OLG Frankfurt am Main, 14.11.2016 – 19 U 119/16

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 14.11.2016 – 19 U 119/16
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 04.05.2016 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird auf 64.884,02 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist aus den Gründen der Hinweise vom 24.08.2016 und 24.10.2016, auf deren Inhalte (Bl. 148 ff. und 181 ff. d. A.) Bezug genommen wird, unbegründet. Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Kläger vom 16.09.2016 und 08.11.2016 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Die Widerrufsbelehrung zum Vertrag vom 22.02.2008 ist im Hinblick auf den Beginn der Widerrufsfrist zutreffend. Die Fehlerhaftigkeit einer Belehrung ist nur dann anzunehmen, wenn eine erteilte Belehrung durch ihre nicht gesetzeskonforme Fassung generell geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urteil vom 23.06.2009 zu Az.: XI ZR 156/08). Vorliegend ist die Belehrung jedoch gesetzeskonform. § 355 Abs. 2 S. 3 BGB in der Fassung vom 02.12.2004 verlangte für den Beginn des Fristlaufs, dass dem Verbraucher eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wurden. An das im Gesetz vorgesehene Zurverfügungstellen der Vertragsurkunde knüpft die Belehrung der Beklagten an. Dass der Erhalt des eigenen Vertragsantrags des Verbrauchers als Anknüpfungspunkt für den Lauf der Widerrufsfrist nicht aufgenommen wurde, ist dabei unschädlich. Denn durch die Veränderung werden die Voraussetzungen für den Fristlauf zulässig zugunsten des Verbrauchers verändert (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2009 zu Az. XI ZR 509/07, Rn. 15; BGH, Urteil vom 26.05.2009, zu Az. XI ZR 242/08, Rn. 16; jeweils zitiert nach juris). Dass eine gesetzeskonforme, an den Erhalt der Vertragsurkunde für den Lauf der Widerrufsfrist anknüpfende Widerrufsbelehrung generell falsch sei, hat der BGH in der Entscheidung zu Az. XI ZR 33/08 auch nicht festgestellt. Vielmehr fußt die Argumentation des Senats zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung auf den Umständen des dortigen Einzelfalles, die hier gerade nicht vergleichbar sind, weil den Klägern von der Beklagten ein Blanko-Vertragsformular überlassen wurde. Der verständige Verbraucher erkennt aber, dass ein Darlehensvertragsformular ohne rechtliche Bedeutung ist, solange es nicht wenigstens von einer Partei unterzeichnet worden ist. Auf die Definition des Urkundenbegriffs in § 267 StGB kommt es dabei nicht an. Zum einen werden dem durchschnittlichen Verbraucher kaum dessen Feinheiten bekannt sein. Zum anderen können juristische Termini in unterschiedlichem Zusammenhang durchaus verschieden zu verstehen sein.

Die Belehrung über das jedem Darlehensnehmer gesondert zustehende Widerrufsrecht ist auch vor dem Hintergrund der Argumentation der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 08.11.2016 nicht fehlerhaft. Zutreffend ist zwar, dass der Fristbeginn bei einem freiwillig eingeräumten vertraglichen Widerrufsrecht nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig nicht davon abhängt, dass die Belehrung den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht genügt (BGH, Urteil vom 12.05.2012 zu Az. II ZR 88/11). Ist der Unternehmer gesetzlich überhaupt nicht zu einer Widerrufsbelehrung verpflichtet, so bestimmt sich der Inhalt des Widerrufsrechts vielmehr ausschließlich durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung. Der Hinweis auf diese Rechtsprechung liegt jedoch neben der Sache. Die Beklagte war unstreitig bei beiden Verträgen gesetzlich zur Belehrung der Kläger über ihr Widerrufsrecht nach §§ 495, 355 BGB a. F. verpflichtet. Entscheidend ist danach, ob die Belehrungen den gesetzlichen Anforderungen genügten. Dies ist der Fall; die Beklagte hat das bestehende gesetzliche Widerrufsrecht lediglich dahingehend zugunsten des Verbrauchers erweitert, dass dieser es unabhängig von einem weiteren Darlehensnehmer ausüben kann. Das Widerrufsrecht der Kläger kann dabei entgegen ihrer Auffassung nicht in ein gesetzliches und ein vertragliches Widerrufsrecht aufgespalten werden, vielmehr handelt es sich um ein einheitliches Recht. Die Beklagte hat das gesetzliche Widerrufsrecht vertraglich modifiziert. Der hierauf gerichtete Wille der Beklagten ist keine Unterstellung des Senats. Er kommt vielmehr im Wortlaut der Belehrungen, in denen jedem Darlehensnehmer ein gesondertes Widerrufsrecht eingeräumt wird, eindeutig zum Ausdruck. Dass eine Widerrufsbelehrung dann, wenn sie im Interesse des Kunden von den gesetzlichen Vorgaben abweicht, nicht als fehlerhaft einzustufen ist, hat der BGH – worauf bereits Bezug genommen wurde – bereits mehrfach entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2009 zu Az. XI ZR 509/07, Rn. 15; BGH, Urteil vom 26.05.2009, zu Az. XI ZR 242/08, Rn. 16; jeweils zitiert nach juris).

