OLG Frankfurt am Main, 08.07.2016 – 10 U 150/14

März 22, 2019

OLG Frankfurt am Main, 08.07.2016 – 10 U 150/14
Tenor:

Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.8.2014 unter Zurückweisung beider Rechtsmittel im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 115.583 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5.1.2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.602,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5.1.2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom …6.2009 künftig entstehen wird, soweit dieser nicht auf die A-Krankenkasse übergehen wird.

Im Übrigen wird Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger 757,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.11.2014 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 7/10 und die Beklagte 3/10 zu tragen.

Das angefochtene Urteil – soweit es bestätigt worden ist – und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach den Urteilen vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Verkehrsunfalls, der sich am …6.2009 in Stadt1 ereignete.

Die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW nebst …anhänger befuhr am Unfalltag einen Wirtschaftsweg, auf dem der 5x-jährige Kläger, ein Fachanwalt für X, joggte. Bei Überholvorgang streifte sie den Kläger, der ins Straucheln geriet und zu Boden fiel. Dabei wurden sein rechter Unterschenkel sowie sein rechtes Sprunggelenk von den Rädern des Anhängers überrollt mit der Folge entsprechender multipler Frakturen.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung (dort S. 3-5, Bl. 521-523 d. A.) Bezug genommen.

Mit seiner Klage hat der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Verdienstausfall in Höhe von 553.746 € nebst Zinsen, Zahlung außergerichtlicher Gutachterkosten in Höhe von 15.061,16 € nebst Zinsen, Zahlung eines weiteren, über den bereits zuerkannten Betrag von 10.000 € hinausgehenden Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Einstandspflicht hinsichtlich weiterer materieller und immaterieller Schäden ab dem 1.1.2013 geltend gemacht. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass sie dem Kläger nicht zum Ersatz eines Verdienstausfallschadens ab dem 1.1.2010 verpflichtet ist und die Zahlung von 3.607,73 € nebst Zinsen verlangt.

Das Landgericht hat nach Einholung zweier schriftlicher Sachverständigengutachten und Vernehmung der Zeuginnen B und C der Klage auf Grundlage einer vollständigen Haftung der Beklagten teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von Verdienstausfall in Höhe von 140.000,00 € nebst Zinsen, abzüglich am 5.5.2013 gezahlter 3.607,73 €, verurteilt. Zudem hat es die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger unfallbedingter materieller Schäden zuerkannt. Im Übrigen hat es die Klage wie auch die Widerklage abgewiesen. Der Zulässigkeit der Klage auf Schmerzensgeld stehe der Einwand der rechtskräftigen Entscheidung entgegen (§ 322 Abs. 1 ZPO). Der Schmerzensgeldanspruch sei bereits Gegenstand der Urteile des Landgerichts Frankfurt, …/12, und des Oberlandesgerichts Frankfurt, 2 U 86/12, gewesen. Die negative Feststellungsklage der Beklagten sei infolge der Leistungsklage des Klägers auf Ersatz des Verdienstausfallschadens bis einschließlich 31.12.2012 unzulässig. Die Beklagte treffe für die Folgen des Unfalls die volle Haftung, da die versicherte Fahrerin ihn durch einen Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO allein verschuldet habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei dem Kläger unfallbedingt ein Verdienstausfall in den Jahren 2010 und 2011 entstanden, der auf 140.000 € geschätzt werde. Nach den glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen C und B habe er seine Tätigkeit als Fachanwalt für X nach dem Unfall faktisch anders ausgeführt als zuvor. So habe er den Umfang der von ihm täglich geleisteten Stunden deutlich reduziert und die Art der Tätigkeit durch eine höhere Präsenzzeit im Büro bei weniger auswärtigen Terminen, etwa auf Baustellen oder bei Mandanten, umstrukturiert. Dies sei unfallbedingt unfreiwillig durch die fortbestehende Schmerzhaftigkeit belastender Bewegung bzw. die Notwendigkeit der Hochlagerung des verletzten Beines erfolgt, wie durch die Zeuginnen übereinstimmend mit den sachverständigen Ausführungen, etwa des Sachverständigen SV1, der das Beschwerdebild als plausibel beurteilt habe, bestätigt werde. Nach den von keiner Partei qualifiziert bestrittenen Feststellungen des Sachverständigen SV2 in dem urkundsbeweislich zu verwertenden Gutachten vom 4.3.2011 in dem Verfahren …/12 habe der Kläger in den drei Jahren vor dem Unfall durchschnittlich 397.955,63 € erzielt. Nach der Struktur seines Büros sei für die Berechnung des Verdienstausfalls allein sein eigener erwirtschafteter Verdienst und nicht derjenige der Gesamtkanzlei maßgeblich. Denn die Kanzlei biete nach dem Parteivortrag und nach den Angaben der Zeuginnen B und C das Bild eines Büros, in dem die Mandate jeweils durch einzelne Rechtsanwälte bearbeitet würden, ohne dass ein irgend gearteter Austausch zwischen den Dezernenten stattfände. In den Jahren 2010 und 2011 habe der Kläger ausweislich des mit Schriftsatz vom 28.12.2012 zum Parteivortrag erhobenen Gutachtens SV3 vom 20.12.2012, dem die Beklagte die Richtigkeit der zugrunde gelegten Umsatzzahlen betreffend nicht qualifiziert entgegengetreten sei, 321.959 € bzw. 332.667 € und damit 70.000 € pro Jahr gegenüber den Jahren 2006 bis 2008 weniger erzielt. Die entsprechende Differenz zu den Durchschnittserlösen der Jahre 2006 bis 2008 sei als unfallbedingter Verdienstausfall zu schätzen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Ein darüber hinausgehender Entgang einer irgend gearteten Umsatzsteigerung könne in Ermangelung substantiierten Vortrags nicht als dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich zuerkannt werden. Für das Jahr 2009 lasse sich kein Verdienstausfall feststellen, da die Umsatzzahlen 2009 keinen irgend gearteten Einbruch erkennen ließen. Ausweislich der Feststellungen der Sachverständigen SV2 und SV3 habe der Umsatz im Jahr 2009 weit über dem Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2008 gelegen. Dies gelte ebenso für das Jahr 2012. Soweit der Kläger gezwungen sei, unfallbedingt anders zu arbeiten, habe er nicht substantiell geltend gemacht, dass sich dies negativ auf seine Verdienstmöglichkeiten ausgewirkt hätte. Eine weitere Beweisaufnahme zu dem geltend gemachten Verdienstausfall sei nicht durchzuführen. Das nicht nachgelassene Vorbringen des Klägers mit Schriftsatz vom 31.7.2014 sei gemäß § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Dem pauschalen Beweisantritt der Beklagten für das Nichtbestehen eines Erwerbsausfalls sei in Anbetracht der nicht substantiell in Frage gestellten Umsatzzahlen des urkundsbeweislich verwerteten Gutachtens SV2 nicht nachzukommen. Die von der Beklagten erklärte „Hilfsaufrechnung“ gegen die Ansprüche des Klägers auf Leistung eines Verdienstausfalls greife mangels Bezifferung der aufzurechnenden Ansprüche nicht durch. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten seien nicht erstattungsfähig, da die Einholung der Gutachten während der Beweisaufnahme im laufenden Verfahren bzw. im selbständigen Beweisverfahren keine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung dargestellt habe. Die negative Feststellungsklage sei unbegründet. Nach den Feststellungen des Sachverständigen SV1 liege eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers vor, die fortbestehen werde. Es sei daher nicht auszuschließen, dass auch künftig tatsächlich ein Verdienstausfall entstehen werde. Der weitere Widerklageantrag auf Zahlung einer unstreitig geleisteten Überzahlung der Beklagten in Höhe von 3.607,73 € nebst Zinsen sei infolge der von dem Kläger mit Schriftsatz vom 14.3.2014 erklärten Hilfsaufrechnung erloschen. Die Überzahlung sei, wie im Tenor erfolgt, auf den ausgeurteilten Verdienstausfallschaden anzurechnen gewesen.

