Oberlandesgericht München
Beschl. v. 15.06.2015, Az.: 34 Wx 513/13
Auslegung einer transmortalen unwiderruflichen Grundbuchvollmacht für den Mitgesellschafter
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen – Grundbuchamt – vom 21. Oktober 2013 aufgehoben.
I.
Im Grundbuch sind als Eigentümer eines Grundstücks (Gebäude- und Freifläche) der Beteiligte zu 1 und sein am 5.11.2008 verstorbener Vater Johann Z. seit 12.11.2003 als Gesellschafter nach dem bürgerlichen Recht eingetragen. An der Gesellschaft (im folgenden: GbR) mit dem Zweck des Betreibens eines Wasserkraftwerks nebst Vermögensverwaltung der dazugehörigen Grundstücke waren der Beteiligte zu 1 mit 51 % und sein Vater mit 49 % beteiligt.
Der privatschriftliche Gesellschaftsvertrag vom 26.8.2003 enthält unter anderem folgende Regelungen:
dem Tod eines Gesellschafters.
Nachfolgeberechtigte Vermächtnisnehmer haben insoweit ein Eintrittsrecht, wozu es keines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses nach § 8 Abs. 5 lit. c) bedarf.
(2) Nachfolgeberechtigt sind nur Abkömmlinge des verstorbenen Gesellschafters, Mitgesellschafter sowie deren Abkömmlinge.
(3) Sind Nachfolgeberechtigte nicht vorhanden oder werden Nachfolgeberechtigte nicht Erben bzw. Vermächtnisnehmer, wird die Gesellschaft von den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt. Die Erben erhalten in diesem Fall eine Abfindung …
Am 19.2.2007 hatte der verstorbene Gesellschafter dem Beteiligten zu 1 in einer notariellen Urkunde folgende Vollmacht erteilt:
Abschnitt 1: Grundbuchstand, Vorbemerkung
Auf dem unter Ziffer I. genannten Grundbesitz betreiben Herr Johann Z. und Herr … (Beteiliger zu 1) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Wasserkraftwerk. Das unter Ziff. I. 3. näher bezeichnete Grundstück wird in diesem Zusammenhang noch an diese Gesellschaft aufgelassen.
Dieses Wasserkraftwerk soll verkauft werden.
Abschnitt 2. Vollmacht
Ich, Herr Johann Z. …
erteile hiermit meinem Sohn und Mitgesellschafter, Herrn … (Beteiligter zu 1)
Vollmacht,
mich bei der ganzen oder teilweisen Veräußerung des in Abschnitt 1. Ziffer I. beschriebenen Grundbesitzes … gegenüber Privatpersonen, dem Grundbuchamt und anderen Behörden umfassend zu vertreten.
Der Bevollmächtigte ist insbesondere ermächtigt, einen beliebigen Veräußerungsvertrag abzuschließen, den Kaufpreis in Empfang zu nehmen und hierüber Quittung zu erteilen, Schuldübernahmen zu vereinbaren, die Auflassung zu erklären, alle zum Vollzug des Veräußerungsvertrages erforderlichen oder zweckdienlichen Erklärungen abzugeben, Anträge aller Art, insbesondere Anträge zur Eintragung von Auflassungsvormerkungen, zur Lastenfreistellung sowie Vermessungsanträge zu stellen.
Weiter umfasst die Vollmacht die Befugnis, alle zur Kaufpreisfinanzierung dienenden Grundpfandrechte samt dinglicher Zwangsvollsteckungsunterwerfung, sowie damit in Zusammenhang stehende Dienstbarkeiten zu bestellen und zur Eintragung in das Grundbuch zu beantragen.
Diese Vollmacht erlischt nicht beim Tod des Vollmachtgebers. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der Bevollmächtigte befreit. Die Übertragung der Vollmacht auf Dritte ist nicht zulässig. Untervollmacht an Dritte für einzelne Angelegenheiten kann jedoch erteilt werden.
Das unter Ziffer I. Nr. 3. näher bezeichnete Grundstück … gehört wirtschaftlich zu dem von der Gesellschaft betriebenen Wasserkraftwerk. Es muss im Wege eines Nachtrags von … noch erworben werden. Die heutige Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten auch sämtliche Erklärungen abzugeben, die den Erwerb des Grundstücks … betreffen einschließlich der Bestellung von Dienstbarkeiten jeder Art zugunsten des Wasserkraftwerks.
