OLG Frankfurt am Main, 01.02.2016 – 14 U 124/15

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 01.02.2016 – 14 U 124/15
Tenor:

1.

Der Antrag des Klägers, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird abgewiesen.
2.

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Juli 2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Fulda wird als unzulässig verworfen.
3.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten Vertragsstrafe- und Unterlassungsansprüche geltend.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 21. Juli 2015 teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 27. Juli 2015 zugestellt worden (vgl. Band I Blatt 255 der Akten).

Am 24. August 2015 ist beim Oberlandesgericht per Telefax ein unter demselben Datum verfasster Berufungsschriftsatz eingegangen (vgl. Band II Blatt 258 der Akten), und am 28. September 2015 – ebenfalls per Telefax – ein Berufungsbegründungsschriftsatz vom selben Tag (vgl. Band II Blatt 267 der Akten).

Mit Schriftsatz vom 27. November 2015 (Band II Blatt 267 der Akten) hat der Beklagte beantragt, die Berufung zu verwerfen, weil die vorgenannten Schriftsätze nicht unterschrieben und daher gemäß § 130 Nr. 6 ZPO unwirksam seien. Selbst bei großzügiger Betrachtung lasse sich der nach oben hin offen gelassene Bogen nicht als Nachname des Prozessbevollmächtigten des Klägers deuten.

Mit Verfügung der Berichterstatterin vom 2. Dezember 2015 (Band II Blatt 298 der Akten) hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, aus den im Schriftsatz des Beklagen vom 27. November 2015 ausgeführten Gründen bestünden Zweifel an Zulässigkeit der Berufung.

Daraufhin hat der Kläger mit am 22. Dezember 2015 beim Oberlandesgericht eingegangenem Telefax seines Prozessbevollmächtigten vom selben Tag beantragt, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach höchstrichterlichen Grundsätzen sei auch ein vereinfachter und unlesbarer Schriftzug als Unterschrift anzuerkennen, wenn er individuelle und charakteristische Merkmale aufweise. Dies sei bei seiner Unterschrift, die am Anfang ein „E“ und am Ende ein „r“ erkennen lasse, der Fall, zumal wenn diese über eine gedruckte Namensangabe gesetzt sei. Der die Schriftsätze vom 24. August und 28. September 2015 abschließende Schriftzug werde von ihm seit Jahren verwendet, ohne dass es jemals Beanstandungen gegeben habe.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 2016 bestritten, dass der Klägervertreter seit Jahren prozessleitende Schriftsätze unterschreibe wie die Schriftsätze vom 24. August und 28. September 2015. Selbst im vorliegenden Rechtsstreit habe er bis vor kurzem noch so unterschrieben, dass zumindest Anfangs- und Endbuchstaben zu erahnen seien.

Hierauf hat der Klägervertreter entgegnet, er habe schon im ersten Rechtszug unbeanstandet so unterschrieben wie in seinen Schriftsätzen vom 24. August und 28. September 2015. Er unterzeichne nach Tagesform und Arbeitsbelastung sehr unterschiedlich.

Wegen der Einzelheiten seiner Ausführungen wird auf die vorgenannten Schriftsätze des Klägers Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag des Klägers, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, war abzuweisen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt gemäß § 233 ZPO nur dann in Betracht, wenn ausgeschlossen werden kann (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Oktober 1998, NJW 1999, S. 429, [BGH 27.10.1998 – X ZB 20/98] juris Rn. 3 mit weiteren Nachweisen), dass der Kläger die Versäumung der am 29. August 2015 abgelaufenen Frist zur Einlegung der Berufung gegen das am 27. Juli 2015 zugestellte Urteil des Landgerichts Fulda durch ein vorwerfbares Fehlverhalten verursacht hat. Diese Feststellung ist jedoch nicht möglich.

a. Der Berufungsschriftsatz des Klägers vom 24. August 2015 ist nicht unterschrieben.

aa. Die Berufungsschrift muss als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§ 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4 ZPO). Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. März 2015, VI ZB 71/14, juris Rn. 7 mit weiteren Nachweisen).

Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. ebenda, Rn. 8) setzt eine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO genügende Unterschrift einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, der sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist angesichts der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen.

bb. Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Schriftzug auf der Berufungsschrift nicht um eine Unterschrift im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO. Der Schriftzug bildet einen flachgedrückten, oben offenen Kreis mit eingeschlagenen Enden ohne irgendwelche individuellen charakteristischen Merkmale, die ihn als Wiedergabe eines Namens darstellen und eine Nachahmung erschweren könnten. Der Kreisbogen unter dem Berufungsschriftsatz könnte von jedem stammen; er gibt nicht etwa in unleserlicher Weise einen Namen vollständig wieder, sondern ermöglicht überhaupt keine Identifizierung seines Urhebers. Daher behält der Senat auch bei einem Vergleich des Schriftzugs auf der Berufungsschrift mit charakteristischen, als Unterschriften zu wertenden Schriftzügen des Klägervertreters im vorliegenden Rechtsstreit Zweifel daran, dass ersterer von ihm stammt, auch wenn sein Name gedruckt darunter steht.

2. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die wegen der fehlenden Unterzeichnung der Berufungsschrift eingetretene Versäumung der Berufungsfrist auf einem vorwerfbaren, dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnenden Fehlverhalten seines Prozessbevollmächtigten beruht.

Dem Klägervertreter mussten die höchstrichterlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze bekannt sein (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. April 2013, VII ZB 43/12, juris Rn. 11). Er konnte – auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes (vgl. ebenda) – nicht annehmen, der flache, oben offene Kreis auf der Berufungsschrift werde unbeanstandet bleiben, weil dies auch schon zuvor so geschehen sei. Der Kläger hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass sein Prozessbevollmächtigter schon länger unbeanstandet mit dem auf der Berufungsschrift – und auf Berufungsbegründungsschrift – zu findenden flachgedrückten, oben offenen Kreis unterzeichnet. Seine bestimmenden Schriftsätze im ersten Rechtszug, insbesondere die Klageschrift, hat der Klägervertreter mit einem Schriftzug versehen, der charakteristische Merkmale aufweist, die bei der gebotenen großzügigen Beurteilung am Anfang ein „E“ und am Ende ein „r“ erkennen lassen, und damit als zwar unleserliche, aber vollständige Wiedergabe seines Namens erscheint. Der Klägervertreter betont selbst, er unterzeichne – wie aus den vorliegenden Akten ersichtlich – nach Tagesform und Arbeitsbelastung sehr unterschiedlich. Dass auch Schriftzüge von ihm ohne jegliches charakteristisches Detail wie derjenige auf der Berufungsschrift schon länger bei bestimmenden Schriftsätzen unbeanstandet geblieben sind, ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht, auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers. Jedenfalls fehlt es insoweit an einer Glaubhaftmachung.

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