Gegen das den Parteien am 25.8.2014 zugestellte Urteil haben der Kläger am 3.9.2014 und die Beklagte am 25.9.2014 Berufung eingelegt und ihre Rechtsmittel jeweils innerhalb verlängerter Frist, der Kläger am 28.10.2014 und die Beklagte am 27.11.2014, begründet.

Der Kläger beanstandet, dass das Landgericht bei der Ermittlung des ihm unfallbedingt entgangenen Gewinns weder von einem Durchschnittsgewinn der Jahre 2006 bis 2008 habe ausgehen noch den Gewinn des Jahres 2009 habe ausblenden dürfen. Seine Umsätze und damit weitgehend gleichlaufend die Gewinne seien in den Jahren 2006 bis 2008 kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 2009 sei eine weitere Umsatzsteigerung eingetreten, die ohne das Unfallereignis noch höher ausgefallen wäre. Dies habe er mit Schriftsatz vom 30.4.2010 vorgetragen und auch der Sachverständige SV3 sei zu einem höheren Ergebnis für 2009 gekommen. Jedenfalls müsse dann, wenn sich der Unfall nach Auffassung des Landgerichts auf die Abrechnungen wegen der Trägheit des RVG nicht in 2009 ausgewirkt habe, der Umsatz in die Überlegungen zum Verdienstausfall und zur Unternehmensentwicklung mit einbezogen werden. Es könne auch nicht auf den Durchschnittsbetrag des Sachverständigen SV2 abgestellt werden. Er habe durch die Vorlage des Gutachtens SV3 primär eine andere Abrechnungsweise geltend gemacht und unter Sachverständigenbeweis gestellt. Das Beweisangebot sei geeignet gewesen, Grundlagen für die (andernfalls in der Luft hängende) Schätzung zu bieten. Nachdem das OLG im Vorprozess das Gutachten SV2 als ungeeignet verworfen habe, hätte das Landgericht ohne ausdrücklichen Hinweis, das Gutachten gleichwohl zugrunde legen zu wollen, hierauf keine Entscheidung stützen dürfen. Die Schätzung des Erstgerichts hänge auch deshalb in der Luft, weil sie sich ohne Begründung auf einen Durchschnitt beschränke, der deutlich unter dem Ergebnis liege, welches er in den letzten beiden vom Unfall unbeeinflussten Jahren erzielt habe. Da das Landgericht selbst von Umsatz- und Gewinneinbrüchen in 2010 und 2011 ausgegangen sei, begegne der Hinweis, er müsse darlegen, wie sich seine geänderte Tätigkeit auf den Umsatz ausgewirkt habe, Bedenken. Im Übrigen habe er konkret unter Beweisantritt vorgetragen, dass seine Tätigkeit vor dem Unfall geprägt gewesen sei durch die Nähe zum Mandanten, den er bevorzugt an seinem Betriebssitz, häufig auch auf der Baustelle, aufgesucht habe. Demgegenüber habe er unfallbedingt wegen seiner nur noch sehr beschränkt gegebenen Reisetätigkeit seine Stadt2-Mandate aufgeben müssen, und der Umsatz mit den …unternehmen sei ebenfalls gewaltig zurückgegangen. Wie sich die geänderte Tätigkeit ausgewirkt habe, habe sich aus den Umsatzzahlen der Folgejahre ergeben. Zwar seien zu den ersparten Kostenanteilen in dem Gutachten SV3 keine Angaben gemacht worden. Doch habe er auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 14.3.2014 ergänzend unter Verweis auf eine Stellungnahme der Steuerberaterin vorgetragen. Von ihm habe auch kein Vortrag dazu erwartet werden können, dass bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft eine Umsatzsteigerung nur durch eine qualitative Verbesserung der Mandatsstruktur hätte erfolgen können. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sei in der Regel davon auszugehen, dass die Unternehmensergebnisse nach dem Unfall nicht schlechter geworden wären als vor dem Unfall. Wenn aber – wie vom Landgericht aufgezeigt – vor dem Unfall drei Jahre in Folge der Gewinn gesteigert worden sei, sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge für das Folgejahr auch mit einer Gewinnsteigerung zu rechnen, keinesfalls jedoch mit einem über 100.000 € niedrigeren Ergebnis. Die Gutachterkosten seien zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Der Sachverständige SV3 habe das komplexe Zahlenmaterial aufbereitet. Demgegenüber sei nach der Entscheidung des OLG Frankfurt im Vorprozess das Gutachten des Sachverständigen SV3 ungeeignet gewesen, und das von ihm dort beauftragte Gutachten SV4 habe nur den Zeitraum bis zum 30.9.2009 betroffen. Ohne die Privatgutachten SV5 und SV6 hätte er keinen substantiierten Sachvortrag zu seiner dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit halten können. Notwendig geworden seien die Gutachten und ihre Ergänzung insbesondere vor dem Hintergrund des SV7, der zu einer maximal 10 %igen Minderung der Erwerbsfähigkeit gekommen sei. Der Verweis auf das Gutachten SV1 sei verfehlt, da dieses in einem Verfahren eingeholt worden sei, an dem die Beklagten nicht beteiligt gewesen sei und erst 16 Monate nach dem Gutachten SV7 vorgelegen habe. Da Streitgegenstand in dem Vorprozess eine Schmerzensgeldforderung bis zum 30.9.2009 gewesen sei, könne die Abweisung seiner Klage nur insoweit in Rechtskraft erwachsen sein. Auch der BGH gehe davon aus, dass ein Schmerzensgeld zeitlich gestaffelt verlangt werden könne. Er habe erstinstanzlich vorgetragen, nach dem Zeitpunkt, bis zu dem er Schmerzensgeld verlangt habe, zwei weitere Male operiert worden zu sein. Soweit das Landgericht sich bezüglich des materiellen Zukunftsschadens zu Recht auf das Gutachten des Sachverständigen SV1 bezogen habe, hätte auch seinem auf immateriellen Vorbehalt gerichteten Feststellungsantrag entsprochen werden müssen. Die Kostenentscheidung des angegriffenen Urteils sei fehlerhaft, da die unzulässige negative Feststellungsklage und die Aufrechnung der Beklagten wie auch seine erfolgreiche positive Feststellungsklage übersehen worden seien. Bezüglich der Kosten des gegen die Versicherungsnehmerin der Beklagten geführten selbständigen Beweisverfahrens werde beantragt, eine Kostenentscheidung in diesem Verfahren zu treffen. Da § 115 VVG ihm einen direkten Anspruch aus dem Versicherungsvertrag einräume, sei es unschädlich, dass er aus Kostengründen die Versicherungsnehmerin nicht mit verklagt habe. Hilfsweise mache er die ihm entstandenen Kosten in Höhe von 757,23 € als materiellen Schadensersatzanspruch geltend.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