Abschnitt 3: Kosten und Abschriften
Die Kosten der Errichtung dieser Urkunde trägt die BGB-Gesellschaft. …
Die im Jahr 2013 beantragte Grundbuchberichtigung – Eintragung mehrerer Personen in Erbengemeinschaft – hatte das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung zunächst von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht und schließlich, weil dieser nicht vorgelegt wurde, mit Beschluss vom 9.8.2013 abgelehnt. Am 1.5.2013 hat das Nachlassgericht für die Beteiligten zu 2 als (unbekannte) Erben zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses einen Nachlasspfleger bestellt.
Mit Kaufvertrag vom 15.10.2013 veräußerte der Beteiligte zu 1, handelnd im eigenen Namen und als Bevollmächtigter aufgrund der über den Tod hinaus erteilten, bei Beurkundung in Ausfertigung vorgelegten notariellen Vollmacht vom 19.2.2007 für die Erben nach seinem Vater den gegenständlichen Grundbesitz (FlSt 2681) und bewilligte zugunsten der Beteiligten zu 3 und 4 als Käufer die Eintragung einer Vormerkung gemäß § 883 BGB.
Auf den Antrag, die Vormerkung einzutragen, hat das Grundbuchamt am 20.10.2013 eine fristsetzende Zwischenverfügung erlassen und als Eintragungshindernis die fehlende Zustimmung des Nachlasspflegers in grundbuchmäßiger Form einschließlich der rechtskräftigen Genehmigung des Nachlassgerichts aufgezeigt. Die Vollmacht des verstorbenen Gesellschafters habe der Nachlasspfleger für die Erben am 6.8.2013 widerrufen.
Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde. Die Vollmacht sei nicht wirksam widerrufen worden, da ein Widerruf nicht ihm, sondern nur seinem insofern nicht bevollmächtigten anwaltlichen Vertreter gegenüber erklärt worden sei. Zudem sei die Vollmacht nach der Interessenlage unwiderruflich gewesen. Im Übrigen sei die notarielle Vollmacht den Käufern gegenüber vorgelegt worden; diese seien gutgläubig gewesen. Die Vertretungsmacht habe fortbestanden (§ 172 Abs. 2 BGB).
Unabhängig davon sei ein etwaiger Widerruf treuwidrig. Der Beteiligte zu 1 sei geschäftsführender Gesellschafter, daher seien die Erben als Gesellschafter verpflichtet, ihm eine Vollmachtsurkunde, auf dessen Wunsch in notarieller Form, auszuhändigen. Die Vormerkung sei von dem Beteiligten zu 1 als geschäftsführendem Gesellschafter bewilligt. Ein Mehrheitsbeschluss über die Veräußerung des Grundstücks sei in der Gesellschafterversammlung vom 4.9.2013 gefasst worden. Außerdem bestehe ein Anspruch auf Zustimmung zur Veräußerung. Dem Nachlasspfleger sei wiederholt mitgeteilt worden, dass die dinglich gesicherten Darlehen fällig würden und die Bank die Verwertung des Grundstücks angedroht habe. Der Verkauf liege damit im Interesse der Gesellschaft.
Der Nachlasspfleger hat für die Beteiligten zu 2 u. a. vorgebracht, die Gesellschaft sei am 1.3.2009 durch einstimmigen Beschluss aller Miterben, einschließlich des Beschwerdeführers, aufgelöst und ein Liquidator bestimmt worden. Dieser habe sein Amt zum 31.3.2010 niedergelegt. Ein neuer Liquidator sei bislang nicht bestellt und die Liquidation der Gesellschaft nicht mehr weiterbetrieben worden. Die Geschäftsführungsbefugnis des Beteiligten zu 1 sei durch den Liquidationsbeschluss erloschen.
Der Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Die Vollmacht sei dem Grundbuchamt gegenüber wirksam widerrufen worden. Wollte man die vorgelegten Protokolle und Gesellschaftsverträge trotz Formmangels berücksichtigen, ergebe sich, dass der Beteiligte zu 1 wegen des Liquidationsbeschlusses am 4.9.2013 keine Gesellschafterversammlung habe abhalten können.
