OLG Frankfurt am Main, 04.03.2016 – 19 U 239/14

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 04.03.2016 – 19 U 239/14
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 07. November 2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nur in Bezug auf den Rechtsmissbrauch zugelassen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um Feststellung der Wirksamkeit von Widerrufen von Darlehensverträgen sowie Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung und um Verzugsschäden. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 229-231 d.A.).

Der Sachverhalt wird folgendermaßen ergänzt.

Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger die Darlehensverträge als Verbraucher geschlossen haben.

Die Kläger behaupten, dass sie gemeinsam Eigentümer von drei Immobilien sind. Intention hinter den Immobilienkäufen sei der langfristige Vermögensaufbau. Deshalb hätten die Kläger auch keine Internetpräsenz, eigene Visitenkarten und würden nach außen auch nicht als Unternehmer auftreten.

Die Beklagte behauptet, dass die Kläger zusammen Eigentümer von drei fremdvermieteten Wohn- und Geschäftshäusern seien und zweier fremdvermieteter Mehrfamilienhäuser. Sie seien am Markt für Vermietung von Gewerbe- und Wohnimmobilien mit einer hohen zweistelligen Anzahl von Mietverträgen engagiert. Sie würden für die Verwaltung des Immobilienvermögens einen organisatorischen und zeitlichen Aufwand betreiben, der insgesamt das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermittelt.

Hinsichtlich des Klageantrages zu 4. machen die Kläger die Feststellung geltend, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Schäden zu ersetzen, die sich aus der Weigerung zur Ablösung der Darlehen ergeben. Insoweit tragen sie vor, dass die Zinsbindung für den Darlehensvertrag mit der Nummer A bereits mit Ablauf des 30.10.2013 endete. Dennoch habe die Beklagte sich geweigert, diesen Kredit abzulösen, obwohl sie bereits von der nachfinanzierenden Bank aufgefordert worden sei, den Ablösesaldo mitzuteilen. Sie vereinnahme vielmehr weiterhin einen Zinssatz von 6,25%, wohin gegen die Kläger bei der nachfinanzierenden Bank, der …, bereits einen neuen Darlehensvertrag abgeschlossen haben.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 07. November 2014 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es dahinstehen könne, ob die Kläger Verbraucher im Sinne von § 13 BGB seien und ob die jeweiligen Widerrufsbelehrungen fehlerhaft gewesen seien, denn einem etwaigen Widerrufsrecht der Kläger würden die Einwände der unzulässigen Rechtsausübung und der Verwirkung entgegenstehen.

Gegen dieses den Klägern am 12.11.2014 zugestellte Urteil (Bl. 244 d.A.) haben sie am 12.12.2014 Berufung eingelegt (Bl. 251 d.A.) und dieses Rechtsmittel am 12.01.2015 begründet (Bl. 261 ff. d.A.).

Mit der Berufung verfolgen die Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung von wirksamen Vertragswiderrufserklärungen, Rückzahlung gezahlter Vorfälligkeitsentschädigungen an die Bank und auf Ersatz der aus dem Verzug entstandenen Schäden vollumfänglich weiter. Dabei macht die Berufung zunächst geltend, dass weder das Rechtsinstitut der Verwirkung gegeben sei noch die Ausübung des Widerrufsrechts sich als rechtsmissbräuchlich darstelle.