a)

an ihn insgesamt 553.746 € nebst 5 Prozentpunkten (gemeint wohl: Zinsen) über dem Basiszinssatz seit dem 4.1.2013 zu zahlen;
b)

an ihn weitere 11.453,43 € nebst 5 Prozentpunkten (gemeint wohl: Zinsen) über dem Basiszinssatz seit dem 4.1.2013 zu zahlen;
c)

an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld für den Zeitraum ab dem 1.10.2009 zu zahlen;
d)

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm jeden weiteren (ab 1.1.2013) materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom …6.2009 entstanden ist bzw. entstehen wird, soweit dieser nicht auf die A-Krankenkasse übergeht;

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 757,23 € nebst 5 Prozentpunkten (gemeint wohl: Zinsen) über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur eigenen Berufung stellt sie den Antrag,

das am 25.8.2014 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 2-10 O 413/09 – vom 21.8.2014 abzuändern und die Klage mit dem Zahlungsantrag insgesamt abzuweisen.

Das Urteil beruhe im Umfang der Stattgabe im Wesentlichen auf einer fehlerhaften materiellen Beurteilung der von ihr erklärten Vorschussverrechnung, hilfsweise auf einem Verstoß gegen Hinweispflichten sowie auf einer fehlerhaften Schadensschätzung und in diesem Zusammenhang auf einem Verstoß gegen ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Weitergehende Ansprüche des Klägers – wie mit der Berufung verfolgt – bestünden daher erst recht nicht. Die Vorschussleistung in Höhe von 70.000 € sei mit Schriftsatz vom 24.1.2013 verständlich hilfsweise zur Aufrechnung gegen die Forderung des Klägers auf Ersatz eines Erwerbsschadens gestellt worden. Die vom Landgericht im Urteil vertretene Ansicht, dass die Hilfsaufrechnung mangels Bezifferung der aufzurechnenden Ansprüche nicht durchgreife, stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Auf den gebotenen Hinweis, hätte sie (Beklagte) erklärt, dass sie die (Rück-)Forderung bzgl. der zur freien Verrechnung an den Kläger gezahlten 70.000 € hilfsweise gegenüber der streitgegenständlichen Forderung auf Ersatz eines Erwerbsschadens aus der Anwaltskanzlei B1 ab dem Jahr (gemeint wohl: Unfalljahr) aufrechne und zwar in der Reihenfolge ihres Entstehens (älteste zuerst). Das Landgericht habe sich zur Schadensschätzung fehlerhaft auf die urkundsbeweisliche Verwertung des Gutachtens SV2 aus dem Parallelverfahren gestützt. Das Gutachten hätte allenfalls im Wege des § 411a ZPO verwertet werden können. Es fehle aber jeglicher Beschluss über eine Beweisaufnahme durch Verwertung des Gutachtens wie auch ein Hinweis auf die beabsichtigte Verwertung des Gutachtens. Vor diesem Hintergrund erkläre sich die (irrige) Annahme in dem Urteil, dass die Feststellungen des Gutachtens „von keiner Partei qualifiziert bestritten“ worden seien. Tatsächlich habe sie aber wiederholt beanstandet, dass der Kläger sich durchweg auf Bewertungen stütze, deren Grundlage sein unfallbedingter Arbeitsausfall sei (vgl. Ss. vom 24.1.2013). Außerdem habe sie wiederholt dargelegt, aus welchen Gründen sich aus den Geschäftszahlen der Kanzlei gerade kein Erwerbsschaden ablesen lasse und weshalb keine der vorgetragenen Argumentationen den Besonderheiten der selbständigen anwaltlichen Tätigkeit mit angestellten Berufsträgern Rechnung trage (vgl. Ss’e vom 24.1.2013, 21.2.2013 und 14.2.2014). Den Entscheidungsgründen lasse sich nicht entnehmen, weshalb das Landgericht ausgerechnet dem Gutachten SV2 und nicht etwa den beiden vom Kläger vorgelegten Gutachten SV4 und SV3 oder ihrer (Beklagte) Argumentation gefolgt sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts müsse zur Bewertung des Erwerbsschadens auf das Ergebnis der Gesamtkanzlei abgestellt werden, da der Kläger nach ihrem unwidersprochenen Vortrag Kanzleiinhaber sei und die übrigen Anwälte dort als Angestellte tätig seien. Es sei daher nicht von Bedeutung, ob er selbst im Jahr 2010 und 2011 im Durchschnitt einen geringeren Umsatz von jeweils 70.000 € erzielt habe. Denn ausweislich des Gesamtkanzleiergebnisses sei es zu Umsatzverschiebungen in den einzelnen Anwaltsdezernaten gekommen, die sich aber nicht in dem Gewinn des Klägers ausgewirkt hätten. Dem Aspekt, dass der Kanzleiumsatz während des gesundheitlichen Ausfalls des Klägers durch eine Verlagerung der Wertschöpfung geschaffen worden sei, trage weder die Argumentation des Klägers noch die des Landgerichts oder diejenige in den vorliegenden Gutachten auch nur im Ansatz Rechnung. Ihr Gegenbeweisangebot zum Nachweis der Tatsache, dass dem Kläger kein unfallbedingter Erwerbsschaden entstanden sei, sei unter Verstoß gegen das Gebot der Erschöpfung aller Beweismittel nach § 286 ZPO als auch gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs übergangen worden. Mit der Argumentation, sie hätte die Umsatzzahlen aus dem im Parallelverfahren eingeholten Gutachten SV2 nicht substantiiert bestritten, werde die Darlegungslast der Parteien überspannt, und dies noch unter Verstoß gegen die Hinweispflicht. Im Falle eines entsprechenden Hinweises hätte sie zur Maßgeblichkeit des Ergebnisses der Gesamtkanzlei näher vorgetragen und zum Gegenstand ihres Beweisantrages gemacht. Ferner hätte sie nochmals darauf hingewiesen, dass die Bemessung des tatsächlichen Schadens nicht in das Fachgebiet des Sachverständigen SV2 falle, wie auch die bereits im Verfahren vor der 2. Zivilkammer gegen das Gutachten des SV2 vorgebrachten Einwände wiederholt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klageforderung sei nicht durch eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten teilweise erloschen. Die Beklagte habe nicht zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei ihren Abschlagszahlungen um frei verrechenbare Vorschussleistungen habe handeln sollen. Unabhängig davon habe sie spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im Vorprozess erklärt, wie die Verrechnung habe erfolgen sollen. Der Berufungsangriff habe sich lediglich gegen den über die Verrechnung hinaus zuerkannten Betrag gerichtet. Soweit Ausführungen zur Verrechnung gemacht worden seien, sei das Urteil des Landgerichts gar nicht angegriffen worden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache haben die Berufungen des Klägers und der Beklagten teilweise Erfolg.

