OLG Frankfurt am Main, 17.02.2016 – 23 U 135/15

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 17.02.2016 – 23 U 135/15
Tenor:

Der Senat schlägt den Parteien zur kostengünstigen und baldigen Erledigung des Rechtsstreits nach Beratung vor, sich darauf zu verständigen, dass die Klägerin zunächst ihre Klage zurücknimmt und anschließend die Beklagten die Berufung zurücknehmen.
Gründe

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Die zulässige Berufung dürfte nach der derzeitigen Auffassung des Senats wegen der Klagestattgabe begründet, im Übrigen – wegen der Abweisung der Widerklage – im Ergebnis derzeit unbegründet sein.

Auszugehen ist – trotz der auf anderes hinweisenden Streitwertangabe und der unklaren Antragstellung, die sich zur Klage unmittelbar nicht verhält – nach dem Inhalt der Berufungsbegründungsschrift davon, dass das Urteil insgesamt und nicht nur wegen der Abweisung der Widerklage der Anfechtung unterliegt. Die Berufungsbegründung rügt nämlich ausdrücklich die Entscheidung hinsichtlich der Klage und der Widerklage als fehlerhaft; auch wird der Gliederungsunterpunkt „B. Widerklage“ geführt, was bei einer auf die Widerklage beschränkten Berufung keinen Sinn ergäbe.

Es kann auch dahinstehen, ob das Landgericht die negative Feststellungsklage zu Recht insgesamt als erledigt angesehen hat, obwohl nur eine Erledigungserklärung der Klägerin vorlag, die sich dem Wortlaut nach wohl nicht auf die gesamte Feststellungsklage bezogen hat. Dass das Landgericht der Klage im Hauptausspruch nicht – wie dies unter Zugrundelegung der eigenen Ansicht dann konsequenterweise wohl hätte erfolgen müssen – in weiterem Umfang entsprochen hat, beschwert die Berufungskläger jedenfalls nicht.

Im Hinblick auf die Klage dürfte die Berufung begründet sein. Die mit der Klage geltend gemachte „Vorfälligkeitsentschädigung“ dürfte der Klägerin nicht zustehen.

Der Anspruch ergibt sich zunächst schon nicht aus § 490 Abs.2 S.3 BGB als Folge einer Kündigung der Beklagten, nachdem eine Darlehenskündigung der Beklagten nach § 490 Abs.2 S.1,2 BGB nicht vorgetragen ist. Die Klägerin geht selbst nicht von einer Kündigung aus (vgl. etwa Schriftsatz vom 28.04.20125, S.3; Bl.175 d.A.), vielmehr läge – wäre der Widerruf tatsächlich unwirksam und daher „ins Leere gegangen“ – eine einvernehmliche Darlehensablösung vor. Ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung folgte demgemäß nicht als Schadensersatzanspruch aus § 490 Abs.2 S.3 BGB, der nach wohl überwiegender Meinung – auch des Senats – bei einer „Vertragsauflösung“ mangels Vergleichbarkeit der Ausgangssituation auch nicht entsprechend anzuwenden ist (OLG Frankfurt am Main, Urt.v. 16.02.2005 – 23 U 52/04, ZIP 2005, 2010; OLG Karlsruhe BKR 2009, 121 [OLG Karlsruhe 21.08.2008 – 17 U 334/08]; Landgericht Flensburg, Urt.v.02.11.2012 – 2 O 205/11; Münchener Kommentar-Berger, BGB, 6.Aufl., § 490 Rn.39). Eine Vereinbarung zwischen Darlehensnehmer und kreditgebender Bank über die vorzeitige Ablösung des Kredits stellt keine Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung im eigentlichen Sinne dar, sondern lediglich eine Modifizierung des Vertragsumfangs ohne Reduzierung des Leistungsumfangs und damit letztlich eine bloße Vorverlegung des Erfüllungszeitpunktes (BGH NJW 1997, 2875 [BGH 01.07.1997 – XI ZR 267/96]; Brandenburgische Oberlandesgericht, Urt.v. 17.10.2012 – 4 U 194/11). Infolgedessen besteht in diesen Fällen der ursprüngliche Darlehensvertrag in geänderter Form fort, so dass auch ein etwaiges Widerrufsrecht unberührt bleibt (OLG Hamm ZIP 2015, 1113; vgl. hierzu auch BGH NJW-RR 2011, 403). Ob ein Anspruch der Klägerin sich hier konkludent aus der Vereinbarung der Parteien zur vorzeitigen Ablösung des Darlehens ergeben oder aus allgemeinen Regeln als Schadensersatzanspruch folgen kann, kann letztlich dahinstehen, weil der Darlehensvertrag jedenfalls wirksam widerrufen worden ist, so dass ein Rückabwicklungsverhältnis entstanden ist, das nur Rückgewähransprüche aus §§ 357, 358, 346ff. BGB a.F auslöst, und ein Anspruch auf eine „Vorfälligkeitsentschädigung“ ausscheidet.