Auf die Hinweise des Senates in den mündlichen Verhandlungen vom 24.07.2015 und 04.12.2015 modifizieren die Kläger den Wortlaut der Feststellungsanträge zu 1) und 2) und tragen vertiefend zu ihrer Verbrauchereigenschaft vor. Zudem sind sie der Ansicht, dass die Beklagte, selbst wenn sie die Kläger als Unternehmer eingestuft haben sollte, diesen ein vertragliches Widerrufsrecht im Umfang der gesetzlichen Regelungen habe einräumen wollen. Weiterhin ergebe sich dies auch daraus, dass sie die Kläger immer als Privatkunden behandelt habe. Hinsichtlich des Kreditvertrages mit der Nummer A erfolgt eine Umstellung von dem Feststellungsantrag auf einen Zahlungsantrag als neuer Antrag zu 7). Darüber hinaus machen die Kläger hilfsweise geltend, dass für den Fall, dass die Zinsfestschreibung auslaufe und keine Prolongation unterzeichnet werde, der Vertrag als variabel verzinstes Darlehen fortgeführt werden sollte. Dies sei durch die Beklagte vor Ablauf der Zinsbindungsfrist auch ausdrücklich bestätigt und zum Vertrag mit der Nummer A mit Schreiben vom 28.10.2013 mitgeteilt worden, dass nach Auslaufen der Zinsbindung das Darlehen künftig variabel mit einem Zinssatz von 6,25% p. a. nominal abgerechnet werden würde. Dieser Zinssatz sei rechtswidrig und widerspreche der seit langem herrschenden Rechtsprechung des BGH zur Auslegung und Handhabung von Zinsanpassungsklauseln. In diesem Zusammenhang tragen die Kläger vor, dass der 6-Monats-Euribor als gängiger Referenzzinssatz bei Vertragsschluss im Herbst 2008 bei ca. 5% p. a. gelegen habe, bei Auslaufen der Festzinsbindung zum 01.11.2013 hingegen nur noch bei ca. 0,34% p. a.. Es wäre demnach verpflichtend gewesen, den variablen Zins entsprechend anzupassen und zwar grundsätzlich in dem Umfang, in dem der Referenzzins gesunken sei.

Im Laufe des Berufungsverfahrens haben die Kläger dann mit Schreiben vom 24.08.2015, der Beklagten taggleich zugegangen, der Beklagten eine außerordentliche Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung aus wichtigem Grund erklärt. Zur Begründung für diese außerordentliche Kündigung wird vorgetragen, dass sich seit September 2010 die Geschäftsbeziehung nach und nach in einer Weise, die für die Kläger nicht mehr akzeptabel seien, verschlechtert habe. Für den Zeitraum bis zum jetzigen Zeitpunkt werden verschiedene Vorfälle geschildert; insoweit wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 27.08.2015. Gestützt wird die außerordentliche Kündigung dann auf einen Vertrauensbruch, der von Seiten der Beklagten dadurch hervorgerufen worden sei, dass sie im Rahmen eines Gerichtsprozesses des Sohnes der Kläger behauptet habe, dieser sei deshalb als Unternehmer einzustufen, weil er im Frühjahr 2010 für zwei Immobilien einen Kreditantrag eingereicht habe. Dazu seien Unterlagen vorgelegt worden, auf denen angeblich die Unterschrift des Sohnes der Kläger diesen angeblichen Kreditantrag belegen soll. Der Sohn der Kläger habe jedoch diese Anträge nicht unterschrieben und es sei ein Verdacht einer falschen Angabe und der Vorlage falscher Urkunden von den Klägern bei dem Polizeipräsidium … angezeigt worden.

Die Kläger stellen die Anträge:

1.

Festzustellen, dass der zwischen den Parteien im Jahr 2007 abgeschlossene Verbraucherdarlehensvertrag zur Darlehensvertragsnummer B mit Schreiben vom 06.01.2014 wirksam widerrufen wurde.
2.

Festzustellen, dass der zwischen den Parteien im Jahr 2003 abgeschlossene und im Jahr 2007 prolongierte Verbraucherdarlehensvertrag zur Darlehensnummer C mit Schreiben vom 19.11.2013 wirksam widerrufen wurde.
3.

Die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 10.767,50 Euro an unberechtigt vereinnahmter Vorfälligkeitsentschädigung aus der Ablösung des wirksam widerrufenen Darlehens zur Darlehensvertragsnummer D zu zahlen.
4.

Festzustellen, dass die Beklagte hinsichtlich der Rückabwicklung bzw. Ablösung des Vertrages zu Ziff. 1 seit dem 20.12.2013, hinsichtlich des Vertrages zu Ziff. 2 seit dem 05.02.2014 im Verzug der Annahme befindet und deshalb auch verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden, die sich aus diesem Verzug ergeben, zu ersetzen (insbesondere aus zu viel gezahlten Zinsen und Nichtabnahmeentschädigungen).
5.

