OLG Frankfurt am Main, 16.06.2015 – 6 U 72/15

April 8, 2019

OLG Frankfurt am Main, 16.06.2015 – 6 U 72/15
Leitsatz:

Führt der Anwalt selbst den Fristenkalender und beauftragt eine Mitarbeiterin mit der Absendung eines fristwahrenden Telefaxschreibens, ist es mit einer wirksamen Fristenkontrolle nicht vereinbar, wenn der Anwalt die Frist in seinen Kalender bereits streicht, nachdem er seine Mitarbeiterin mit der Absendung beauftragt hat.
Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Frist zur Begründung der Berufung gegen das am 23.3.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a.d.Lahn wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 22.295,69 € festgesetzt.
Gründe

I.

Dem Beklagtenvertreter ist das angefochtene Urteil am 23.3.2015 zugestellt worden. Die Berufungsbegründungsfrist des § 520 II 1 ZPO lief am 26.5.2015 ab.

Mit Schriftsatz vom 3.6.2015, per Telefax eingegangen am 5.6.2015, hat der Beklagtenvertreter Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt und mit Schriftsatz vom 9.6.2015, per Telefax eingegangen am selben Tag, seine Berufung gegen das angefochtene Urteil begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führt der Beklagtenvertreter aus:

Die Fristenkontrolle sei bei ihm so organisiert, dass Notfristen von ihm selbst im Anwaltskalender vermerkt und kontrolliert würden. Im vorliegenden Fall sei die Berufungsbegründungsfrist mit dem 26.5.2015 sowie eine Vorfrist von einer Woche vorher notiert worden. Da ihm die fristgerechte Erstellung der Berufungsbegründung wegen hoher anderweitiger Arbeitsbelastung nicht möglich gewesen sei, habe er am 22.5.2015 die seit 15 Jahren in der Kanzlei beschäftigte Mitarbeiterin X beauftragt, einen Fristverlängerungsantrag für die Berufungsbegründung um einen Monat zu fertigen und diesen zur Versendung vorab per Telefax ihm zur Unterzeichnung vorzulegen. Dem sei Frau X nachgekommen. Den gefertigten Schriftsatz vom 22.5.2015 – vorgelegt als Anlage zum Wiedereinsetzungsantrag (Bl. 1335 d.A.) – habe er geprüft und unterzeichnet und Frau X sodann wie üblich angewiesen, mit der Akte unmittelbar zur Versendung per Telefax zu schreiten und den Schriftsatz nach Überprüfung des Sendeberichts in den Postlauf zu geben. Nach Mitnahme der Akte durch Frau X habe er die Frist in seinem Kalender gestrichen und als Kontrollfrist den 3.6.2015 eingetragen. Frau X habe den Schriftsatz jedoch weisungswidrig weder per Telefax versandt noch in den Postlauf gegeben, sondern in die Akte gelegt, was er erst bei der Wiedervorlage am 3.6.2015 bemerkt habe.

Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags hat der Beklagtenvertreter eine eidesstattliche Versicherung der Frau X (deren Name nach dieser eidesstattlichen Versicherung „X“ lautet) vom 5.6.2015 vorgelegt (Bl. 1336 d.A.).

II.

Der Wiedereinsetzungsantrag hat keinen Erfolg, weil der Beklagtenvertreter auf der Grundlage seines eigenen Vorbringens durch ein Organisationsverschulden, das sich der Beklagte nach § 85 II ZPO zurechnen lassen muss, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist mitverursacht hat (§ 233 ZPO).

Zwar gehört die Versendung fristwahrender Schriftsätze – ebenso wie die Berechnung und Kontrolle der entsprechenden Fristen – zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinen Mitarbeitern übertragen darf. In diesem Fall hat der Rechtsanwalt jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Wenn – wie im vorliegenden Fall – hierzu ein Fristenkalender geführt wird, muss gewährleistet sein, dass notierte Fristen erst gelöscht werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, d.h. der Schriftsatz fertiggestellt und die Versendung organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist (vgl. BGH MDR 2009, 883). Im Falle der Fristwahrung durch ein Telefaxschreiben darf die Frist erst gelöscht werden, wenn eine Eingangsbestätigung des Empfängers oder ein vom Absendegerät ausgedrucktes Sendeprotokoll vorliegt (vgl. Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdz. 23 zu § 233 „Telefax““ m.w.N.).

Diese organisatorischen Anforderungen sind es im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden. Denn der Beklagtenvertreter hat die notierte Berufungsbegründungsfrist in seinem Kalender bereits gestrichen, nachdem er seiner Mitarbeiterin die Akte zur weiteren Veranlassung übergeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt war nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet, dass die Mitarbeiterin die Anweisung zur unverzüglichen Versendung des Schriftsatzes befolgen würde. Der Beklagtenvertreter hätte sich vielmehr vor Streichung der Frist von seiner Mitarbeiterin – sei es mündlich oder durch einen schriftlichen Vermerk – bestätigen lassen müssen, dass das Telefax versandt worden ist und ein Sendeprotokoll darüber vorliegt.

Die demnach unzureichende Organisation im Büro des Beklagtenvertreters hat die Fristversäumnis verursacht. Hätte der Beklagtenvertreter vor Streichung der Frist eine Bestätigung über die erfolgreiche Absendung des Telefaxes abgewartet, wäre das Versäumnis seiner Mitarbeiterin rechtzeitig bemerkt worden.

III.

Da der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg hat, ist die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 II ZPO) gemäß § 522 I ZPO mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zu verwerfen.

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