OLG Frankfurt am Main, 01.06.2016 – 4 U 239/15

März 22, 2019

OLG Frankfurt am Main, 01.06.2016 – 4 U 239/15
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Oktober 2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden (Az.: 9 O 308/12) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der im Jahr 1997 gegründeten A GmbH, über deren Vermögen aufgrund eines Eigenantrags vom 13.03.2009 mit Beschluss vom 25.05.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zusammen mit der Zusatzversorgungskasse für das …handwerk VV a.G. durch für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge errichtet und fungiert sowohl für die ihm zustehenden Beiträge als auch für die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse als Einzugsstelle. Im Tarifvertrag ist u.a. festgelegt, dass den Arbeitnehmern neben Urlaubsentgelt auch Urlaubsgeld (künftig zusammenfassend: Urlaubsvergütung) zusteht und dass der Beklagte als Urlaubskasse dem Arbeitgeber diese Urlaubsvergütungen erstattet, wobei ein Erstattungsanspruch ein ausgeglichenes Beitragskonto des Arbeitgebers beim Beklagten voraussetzt.

Der Kläger begehrt auf der Grundlage der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO die Zahlung von 13.165,57 €, welche der Beklagte zwischen dem 05.05.2006 und dem 31.10.2008 durch Überweisungen der Schuldnerin erhalten hat – bestehend aus 6.865,67 € am 05.05.2006, die auf eine Kontenpfändung durch den Beklagten hin gezahlt wurden, und aus 9 Überweisungen à 700,00 € zwischen dem 01.11.2007 und dem 31.10.2008, wobei der Kontoauszug bezüglich der zweiten Überweisung als angegebenen Verwendungszweck eine Bezugnahme auf eine Ratenzahlungsvereinbarung vom 18.10.2007 ausweist. Darüber hinaus begehrt der Kläger – über § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO – die Zahlung von weiteren Beträgen, welche dem Beklagten durch Verrechnung seiner Beitragsforderungen mit Forderungen der Schuldnerin auf den Ersatz von Urlaubsvergütungen zugeflossen sind. Der Kläger behauptet Verrechnungen in Höhe von insgesamt 74.808,56 € bis zum 31.12.2008.

Der Kläger hat behauptet, dass die Schuldnerin seit 2002 bilanziell überschuldet und seit dem 01.01.2006 zahlungsunfähig gewesen sei. Er hat anfechtbare Rechtshandlungen der Schuldnerin zum einen in der Veranlassung von Überweisungen an den Beklagten und zum anderem in einem behaupteten Abruf zusätzlicher Kreditmittel gesehen. Darüber hinaus hat er die Zahlung von Urlaubsvergütungen durch die Schuldnerin an deren Arbeitnehmer als mittelbar die Gläubiger benachteiligende Rechtshandlungen angesehen.

Einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hat der Kläger mit der pauschalen Behauptung zu begründen versucht, dass die Schuldnerin gewusst habe, dass ihr Vermögen nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreiche, und mit der Behauptung, dass die Schuldnerin eine inkongruente Verrechnungslage herbeigeführt habe.

Für die behauptete Kenntnis des Beklagten von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hat der Kläger Folgendes angeführt:

Zum 1.1.2006 habe die Schuldnerin beim Beklagten Verbindlichkeiten in Höhe von 9.461,51 € gehabt; Ende Februar 2006 hätten Beitragsrückstände für mehr als drei Monate bestanden; von Mai 2006 bis November 2007 habe die Schuldnerin keine Zahlungen an den Beklagten geleistet; die Schuldnerin sei akutem Vollstreckungsdruck des Beklagten ausgesetzt gewesen; der Beklagte habe am 05.05.2006 eine fruchtlose Kontenpfändung ausgebracht; die Schuldnerin und der Beklagte hätten am 18.10.2007 auf Bitten der Schuldnerin eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen; der Beklagte habe Kenntnis von den Verrechnungen gehabt, die eine inkongruente Deckung darstellten.

