OLG Frankfurt am Main, 16.12.2014 – 1 W 61/14

April 12, 2019

OLG Frankfurt am Main, 16.12.2014 – 1 W 61/14
Leitsatz

Weist der Rechtspfleger als Vollstreckungsgericht einen Antrag gemäß § 850 k Abs. 4 ZPO auf Festsetzung eines pfändungsfreien Betrages zurück, und wird hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt, hat er von Amts wegen zu prüfen, ob er den Vollzug seiner Entscheidung bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts auszusetzen hat, um zu vermeiden, dass der in Rede stehende Betrag nicht vorzeitig abfließt und damit die Beschwerde ins Leere geht.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 24.10.2014 abgeändert.

Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 18.10.2014 im Umfang von 1.325,94 € zur Durchführung der beabsichtigten Klage entsprechend dem Klageentwurf vom 15.10.2014 Prozesskostenhilfe gewährt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und bleibt der Antrag abgelehnt.

Der Antragstellerin wird zur Wahrnehmung ihrer Rechte Rechtsanwältin X, O1, beigeordnet.

Die Beschwerdegebühr gemäß GKG-KV Nr. 1812 ist nicht zu erheben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1

A.

2

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage auf Ersatz von rund 2.000 €, weil die Rechtspflegerin beim Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – Friedberg nach ihrem Beschluss vom 05.08.2014 über die Zurückweisung des Antrags der hiesigen Antragstellerin, ihr zwei Beträge in Höhe von insgesamt 2.094,50 € aus Rentennachzahlungen von ihrem Pfändungsschutzkonto freizugeben, nicht weiterhin die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet hat. Die jetzige Antragstellerin ließ mit Schriftsatz vom 08.08.2014 beim Amtsgericht sofortige Beschwerde einlegen und die Begründung einem späteren Schriftsatz vorbehalten. Diese Begründung erfolgte mit Schriftsatz vom 20.08.2014. Die Rechtspflegerin half der Beschwerde nicht ab und legte die Beschwerde dem Landgericht vor. Auf dessen Anfrage vom 16.09.2014, ob sich der zur Freigabe beantragte Betrag noch auf dem Konto befinde, nahm die Antragstellerin die dortige sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 22.09.2014 zurück.
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Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 24.10.2014 abgelehnt. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 31.10.2014 eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
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Der Senat hat bei der Antragstellerin nachgefragt, wann der Betrag von 2.094,50 €, dessentwegen beim Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – Friedberg die Freigabe vom Pfändungsschutzkonto der Antragstellerin beantragt worden war, nach dem Beschluss des Amtsgerichts vom 05.08.2014 von dem genannten Konto abgeflossen ist. Mit Schreiben vom 24.11.2014 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin unter Vorlage von Kontoauszügen mitgeteilt, dass Beträge von 1.767,92 € am 19.09.2014 und von 71,23 € am 16.10.2014 vom Konto der Antragstellerin als Drittschuldnerzahlung abgebucht worden seien. Die Antragstellerin hat ihren PKH-Antrag auf die Summe der beiden letztgenannten Beträge beschränkt. Außerdem hat sie mit Schriftsatz vom 01.12.2014 ergänzend Stellung genommen.
5

Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

B.