Im Beschwerdeverfahren hat der Beteiligte zu 1 eine zwischen ihm und dem Vertreter der Beteiligten zu 2 getroffene Vereinbarung über die Abtretung eines Teils des erzielten Kaufpreises vorgelegt. Zu einer nachlassgerichtlichen Genehmigung der Abtretung ist es nicht gekommen, da der Nachlasspfleger nach einem Widerspruch einer potentiellen Erbin, der Schwester des Beteiligten zu 1, den Antrag zurückgenommen hat.
II.
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung ist zulässig erhoben (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zu ihrer ersatzlosen Aufhebung, da die Vormerkung auf Übertragung des Eigentums (§ 883 Abs. 1, § 885 BGB) in Ausübung der Vollmacht vom 19.2.2007 wirksam bewilligt wurde (§ 19 GBO) und es einer Zustimmung der Erben oder des Nachlasspflegers dazu nicht bedarf.
Hier scheidet zwar jedenfalls nach dem Auflösungsbeschluss vom 1.3.2009, den der Beteiligte zu 1 gemeinsam mit Personen getroffen hat, die nach Aktenlage als Erben des früheren Mitgesellschafters in Betracht kommen und als dessen Abkömmlinge nachfolgeberechtigt sein dürften (vgl. § 18 des Gesellschaftsvertrags), eine Geschäftsführung durch den bisher als Geschäftsführer tätigen Beteiligten zu 1 aus, § 729 BGB. Allerdings ist die gemeinschaftliche Geschäftsführung nach § 709 BGB im Fall der Auflösung der GbR nicht ausgeschlossen (BGH NJW 2011, 3087 [BGH 05.07.2011 – II ZR 199/10]; Staudinger/Habermeier BGB Bearb. 2003 § 729 Rn. 4). Eine solche ist dann auch weiterhin möglich, wenn ein Gesellschafter in Vertretung der übrigen Gesellschafter handelt. Die Vollmacht zur Vertretung der Gesellschafter Dritten gegenüber ist nämlich nicht mit der Übertragung der Geschäftsführung gleichzusetzen, wie § 715 BGB zeigt.
Die Abgabe einer Bewilligung im Rahmen der gemeinschaftlichen Geschäftsführung nach § 709 BGB kommt auch bei Tod eines von zwei BGB-Gesellschaftern in Betracht. Dazu ist regelmäßig neben der Bewilligung durch den verbleibenden Gesellschafter die Erklärung durch alle Erben erforderlich, da der Anteil des verstorbenen Gesellschafters an der (Liquidations-) Gesellschaft in den Nachlass fällt. Allerdings kann der verbliebene Gesellschafter – eine entsprechende post- oder transmortale Vollmacht vorausgesetzt -zugleich in deren Ausübung für den verstorbenen Gesellschafter die Bewilligung abgeben; denn eine Vollmacht des verstorbenen Gesellschafters befähigt den Bevollmächtigten zum Handeln für die Erben (OLG Dresden ZEV 2012, 339/340). Dabei hat das Grundbuchamt allerdings den Inhalt und die Wirksamkeit der Vollmacht sowie den Umfang der Vertretungsmacht von Amts wegen selbstständig zu prüfen, ohne an die Auffassung des Urkundsnotars gebunden zu sein (BayObLG Rpfleger 1986, 216.; Demharter § 19 Rn. 74.1; Hügel/Holzer § 19 Rn. 99).
Aus dem Wortlaut der Vollmacht folgt noch nicht eindeutig, ob damit eine (organschaftliche oder rechtsgeschäftliche) Vertretung als Gesellschafter der GbR gemeint ist. Bei der Auslegung der Vollmacht (§ 133 BGB) ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGHZ 91, 352/355; 113, 374/378). Die Formulierung der Vollmacht erlaubt den Schluss auf eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zum Handeln in der Eigenschaft als Gesellschafter für die GbR. Zweck der Vollmacht, die die Mitgesellschaftereigenschaft des Beteiligten zu 1 als Vollmachtnehmer anspricht, ist die Veräußerung eines von der GbR betriebenen Wasserwerks sowie von Grundstücken der GbR. Die Vollmacht war damit auf die Abgabe von Erklärungen zu Gunsten und zu Lasten der Gesellschaft gerichtet, die als Mitgesellschafter – und nicht nur als Geschäftsführer – abgegeben werden können. Das dritte in der Urkunde genannte Grundstück sollte erst für die GbR erworben werden und die Vollmacht auch für eine Auflassung erteilt sein. Das deutet ebenfalls auf den Willen hin, der bevollmächtigten Person Rechtsmacht dafür einzuräumen, als (Mit-) Gesellschafter der GbR über deren Grundstücke zu verfügen bzw. solche für sie zu erwerben.