Der Beklagte hat eine Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin bestritten. Er hat darauf abgestellt, dass gerade die umgehende Begleichung des dem Beklagten geschuldeten Betrags, dessentwegen das Konto der Schuldnerin gepfändet worden sei, belege, dass die Schuldnerin zu den gebotenen Zahlungen in der Lage gewesen sei. Weiter hat der Beklagte ausgeführt, dass die Möglichkeit einer Verrechnung von Beitragsschulden mit Erstattungsforderungen auf Seiten der dem Beklagten angeschlossenen Arbeitgeber sozusagen stets mitgedacht werde. Zudem hat der Beklagte unter Bezugnahme auf die Anlage K 22 (im Anlagenband) geltend gemacht, dass der Beitragsrückstand der Schuldnerin beim Beklagten im Dezember 2008 weniger als 3.200 € betragen habe. Der Beklagte hat vorgetragen, dass ihm von einer Ratenzahlungsvereinbarung mit der Schuldnerin nichts bekannt sei. Hinsichtlich der Verrechnungen hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass diese die Gläubiger nicht benachteiligt hätten, und hat sich dazu auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.10.2004 (IX ZR 71/02 = NZI 2005, 166 f.) bezogen. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte unbestritten vorgetragen, dass im Jahr 2009 14,1% der Bruttolohnsumme an den Beklagten als Einzugsstelle abzuführen gewesen seien und dass davon 12,1% auf den Beitrag für den Beklagten und 2,0% auf den Beitrag zur Zusatzversorgungskasse entfallen seien.

Hinsichtlich der – bestrittenen – Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hat der Beklagte darauf abgestellt, dass das zögerliche Zahlungsverhalten der Schuldnerin ihm gegenüber auf Zahlungsunwilligkeit hingewiesen habe und nicht zwingend auf (drohende) Zahlungsunfähigkeit habe schließen lassen. Es liege durchaus nahe, dass die Schuldnerin lediglich ihre Kreditlinie habe schonen wollen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Ansprüche des Beklagten nicht strafbewehrt seien; im Gegensatz zu den Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger oder zu den Steuerforderungen des Finanzamtes. Durch die Verrechnungen habe der Beklagte eine kongruente Deckung erhalten, was kein Indiz für (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei.

Das Landgericht hat die Zeugen Vorname1 Nachname1 und Vorname2 Nachname1 zu dem behaupteten Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung vernommen bzw. im Wege der Rechtshilfe vernehmen lassen. Die Aussage des Zeugen Vorname1 Nachname1 war unergiebig. Der Zeuge Vorname2 Nachname1 hat lediglich angegeben, irgendwann einmal, unklar, mit wem, telefonisch eine Ratenzahlung vereinbart zu haben und nicht zu wissen, ob diese Abrede nochmals schriftlich fixiert worden sei. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.07.2014 (Bl. 252-255 d.A.) und auf das Vernehmungsprotokoll vom 23.10.2014 (Bl. 326 d.A.) Bezug genommen.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Übrigen und wegen des Wortlauts der Antragstellung im ersten Rechtszug wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Soweit der Kläger die verrechneten Erstattungsansprüche im Wege der Anfechtung ausgekehrt haben wolle, sei sein Vortrag unschlüssig. Sofern, wie der Kläger behauptet, das Beitragskonto der Schuldnerin beim Beklagten nicht ausgeglichen gewesen sei, habe der Schuldnerin kein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zugestanden und fehle es daher an einer Gläubigerbenachteiligung. Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten nicht festgestellt werden könne. Es hat weiter darauf abgestellt, dass der Kläger nicht dargetan habe und auch sonst nicht ersichtlich sei, dass und woher der Beklagte nähere Kenntnis von Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber anderen Gläubigern oder von nicht ihn betreffenden Kontenbewegungen auf den Konten der Schuldnerin oder von Pfändungen der Konten der Schuldnerin durch Dritte gehabt hätte.