Die Beklagte ist dem Kläger zum Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom …6.2009 im tenorierten Umfang verpflichtet (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, §§ 249, 252, 253 Abs. 2 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG) verpflichtet. Das Landgericht hat die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten zu 100 % mit zutreffender Begründung festgestellt. Die Berufung der Beklagten verhält sich dazu nicht.

1. Verdienstausfall

Der Umfang des nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzenden Schadens erstreckt sich auch auf den Verdienstausfall des Klägers (§ 252 S. 1 BGB). Dieser ist unter Heranziehung von § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO zu ermitteln. Danach braucht der Geschädigte nicht zu beweisen, dass und in welcher Höhe Einkünfte ohne den Unfall mit Gewissheit erzielt worden wären. Es genügt vielmehr der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 5.5.1970 – VI ZR 212/68, NJW 1970, 1411 [BGH 05.05.1970 – VI ZR 212/68]). Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO lässt eine völlig abstrakte Berechnung des Erwerbsschadens nicht zu, verlangt wird vielmehr die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung. Denn der zu ersetzende Schaden liegt hier nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher, sondern setzt voraus, dass sich dieser Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sichtbar im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat. Wegen der Schwierigkeiten bei der Darstellung hypothetischer Entwicklungen eines Geschäftsbetriebes dürfen aber keine zu hohen Anforderungen an die Darlegung der konkreten Anhaltspunkte für die Ermittlung des Erwerbsschadens gestellt werden (BGH, Urteil vom 17.1.1995 – VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023, 1024 [BGH 17.01.1995 – VI ZR 62/94]). Ist der Erwerbsschaden eines selbständig Tätigen festzustellen, so wird es im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen. Beim Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte kann zumindest von einem durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner bisherigen Tätigkeit ausgegangen werden. Verbleibende Risiken können mit einem gewissen Abschlag abgefangen werden (BGH, Urteil vom 6.2.2001 – VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640, 1641 [BGH 06.02.2001 – VI ZR 339/99]). Der Erwerbsschaden kann grundsätzlich nach der Bruttomethode berechnet werden. § 24 Nr. 1 a EStG reiht auch die „Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ unter die „Einkünfte“ des “ 3 Abs. 1 EStG ein und legt damit fest, dass jede Entschädigung, für die § 24 Nr. 1 a EStG gilt, einen vom Geschädigten abzuführenden Steueranteil in sich trägt (BGH, Urteil vom 10.2.1987 – VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814 Rn. 14; Hartung, VersR 1986, 308, 309).

a) Nach den Feststellungen des SV1 in seinem Gutachten vom 14.5.2012 (Bl. 348-358 d. A.; eingeholt im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Stadt1, …/11) besteht bei dem Kläger in seinem derzeit ausgeübten Beruf als Fachanwalt für X seit dem 1.1.2010 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 %. Das Gutachten gründet auf der Annahme, dass die Angaben des Klägers zu seinem beruflichen Alltag und die an ihn gestellten Anforderungen einer hohen Mobilität korrekt sind (vgl. Bl. 358 d. A.). Hieran bestehen nach den überzeugenden Bekundungen der Zeuginnen B und C keine Zweifel.

b) Die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers hat sich sichtbar im Erwerbsergebnis ausgewirkt. Hierzu im Einzelnen wie folgt:

aa) Für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 lässt sich ein Verdienstausfall anhand der Betriebsergebnisse nicht nachweisen. Im Gegenteil, im Unfalljahr 2009 war beim Kläger eine erhebliche Umsatzsteigerung auf 511.872 € zu verzeichnen.

Das im Parallelverfahren eingeholte Gutachten SV2 (Anlage 1, Anlagenband) ist zur Bewertung des Erwerbsschadens ungeeignet. Jenseits des Umstandes, dass das Gutachten den Schaden abstrakt anhand der geminderten Arbeitskraft ermittelt, ohne festzustellen, dass bzw. wie sich der Ausfall bzw. die Beeinträchtigung auf das Erwerbsergebnis ausgewirkt hat, betrifft das Gutachten lediglich den Zeitraum vom 1.6.-30.9.2009.

Auch der Sachverständige SV3 hat den Umsatzausfall in 2009 nur über die rechnerisch entzogene Kapazität der medizinisch attestierten Minderung der Erwerbstätigkeit von 30 % berechnet (vgl. S. 12 des GA, Anlagenband).

Ein unfallbedingter Umsatzeinbruch lässt sich nicht unter Hinweis auf einen Sondereffekt durch Zahlung von 67.500 € seitens des Großmandanten im Dezember 2009 begründen. In den einzelnen Monaten des Jahres 2009 schwanken die Gesamtumsatzerlöse ebenso wie die einzelnen Umsätze mit dem Großkunden (vgl. GA SV2, Anlage 1, Anlagenband, S. 7 und 9). Bereits der Sachverständige SV2 hat in seiner gutachterlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die starken Schwankungen der Monatsumsätze gegen eine besondere Gewichtung weniger Monate sprechen. Auch wenn mit dem Kläger die Zahlung der 67.500 € im Dezember auf die zwölf Monate des Jahres 2009 umgelegt werden würde (Leistungszeitraum in der Rechnung vom 25.11.2009 ist der 1.1.-31.12.2009), ergibt sich kein evident unfallbedingter Umsatzabfall. Denn als Vergleich können allenfalls die Betriebsergebnisse des Vorjahres dienen (Bl. 423 d. A.). Die Umsatzzahlen der Monate 2008 unterliegen aber ebenfalls starken Schwankungen und weisen im zweiten Halbjahr gleichermaßen ein deutlich niedrigeres Ergebnis auf als im ersten Halbjahr. Eine Erklärung für diese Zahlen hat der Kläger nicht gegeben.