Festzustellen, dass die Kläger für die Kapitalnutzung als Wertersatz für die widerrufenen Darlehen zu Ziff. 1, 2 und 3 nur den für die Kläger marktüblichen Zinssatz im jeweiligen Monat der Inanspruchnahme des Kapitals schulden. Hilfsweise wird beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Wertersatz für die wirtschaftliche Nutzung der gezahlten Tilgungsleistungen Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz jeweils seit Eingang des Tilgungsbeitrages zu zahlen.
6.

Die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger weitere 4.207,84 Euro an Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
7.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 19.147,- Euro nebst Nutzungsersatz in Form von Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten seit dem 07.02.2014 zu zahlen.
8.

Hilfsweise wird beantragt, festzustellen, dass die Kläger alle Verträge mit der Beklagten und damit die Geschäftsbeziehung insgesamt durch das Schreiben des Rechtsanwaltes … vom 24.08.2015 wirksam aus wichtigem Grund gekündigt haben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertieft ihren Vortrag dazu, dass die Kläger als Unternehmer die Kreditverträge geschlossen haben. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Feststellungsanträge unzulässig seien. Weiterhin macht sie geltend, dass die Ablösung des streitgegenständlichen Kreditvertrages mit der Nummer A nicht in verzugsbegründender Weise erfolgt sei. Zudem bestreitet die Beklagte die Vorfälle, die zur Begründung der außerordentlichen Kündigung vorgetragen worden sind.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Klage ist nur teilweise zulässig. Die Berufungsanträge zu 1., 2., 5. und 8. sind unzulässig.

a)

Die Anträge zu 1., 2. und 5. sind mangels Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO unzulässig. Ist nämlich Klage auf Leistung möglich und zumutbar, wird im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffes in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse regelmäßig fehlen; eine auf Feststellung des Anspruchsgrundes beschränkte Feststellungsklage ist dann unzulässig (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 7a).

Zwar wird ein Feststellungsinteresse ausnahmsweise trotz möglicher Leistungsklage in den Fällen bejaht, in denen schon ein Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führt, weil zum Beispiel der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird. Dies könnte grundsätzlich bei einer Bank der Fall sein (vgl. dazu Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rn. 8). Dieser Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Denn schon aus der Antragstellung selber wird deutlich, dass hier ein Feststellungsurteil über den Anspruchsgrund den Rechtsstreit nicht erledigt. Denn die Anträge zu 1. und 2. betreffen die Feststellung des Anspruchsgrundes, der Antrag zu 5. als abstrakte Rechtsfrage die Rechtsfolgen des Widerrufs.

Nur der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass die Anträge zu 1. und 2. auch in der Fassung des Schriftsatzes vom 20.01.2016 mangels Feststellungsinteresses unzulässig wären.

b)

Die Klageänderung hinsichtlich des Klageantrags zu 4. in den bezifferten Klageantrag zu 7. ist zulässig, § 264 Nr. 2 ZPO.

c)

Die Klageerweiterung mit dem Antrag zu 8. ist jedoch ebenfalls unzulässig, § 533 ZPO. Zwar könnte hier der Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit nach § 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO bejaht werden. Denn maßgeblicher Gesichtspunkt ist dabei der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei es allein darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen (Zöller/Greger, a.a.O., § 533 Rn. 6). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, da durch eine außerordentliche Kündigung der Rechtsbeziehungen auch der anhängige Streit zwischen den Parteien beendet werden würde. Allerdings ist die Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO nicht gegeben, denn die Kündigung wird auch auf Vorgänge gestützt, die nicht nach § 529 ZPO von dem Berufungsgericht einer Entscheidung zugrunde zu legen sind.

2.

Die zulässigen Anträge zu 3., 4., 6., 7. sind jedoch unbegründet.

a)

Den Antrag zu 3. auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 10.767,50 € hat das Landgericht zu Recht abgewiesen.

Es ist bereits fraglich, ob die Kläger sich überhaupt auf ein Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge berufen können. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, steht der Wirksamkeit eines möglichen Widerrufs im vorliegenden Fall der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen.

