OLG Bremen, Urt. v. 19.11.2014 – 1 U 15/14
Rechtsnachfolgeklausel für Erben des Gläubigers
(LG Bremen, Urt. v. 21.03.2014 – 8 O 1795/13)
Gründe:Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil sowie um die Zulässigkeit der den Beklagten zu 1) bis 3) gem. § 727 Abs. 1 ZPO erteilten Rechtsnachfolgeklauseln zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil. Gegenstand des Titels ist die Verpflichtung zur Beseitigung eines auf dieser Teilfläche befindlichen, baulich zum klägerischen Gebäude gehörenden Anbaus (LG Bremen, Teilurt. v. 17.04.2007 – 8 O 1570/04; BGH, Urt. v. 30.05.2008 – V ZR 184/07). Daneben existiert ein rechtskräftiges Urteil auf Herausgabe der Teilfläche des Beklagtengrundstücks, auf dem der hier zur Rede stehende Überbau errichtet wurde (LG Bremen, Urt. v. 18.03.2003 – 8 O 1283/02; BGH, Urt. v. 16.01.2004 – V ZR 243/03). Die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung daraus sowie die Zulässigkeit der den Beklagten zu 1) bis 3) erteilten Rechtsnachfolgeklauseln sind Gegenstand des weiteren Verfahrens (Urt. des Senats ebenfalls v. 19.11.2014 – 1 U 16/14; Vorinstanz: LG Bremen, Urt. v. 21.03.2014 – 8 O 1796/13).
Die Beklagten zu 1) bis 3) sind die Erben des im Jahr 2012 verstorbenen W. (im Folgenden: der Verstorbene). Der Verstorbene hatte die beiden, die Herausgabepflicht der Grundstücksfläche sowie die Verpflichtung zur Beseitigung des Überbaus zusprechenden Urteile gegen die Kläger erstritten. Die Beklagten zu 2) und 3) sind im Gegensatz zu der Beklagten zu 1) nicht nur Erben des verstorbenen Titelgläubigers, sondern auch Eigentümer des Grundstücks P.-Str. 99. Sie hatten dem Verstorbenen ein „lebenslängliches” Nießbrauchsrecht und der Beklagten zu 1) als dessen Ehefrau ein auf den Tod des Verstorbenen aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht an dem betroffenen Grundstück bewilligt.
Der verstorbene Nießbrauchsberechtigte hatte im Jahr 1973 die Teilfläche des Beklagtengrundstücks P.-Str. 99, die Gegenstand des titulierten Herausgabeanspruchs ist, an den damaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks P.-Str. 95-97 vermietet. Dieser hatte im Erdgeschoss des dortigen Hauses einen Supermarkt betrieben und zu Betriebszwecken auf der angemieteten Teilfläche den Anbau errichtet, der Gegenstand der titulierten Beseitigungspflicht ist. In der Folgezeit waren die als Supermarkt genutzten, im Erdgeschoss belegenen Einheiten einschließlich des Anbaus als Sondereigentum nach WEG weiterverkauft worden, wobei der Rechtsvorgänger der Kläger noch in den Mietvertrag mit dem Verstorbenen eingetreten war.
Dieser verkaufte im Jahr 1998 die auch jetzt noch als Supermarkt genutzten Einheiten im Erdgeschoss an die Kläger, ohne sie jedoch auf den Überbau und den bestehenden Mietvertrag hinzuweisen. Die Kläger lehnten einen Eintritt in den Mietvertrag mit dem Verstorbenen und die damit verbundene Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Nutzungsentschädigung ab. Daraufhin verlangte der Verstorbene von den Klägern erfolglos die Herausgabe des für den Überbau genutzten Grundstücksteils. In der Folge erstritt er zunächst das – im Parallelverfahren 1 U 16/14 streitgegenständliche – Urteil des LG Bremen v. 18.03.2003 (8 O 1283/02; BGH V ZR 243/03), das die Kläger zur Herausgabe der Teilfläche des überbauten Grundstücks P.-Str. 99 verpflichtete.