Im Übrigen geben die beiden Schriftsätze der Kläger keine Veranlassung zu einer Ergänzung der Hinweisbeschlüsse des Senats.

II.

Die Kläger haben gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2 ZPO.

Vorausgegangen sind unter dem 24.8.2016 und 24.10.2016 folgende Hinweise (die Red.):

In dem Rechtsstreit (…)

weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgericht nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Gründe

I.

Die Parteien schlossen im Februar 2008 einen Darlehensvertrag über 88.000,00 € sowie im März 2008 einen weiteren Darlehensvertrag über 77.000,00 €. Mit Schreiben vom 16.10.2014 widerriefen die Kläger ihre auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen. In der Sache streiten die Parteien darüber, ob dieser Widerruf wirksam war. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 95 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2016 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage zwar zulässig, jedoch nicht begründet sei. Den Klägern stehe aufgrund ihres Widerrufs kein Anspruch auf Rückabwicklung der beiden mit der Beklagten geschlossenen Darlehensverträge zu. Das Widerrufsrecht der Kläger aus §§ 495, 355 BGB a.F. sei zum Zeitpunkt seiner Ausübung bereits verfristet gewesen, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist durch die erteilten Belehrungen in Gang gesetzt worden sei. Die Belehrungstexte seien hinsichtlich des Fristbeginns nicht zu beanstanden. Anders als in dem durch den BGH zu beurteilenden Fall im Verfahren zu Az. XI ZR 33/08 sei in der vorliegenden Fallkonstellation ein Missverständnis dahingehend, es genüge für den Fristbeginn die Überlassung eines Antrages der Bank, ausgeschlossen. Mit der Formulierung, dass der Lauf der Frist von der Überlassung einer „Vertragsurkunde“ bzw. „meines schriftlichen Vertragsantrages“ abhänge, werde für den unbefangenen durchschnittlichen Verbraucher als Belehrungsadressaten unmissverständlich deutlich, dass der Fristbeginn von seiner eigenen Vertragserklärung abhänge. Dem durchschnittlichen Verbraucher sei bekannt, dass ein Vertragsschluss eine Willenserklärung beider Vertragsparteien voraussetze. Deswegen sei bei sämtlichen aufgeführten Tatbeständen des Fristbeginns für ihn deutlich erkennbar, dass es ohne Vertragserklärung des Darlehensnehmers nicht zu einem Lauf der Frist kommen werde. Aus diesem Grund sei die von den Klägern beanstandete Auslegungsmöglichkeit dahingehend, es genüge bereits eine Übermittlung eines Vertragsantrages der Bank, bei den gewählten Belehrungsformulierungen nicht zu befürchten.

Gegen das ihnen am 11.05.2016 (Bl. 107 d. A.) zugestellte Urteil haben die Kläger am 13.06.2016 Berufung eingelegt (Bl. 112 f. d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.08.2016 (Bl. 127 d. A.) am 10.08.2016 begründet (Bl. 132 ff. d. A.).

