtsgerichten Schöneberg und Erding bestehenden Streits über die örtliche Zuständigkeit berufen, weil das gemeinschaftliche obere Gericht der Bundesgerichtshof ist und das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht Erding zum Bezirk des Oberlandesgerichts München gehört.
II.
Gemäß § 343 Absatz 3 Satz 1 FamFG in der seit 17.08.2015 geltenden und auf vorliegenden Nachlassfall anwendbaren Fassung ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig, wenn der Erblasser Deutscher ist oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden. Gemäß § 343 Absatz 3 Satz 2 FamFG kann das Amtsgericht Schöneberg die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen.
Das Amtsgericht Schöneberg hat das Nachlassverfahren ohne jede einzelfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung an das Amtsgericht Erding, in dessen Bezirk sich ein Nachlassgegenstand befindet, verwiesen. Diese Praxis steht in offensichtlichem Widerspruch zur grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung nach § 343 Absatz 3 Satz 1 FamFG, das für den Fall, dass der Erblasser nicht in der BRD aufhältlich war, die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg unter anderem gerade daran knüpft, dass sich ein Nachlassgegenstand im Inland befindet. Ein wichtiger Grund für diese Verweisung liegt nicht vor. Weder der Umstand, dass sich das Amtsgericht Schöneberg entlasten will noch das bloße Befinden eines Nachlassgegenstandes – hier des Grundstücks – in einem anderen Gerichtsbezirk stellen einen wichtigen Grund für eine Verweisung dar (KG FGPrax 2016, 86 Keidel/Zimmermann FamFG 19. Auflage <2017> § 343 Rn. 80). Die pauschale, dem Gesetz in dieser Form widersprechende Begründung des Amtsgerichts Schöneberg in seinem Beschluss vom 25.01.2018 („Nachlassgegenstände befinden sich im dortigen Bezirk“) reicht zur Begründung einer Verweisung aus wichtigem Grund nicht aus.
Woraus sich ein Verweisungsgrund („wichtiger Grund“) ergeben soll, teilt das Amtsgericht Schöneberg nicht mit. Die Gründe des Beschlusses vom 25.01.2018 beschränken sich auf die bereits vom OLG Köln (FGPrax 2016, 136 [OLG Köln 21.03.2016 – 2 Wx 76/16]) als auch vom KG (aaO) beanstandete formelhafte Wendung „Die Nachlassgegenstände befinden sich im dortigen Gerichtsbezirk“. Darüber hinaus lässt die Begründung in keiner Weise erkennen, mit welchen Erwägungen das Amtsgericht Schöneberg die Voraussetzungen einer Verweisung nach § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG als gegeben angesehen hat. Schließlich kommt hinzu, dass selbst das tatsächliche Vorhandensein „wichtiger Gründe“ zwar notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingung für eine auf § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG gestützte Verweisung ist. Denn unter den dort normierten Voraussetzungen „kann“ das Amtsgericht Schöneberg die Sache an ein anderes Gericht verweisen; es hat deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob gleichwohl überwiegende Gründe dafür sprechen, von einer Verweisung abzusehen. Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass dem Nachlassrichter des Amtsgerichts Schöneberg dieses Ermessen überhaupt bewusst gewesen ist; erst recht ist nicht zu erkennen, dass er es ausgeübt hat.
Rieder Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Gierl Richter am Oberlandesgericht
Krätzschel Richter am Oberlandesgericht
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