Im Anschluss an die dortige Entscheidung des BGH v. 16.01.2004 erkannten die Kläger gegenüber dem Verstorbenen mit Schreiben v. 21.01.2004 den ebenfalls erhobenen Anspruch auf Beseitigung des Überbaus ausdrücklich an. Weil sie ihrer Beseitigungspflicht trotzdem nicht nachkamen, erstritt der Verstorbene auch noch das hier streitgegenständliche Teilurt. des LG Bremen v. 17.04.2007 (8 O 1570/04; BGH V ZR 184/07). Es verpflichtete die Kläger im Wege des nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, den auf dem Grundstück P.-Str. 99 stehenden, aber baulich zu ihrem Anwesen gehörenden Anbau auf ihre Kosten zu beseitigen.
Es hat für die entscheidende Frage, ob die titulierten Ansprüche auf Herausgabe der Grundstücksfläche und Beseitigung des Anbaus – wie von den Klägern geltend gemacht – mit dem Tod des Erblassers vollumfänglich und vollstreckungshindernd erloschen sind, als maßgebliches Anknüpfungskriterium auf das Eigentum an dem ehemals dienenden Grundstück P.-Str. 99 abgestellt. Dagegen hat es das ausschließliche Bestehen eines Nießbrauchsrechts für eine Rechtsnachfolge in diese Ansprüche nicht genügen lassen. Denn das Nießbrauchsrecht sei, so die Gründe des angefochtenen Urteils, unvererblich und gehe nicht im Wege der Universalsukzession auf die Erben, hier also auf die Beklagten zu 1) bis 3 über. […]
Dagegen seien die titulierten Ansprüche im Hinblick auf die die Beklagten zu 2) und 3) nicht erloschen. […] Das LG hat die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten zu 2) und 3) als Rechtsnachfolger des Verstorbenen auch nicht aufgrund der weiter von den Klägern erhobenen Einwände für unzulässig befunden. […]
Aufgrund des Heimfalls ist der Grundstückseigentümer – als Voraussetzung der Erteilung einer Vollstreckungsklausel für einen von diesem erwirkten Titel – auch Rechtsnachfolger des verstorbenen Nießbrauchers. Mit dem Tod des Nießbrauchers, der neben der Beendigung des Nießbrauchs (§ 1061 BGB) dessen Heimfall an den Eigentümer herbeigeführt hat, ist somit der Eigentümer in die sich aus dem Titel ergebende Rechtsstellung des Nießbrauchers eingetreten. Er hat damit den Nachweis seiner Rechtsnachfolge geführt (OLG Celle, Rechtspfleger 1953, 82 f., für den Fall eines durch den verstorbenen Nießbrauchsberechtigten erwirkten gerichtlichen Vergleichs).
Das BGB lässt also beschränkt dingliche Rechte, zu denen der Nießbrauch zählt, am eigenen Grundstück ausdrücklich zu. Dies gilt nur dann nicht, wenn beschränkt dingliche Rechte, wie Vormerkung und Hypothek, betroffen sind, die eine gesicherte Forderung voraussetzen, die der Eigentümer nicht gegen sich haben kann. Beschränkt dingliche Rechte an dem eigenen Grundstück können nicht nur anfänglich bestellt werden, sondern – wie hier – nachträglich durch Zusammentreffen von Eigentum und ursprünglichen Fremdrecht in einer Person entstehen (Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, zu § 889 BGB, Rn. 1). Dass die Gesetzesregelung des § 889 BGB vor allem die Rangwahrung zugunsten des Eigentümers im Blick hat, schließt die Zuhilfenahme des dortigen Rechtsgedankens für die hiesige Konstellation nicht aus.
