OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.10.2013 – I-3 Wx 116/13
Testierunfähigkeit
(AG Düsseldorf, Beschl. v. 03.05.2013 – 93a VI 509/12)
Gründe:
I.
Die am … verstorbene Erblasserin hinterließ drei am … vom Nachlassgericht eröffnete handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügungen. Die erste datiert v. … 1996 […], die weitere ebenfalls v. … 1996 […]. Schließlich wurde ein auf den … Januar 2012 datiertes handschriftliches mit „Testament“ überschriebenes Schriftstück als letztwillige Verfügung der Erblasserin eröffnet […]. In diesem Schriftstück verfügte die Erblasserin wie folgt:
„Testament
all mein Hab und Gut geht nach meinem Tod an … [Bet. zu 1].
…. … 2012 Düsseldorf“
Die Beteiligte zu 1 hat am … unter Berufung auf das […] privatschriftliche Testament der Erblasserin v. … .01.2012 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass die Erblasserin von ihr allein beerbt worden sei.
Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 2 gewandt und hat geltend gemacht, die Erblasserin sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am … .01.2012 nicht testierfähig gewesen; sie sei desorientiert und verwirrt gewesen. Er habe die Erblasserin am … 2012 apathisch in ihrem Bett vorgefunden. Als man sich in dem Aufenthaltsraum des Pflegeheimes aufgehalten habe, sei es dort zu einer Begebenheit gekommen, bei welcher die Erblasserin zu einem ihr unbekannten Kind „…“ gerufen habe. Sie habe diesem Kind noch nachgewinkt und gerufen, nachdem dieses den Ort längst verlassen gehabt habe. Hieraus sowie aus dem Inhalt der Patientenakte ergebe sich, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen sei. […]
Das AG hat nach Beweisaufnahme – Vernehmung der Zeugen A. und M. – mit Beschl. v. 03.05.2013 die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet […]. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seinem Rechtsmittel […]
(b) Die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei dem Erblasser […] gegeben waren, verlangt vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen (vgl. OLG Hamm, OLGZ 1989, 271; OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1996, 1159; Palandt/Weidlich, BGB, 71. Aufl. 2012, § 2229 Rn. 11). Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit (KG, FamRZ 2000, 912), sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären (BayObLG, FamRZ 2001, 55), wobei der Sachverständige anhand von Anknüpfungstatsachen den medizinischen Befund nicht nur festzustellen, sondern vor allem dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat (BayObLG, FamRZ 2002, 1066; vgl. auch Senat, NJW-RR 2012, 1100).
Wenn es Anhaltspunkte gibt, so sprechen diese bei Gesamtbetrachtung eher für Testierfähigkeit, die es allerdings nicht zu beweisen gilt, weil sie den Regelfall darstellt.
(a) Der im […] 2011 erlittene Schlaganfall deutet für sich genommen in keiner Weise darauf hin, dass die Erblasserin am […] .01.2012 nicht in der Lage gewesen sein könnte, nach eigenem, nicht maßgeblich fremd beeinflussten Willen zu testieren. Zeitnahe seelisch-geistige Ausfallerscheinungen der Erblasserin hat allein der Beteiligte zu 2 beschrieben und solche offenbar dem Privatgutachter, dem Facharzt für Neurologie Dr. […], zur Kenntnis gegeben, der diese in seiner (undatierten) schriftlichen Stellungnahme „verarbeitet“ hat, die auf keinerlei objektivierten Erkenntnissen beruht und ein nicht zu vernachlässigendes Seriositätsdefizit aufweist, das sich u.a. darin zeigt, dass ohne eine substantielle Begründung für den maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserstellung bei der Erblasserin ein „Mögliches Delirium/Prädilir“ in den Raum gestellt wird.
Die von dem Beteiligten zu 2 als Tatsachengrundlage präsentierte Schilderung wird aber durch die vom Nachlassgericht zutreffend als glaubhaft angesehene Bekundung der Geschehensabläufe am Tag der Testamentserrichtung seitens der Zeugin A. überzeugend widerlegt.
Nichts spricht dafür, dass sich der im […] 2011 erlittene Schlaganfall auf die Testierfähigkeit der Erblasserin ausgewirkt haben könnte. Der Schlaganfall wird bereits von dem Beteiligten zu 2 in seinem Schriftsatz v. […] 2012 als (lediglich) „leicht“ beschrieben. Das von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. […] im Betreuungsverfahren zur Vorlage bei Gericht erstellte Attest v. […] 2012 diagnostiziert zwar diverse körperliche Beeinträchtigungen der Erblasserin, u.a. auch den am […] 2011 erlittenen rechtsseitigen Hirninfarkt sowie eine Hemiparese links, nicht indes irgendwelche geistig seelische Ausfallerscheinungen. Solche hat auch der Zeuge M. ausdrücklich nicht bestätigt. Dies wiederum korrespondiert mit dem Betreuungsbericht H. v. […] .03.2012, in dem ein Besuch bei der Erblasserin am […] .03.2012 beschrieben wird. Dort heißt es: „Bei meinem Besuch am … .03.12 zeigte sich Frau … im persönlichen Kontakt freundlich und zugewandt. (…) Ein geordnetes Gespräch mit angemessenen Antworten war durchgängig möglich. Sie war allseits orientiert. Hinsichtlich meines Anliegens gab sie zu verstehen, dass (…).“
Hiernach fehlt es für die vom Beteiligten zu 2 erhobenen Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin an der Anknüpfung an fallbezogene objektivierte oder nachprüfbare Tatsachen oder Indizien (z.B. auffälliges symptomatisches Verhalten), und zwar sowohl für das Vorhandensein eines einschlägigen Krankheitsbildes bei der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung als auch für den konkreten Einfluss auf die Testierfähigkeit der Erblasserin zum maßgeblichen Zeitpunkt.
(b) Damit sind aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen herleitbare Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, die Anlass geben könnten, sie durch Einholung des Gutachtens eines psychiatrischen oder nervenfachärztlichen Sachverständigen zu klären (vgl. KG, FamRZ 2000, 912; Palandt/Weidlich a.a.O. Rn. 12) weder vorgetragen (vgl. § 27 Abs. 1 FamFG) noch sonst ersichtlich (vgl. § 26 FamFG).
III. Die Verpflichtung des Beteiligten zu 2, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus § 84 FamFG. Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Beteiligte zu 1 die Erbscheinsgebühr; die übrigen Kosten in dieser Instanz werden dem Beteiligten zu 2 auferlegt, wobei seinem Unterliegen bei der Billigkeitsabwägung das entscheidende Gewicht zukommt, § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 81 Rn. 46). Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i.V.m. § 107 analog.
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