Einen Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers vom 22.10.2015 (Bl. 621 d.A.) hat das Landgericht mit Beschluss vom 09.11.2015 (Bl. 631 f. d.A.) zurückgewiesen.

Mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt, rügt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens Rechtsverletzungen, die er darin sieht, dass das Landgericht hinsichtlich der Verrechnungen eine Rechtshandlung der Schuldnerin wie auch einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz verneint hat. Zu der behaupteten Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin stellt er darauf ab, dass laut Anlage K 22 (im Anlagenband) die Schuldnerin erhebliche Zahlungsrückstände beim Beklagten gehabt habe und zudem der Beklagte die Verrechnungen, welche der Kläger als inkongruent ansieht, gekannt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils und des Beschlusses vom 09.11.2015 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 87.974,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 07.12.2015 und den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom 13.05.2016, auf die Berufungserwiderung vom 15.02.2016 und den Schriftsatz des Beklagten vom 04.03.2016 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13.04.2016 Bezug genommen.

II.

Soweit der Kläger eine Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 09.11.2015 beantragt, ist sein Rechtsmittel nicht statthaft und daher unzulässig; § 320 Abs. 4 Satz 3 ZPO.

Die im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zunächst hat das Landgericht die Klage wegen einer geltend gemachten Teilforderung in Höhe von 74.808,56 € – dies ist der Gesamtbetrag der vom Kläger für anfechtbar erachteten Verrechnungen – zu Recht abgewiesen.

a) Der Kläger hat diesen Gesamtbetrag bereits rechnerisch unzutreffend ermittelt. In der in der Anlage K 23 enthaltenen Tabelle der angeblich verrechneten Forderungen des Beklagten findet sich in der Spalte „Gegenkontonummer“ mehrfach die Eintragung „X“. Mit der damit offensichtlich bezeichneten Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes hat der Beklagte nichts zu tun. Die betreffenden Beträge summieren sich auf 10.028,21 €.

b) Hinsichtlich der weiter angegriffenen Verrechnungen in Höhe von 64.780,35 € fehlt es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.10.2004 – IX ZR 71/02 – = NZI 2005, 166 f.) bewirkt eine Aufrechnung oder Verrechnung von eigenen Beitragsforderungen der als Einzugsstelle fungierenden Sozialkasse mit Erstattungsansprüchen des Arbeitgebers gegen eben diese Kasse keine Gläubigerbenachteiligung (a.a.O, Rn. 10 in juris). Der dem Bundesgerichtshof dort zur Beurteilung vorgelegte Sachverhalt unterschied sich von dem vorliegenden in einem Punkt: Dort war die Zusatzversorgungskasse Einzugsstelle, auch für die Beiträge zur Urlaubskasse. Deshalb hat der Bundesgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall die Aufrechnung mit Beitragsforderungen der Urlaubskasse gegen Ansprüche der Schuldnerin gegen die Zusatzversorgungskasse als Einzugsstelle als anfechtbar angesehen. Wegen der umgekehrten Rollenverteilung im vorliegenden Fall kann dies für die Verrechnung des Beklagten mit seinen eigenen Beitragsforderungen nicht gelten.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers wurden die Gläubiger auch nicht mittelbar durch die Auszahlung der Urlaubsvergütungen an die Arbeitnehmer der Schuldnerin benachteiligt. Denn die Schuldnerin hat lediglich bestehende Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitnehmern erfüllt – kongruent -, aber keine neuen, zum Entstehen einer Verbindlichkeit führenden Handlungen vorgenommen. Daher kann aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.10.2009 (IX ZR 147/06 = WM 2009, 2394 ff. [BGH 22.10.2009 – IX ZR 147/06]) nichts für den vorliegenden Fall hergleitet werden. Dort hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die Schuldnerin steuerbare Umsätze getätigt und dadurch Umsatzsteuerforderungen ausgelöst hatte, mit denen das Finanzamt aufrechnen konnte (a.a.O., Rn. 19 in juris). Im vorliegenden Fall hat dagegen, wie soeben ausgeführt, die Schuldnerin keine neuen Verbindlichkeiten begründet, auch nicht mittelbar. Aus den eben genannten Gründen sind auch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 02.11.2010 (VII R 62/10), in denen der Bundesfinanzhof dem Urteil des Bundesgerichtshofs in der Sache IX ZR 147/06 folgt, wie auch des Bundessozialgerichts vom 23.03.2011 (B 6 KA 14/10 R) nicht einschlägig. Auch dort ging es um die Beurteilung der Begründung neuer Verbindlichkeiten. Das vom Kläger angeführte Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2015 (ZinsO-RR 2016, 647 f.) bejaht zwar für den mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eine anfechtbare Rechtshandlung, beruft sich dabei aber zu Unrecht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.10.2009 (IX ZR 147/06). Denn auch bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geht es nicht um die Begründung einer Verbindlichkeit, wie etwa beim Auslösen eines steuerbaren Umsatzes. Maßgeblich ist dabei, wie auch im vorliegenden Falle, vielmehr, dass die Erstattungsansprüche der Schuldnerin gegen den Beklagten nicht vor den Beitragsforderungen des Beklagten fällig geworden sind, die Schuldnerin also nicht vor dem Beklagten eine durchsetzbare Forderung besessen hat. In einer solchen Konstellation ist die Aufrechnung oder Verrechnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, insolvenzfest (BGH, Urt. v. 03.03.2016 – IX ZR 132/15 -, = NZI 2016, 347 ff., Rn. 19 in juris).