Soweit der Kläger unfallbedingt seine „Stadt2-Mandate“ mit jährlichem Umsatz von ca. 40.000 bis 50.000 € aufgeben musste (Bl. 420 d. A.), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich dieser Umstand bereits im Betriebsergebnis 2009 ausgewirkt hat.

Unfallbedingte Umsatzeinbußen ergaben sich allerdings im Hinblick auf die Vertretung eines überregional tätigen …unternehmens. Ausgehend von den durchschnittlichen Zahlen 2006-2008 von jährlich 38.923 € errechnet sich ein Minus in 2009 von 12.903 € (vgl. Bl. 419 f. d. A.). Ein Abschlag für das allgemeine Risiko des Verlustes des Mandanten ist nicht angezeigt. Diesem Risiko wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Durchschnittsumsatz 2006-2008 genommen wurde, obwohl sich über die Jahre kontinuierlich eine Umsatzsteigerung ergeben hat. Von dem entgangenen Umsatz über 12.903 € ist der variable Kostenanteil, der nach billigem Ermessen mit rund 5 % zu schätzen ist (§ 287 ZPO), in Abzug zu bringen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf das Gutachten SV3 vom 20.2.2012 den variablen Kostenanteil mit 4,84 % schlüssig dargelegt. Der Kostenstrukturanalyse auf Basis der Durchschnittskosten 2006 bis 2008 sowie der darauf gründenden Schätzung der variablen Kostenanteile ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Bereinigt um den variablen Kostenanteil von rund 5 % verbleibt eine unfallbedingte Gewinnminderung für 2009 in Höhe von 12.258 €. Da insgesamt 7 Monate des Jahres 2009 vom Unfall beeinträchtigt waren, entfallen auf den hier geltend gemachten Zeitraum von drei Monaten 5.253 € (§ 287 ZPO).

bb) Für die Jahre 2010 und 2011 lässt sich ein Erwerbsschaden von 91.749 € bzw. 81.576 € ermitteln (§ 252 S. 2 BGB, § 287 ZPO).

Ausgangspunkt für die Schätzung des wahrscheinlich unfallbedingt entgangenen Gewinns ist der Gewinn, den der Geschädigte in den letzten Jahren vor dem Unfall erzielt hatte. Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich nicht aufstellen (BGH, Urteil vom 6.2.2001 – VI ZR 339/99, NJW 2001, 16040 Rn. 14ff.).

Maßgeblich sind die Geschäftsergebnisse des Klägers. Nach seinem unwidersprochenen Vorbringen ist der Gewinnanteil seiner Ehefrau als Mitgesellschafterin auf einen fixen Betrag festgeschrieben, so dass eine unmittelbare Proportionalität zwischen den von ihm erwirtschafteten Umsätzen und seinem Gewinnanteil besteht. Es kann auch im Wesentlichen der Ansicht des Landgerichts gefolgt werden, wonach die Kanzlei das Bild eines Büros bietet, in dem die Mandate durch einzelne Rechtsanwälte bearbeitet werden, ohne dass ein Austausch zwischen den Dezernenten stattfände.

In den Gutachten SV2 und SV3 werden die Umsatzzahlen der Kanzlei abgebildet und stehen außer Streit. Hiernach hat der Kläger in den Jahren 2007 bis 2009 – unter Einbeziehung der unter aa) festgestellten Umsatzeinbuße in 2009 – durchschnittlich 451.498 € erzielt. Die Einbeziehung des Jahres 2009 ist gerechtfertigt, da sich der Unfall erst im Juni 2009 ereignete und die anschließende Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge des zeitlichen Auseinanderfallens von Leistungserbringung und Zahlungseingang keine im Erwerbsergebnis sichtbaren Auswirkungen hatte. Es wäre daher nicht sachgerecht, das – trotz Unfall – umsatzstärkste Geschäftsjahr bei der Schadensschätzung außer Acht zu lassen. Demgegenüber verbietet sich ein weiteres Zurückgehen bis ins Jahr 2007, weil der notwendige Zukunftsbezug der Prognose immer mehr verlorengeht. Die Entwicklung der Jahre 2007 bis 2009 lässt aber auch erkennen, dass der Kläger in der Lage war, die Umsatzerlöse seiner anwaltlichen Tätigkeit zu steigern. Da der Durchschnittserlös aus den Jahren 2007 bis 2009 diesem Umstand keine Rechnung trägt, bedarf es einer Anpassung. Die Tatsache, dass der Kläger nach den Umsatzeinbrüchen in den beiden Jahren nach seinem Unfall im Jahr 2012 wieder hohe Umsatzerlöse – vergleichbar dem Jahr 2009 – erzielt hat, deutet auf ein hohes berufliches Engagement hin. Deshalb muss bei der Prognose davon ausgegangen werden, dass er mit hinreichender Sicherheit ohne das Unfallereignis zumindest Umsätze im Bereich des Jahres 2009 hätte erzielen können. Dem verbleibenden anwaltlichen Risiko des Verlustes von Mandanten ist durch einen prozentualen Abschlag Rechnung zu tragen. Dieser wird mit 5 % berücksichtigt und führt zu einem prognostizierten Jahresumsatz von 498.536 € (511.872 € + 12.903 € abzgl. 5 %).