Seinerzeit, im Jahr 2007, hatte sich in der Rechtsprechung zwar bereits die Auffassung durchgesetzt, dass die GbR selbst, wiewohl keine juristische Person, (teil-) rechtsfähig ist (grundlegend BGH NJW 2001, 1056 [BGH 29.01.2001 – II ZR 331/0]). Geklärt war damals ebenfalls, dass die GbR selbst, nicht die „als GbR“ eingetragenen Gesellschafter, Eigentümerin der Immobilie ist (BGH NJW 2006, 2191 [BGH 06.04.2006 – V ZB 158/05]; 2006, 3717). Umstritten war noch, ob die erwerbende GbR als solche grundbuchfähig ist (BGH NJW 2009, 594 m. w. N.). Dass ein Gesellschafter in Vollmacht der anderen Gesellschafter für die GbR erwerben konnte, stand aber auch bereits vor der Anerkennung ihrer Grundbuchfähigkeit nicht generell in Frage (vgl. Senat vom 26.8.2009, 34 Wx 54/09 = FGPrax 2009, 257/258). Zweifelhaft mögen die Anforderungen an die Formulierung einer unmissverständlichen Vollmacht für die Gesellschafter zum Abschluss eines Grundstücksgeschäfts der GbR gewesen sein. Die genannten Umstände, wie auch die Tatsache, dass der Vertreter namens des Johann Z. sowohl Grundpfandrechte als auch Dienstbarkeiten auf den Grundstücken der GbR bestellen und beantragen können sollte, lässt jedoch nur den Schluss zu, dass damit eine Vollmacht zur Abgabe von Erklärungen namens des Vollmachtgebers in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GbR erteilt ist. Dafür spricht nicht zuletzt auch, dass die Kosten der Urkundenerrichtung von der Gesellschaft getragen wurden.
Damit ist aus dem Wortlaut der Urkunde auch für das Grundbuchverfahren hinreichend klar, dass die – in der Form des § 29 GBO nachgewiesene – Vollmacht die Vertretung der GbR durch den Beteiligten zu 1 als Mitgesellschafter über bestimmte gesellschaftsbezogene Gegenstände regelte.
Es handelt sich nicht um eine isolierte Vollmacht; sie soll vielmehr ersichtlich (jedenfalls auch) dem Vorteil des Vollmachtnehmers als Mitgesellschafter dienen. Denn sie zielte darauf ab, eine Verfügung über den Grundbesitz der GbR (auch) nach dem Tod des Erblassers unabhängig von der Mitwirkung von Erben zu ermöglichen und damit die Handlungsfähigkeit der GbR zu wahren. Gerade wegen der – wohl auch vom Erblasser und dem Beteiligten zu 1 vorhergesehenen – faktischen Pattsituation in der GbR oder einer Liquidationsgesellschaft und eines nach dem Tod des Erblassers drohenden längerfristigen Schwebezustands bis zum Eintritt eines oder mehrerer Abkömmlinge als Gesellschafter besteht vor allem auch ein Interesse des Beteiligten zu 1 als Mehrheits- und damals einzigem Mitgesellschafter am Fortbestehen der Vollmacht.
Soweit eine unwiderrufliche Vollmacht im Falle eines wichtigen Grundes widerrufen werden kann, ist ein solcher (negativer) Umstand, der grundbuchrechtlich nur schwer nachzuweisen wäre, nicht vorgebracht oder ersichtlich. Er ist nicht in der vereinbarten Liquidierung der GbR zu sehen. Gerade dann ist eine Handlungsfähigkeit der GbR, die nach Erlöschen der Geschäftsführung (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB) nur noch durch alle Gesellschafter nach außen auftreten kann, nicht anders als durch eine transmortale Vollmacht gewährleistet.
Mangels Widerruflichkeit der Vollmacht konnte hier dahinstehen, ob der Widerruf wirksam erklärt war.
III.
Gerichtliche Kosten fallen nicht an (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Es erscheint auch nicht billig, eine Kostenerstattung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG zugunsten des obsiegenden Beteiligten zu 1 anzuordnen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.
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