2. Bezüglich der Überweisungen vom 05.05.2006 (6.865,67 €) und vom 01.11.2007 bis zum 31.10.2008 (9 mal 700,00 €) hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend eine Kenntnis des Beklagten von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verneint.

a) Eine Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit ist dann anzunehmen, wenn Umstände bekannt sind, die den Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zwingend erscheinen lassen. Hierbei ist eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vorzunehmen (BGH Urt. v. 08.01.2015 – IX ZR 203/12 – = NZI 2015, 369 ff., Rn. 25 in juris). Insoweit hat das Landgericht zutreffend zugrunde gelegt, dass der Beklagte ausschließlich von jenen Umständen Kenntnis hatte, die das Zahlungsverhalten der Schuldnerin ihm gegenüber betroffen haben. Denn dass der Beklagte Kenntnis von einer eventuellen Nichtzahlung von Löhnen oder von Sozialversicherungsbeiträgen oder von sonstigen Kontenbewegungen gehabt hätte, ist weder vom Kläger dargetan worden noch sonst ersichtlich.

b) Im Ergebnis teilt der Senat die Beurteilung durch das Landgericht, dass eine Kenntnis des Beklagten von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtshandlung nicht festgestellt werden kann.

aa) Die Fruchtlosigkeit der von dem Beklagten wegen eines Betrages von 6.865,67 € am 05.05.2006 ausgebrachten Kontenpfändung ließ zunächst den Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zwingend erscheinen. Daher stehen Umstände, aufgrund von deren Kenntnis auf einen späteren Wegfall der drohenden Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden konnte, zur Darlegungs- und Beweislast des Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14 -, = NJW 2016, 1171 ff., Rn. 27 in juris). Gerade die sogleich nach der Pfändung erfolgte Überweisung des Betrages von 6.865,67 € an den Beklagten stellt indessen einen solchen Umstand dar. Sie belegt vor dem Hintergrund des insoweit maßgeblichen Kenntnisstandes des Beklagten, dass die Schuldnerin zu einer Zahlung ohne weiteres in der Lage und demnach lediglich zahlungsunwillig war.

bb) Das Zahlungsverhalten der Schuldnerin im Zeitraum zwischen November 2007 und November 2008 hat den Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht zwingend erscheinen lassen.