Denn es liegen besondere Umstände vor, die die Ausübung des Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Die gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung liegt in der Ausnutzung einer formalen Rechtsposition, also darin, dass der Widerruf aus Gründen ausgeübt wird, die von dem Schutzzweck des Widerrufs nicht gedeckt sind (vgl. zum Rechtsmissbrauch statt vieler: Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 242 Rn. 38).

Das Widerrufsrecht soll nämlich vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist. Grund für die Durchbrechung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ ist im Einzelfall des Verbraucherdarlehens der manchmal schwierig zu durchschauende Vertragsgegenstand (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 355 Rn. 2; BT-Drucksache 11/5462, S. 21). Auch der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 28.05.2013 (XI ZR 6/12, zitiert nach juris) herausgestellt, dass der Schutzzweck des Widerrufsrecht der Übereilungsschutz ist, indem er ausgeführt hat, dass bei einer Jahre nach Abschluss des ursprünglichen Darlehensvertrages anfallenden Konditionenanpassung, bei der die Entscheidung für die Darlehensaufnahme bereits gefallen gewesen ist, sich der Verbraucher nicht mehr in der vergleichbaren schutzbedürftigen Entscheidungssituation befunden habe.

Dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur der Übereilungsschutz Schutzzweck des Widerrufsrechts sein soll, ergibt zudem eine systematische Auslegung. Denn in § 312g Abs. 2 Nr. 8 BGB ist ein Widerrufsrechts bei Finanzdienstleistungen ausgeschlossen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt. Zur Begründung wird dabei ausgeführt, dass das Widerrufsrecht nicht dazu dienen solle, das Risiko, dass sich eine Einschätzung über die Entwicklung einer Anlage als fehlerhaft erweise, allein dem Unternehmen aufzubürden. Allgemeine Vertragsreue soll mithin keinen Grund für einen Widerruf darstellen können (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 312g Rn. 11). Aufgrund des zeitlichen Abstandes von nahezu sechs Jahren zwischen Abschluss des Darlehnsvertrages am 19.09.2008 (Anlage K 3 = Bl. 45 ff. d.A.) und dem Widerruf im Januar 2014 wird offensichtlich, dass der Widerruf nicht mehr dazu geeignet ist, eine Überrumpelungssituation zu beseitigen.

Dem Rechtsmissbrauchseinwand steht auch nicht entgegen, dass die Ausübung des Widerrufsrechts keiner Begründung bedarf. Denn der Umstand, dass der Verbraucher seinen Widerruf nicht begründen muss, soll dazu dienen, dem Darlehensnehmer nur die ungehinderte Ausübung des Widerrufsrecht innerhalb des vorgesehenen Schutzzweckes zu ermöglichen, nicht jedoch den schutzzweckwidrigen Missbrauch desselben.

Der Anwendbarkeit des § 242 BGB steht auch nicht der Einwand entgegen, dass sich auch der andere Vertragspartner rechtstreu verhalten müsse.

Zwar könnte man daran denken, dass die Beklagte eine Nachbelehrung hätte erteilen können; aber hier ist zu bedenken, dass die Beklagte eine Widerrufsbelehrung erteilt hat, die ggf. nicht zutreffend gewesen ist. Eine Rechtspflicht, einmal geschlossene Verträge zu beobachten und bei Änderung von Rechtsprechung eine Nachbelehrung zu erteilen, kennt das deutsche Recht nicht. Dieser Umstand mag bei der Frage der Verwirkung eine Rolle spielen, nicht jedoch bei der Frage, ob ein Rechtsmissbrauch gegeben ist.

Die Kläger haben auch nicht vorgetragen, dass sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits aus anderen Gründen nicht rechtstreu verhalten habe.

b)

Der Antrag zu 4. ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch darauf festzustellen, dass die Beklagte hinsichtlich der Rückabwicklung bzw. Ablösung des Vertrages zu Ziff. 1. seit dem 20.12.2013 und hinsichtlich des Vertrages zu Ziff. 2 seit dem 05.02.2014 sich im Verzug der Annahme befindet und deshalb verpflichtet ist, den Klägern sämtliche Schäden, die sich aus diesem Vertrag ergeben, zu ersetzen.