Die Interessenlage ist sogar absolut vergleichbar, denn durch den Heimfall des Nießbrauchs an die Eigentümer wird zwar keine grundbuchrechtliche Rangwahrung bewirkt, wohl aber die Wahrung der Stellung der beklagten Grundstückseigentümer in Bezug auf die bereits titulierten Eigentumsrechte. Hinzu kommt, dass der Heimfall eines Nießbrauchsrechts kraft Gesetzes – abgesehen vom Tod des Nießbrauchers (§ 1061 BGB) – nur noch in zwei weiteren, hier nicht gegebenen Konstellationen ausgeschlossen ist. Zum einen soll § 889 BGB gem. § 1063 BGB ausdrücklich nicht gelten, wenn der Nießbrauch an einer beweglichen Sache mit dem Eigentum in derselben Person zusammentrifft. Zum anderen erlischt der Nießbrauch nach §§ 1072, 1063 BGB bei Vereinigung des Nießbrauchs an einem Recht mit dem belasteten Recht.
Diese Ausnahmen gelten auch für den Nießbrauch an einem Grundstücksrecht, wie etwa dem Erbbaurecht. Einen solchen gesetzlich ausdrücklich angeordneten Erlöschenstatbestand sieht das BGB für die Vereinigung des Nießbrauchs an einem Grundstück – insbesondere im Gegensatz zum Nießbrauch an einem Grundstücksrecht – mit dem Eigentum an dem Grundstück aber gerade nicht vor. Deswegen können nach der Gesetzessystematik in der hiesigen Konstellation allein der Rechtsgedanke und die Gesetzesintention des § 889 BGB zum Tragen kommen, wonach eine Vereinigung beider Rechte eintritt, und der dazu führt, dass das Nießbrauchsrecht des Verstorbenen den Beklagten zu 2) und 3) als Grundstückseigentümer heimfällt.
Es wäre deswegen ungerechtfertigter Formalismus, wenn man ihn allein wegen des Versterbens des nießbrauchsberechtigten Titelgläubigers darauf verweisen würde, die ihm als Eigentümer ebenfalls unmittelbar und unter denselben Prämissen zustehenden Ansprüche auf Herausgabe und Beseitigung nach §§ 985, 1004 BGB erneut gerichtlich durchzusetzen. Diese Vorgabe würde in sachlich nicht gerechtfertigter, unbilliger Weise dazu führen, dass die Kläger einem bestehenden und rechtskräftig festgestellten Anspruch abermals entgegentreten und dessen Verwirklichung weiter zeitlich hinauszögern könnten. Ihnen wäre dann zumindest formal die Möglichkeit eröffnet, den Beklagten zu 2) und 3) in einem neuerlichen Rechtsstreit die gleichen Einwände entgegenzubringen, die aus denselben Gründen gegen sie als Eigentümer nicht durchgreifen könnten, wie sie in den beiden, jeweils über drei Instanzen und mehrere Jahre geführten Verfahren gegenüber dem verstorbenen Titelgläubiger für unerheblich befunden wurden.
Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung von Heimfallgründen schließt es selbstverständlich nicht aus, dass der Heimfall unter bestimmten Voraussetzungen ungeachtet einer solchen Vereinbarung automatisch eintritt. Die zusätzliche, wegen des grds. über allem stehenden Prinzips der Vertragsfreiheit ohnehin nur deklaratorische Gesetzesregelung, beim Erbbaurecht Heimfallgründe ausdrücklich vereinbaren zu können, führt jedenfalls nicht zwingend zu dem Umkehrschluss, dass ein Heimfall nur in den gesetzlich positiv festgeschriebenen Fällen – also beim Erbbaurecht und beim Vorliegen eines im ErbbauRG genannten Heimfallgrundes – eintreten kann.
Dieser Negativschluss wäre nur dann zwingend, wenn eine Gesetzesregelung existierte, die einen Heimfall des Nießbrauchs generell oder unter den hiesigen Voraussetzungen ausdrücklich verbieten würde. Die Bestimmung des § 2 Nr. 4 ErbbauRG vermag die Richtigkeit der hier maßgeblichen Auffassung, wonach dem Eigentümer das Nießbrauchsrecht des Verstorbenen heimfällt, also nicht zu widerlegen.