6

I. Vorab waren – wie im Rubrum geschehen – die Vertretungsverhältnisse für den Antragsgegner entsprechend der Anordnung über die Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums der Justiz zu korrigieren.
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II. Die sofortige Beschwerde hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Der Antragstellerin war im Umfang von 1.325,94 € Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil für die beabsichtigte Amtshaftungsklage in diesem Umfang eine hinreichende Erfolgsaussicht nach dem Maßstab des § 114 ZPO anzunehmen ist.
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Der Senat legt dem zugrunde, dass die Rechtspflegerin im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung eine schuldhafte Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) in Gestalt einer nicht vertretbaren Vorgehensweise begangen hat, für welche der Antragsgegner gemäß Art. 34 GG haftet. Ob diese Amtspflichtverletzung zu einem Schaden bei der Antragstellerin geführt hat, hängt davon ab, wie das Landgericht als Vollstreckungsbeschwerdegericht entschieden hätte. Jedenfalls muss sich die Antragstellerin ein Mitverschulden (§ 254 BGB) ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 85 ZPO anrechnen lassen.
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1. Allerdings ist der Rechtspflegerin ist eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nicht vorzuwerfen aufgrund ihrer Entscheidung vom 05.08.2014. Die einstweilige Anordnung vom 24.07.2014 auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung wurde mit der Entscheidung in der Sache vom 05.08.2014 wirkungslos (Zöller-Stöber, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 732 Rn. 17; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 732 Rn. 9). Dass dieser Einstellungsbeschluss in dem Beschluss vom 05.08.2014 ausdrücklich aufgehoben wurde, hatte demnach lediglich deklaratorische Bedeutung. Diesem Beschluss legte die Rechtspflegerin zugrunde, dass die Antragstellerin unabhängig von der beantragten Freigabe des dem Antrag zugrunde liegenden Betrages über den pfändungsfreien Betrag verfügen könne.
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2. Zwar wäre die Rechtspflegerin nach Eingang der sofortigen Beschwerde am 08.08.2014 rechtlich gemäß § 570 Abs. 2 ZPO befugt gewesen, die Vollziehung des Beschlusses vom 05.08.2014 auszusetzen. Dazu hat allerdings im Rahmen des ihr eröffneten Ermessens zunächst noch keine Veranlassung bestanden, nachdem dieser Schriftsatz lediglich fristwahrend sofortige Beschwerde einlegte und die Begründung einem späteren Schriftsatz vorbehielt. Insbesondere enthielt dieser Schriftsatz nicht die Anregung oder den Antrag, die Vollziehung der Entscheidung auszusetzen. Eine solche Anregung oder ein solcher Antrag fehlte auch in der dann erfolgten Beschwerdebegründung vom 20.08.2014.
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3. Die Rechtspflegerin war aber aufgrund des Inhalts der Beschwerdebegründung von Amts wegen verpflichtet, die Notwendigkeit einer Aussetzung der Vollziehung zu prüfen (vgl. Zöller-Heßler, a.a.O., § 570 Rn. 4). Mit der Möglichkeit, dass der Betrag, dessen Freigabe beantragt worden war, nach Auslaufen der ursprünglich verfügten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung alsbald von dem Pfändungsschutzkonto abfließen würde, musste sie rechnen. Dabei geht es nicht darum, ob die von der Rechtspflegerin ihrem Beschluss vom 05.08.2014 und dem Nichtabhilfebeschluss vom 05.09.2014 zugrunde gelegte Rechtsauffassung vertretbar war, sondern allein darum, ob es vertretbar war, angesichts der Beschwerdebegründung von einer Aussetzung der Vollziehung gemäß § 570 Abs. 2 ZPOabzusehen. Dies ist nicht anzunehmen, nachdem jedenfalls die sofortige Beschwerde geltend machte, entgegen der Annahme des angefochtenen Beschlusses vom 05.08.2014 sei der Pfändungsfreibetrag ohne Berücksichtigung der Rentenzahlung nicht ausgeschöpft worden, und die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung angeführte Entscheidung des Landgerichts Bielefeld zu der Auffassung gelangt war, dass Sinn und Zweck des § 850 k ZPO erfordere, auch eine in einem Betrag erfolgende Nachzahlung auf die einzelnen Monate zu verrechnen, für welche die Nachzahlung erfolgt war, und in denen der Pfändungsfreibetrag nicht ausgeschöpft war.
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Angesichts dessen wäre es geboten gewesen, sicherzustellen, dass die Entscheidung des Landgerichts auf die sofortige Beschwerde hin nicht deshalb ins Leere ging, weil der in Rede stehende Betrag auf dem Konto nicht mehr vorhanden war. Hätte die Rechtspflegerin spätestens im Zeitpunkt ihrer Nichtabhilfeentscheidung am 05.09.2014 eine vorsorgliche Aussetzung der Vollziehung verfügt, wäre die in Rede stehende Valuta bis zur Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vorsorglich auf dem Konto der Antragstellerin verblieben und nicht als Drittschuldnerzahlung abgeflossen.
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4. Ein Schaden ist aber nur für den Fall anzunehmen, dass das Landgericht in dem Beschwerdeverfahren zu § 850 k ZPO zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der in Rede stehende Betrag ganz oder teilweise freizugeben war. Ob dies der Fall gewesen wäre, hat das Amtshaftungsgericht nach seiner Einschätzung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Hierbei handelt es sich allerdings um eine kontrovers diskutierte Rechtsfrage, die nicht abschließend bereits im Prozesskostenhilfeverfahren erörtert werden kann.
14