Eine weitere Erhöhung des Gewinns unter Hinweis auf die kontinuierliche Umsatzsteigerung bis 2009 ist nicht gerechtfertigt. Zwar ist es dem Geschädigten unbenommen nachzuweisen, dass sich der entgangene Verdienst nach dem Unfall noch weiter erhöht hätte (OLG Celle, Urteil vom 18.9.2013, 14 U 167/12, Rdn. 125 – zitiert nach juris). Dafür reicht aber weder der klägerische Vortrag aus noch ergibt sich nach der Betriebsentwicklung dafür eine tatsächliche Vermutung. Insbesondere die Umsatzsteigerung in 2009 deutet nach dem Zahlenmaterial des Gutachtens SV3 darauf hin, dass ein Zusammenhang mit dem Ausscheiden des angestellten Rechtsanwalts RA1 besteht. Dessen Umsätze betrugen in den Vorjahren jeweils mehr als 100.000 €, in 2009 durch sein Ausscheiden bedingt nur knapp 5.000 € (vgl. Tabelle 1, Bl. 6 des GA, Anlagenband). Das Gesamtkanzleiergebnis sank um lediglich etwa 26.000 € ab. Es ist naheliegend, dass die Mandanten der Kanzlei zumindest teilweise erhalten geblieben und (auch) in den Umsätzen des Klägers aufgegangen sind. Ein weiterer Umsatzanstieg mit dem Großkunden war aufgrund der Vereinbarung einer monatlichen Pauschalvergütung ab 2010 nicht zu erwarten und hat sich auch nicht realisiert. Ob der Großkunde bereits für die Umsatzsteigerung in 2008 verantwortlich war, bleibt offen und damit im Bereich des Möglichen. Die Umsätze mit den „Stadt2-Mandaten“ waren nach dem Vortrag des Klägers vor dem Unfall gleichbleibend. Lediglich die Umsätze mit dem überregional tätigen …unternehmen weisen ein stetiges Wachstum auf. Dieses kann allerdings schon deshalb nicht unbegrenzt fortgeschrieben werden, weil der Mandant regelmäßig noch weitere Baurechtskanzleien in Stadt3 und Stadt4 beauftragt hat. Die Umsatzsteigerung im Jahr 2012 bietet zuletzt und für sich allein kein hinreichendes Indiz für ein stetiges Wachstum.

Bei einem prognostizierten Umsatzerlös ohne den Unfall von jährlich 498.536 € ergeben sich auf Grundlage der Umsatzzahlen Einbußen für 2010 in Höhe von 96.578 € und für 2011 in Höhe von 85.869 €. Wenngleich der Sachverständige SV3 in Tabelle 2 seines Gutachtens Umsätze des Klägers in 2010 von 321.959 € und in 2011 von 332.667 € aufgezeigt hat, bedürfen diese Zahlen einer Korrektur. Denn ab 2010 wurden die mit dem Hauptmandanten erzielten Umsätze des Klägers von monatlich 20.000 € zu 1/3 Rechtsanwalt B1 gutgeschrieben. Jenseits des Umstandes, dass der Kläger einen unfallbedingten Grund für diese Handhabung nicht aufgezeigt hat, kann für die Bewertung seines Verdienstausfalls nicht die Umbuchung der Umsätze auf Rechtsanwalt B1 maßgeblich sein. Es kommt vielmehr auf das erhöhte Aufkommen des Klägers als Inhaber der Kanzlei für die Vergütung seines auf freier Mitarbeiterbasis tätigen Rechtsanwalts an. Dieses Aufkommen hat der Kläger trotz entsprechenden Hinweises in der Senatssitzung vom 6.5.2016 nicht konkret dargelegt. Sein Vortrag beschränkt sich auf die Mitteilung der Honorare für die Jahre 2010 und 2011, die sich „auch wegen der Aufteilung der Großmandanten“ erhöht hätten. Die Formulierung „auch“ impliziert aber einen Anstieg des Honorars jenseits des Unfalls mit seinen Folgen für die Kanzlei. Damit fehlt es an Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung des unfallbedingt erhöhten Honoraranteils. Die Jahresumsätze des Klägers sind demnach mit 401.958 € in 2010 und 412.667 € in 2011 aus der Tabelle 4 des Gutachtens zu entnehmen, weil dort – anders als in Tabelle 2 – die Umsätze des Hauptmandanten vollständig dem Kläger gutgeschrieben wurden. (vgl. S. 10, 9 und 7 GA SV3, Anlage 6, Anlagenband).

Unter Abzug des variablen Kostenanteils von 5 % verbleibt für die Jahre 2010 und 2011 eine Gewinnminderung in Höhe von 173.325 €.

cc) Ein Erwerbsschaden des Klägers im Jahr 2012 lässt sich nicht feststellen. Der Kläger hat in 2012 ausweislich Tabelle 2 des Gutachtens SV3 475.371 € erlöst. Unter Einbeziehung der auf Rechtsanwalt B1 übertragenen Tätigkeit für den Großmandanten einschließlich der umgebuchten Umsätze (1/3 von 240.000 €) erhöht sich der Jahresumsatz des Klägers auf 555.371 € und liegt damit sogar deutlich über dem Umsatz des Jahres 2009. Ein Gewinnentgang kann infolge der augenscheinlichen Umstrukturierung der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers auch nicht mehr unter Hinweis auf die mit dem überregional tätigen …unternehmen erzielten Umsätze in den Jahren vor dem Unfall festgestellt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf die Begründung des Landgerichts Bezug genommen.

Der Erwerbsschaden des Klägers fällt auch nicht höher aus, weil er die Umsätze nach dem Unfall durch überobligatorische Tätigkeit erwirtschaftet hätte. Überobligatorische Anstrengungen zum Ausgleich des Schadens, gemessen an § 254 Abs. 2 BGB, entlasten den Schädiger nicht, der Geschädigte braucht sich diese nicht anrechnen zu lassen (BGH, Urteile vom 16.2.1971 – VI ZR 147/69, NJW 1971, 836 Rn. 13; vom 25.9.1973 – VI ZR 97/71, NJW 1974, 602 Rn. 13; vom 17.3.2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 17). Allerdings hat er regelmäßig zur Schadensminderung die Anstrengungen zu unternehmen, die er auf sich nehmen würde, wenn kein ersatzpflichtiger Schädiger vorhanden wäre. Er braucht aber keine erheblichen Risiken einzugehen, die er vielleicht noch in Kauf nehmen würde, wenn kein ersatzpflichtiger Schädiger vorhanden wäre (BGH, Urteil vom 25.9.1973 – VI ZR 97/71, a.a.O.). Allein der Umstand, dass der Kläger als Folge des Unfalls vermehrt am Wochenende und in den Abendstunden zu Hause gearbeitet hat, rechtfertigt nicht die Annahme einer überobligatorischen Tätigkeit. Ein Mehraufwand in zeitlicher Hinsicht war damit nicht verbunden, vielmehr ergaben sich entsprechend kürzere Arbeitszeiten über Tag in der Kanzlei. Diese Umstrukturierung des Arbeitsalltags stellt sich nicht als überpflichtmäßige Anstrengung dar, sondern zählt im Rahmen der Schadensminderungspflicht zu den Anstrengungen, die der Geschädigte regelmäßig auf sich nehmen würde, wenn kein ersatzpflichtiger Schädiger vorhanden wäre.

