OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.01.2015 – I-3 Wx 141/14
Zur Rechtsnachfolge nach einem niederländischem Erblasser
Gründe:
Der Antragsteller ist der Ehemann der am 05. Juli 2009 in Kleve mit letztem Wohnsitz in Kranenburg dort verstorbenen Erblasserin.
Die Eheleute waren im Güterstand der Gütergemeinschaft nach niederländischem Recht verheiratet; die Erblasserin lebte seit weniger als fünf Jahren in Deutschland; sie hinterließ fünf Kinder. Zum Nachlass gehört ein Grundstück in Kranenburg.
Die Erblasserin errichtete zu Urk.-Nr. 20039967/2/CG/AW des Notars G. in Nijmegen/Niederlande v. 16.11.2000 unter Vorlage eines niederländischen Reisepasses eine in niederländischer Sprache abgefasste Verfügung von Todes wegen, die in den Niederlanden eröffnet wurde und in Übersetzung auszugsweise wie folgt lautet:
… „Ich bestimme, dass bezüglich der Vererbung meines Nachlasses niederländisches Recht Anwendung findet. …
Ich ernenne zu meinem einzigen Erben meinen Gatten sowie meine Kinder jeden zu einem gleichen Teil, und dies unter Anwendung der gesetzlichen Regeln … des Zugewinns zum Zeitpunkt meines Ablebens, …
Wenn von meinem Gatten nicht innerhalb von sechs Monaten nach meinem Versterben erklärt wird, dass er die nachfolgende elterliche Aufteilung des Inventars nicht oder nicht vollständig akzeptiert, … bestimme ich wie folgt:
… Ich teile meinem Gatten zu: Sämtliche Güter, die offenbar zu meinem Nachlass gehören werden, dies für ihn verbunden mit der Verpflichtung:
Die unter … 2. bezeichneten Forderungen … zulasten meines Gatten werden erst bei seinem Versterben fällig.
Ich ernenne meinen Gatten zum Durchführenden meiner Letztwilligen Verfügung, zum Organisator meiner Beerdigung sowie zum Vollstrecker meines Nachlasses … ”
Der Antragsteller hat zunächst geltend gemacht, die Wahl des niederländischen Rechts im Testament sei unwirksam. Die Erblasserin habe sowohl die niederländische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt. Deshalb sei für den Erbfall zwingend deutsches Recht anzuwenden. Mit Rücksicht auf die getroffenen Anordnungen zur Verteilung sei davon auszugehen, dass er Alleinerbe sei. Da er in dem Testament als „executeur” ernannt sei, sei er unter Anwendung deutschen Rechtes auch zum Testamentsvollstrecker ernannt, und ihm sei ein entsprechendes Zeugnis zu erteilen.
Der Antragsteller hat zu UR.-NR. 1998/2013 des Notars Dr. W. in Kleve v. 03.12.2013 beantragt, ihm einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein sowie ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen.
Das Nachlassgericht hat nach Anhörung der übrigen gesetzlichen Erben, die Einwendungen nicht erhoben haben, und Einholung eines Nachweises zur Staatsangehörigkeit der Erblasserin – insoweit ist über den beurkundenden Notar eine Abschrift des entwerteten niederländischen Paspoorts eingereicht worden – am 24.04.2014 den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins und eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass deutsches Recht anzuwenden ist. Deutsches Erbrecht sei vorrangig, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Der Antragsteller habe jedoch geeignete Unterlagen, die belegen, dass die Erblasserin auch die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt habe, nicht beigebracht.
Da die Erblasserin niederländisches Erbrecht angeordnet habe, könne mit Blick auf die dort eingesetzten Erben nicht entnommen werden, dass der Ehemann alleiniger Erbe sein sollte. Da sich das Amt des executeur nach niederländischem Recht richte, könne dem Antrag auf ein Testamentsvollstreckerzeugnis nach deutschem Erbrecht ebenfalls nicht entsprochen werden.
Gegen diesen ihm am 28.04.2014 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte mit der Beschwerde.
Er hat geltend gemacht, er modifiziere den Antrag auf Erteilung des Erbscheins dahin, dass nicht das deutsche sondern das niederländische Erbrecht anzuwenden sei, da die Erblasserin ausschließlich niederländische Staatsangehörige gewesen sei.
Da hier gewillkürte Erbfolge angeordnet worden sei, seien die in der Urkunde aufgeführten Erben mit den jeweils angegebenen Erbquoten zutreffend.
Es werde beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Erbschein sowie das Testamentsvollstreckerzeugnis, wie beantragt, zu erteilen.
Die Erblasserin habe, wie das Nachlassgericht zutreffend festgestellt habe, in Anwendung des niederländischen Erbrechts testiert und hierbei die „ouderlijke boedelverdeling” gem. Art. 1167 des 4. Buches BW a.F. angeordnet. Wie im Erbscheinsantrag bereits ausgeführt, sei diese dem deutschen Recht fremde Gestaltungsmöglichkeit aufgrund der starken Stellung des überlebenden Ehegatten einer Alleinerbenstellung des Ehegatten nach deutschem Recht gleichgestellt.
Zu dem Ergebnis, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe geworden ist, führe damit sowohl die Anwendung des deutschen als auch die Anwendung des niederländischen Erbrechts, weshalb in der Beschwerde die Antragsänderung dahin erfolgt sei, dass ein Fremdrechtserbschein in Anwendung des niederländischen Erbrechts erteilt wird; ferner werde hiermit beantragt, ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, wonach der Erbe Executeur nach niederländischem Erbrecht geworden ist.