5. Allerdings ist Prozesskostenhilfe nur im Umfang eines Betrages von 1.325,94 € zu gewähren, da die Klage der Antragstellerin allenfalls in diesem Umfang eine hinreichende Erfolgsaussicht bietet.
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a) Zum einen kann die Antragstellerin nicht Schadensersatz fordern für den Betrag von 71,32 €, welcher erst am 16.10.2014 und damit nach der Rücknahme ihrer Beschwerde im Ausgangsverfahren von ihrem Konto abgebucht wurde. Denn insoweit war der Betrag, dessen Freigabe durch das Vollstreckungsgericht sie hatte erreichen wollen, noch auf dem Konto, als sie auf den Hinweis des Landgerichts vom 11.09.2014 die Beschwerde in vollem Umfang zurücknahm. Für diesen Betrag hätte demnach noch eine Aussetzung der Vollziehung erreicht werden können.
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b) Zum anderen muss es sich die Antragstellerin als Mitverschulden ihrer Bevollmächtigten gemäß § 85 ZPO zurechnen lassen muss, dass diese nicht in der Beschwerdeschrift und erst recht nicht in der Beschwerdebegründung die Anregung gegeben hat, die Vollziehung des Beschlusses vom 05.08.2014 auszusetzen. Zwar hatte die Rechtspflegerin – wie ausgeführt – von Amts wegen zu prüfen, ob die Vollziehung ihrer Zurückweisungsentscheidung gemäß § 570 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die Gefahr einer vor der Beschwerdeentscheidung erfolgenden Überweisung auszusetzen war. Der Antragstellerin ist auch einzuräumen, dass insoweit nicht ein förmlicher Aussetzungsantrag erforderlich war. Dennoch hätte es der Fürsorge in der Sache entsprochen, der Rechtspflegerin mit einer entsprechenden Anregung zu verdeutlichen, dass die Aussetzung der Zurückweisungsentscheidung geboten erschien. Ein solcher Hinweis ist nicht erfolgt.
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Für die Bestimmung des insoweit der Antragstellerin zuzurechnenden Mitverschuldens ihrer Verfahrensbevollmächtigten sind für den am 17.09.2014 als Drittschuldnerzahlung überwiesenen Betrag von 1.767,92 € überwiesenen Betrag die Verursachungsanteile für den Eintritt eines Schadens abzuwägen. Da die Rechtspflegerin von Amts wegen verpflichtet war, eine Aussetzung der Vollziehung zu prüfen, sieht der Senat bei ihr ein deutliches Übergewicht an Verschulden im Verhältnis zum Versäumnis der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, jedenfalls in der Beschwerdebegründung auf eine Aussetzung der Vollziehung hinzuwirken. Es erscheint angemessen, den Verursachungsanteil der Bevollmächtigten der Antragstellerin mit jedenfalls ¼ anzusetzen; in diesem Umfang ist demnach eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage der Antragstellerin jedenfalls zu verneinen.
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III. Die Voraussetzungen einer Bedürftigkeit ist nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin gegeben.
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IV. Der Zeitpunkt, ab dem Prozesskostenhilfe zu gewähren war, ergibt sich daraus, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe ab dem Tag nach dessen Eingang beim Landgericht (§ 187 Abs. 1 BGB entsprechend) entscheidungsreif war.
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V. Die Entscheidung über die Beiordnung der Rechtsanwältin beruht auf § 121 Abs. 1 ZPO.
21

VI. Eine Gebühr gemäß GKG-KV Nr. 1812 war gemäß dessen Satz 2 nicht zu erheben, da die Beschwerde zum überwiegenden Teil Erfolg hat.
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VII. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht erfüllt sind.

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