c) Der Anspruch des Klägers auf entgangenen Gewinn für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2011(insgesamt 178.578 €) ist in Höhe von 62.995 € erloschen (§§ 362, 366 BGB). In dem Parallelverfahren über den Anspruch des Klägers auf Ersatz seines Erwerbsschadens für den Zeitraum …6.2009 bis 30.9.2009 war die Klage bereits unter Anrechnung eines geleisteten Vorschusses in Höhe von 80.000 € eingereicht worden. Im Verlauf des Verfahrens hat die Beklagte bestimmt, dass der Vorschuss in Höhe von 70.000 € auf den unfallbedingten Verdienstausfall anzurechnen ist. Da die Ansprüche des Klägers aus den Unfallereignis noch in der Entwicklung waren und eine abschließende Bezifferung noch ausstand, sind die Vorschusszahlung und die Tilgungsbestimmung ersichtlich in der Erwartung der noch zu treffenden Feststellung zum Umfang der insgesamt geschuldeten Gewinnminderung erfolgt. Im Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht rechtskräftig entschieden, dass dem Kläger jedenfalls kein über die bereits gezahlten 70.000 € hinausgehender Mindestschaden zusteht. Die Formulierung impliziert keine Anspruchsberechtigung bis zu diesem Betrag, die genaue Höhe des Erwerbsschadens für den Zeitraum …6.2009 bis 30.9.2009 ist vielmehr offen geblieben. Die Beklagte hat den Verdienstausfallschaden für den Zeitraum …06.2009 bis 30.9.2009 in Höhe von 70.000 € auch nicht durch Erfüllung anerkannt. § 362 BGB setzt das Bestehen einer Schuld voraus. Eine solche bestand aber für die vier Monate unmittelbar nach dem Unfall nicht in Höhe von 70.000 €. Wie unter b) aa) aufgezeigt, war die Gewinnminderung für 2009 auf insgesamt 12.258 € zu schätzen. Hiervon entfallen 7.005 € auf die Monate Juni bis September 2009.

Zinsen stehen dem Kläger erst ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (§ 187 Abs. 1 BGB entsprechend), also dem 5.1.2013 als Prozesszinsen zu (§§ 288, 291 ZPO).

2. Gutachterkosten

Der Kläger beanstandet überwiegend zu Recht, dass das Landgericht ihm die Kosten für die eingeholten Privatgutachten nicht zuerkannt hat. Grundsätzlich hat der Schädiger dem Geschädigten die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind (BGH, Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450). Dies gilt in der Regel auch dann, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist. Eine andere Beurteilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit des Sachverständigengutachtens zu vertreten hat, oder wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft (KG Berlin, Urteil vom 15.11.2004 – 12 U 18/04, MDR 2005, 443 m. w. N). Derartige Umstände sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

In Anbetracht der komplizierten Berechnung des Erwerbsschadens war die Beauftragung des Sachverständigen SV3 (vgl. Rechnung vom 20.12.2012 i. H. v. 12.664,28 €) zum Zwecke der Ermittlung und Konkretisierung des Verdienstausfalls erforderlich und zweckmäßig. Das eingeholte Gutachten bot die Grundlage für die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 28.12.2012. Das vom Kläger im Vorprozess beauftragte Privatgutachten SV4 betraf nur den für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblichen Zeitraum bis zum 30.9.2009. Nach der Entscheidung des OLG Frankfurt im Vorprozess musste der Kläger davon ausgehen, dass das Gutachten des Sachverständigen SV2 im vorliegenden Verfahren wiederum für ungeeignet zur Darlegung des weiteren Erwerbsschadens erachtet werden würde. Der Einwand der Beklagten zu fehlenden Fachkompetenz verfängt nicht. Bei dem Sachverständigen SV3 handelt es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Unternehmens- und Praxenbewertung sowie Betriebsunterbrechungsschäden.

Aber auch das Privatgutachten SV6 vom 6.12.2010 (Rechnung vom 8.12.2010 in Höhe von 1.545,96 €) war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Der Kläger durfte sich als medizinischer Laie sachverständiger Hilfe bedienen, um das gerichtliche Gutachten des SV7 im Hinblick auf den Grad seiner Erwerbsminderung überprüfen und seine Einwendungen formulieren zu lassen. Die Kosten für die Begleichung der Rechnung SV6 vom 6.2.2011 über 740,92 € (Anlage 9, Anlagenband) kann der Kläger mangels Erforderlichkeit nicht ersetzt verlangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, in welchem Zusammenhang der Rechnungsbetrag angefallen ist.

Ebenso scheidet eine Ersatzpflicht in Bezug auf die Rechnung des SV5 vom 19.7.2010 über 110 € aus. Der Kläger selbst hat eine Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 von 30 % behauptet. Das Landgericht hat darüber Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 2.6.2010 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Vor diesem Hintergrund bestand im Zeitpunkt der Beauftragung des SV5 durch den Kläger kein vernünftiger Anlass für die Einholung eines Privatgutachtens, zumal Schadensersatzansprüche für weitere Zeiträume erst Jahre später geltend gemacht wurden.

Von dem so ergebenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 14.210,24 € ist die Überzahlung der Beklagten von 3.607,73 € in Abzug zu bringen (vgl. Bl. 483, 580 d. A.), so dass der Anspruch in Höhe von 10.602,51 € verbleibt.

Prozesszinsen kann der Kläger wiederum erst ab 5.1.2013 verlangen (§§ 288, 291 ZPO).

3. Schmerzensgeld

Das von dem Kläger beanspruchte Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 2 BGB ist in Höhe von noch 10.000 € begründet. Unter Berücksichtigung der 100 %igen Haftung der Beklagten wird eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 20.000 € als billig i. S. d. § 253 Abs. 2 BGB erachtet. Nach Abzug der bereits von der Haftpflichtversicherung des Beklagten geleisteten 10.000 € verbleibt der o. g. Betrag.