Die Kläger verfolgen ihre in erster Instanz gestellten Anträge weiter. Sie begründen die Berufung damit, dass die verwendeten Widerrufsbelehrungen entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Sie informierten den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist. Nach zutreffender Ansicht des BGH (Urteil vom 10.03.2009 zu Az. XI ZR 33/08) legten die von der Beklagten verwendeten Formulierungen das unrichtige Verständnis nahe, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Bank zu laufen, zumal dieses Angebot der Beklagten bereits mit „Darlehensvertrag“ überschrieben sei. Der Verbraucher müsse davon ausgehen, es handele sich bei dem Angebot der Bank bereits um die in der Belehrung genannte Vertragsurkunde und die Frist beginne ohne Rücksicht auf die eigene Vertragserklärung des Verbrauchers. Soweit das Landgericht meine, die genannte Entscheidung des BGH finde keine Anwendung, weil der Verbraucher in der Belehrung persönlich angesprochen werde oder sich der Fehler aufgrund der Situation des Vertragsschlusses nicht auswirken könne, könne dies nicht überzeugen. Der unrichtige Eindruck im Hinblick auf die Widerrufsfrist könne auch bei persönlicher Anrede des Kunden entstehen, was sich aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 06.12.2011 zu Az. XI ZR 401/10 und vom 15.02.2011 zu Az. XI ZR 148/10 ergebe. Dort habe die Widerrufsbelehrung auszugsweise gelautet: „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nach dem Ihnen […]“. Der Beklagten sei es schließlich verwehrt, sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV zu berufen, weil die von ihr verwendeten Belehrungen nicht dem Muster der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV entsprächen.

Die Kläger beantragen,

1.

unter Abänderung des am 04.05.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main zu Az. 2-10 O 305/15 festzustellen, dass die Kläger aus dem Darlehensvertrag mit der Nr. 1 aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 16.10.2014 nur verpflichtet sind, an die Beklagte per 27.07.2015 einen Betrag in Höhe von 60.169,5 € zu zahlen.
2.

festzustellen, dass die Kläger aus dem Darlehensvertrag mit der Nr. 2 aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 16.10.2014 nur verpflichtet sind, die Beklagte per 27.07.2015 einen Betrag in Höhe von 71.115,44 € zu zahlen.
3.

hilfsweise: festzustellen, dass die Darlehensverträge zu den Nrn. 1 und 2 aufgrund des Widerrufs der Kläger mit Schreiben vom 16.10.2014 in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt wurden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Vorbringen in der Berufungsbegründung zeigt weder einen Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts auf, noch sind Anhaltspunkte für eine fehler- oder lückenhafte Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erkennbar (§ 529 ZPO).

Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass den Klägern gegen die Beklagte die geltend gemachten Feststellungsansprüche nicht zustehen, weil die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs aufgrund der fehlerfrei erteilten Widerrufsbelehrungen bereits abgelaufen war.

Dass die von der Beklagten verwandten Widerrufsbelehrungen von der seinerzeit gültigen Musterbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoVO inhaltlich abwichen, ist unerheblich. Es stand dem Verwender frei, über ein bestehendes Widerrufsrecht zu belehren, ohne das Muster zu verwenden, was sich aus § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a. F. und § 355 Abs. 2 BGB a. F. ergibt. In diesem Falle sind die Anforderungen an die Belehrung allein anhand des Gesetzes zu bestimmen, da die Privilegierung durch die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a. F. entfällt. Diese Prüfung anhand des Gesetzes ergibt, dass die erteilten Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen, die sich gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB vorliegend nach § 355 BGB in der Fassung vom 2.12.2004 richten, entspricht.

Die Widerrufsfrist betrug zwei Wochen; ihr Lauf hing bei einem wie vorliegend schriftlich abzuschließenden Vertrag nach § 355 Abs. 2 BGB davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung in Textform hinaus auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wurde. Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist (BGH, Urteil vom 10.3.2009 zu Az. XI ZR 33/08 Rn. 15, Juris). Hierüber informieren beide Belehrungen unzweifelhaft. Dass der BGH in der genannten Entscheidung vom 10.3.2009 die dort erteilte Belehrung als fehlerhaft eingestuft hat, kann Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.