2.
Die Berufung der Beklagten zu 1) ist ebenfalls unbegründet.
Das angefochtene Urteil lässt auch insoweit keinen Rechtsfehler erkennen, als es die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte zu 1) antragsgemäß für unzulässig erklärt und ihr die Titelumschreibung mit der Begründung verwehrt hat, sie sei im Gegensatz zu den Beklagten zu 2) und 3) nicht Grundstückseigentümerin, sondern ausschließlich Inhaberin eines eigenen, originären Nießbrauchsrechts.
Die Beklagte zu 1) war im Gegensatz zu den Beklagten zu 2) und 3) nämlich zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin des ehemals dienenden Grundstücks P.-Str. 99. Sie hat einzig aufschiebend bedingt durch den Tod des Verstorbenen ein eigenes, originäres Nießbrauchsrecht erworben. Der Erwerber des zweiten, bedingten Nießbrauchs erwirbt diesen vom Eigentümer, hier also die Beklagte zu 1) von den Beklagten zu 2) und 3). Er tritt damit weder materiell-rechtlich, noch prozessual in die aus dem Nießbrauch folgenden Rechte des ersten Nießbrauchers ein (MünchKomm-BGB/Pohlmann, 6. Aufl. 2013, Rn. 14; Erman-BGB/Bayer, § 1061 BGB, Rn. 1).
Weil das Nießbrauchsrecht aber – abgesehen von der hier in Bezug auf die Beklagten zu 2) und 3) relevanten Ausnahme des Heimfalls an den Grundstückseigentümer – gem. § 1061 Satz 1 BGB mit dem Tod erlischt und unvererblich ist, konnte der Nießbrauch des Verstorbenen nicht im Wege der Erbfolge auf die Beklagte zu 1) übergehen.
Mithin ist die Beklagte zu 1) mangels Eigentums an dem Nießbrauchsgrundstück, auf das es für die Rechtsnachfolge in die titulierten, grundstücksbezogenen Ansprüche allein ankommt, richtigerweise anders zu behandeln als die Beklagten zu 2) und 3). Auf ihr eigenes, erst mit dem Tod des Verstorbenen entstandenes Nießbrauchsrecht kann die Beklagte zu 1) eine Berechtigung zur Zwangsvollstreckung aus den vom Verstorbenen erstrittenen Urteilen sowie auf Titelumschreibung deswegen nicht stützen, da sie dieses Nießbrauchsrecht bei zutreffender rechtlicher Bewertung nicht von dem Verstorbenen durch Erbschaft, sondern von den Eigentümern, also von den Beklagten zu 2) und 3), originär kraft vertraglicher Vereinbarung erworben hat.
Wenn aber nicht einmal das Vollrecht an dem dienenden Grundstück eine Rechtsnachfolge in die titulierten Ansprüche bewirken kann, muss dies erst Recht für die Anwartschaft der Beklagten zu 1) gelten. Denn das Anwartschaftsrecht hatte bis zu seinem Erstarken zum Vollrecht durch den Tod des Verstorbenen als vereinbarte aufschiebende Bedingung nur die Gestalt eines wesensgleichen Minus. Es bezog sich ebenfalls ausschließlich auf ihr originäres, von den Beklagten zu 2) und 3) eigeräumten Nießbrauchsrecht und nicht auf den mit Ausnahme des Heimfalls erloschenen Nießbrauch des Verstorbenen.
Somit wäre die Beklagte zu 1) – wollte sie eigenständig Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Kläger anstrengen – anders als die Beklagten zu 2) und 3) als Eigentümer des dienenden Grundstücks darauf zu verweisen, den Herausgabe- und Beseitigungsanspruch trotz der rechtskräftigen Titulierung durch ihren verstorbenen Ehemann selbst gerichtlich geltend zu machen.
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