Dem Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 € steht die materielle Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8.11.2012 zu Az.: 2 U 86/12 nicht entgegen (§ 322 Abs. 1 ZPO). Nach der für die Bestimmung der Rechtskraftwirkung heranzuziehenden Begründung des Berufungsurteils bestand kein Anspruch auf ein bis 30.9.2009 zeitlich begrenztes Teilschmerzensgeld. Mit Aufgabe dieser Beschränkung kann ein weiteres Schmerzensgeld verlangt werden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass der bezifferte Schmerzensgeldanspruch für die bereits eingetretenen und absehbaren künftigen Beeinträchtigungen abschließend sein soll, und damit jedwede Beschränkung aufgegeben.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes steht der Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden. Im Rahmen der bei normalen Straßenverkehrsunfällen nur eingeschränkt zu berücksichtigenden Genugtuungsfunktion ist insbesondere die Schwere des Verschuldens des Schädigers in Ansatz zu bringen. Schließlich ist auch das mitwirkende Verschulden des Verletzten zu berücksichtigen, wobei das Mitverschulden bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes lediglich einen Bemessungsfaktor darstellt und von vornherein derjenige Schmerzensgeldbetrag zuzubilligen ist, der unter Berücksichtigung des Mitverschuldensanteils angemessen erscheint. Dabei ist die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts nicht darauf beschränkt, ob die Bemessung des Schmerzensgeldes durch das Landgericht Rechtsfehler enthält, sondern das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt, und gegebenenfalls nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag zu finden (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20.12.2007 – 12 U 141/07, Rn. 22 m. w. N. – zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung aller haftungsrelevanter Punkte hält der Senat ein Schmerzensgeld von insgesamt 20.000 € für angemessen und ausreichend, auf das die bereits geleisteten Zahlung der Beklagten über 10.000 € anzurechnen ist (§ 362 BGB). Bei der Bemessung sind der komplette Unterschenkelschaftbruch, die begleitende Verletzung des oberen Sprunggelenks am rechten Unterschenkel mit Schienbeinschaftbruch sowie hohem Wadenbeinbruch und Absprengung des Hinterrandes am unteren Ende des Schienbeins, der Außenknöchelbruch vom Typ Weber C mit Sprengung der Bandverbindung zwischen Wadenbein und Schienbein im Sprunggelenksbereich, die insgesamt sechs operativen Eingriffe, die stationären und ambulanten Behandlungen, der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, der fortdauernde Ruheschmerz bei längerer sitzender Tätigkeit und andauernde Belastungsschmerz bei längerem Stehen, die dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 % in der bis zum Unfall ausgeübten Art der anwaltlichen Tätigkeit, sowie als besondere Belastungen im privaten Bereich die Einschränkung in der Ausübung von Sport (Aufgabe des Dauerlaufsports) und die unfallbedingte Verlagerung der anwaltlichen Tätigkeit auch auf die Abendstunden und das Wochenende einzubeziehen. Dem Risiko noch nicht absehbarer Spätfolgen wird hinreichend durch die Feststellung der vollen Einstandspflicht der Beklagten bezüglich künftig entstehender immaterieller Schäden Rechnung getragen (dazu nachfolgend unter 4.).

4. Feststellungsantrag materieller und immaterieller Vorbehalt

Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden aus dem Unfallereignis vom …6.2009.

Der Zulässigkeit der Klage steht der Einwand der rechtskräftigen Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) nicht entgegen. Der Kläger hat in dem vorgenannten Parallelverfahren mit dem ausdrücklich auf den Zeitraum bis zum 30.9.2009 begrenzten Schmerzensgeldanspruch klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich die Geltendmachung von ungewissen Zukunftsschäden für später vorbehalten wolle (vgl. v. Gerlach, a.a.O.).

Der Feststellungsantrag ist auch im Übrigen zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Urteile vom 9.1.2007 – VI ZR 133/06, NJW-RR 2007, 708, 709 [OLG Hamm 18.10.2006 – 31 U 124/06]; vom 16.1.2001 – VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431, 1432). Nach diesen Maßstäben kann das Feststellungsinteresse vorliegend nicht verneint werden.

Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH, Urteil vom 9.1.2007, a.a.O.). Auch das ist hier der Fall. Das Vorliegen eines haftungsrechtlich relevanten Eingriffs ist unstreitig. Dieser Eingriff kann zu möglichen künftigen materiellen und immateriellen Schäden führen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen SV1 in seinem Gutachten vom 14.5.2012 lässt sich auf Grund der unfallbedingten Verletzungen des Klägers eine Verschlechterung der Beschwerdesymptomatik im Sinne einer Arthrose nicht ausschließen. Entgegen dem Antrag kommt allein ein auf die Zukunft gerichteter Ausspruch in Betracht. Der Kläger hat auf Befragen klargestellt, dass der bezifferte Schmerzensgeldanspruch abschließend sein soll. Eine erneute willkürliche zeitliche Begrenzung wäre auch unzulässig. Die beklagten Schmerzen sind permanent und die dauerhafte sportliche Einschränkung sicher vorhersehbar. Mit dem Feststellungsantrag bleibt daher nur Raum für ungewisse Zukunftsschäden. Nur mit diesen kann auch der materielle Vorbehalt korrelieren.

5. Kosten selbständiges Beweisverfahren

Die in der Berufung hilfsweise erfolgte Klageerweiterung um die Kosten des gegen die Versicherungsnehmerin der Beklagten geführten selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Stadt1, Az.: …/11, in Höhe von 757,23 € ist nach § 533 ZPO zulässig. Zwar hat die Beklagte der Klageerweiterung nicht ausdrücklich zugestimmt; sie hat sich aber insoweit rügelos auf die mündliche Verhandlung eingelassen. Die Klageerweiterung ist aber auch aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich. Zudem kann sie auf Tatsachen gestützt werden, die der Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine separate Leistungsklage liegt vor. Der Kläger kann die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nicht im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Die Einbeziehung der Kosten des Beweisverfahrens in dem Kostenausgleich des Hauptprozesses setzt die Identität von Parteien und Streitgegenstand sowie die Verwertung des Ergebnisses des Beweisverfahrens im Hauptprozess voraus (BGH, Beschluss vom 18.12.2002 – VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1323). Die für eine prozessuale Kostenerstattung geforderte Parteiidentität ist aber nicht gegeben. Die Beklagte war in dem selbständigen Beweisverfahren nicht Antragsgegnerin, sondern lediglich Nebenintervenientin.

Die dem Kläger im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten stellen einen durch den Verkehrsunfall adäquat verursachten ersatzfähigen Schaden dar. Über das Bestehen einer unfallbedingten Erwerbsminderung bestand und besteht zwischen den Parteien Streit. Das selbständige Beweisverfahren wurde zum Zwecke der Ermittlung der Erwerbsminderung des Klägers in seiner berufsspezifischen Tätigkeit als Fachanwalt für X eingeleitet. Der Kläger durfte die entsprechenden Aufwendungen, die sowohl zur Vermeidung eines Rechtsstreits wie auch zur Bezifferung des Erwerbsminderungsschadens geeignet waren, für erforderlich und notwendig halten. Er stützt sich auch in diesem Rechtsstreit auf das eingeholte Sachverständigengutachten des SV1. Der Umstand, dass das selbständige Beweisverfahren allein gegen die Versicherungsnehmerin der Antragsgegnerin geführt wurde, hindert eine Ersatzpflicht der Beklagten nicht. Denn die Beklagte haftet dem Kläger gesamtschuldnerisch (§§ 7 StVG, 115 VVG) und ist im Innenverhältnis ihrer Versicherungsnehmerin gegenüber zur Freistellung von Ansprüchen des Klägers verpflichtet. Zinsen aus dem Betrag in Höhe von 757,23 € stehen dem Kläger ab 18.11.2014 zu (§§ 288, 291 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

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