Das AG – Nachlassgericht – hat mit Beschl. v. 16.09.2013 der Beschwerde nicht abgeholfen, die Sache dem Senat vorgelegt und ausgeführt, soweit nunmehr der Antrag dahin modifiziert werde, dass das niederländische Erbrecht anzuwenden sei, führe dieser geänderte Antrag nicht zu der beantrag-ten Ausstellung eines Alleinerbscheins für den Antragsteller, da das niederländische Testament ihn und die Kinder quotenmäßig bedenke; dies werde in dem Erbscheinsantrag auch erkannt.
Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden v. 22.01.2015, dass nach Vorberatung (nur) ein Alleinerbschein ohne Testamentsvollstreckeranordnung und Testamentsvollsteckerzeugnis in Betracht komme, bittet der Antragsteller – unter Rücknahme seiner Antrages im Übrigen – nur noch um die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte Bezug genommen.
Das gem. §§ 38, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2; 352 Abs. 1 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Antragstellers ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen. Soweit der Beteiligte mit der Beschwerde nunmehr die Erteilung eines Erbscheins nach niederländischem Recht beantragt, liegt in der Nichtabhilfe die ablehnende erstinstanzliche Entscheidung (Senat, FamRZ 2007, 1359; Keidel-FamFG/Zimmermann, 18. Aufl. 2014 § 352 Rn. 20 m. Nachw.).
Der Beteiligte ist durch das vor dem niederländischen Notar protokollierte Testament der Erblasserin v. 16.11.2000 wirksam zu deren Alleinerben (bzw. in eine der des Alleinerben vergleichbare Erbenstellung) eingesetzt.
Für die Erbfolge verweist es auf die Regelungen des Haager Übereinkommens über das auf die Erbfolge anwendbare Recht v. 01.08.1989 (ErbÜ) und übernimmt diese dadurch in das nationale niederländische Recht. Dieses Abkommen bestimmt in Art. 3 Abs. 2 Satz 1, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er in diesem Zeitpunkt Angehöriger dieses Staates war (Abs. 1); ferner, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen ebenfalls dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er sich mindestens fünf Jahre unmittelbar vor seinem Tod in diesem Staat aufgehalten hatte.
(b) Hier richtet sich die Rechtsnachfolge der Erblasserin nach niederländischem Recht. Die Erblasserin war nämlich im Zeitpunkt ihres Todes niederländische Staatsangehörige, weshalb die Rechtsnachfolge von Todes wegen grds. dem niederländischen Recht unterliegt, Art. 25 Abs. 1 EGBGB. Der infolge Gesamtverweises anwendbare Art. 3 Abs. 2 Satz 1 ErbÜ führt nicht zur Anwendbarkeit deutschen Rechts. Denn die Erblasserin hatte zwar im Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, war aber nicht Deutsche. Auch hatte sie sich bis zu ihrem Tode nicht mindestens 5 Jahre in Deutschland aufgehalten.
bb) Hat ein verheirateter Erblasser – wie hier die verstorbene Ehefrau des Beteiligten am 16.11.2000 – eine „elterliche Nachlassverteilung” (ouderlijke boedelverdeling, Art 4: 1167 ff. BW) in der Weise vorgenommen, dass der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Todes die gesamten Aktiva und Passiva mit dinglicher Wirkung erhalten und den Kindern als Miterben lediglich ein bis zum Tode des Überlebenden gestundeter Geldanspruch in Höhe ihres Erbteils zustehen soll, so entspricht diese seit 1969 zugelassene „elterliche Nachlassverteilung” per Testament (vgl. zur „ouderlijke boedelverdeling” ZEV 2005, 154 (Länderreport); Staudinger-BGB/Dörner, Neubearb. 2007, Anh. zu 25 und 26 EGBGB Rn. 596; Schimansky, ZEV 2003, 149 (150); Luijten, MittRhNotK 1986, 109; Senat, IPRspr 1985 Nr. 114, S. 293 = MittRhNotK 1985, 198 m. Anm. Imig; Johnen, MittRhNotK 1986, MittRhNotK 1986, 57; MittRhNotK 1986, 66; Koenigs, MittRhNotK 1987, 237), die nunmehr seitdem 01.01.2003 als gesetzliche Erbfolge geregelt ist, wenn der Erblasser Abkömmlinge hinterlässt (vgl. Länderreport, ZEV 2005, 154 (156); Eule, RNotZ 2003, 434, (437, 439)), bei funktioneller Betrachtung einer mit Vermächtnissen bzw. ggf. Pflichtteilsansprüchen verbundenen Alleinerbeneinsetzung des deutschen Rechts (vgl. Staudinger/Dörner, a.a.O. Art 25 EGBGB Rn. 884).
In diesem Fall ist dem überlebenden Ehegatten – hier dem Beteiligten – ein Fremdrechtserbschein als Alleinerbe unter Anwendung niederländischen Erbrechts gem. § 2369 BGB zu erteilen (Senat, a.a.O.; Staudinger/Dörner, a.a.O., Rn. 870; Eule, a.a.O., S. 437 ff.).
Der Erbschein ist unbeschränkt zu erteilen; gegenständliche Beschränkungen, namentlich auf die im Inland befindlichen Nachlassgegenstände, sind nicht beantragt und nach der Neufassung des § 2369 Abs. 1 BGB seit dem 01.09.2009 nicht von Amts wegen in den Erbschein aufzunehmen (MünchKomm-BGB/J. Mayer, 6. Aufl. 2013, § 2369 Rn. 5, 17).
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