OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2014 – I-7 U 177/11
Beweisanforderungen an Unentgeltlichkeit bei Pflichtteilsergänzung
Der Kläger macht aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die Beklagte, die durch Testament eingesetzte Erbin des Vaters der Zedentin, geltend. Im Jahr 2001 veräußerte der Erblasser seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, das mit einem u.a. von ihm bewohnten Mehrfamilienhaus bebaut war, gegen einen Kaufpreis von 135.000,00 DM, die Übernahme der durch eine Grundschuld gesicherten Verbindlichkeiten und den Abschluss eines nicht ordentlich kündbaren Mietvertrags über die von ihm bewohnte Wohnung an seine Miteigentümer und Mitbewohner, die Eltern der Beklagten. In einem zuvor von dem Erblasser eingeholten Sachverständigengutachten war der Wert des Grundstücks auf 400.000,00 DM geschätzt worden. Der Kläger behauptet, das Grundstück sei 900.000,00 DM wert gewesen, was den Vertragsparteien auch bekannt gewesen sei; bei der Veräußerung habe es sich daher um eine gemischte Schenkung gehandelt.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau gegen die Beklagte kein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§ 2325, 398 BGB zu. Ein solcher setzte voraus, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung i.S.d. §§ 516, 517 BGB gemacht hätte. Steht der Zuwendung des Erblassers eine Leistung des Zuwendungsempfängers – die Zahlung eines Kaufpreises – entgegen, kann eine zum Ausgleich verpflichtende Schenkung nur angenommen werden, wenn der Wert der Zuwendung den Wert der Gegenleistung übersteigt und sich die Parteien darüber einig sind, dass ein Teil der Leistung nicht durch die Gegenleistung abgegolten, sondern unentgeltlich zugewendet werden soll (BGH, NJW-RR 1996, 754 [BGH 06.03.1996 – IV ZR 374/94]; Damrau/Riedel, ErbR, 2. Aufl., § 2325 Rn. 31; OLG Bamberg, ZEV 2008, 386 [OLG Bamberg 01.10.2007 – 6 U 44/07]). Der Wille der Beteiligten muss sich bei einer gemischten Schenkung darauf richten, dass der Mehrwert der Leistung unentgeltlich, also geschenkt sein soll.
Der Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen des § 2325 BGB obliegt demjenigen, der den Anspruch geltend macht. Dabei kann er sich indes auf eine in der Rechtsprechung anerkannte Beweiserleichterung berufen (OLG Köln, Urt. v. 11.02.2009 – 2 U 80/03). Auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung, nämlich die Einigkeit der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit, kann nach der Lebenserfahrung dann geschlossen werden, wenn ein auffallendes, grobes Missverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen ist. Maßgebend hierfür ist der Zeitpunkt der Zuwendung (BGH, a.a.O.). Ein solches Missverhältnis wird regelmäßig angenommen, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte des effektiven Werts der Zuwendung beträgt (MünchKomm-BGB/Koch, 6. Aufl., § 516 Rn. 22).
Die Beweiserleichterung kann im vorliegenden Fall jedoch nicht zu Gunsten des Klägers angewandt werden, selbst wenn man von seinem Vortrag, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an dem Grundstück 450.000,00 DM und damit mehr als das 3-fache des gezahlten Kaufpreises betrage, ausgeht. Denn es ist unstreitig, dass der Erblasser vor der Grundstücksübertragung den Verkehrswert des Kaufobjektes durch das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hat ermitteln lassen. Unter Zugrundelegung des nach diesem Sachverständigengutachten ermittelten Verkehrswertes besteht kein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Der Sachverständige hat einen Verkehrswert für das gesamte Objekt von 400.000,00 DM ermittelt. Selbst wenn man für den hälftigen Miteigentumsanteil des Erblassers die Hälfte hiervon, also 200.000,00 DM in Ansatz bringt (was zu hoch sein dürfte, weil zu berücksichtigen ist, dass ein halber Miteigentumsanteil schwieriger zu veräußern ist als das gesamte Objekt) und dem als Gegenleistung nur den Kaufpreis von 135.000,00 DM gegenüberstellt (und die übernommenen Verbindlichkeiten und den nicht kündbaren Mietvertrag außer Betracht lässt), liegt dieser nicht unter der Hälfte des vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswertes. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich bei familiären, verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen, wie sie hier vorgelegen haben, für die subjektive Bewertung ein weiter Spielraum erschließt, der insbesondere sog. Freundschaftspreise zulässt (vgl. Münch-Komm-BGB/Koch, 6. Aufl., § 516 Rn. 21).
Der Kläger hat damit den vollen Beweis für einen Schenkungswillen des Erblassers und die Einigkeit der Vertragsparteien über die teilweise Unentgeltlichkeit des Geschäfts zu erbringen. Diesen Beweis hat er nicht führen können. Der Zeuge V hat die Behauptung, dass der Erblasser gewusst habe, dass der Verkehrswert des gesamten Grundstücks 900.000,00 DM betragen habe, nicht bestätigt. Es kommt nicht darauf an, ob das Gutachten des Sachverständigen Z objektiv unzutreffend ist und auf unrichtigen Feststellungen beruht. Denn für die vom Kläger zu beweisende Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit sind allein ihre Vorstellungen bei Vertragsschluss entscheidend.
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