Denn unabhängig von der Frage, ob die Darlehen wirksam widerrufen worden sind, und überhaupt ein Anspruch der Beklagten auf Rückabwicklung der Darlehen gegeben ist, kann der Gläubiger nach § 293 BGB nur in Verzug kommen, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Dabei muss nach § 294 BGB die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. Die Kläger haben jedoch bezüglich der Darlehensverträge mit den Darlehensvertragsnummern B und E die entsprechende Darlehensvaluta der Beklagten nicht in verzugsbegründender Weise angeboten.

Bezüglich des Darlehensvertrages mit der Nummer B ist der Anlage K 22 (= Bl. 186ff. d.A.) kein entsprechendes Angebot zu entnehmen.

Bezüglich des Darlehensvertrages mit der Nummer C ist die Ablösung verbunden mit der Ablösung zweier weiterer Darlehensverträge. Damit konnte die Beklagte das Darlehen in der angebotenen Weise nur ablösen, wenn sie auch die beiden weiteren Darlehen ablöste. Mithin entsprach das Angebot nicht dem Inhalt des Schuldverhältnisses, denn anzubieten ist nur die geschuldete Leistung, nicht ein mehr (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 294 Rn. 3f.). Damit konnte die Beklagte aber nicht einfach zugreifen, so dass die Ablösung nicht in verzugsbegründender Weise angeboten worden ist.

c)

Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zahlung von 19.147,00 € als Verzugsschaden hinsichtlich des Darlehns mit der Darlehensnummer A, dessen Zinsbindung zum Oktober 2013 ausgelaufen ist (Antrag zu 7.). Denn auch hier haben die Kläger der Beklagten die Ablösung der Darlehnssumme nicht in verzugsbegründender Weise angeboten. Wie ausgeführt muss nach § 294 BGB die Leistung so, wie sie geschuldet wird, am rechten Ort, zur rechten Zeit und in rechter Weise angeboten werden. Dies muss in einer Art und Weise geschehen, dass der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht (BGH NJW 2011, 224 [BGH 05.10.2010 – IV ZR 30/10]).

Als Beweis für ein solches Angebot haben die Kläger wiederum die Anlage K 22 vorgelegt. Darin liegt jedoch kein verzugsbegründendes Angebot, da das Angebot zur Ablösung des Darlehens mit der Darlehensnummer A mit der Ablösung zweier weiterer Darlehen verbunden war, unter anderem mit dem widerrufenen Darlehen, das Gegenstand des Antrages zu 1. ist.

Zwar ist es befremdlich, dass die Beklagte auf dieses Schreiben nicht reagiert hat und ihrerseits wiederum auf die Kläger zugegangen ist, um zumindest die Ablösung dieses Darlehens zu erreichen. Dies mag kundenunfreundlich sein, begründet jedoch keinen Annahmeverzug.

Auch der Hilfsantrag führt nicht zum Erfolg. Denn seine Zulässigkeit ist an § 533 ZPO zu messen, da er eine Erweiterung des Streitgegenstandes darstellt. Denn erstmals wird zur Begründung eines Schadens auf die Rechtswidrigkeit der Vereinbarung des variablen Zinses abgestellt. Dies ist ein neuer Streitstoff, der noch nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist.

d)

Da die Klage mit den Hauptanträgen keinen Erfolg hat, ist die Beklagte nicht verpflichtet, an die Kläger 4.207,84 € für außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.

e)

Nur der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass auch der Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung, wenn er zulässig wäre, unbegründet wäre. Zunächst ist für viele der geschilderten Vorgänge fraglich, ob diese auch jetzt noch eine außerordentliche Kündigung begründen können, da die Kläger monatelang bzw. teilweise jahrelang die Geschäftsbeziehung fortgesetzt haben.

Aber insbesondere können die Kläger aus dem Geschehen im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit des Sohnes der Kläger keine Berechtigung zu einer außerordentlichen Kündigung herleiten. Denn aufgrund der Relativität der schuldrechtlichen Beziehungen können die Kläger aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem volljährigen Sohn der Kläger zu der Beklagten keinen Kündigungsgrund im Verhältnis der Kläger zu der Beklagten herleiten.

Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711 ZPO.

Die Revision ist nur hinsichtlich der Frage zuzulassen, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB ist. Nur insoweit sind die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben.

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