(1) Insoweit hält es der Senat im Gegensatz zum Landgericht nicht für ausschlaggebend, ob die Schuldnerin und der Beklagte eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen hatten. Denn unabhängig davon überwies die Schuldnerin an den Beklagten ausweislich der Anlage K 22 am 01.11.2007, 19.11.2007, 27.1.2.2007, 26.02.2008, 26.03.2008, 25.05.2008, 05.08.2008, 22.09.2008 und 31.10.2008 gleichbleibend jeweils den glatten Betrag von 700,00 €, tätigte aber keine anderen Zahlungen oder Überweisungen an den Beklagten. Somit nahm die Schuldnerin faktisch Ratenzahlungen vor, was dem Beklagten zweifellos nicht entgangen sein kann. Dies kann grundsätzlich auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.

(2) Indessen spricht gegen eine Kenntnis des Beklagten von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit zunächst der Umstand, dass die Rückstände auf dem Beitragskonto der Schuldnerin über den genannten Zeitraum hinweg kontinuierlich abnahmen. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ergab sich aus dieser Entwicklung gerade nicht zwingend. Darüber hinaus hatte der Beklagte Kenntnis von Erstattungsansprüchen der Schuldnerin gegen ihn, was sich an den auch während des fraglichen Zeitraums vorgenommenen Verrechnungen zeigt. Schließlich durfte der Beklagte davon ausgehen, dass die Schuldnerin wichtige Gläubiger gegenüber ihm bevorzugt bediente, wie etwa die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, deren Forderungen nach § 266 a StGB strafbewehrt sind und deshalb üblicherweise bevorzugt bedient werden, oder das Finanzamt, für dessen Steuerforderungen Gleiches gilt (§ 370 AO), oder institutionelle Gläubiger wie etwa die Geschäftsbanken. Dass der Beklagte eine Kenntnis von eventuellen Nichtzahlungen an diese Gläubiger gehabt hätte, hat der Kläger nicht dargetan.

(3) Nach allem ist zugrunde zu legen, dass dem Beklagten bekannt war, dass die Schuldnerin, auch wenn sie lediglich Ratenzahlungen erbrachte, damit den Rückstand auf ihrem Beitragskonto abbaute, dass dem Beklagten bekannt war, dass der Schuldnerin darüber hinaus noch Forderungen gegen ihn zustanden, und dass des Weiteren der Beklagte keine Anhaltspunkte für eine Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern oder Löhnen durch die Schuldnerin hatte und er von einem solchen Verhalten der Schuldnerin auch nicht ausgehen musste. Daraus ergibt sich in einer Gesamtbetrachtung, dass dem Beklagten in dem Zeitraum zwischen November 2007 und November 2008 keine Umstände bekannt waren, aus denen zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu schließen war. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit konnte bei objektiver Betrachtung vom Kenntnisstand des Beklagten aus allenfalls als möglich erscheinen.

3. Die vom Kläger geltend gemachte Anfechtung führt auch nach den anderen Anfechtungstatbeständen der §§ 130 ff. InsO nicht zu einem Anspruch gegen den Beklagten.

a) Da es bei den Verrechnungen an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt, kommt insoweit nach § 129 InsO keinerlei erfolgreiche Anfechtung in Betracht.

b) Da der Beklagte zum Zeitpunkt der übrigen angefochtenen Rechtshandlungen keine Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte, hat die Anfechtung insoweit auch auf der Grundlage der §§ 130 und 132 InsO keinen Erfolg.

c) Im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe – letzte angefochtene Rechtshandlung, die keine Verrechnung beinhaltet, am 31.10.2008, Eigenantrag vom 13.03.2009 – führt die Anfechtung auch nicht gemäß § 131 InsO zum Erfolg.

d) Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 134 InsO sind weder dargetan worden noch sonst ersichtlich.

4. Da seine Berufung keinen Erfolg hat, hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

5. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Soweit der Senat von dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2015 (ZinsO-RR 2016, 647 f.) abweicht, folgt er der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 24.10.2009 – IX ZR 147/06 – = WM 2009, 2394 ff. [BGH 22.10.2009 – IX ZR 147/06], Rn 19 in juris und vom 03.03.2016 – IX ZR 132/15 -, = NZI 2016, 347 ff., Rn. 19 in juris).

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