1. Vertrag vom 22.2.2008

In der Entscheidung zu Az. XI ZR 33/08 hat der BGH für die Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“ eine fehlerhafte Belehrung angenommen (vgl. BGH, aaO). Hintergrund war jedoch, dass der Verbraucher mit der Widerrufsbelehrung ein unterschriftsreifes, mit „Darlehensvertrag“ überschriebenes Darlehensangebot der Bank – nicht aber ein von keiner Partei unterzeichneter Vertragsentwurf oder eine eigene Vertragserklärung – erhalten hatte, das er seinerseits unterschrieb und an die Bank zurücksandte. Bei dieser Sachlage habe der Darlehensnehmer, so der BGH, die Widerrufsbelehrung dahin missverstehen können, es könne sich bei dem Vertragsangebot der Bank bereits um die Vertragsurkunde handeln und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf seine eigene Vertragserklärung. Der vorliegende Sachverhalt weist in den entscheidenden Punkten jedoch keine Parallelen zu dem vom BGH entschiedenen Fall auf. Vorliegend haben die Kläger den Vertrag am 19.2.2008 unterzeichnet, die Vertreter der Beklagten jedoch erst 3 Tage später. Die vorherige Übersendung eines bereits unterzeichneten Vertragsangebots der Beklagten kann daher nicht erfolgt sein und ist von den Klägern auch nicht konkret vorgetragen. Die Kläger haben von der Beklagten danach einen von keiner Partei unterzeichneten Vertragsentwurf erhalten. Ein Fehlverständnis dahingehend, dass mit dem Begriff „Vertragsurkunde“ ein von keiner Partei unterzeichneter Darlehensvordruck gemeint sein könnte, kann bei einem unbefangenen durchschnittlichen Verbraucher nicht entstehen. Zudem haben die Kläger nach der von ihnen unterzeichneten Empfangsbestätigung eine Abschrift ihres eigenen Darlehensantrages erhalten. Der Irrtum, die Widerrufsfrist beginne bereits vor Abgabe der eigenen Vertragserklärung, war danach denknotwendig ausgeschlossen. Ebenso wenig konnten die Kläger annehmen, bei dem ihnen zur Verfügung gestellten eigenen Vertragsantrag handele es sich bereits um die Vertragsurkunde. Die Kläger haben den Empfang „meines Darlehensantrags“ bestätigt, während die Widerrufsbelehrung für den Beginn des Fristlaufs fordert, dass die Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurde. Aufgrund der von der Beklagten verwandten unterschiedlichen Begrifflichkeiten mussten die Kläger erkennen, dass sie gerade noch keine Vertragsurkunde erhalten hatten.

2. Vertrag vom 19.3.2008

Die von der Beklagten bei dem Bank1-geförderten Vertrag verwendete Belehrung unterscheidet sich von der Belehrung, die der Entscheidung des BGH zu Az. XI ZR 33/08 zugrunde lag, durch Verwendung des Possessivpronomens im Hinblick auf den Darlehensantrag („mein schriftlicher Vertragsantrag“). Daraus ergibt sich unzweifelhaft aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers, dass es für den Fristbeginn auf das zur Verfügung stellen des Vertragsantrages des Verbrauchers und nicht des Unternehmers ankommt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 1.8.2013 zu Az. 23 U 288/13 Rn. 19, Juris sowie auch Senatsurteil vom 26.2.2016 zu Az. 19 U 207/15). Aus dem Sachzusammenhang musste jedenfalls bei der vorliegenden Belehrung jeder Verbraucher erkennen, dass es für den Lauf der Frist auf eine seine eigene Vertragserklärung enthaltende Urkunde ankommen musste. Die Kläger konnten demnach dem Irrtum, bei einem Vertragsangebot der Bank handele es sich bereits um die Vertragsurkunde, nicht unterliegen. Aus den Entscheidungen des BGH zu Az. XI ZR 401/10 und zu Az. XI ZR 148/10 ergibt sich nichts anderes. Denn dort war die erteilte Belehrung hinsichtlich des Fristlaufs identisch mit derjenigen, die Basis der Entscheidung zu Az. XI ZR 33/08 war. Die persönliche Anrede zu Beginn der über den Fristlauf belehrenden Passage ändert hieran nichts, da sie keinen Einfluss auf den Inhalt der für den Fristlauf genannten Voraussetzungen hat. Gleiches gilt für die Überschrift „Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung“. Denn die Überschrift definiert nur, welche Erklärung der Verbraucher widerrufen kann, nicht aber, welche Voraussetzungen für den Fristbeginn zu erfüllen sind.

Die Kläger erhalten Gelegenheit, zu diesen Hinweisen bis zum 16. September 2016 Stellung zu nehmen.

Zur Festsetzung des Streitwertes mögen beide Parteien binnen gleicher Frist mitteilen, in welcher Höhe die Kläger auf die streitgegenständlichen Darlehen zum Zeitpunkt der Einleitung der Berufungsinstanz Zins- und Tilgungsleistungen erbracht hatten, § 40 GKG.

In dem Rechtsstreit (…)

weist der Senat darauf hin, dass weiterhin beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgericht nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Gründe

I.

In ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis des Senats vom 24.04.2016 rügen die Kläger nunmehr erstmalig, dass die Widerrufsbelehrungen zu beiden Verträgen aus einem weiteren Grunde fehlerhaft seien. Beide Belehrungen enthielten – wenn auch in unterschiedlicher Diktion – den unzutreffenden Hinweis, dass das Widerrufsrecht jedem Darlehensnehmer einzeln zustehe. Tatsächlich könne das Widerrufsrecht bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern nur gemeinsam ausgeübt werden. Dies folge daraus, dass § 357 Abs. 1 BGB a. F. uneingeschränkt die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt anordne. Die Gegenauffassung überzeuge nicht. Der in §§ 355 Abs. 1, 495 BGB aF verwendete Singular sei der sprachlichen Vereinfachung geschuldet und sage nichts darüber aus, wie bei einer Mehrheit von Vertragspartnern mit Gestaltungsrechten zu verfahren sei. Die amtliche Überschrift des § 357 BGB aF („Rechtsfolgen des Widerrufs“) sei sprachlich missglückt. Ihr könne nicht entnommen werden, dass § 351 BGB, der die Ausübung des Widerrufs regle, von der Verweisung in dem sprachlich viel weiteren Gesetzeswortlaut ausgenommen sein solle. Dieses Ergebnis füge sich nahtlos in die Handhabung anderer Gestaltungsrechte ein, deren Ausübung ebenfalls bei mehreren Vertragspartnern nur gemeinschaftlich möglich sei.

II.

Auch unter Berücksichtigung der weiteren Rüge der Kläger bleibt die Berufung offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Der Hinweis in den Widerrufsbelehrungen, dass das Widerrufsrecht bei mehreren Darlehensnehmern durch jeden von ihnen einzeln ausgeübt werden könne, führt nicht zu ihrer Fehlerhaftigkeit. Dies gilt im Ergebnis unabhängig davon, ob die – auch in den Belehrungen unterstellte – Auffassung, jeder Darlehensnehmer könne sein Widerrufsrecht eigenständig ausüben, zutreffend ist oder ob der von den Klägern zitierten Ansicht des OLG Karlsruhe zu folgen ist, nach der mehrere Darlehensnehmer den Darlehensvertrag nur gemeinsam widerrufen können. Diese Frage ist streitig (vgl. Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 43).

Dass beide streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen als gesetzeskonform anzusehen wären, so der Auffassung zu folgen wäre, dass jeder Darlehensnehmer von seinem Widerrufsrecht gesondert ohne den jeweils anderen Gebrauch machen kann, bedarf keiner weiteren Erörterung (so OLG Stuttgart, Urteil vom 27.09.2016, Az. 6 U 46/16).

Der Senat hat sich in der Vergangenheit bereits der Auffassung angeschlossen, nach der mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer zum hier fraglichen Zeitpunkt ihr Widerrufsrecht nur zusammen ausüben können (Beschluss vom 11.05.2016 zu Az. 19 U 222/15). Auch auf der Basis dieser Ansicht ist die Belehrung jedoch nicht als fehlerhaft zu beurteilen. Der Unternehmer genügt insoweit seiner Belehrungspflicht, wenn er den Verbraucher wie vorliegend geschehen entsprechend der Auffassung belehrt, die für den Widerruf die geringsten Hürden vorsieht. Denn in diesem Fall enthält die Belehrung keinen verwirrenden oder falschen Zusatz, der den Verbraucher objektiv von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten könnte, was allein maßgeblich ist (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 12.07.2016, Az XI ZR 564 Rn. 26). Nach den von der Beklagten verwendeten Belehrungen geht der Verbraucher davon aus, über sein Widerrufsrecht ohne Abstimmung mit dem weiteren Darlehensnehmer individuell entscheiden zu können. Dies führt zu einer Vereinfachung der Ausübbarkeit des Widerrufsrechts, nicht aber zu einer potentiellen Hürde. Dass das gesonderte Widerrufsrecht für jeden einzelnen Verbraucher nach dem Gesetz tatsächlich nicht besteht, ist dabei unproblematisch. Denn die Beklagte ist an ihrer Belehrung festzuhalten, mit der sie ein über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehendes freiwilliges Widerrufsrecht für jeden einzelnen Darlehensnehmer eingeräumt hat. Eine solche Abweichung von dem gesetzlichen Widerrufsrecht zugunsten des Verbrauches ist nicht zu beanstanden.

Die Kläger erhalten Gelegenheit, zu diesem Hinweis bis zum 8. November 2016 Stellung zu nehmen.

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