Der verbraucherkreditrechtliche Widerruf war insbesondere nicht verfristet, weil mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung der Lauf der Widerrufsfrist noch nicht begonnen hatte, vgl. § 355 Abs.2 S.1 BGB a.F. Zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass es sich vorliegend um eine Fallkonstellation handelt, die derjenigen entspricht, die der Entscheidung des BGH vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08 – (NJW 2009, 3572) zugrunde lag. Insofern gilt auch hier, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung der Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs.2 S.1 BGB nicht entspricht, weil sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem Zugang des Angebots der Klägerin nebst Widerrufsbelehrung (vgl. BGH a.a.O.). Nachdem die Beklagte für die Belehrung unbestritten kein mit dem Muster nach Anlage 2 zu § 14 Abs.1 BGB-InfoV a.F. übereinstimmendes Formular verwendet hat, kann sie sich auf die dort geregelte Schutzwirkung ebenso wenig berufen.

Zu Unrecht meint das Landgericht jedoch, dass der Widerrufserklärung der Beklagten der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengestanden habe. Tatsächlich steht § 242 BGB der Ausübung des Widerrufsrechts hier nicht entgegen, und zwar weder unter Gesichtspunkten der Verwirkung, noch wegen sonstigen Rechtsmissbrauchs.

Die Frage einer Treuwidrigkeit eines Widerrufs der Beklagten hat allerdings nichts mit einem angeblich treuwidrigen Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Neugestaltung der finanziellen Situation der Beklagten zu tun. Selbst wenn man annähme, dass den Beklagten ein Anspruch auf Abschluss der von ihnen der Klägerin unterbreiteten Änderungsvereinbarung zugestanden hätte, würde aus dem Umstand, dass die Klägerin sich – unterstellt – (rechtsirrtümlich) pflichtwidrig verhalten hätte, nicht zwingend eine Treuwidrigkeit resultieren. Im Übrigen könnte selbst eine Treuwidrigkeit der vorherigen Verhandlungsposition der Klägerin einen – unterstellt ansonsten treuwidrigen – späteren Widerruf mangels irgendeines Sachzusammenhangs ohnehin nicht rechtfertigen.

Das Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht verwirkt gewesen (vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen: Senat, Beschl.v. 17.10.2014 – 23 U 13/14 – und vom 24.11.2014 – 23 U 41/14 -; wie hier kürzlich: OLG Frankfurt am Main, Urt.v. 26.08.2015 – 17 U 202/14; OLG Dresden, Urt.v. 11.06.2015 – 8 U 1760/14; OLG Celle, Urt.v. 21.05.2015 – 13 U 38/14; OLG Hamm ZIP 2015, 1113). Zwar können auch grundsätzlich unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (Palandt-Grüneberg, BGB, 74.Aufl., § 242 Rn.88, 107 jew. m.w.N.). Jedenfalls das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH verstößt die verspätete Geltendmachung eines Rechts gegen Treu und Glauben, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment); letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, und sich im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH NJW 2014, 2646 [BGH 07.05.2014 – IV ZR 76/11]; NJW 2014, 1230 [BGH 23.01.2014 – VII ZR 177/13]; NJW 2011, 212 [BGH 20.07.2010 – EnZR 23/09]; jew. m.w.N.; Palandt-Grüneberg, BGB, 73.Aufl., § 242 Rn.87). Weder ist nur das Vorliegen des sog. Zeitmoments ausreichend, noch kommt es allein darauf an, dass der Vertragspartner mit der Ausübung des Rechts nicht mehr zu rechnen brauchte (vgl. BGH NJW 2014, 1230 [BGH 23.01.2014 – VII ZR 177/13] m.w.N.). Vorliegend ist schon nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte sich auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts irgendwie eingerichtet oder im Hinblick auf das Vertrauen in die Nichtausübung des Widerrufsrechts gar irgendwelche Dispositionen getroffen hätte, so dass ihr nun ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Die Annahme eines unzumutbaren Nachteils erscheint in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der verbraucherkreditrechtliche Widerruf zu einer an sich wertneutralen Rückabwicklung führt, auch eher fernliegend. Gegen die Annahme, die Klägerin habe sich wegen des erheblichen Zeitablaufs darauf eingerichtet, dass ein Widerrufsrecht ungeachtet seines Bestehens nicht mehr geltend gemacht werden würde, spricht auch, dass sie nach eigenen Angaben die Fehlerhaftigkeit der Belehrung gar nicht erkannt haben will.

Es liegt auch kein Fall eines sonstigen rechtsmissbräuchlichen Vorgehens vor. Soweit das Landgericht meint, dass die Mängel der Belehrung die Beklagten nicht von der Ausübung des Widerrufsrechts in zeitlicher Nähe zum Vertragsschluss hätten abhalten können, führt es „durch die Hintertür“ ein Kausalitätskriterium ein, dem der BGH schon lange eine Absage erteilt hat (vgl. BGH NJW 2009, 3020 [BGH 23.06.2009 – XI ZR 156/08]). Tatsächlich gibt es keine Widerrufsbelehrung „zweiter Klasse“, die zwar nicht ordnungsgemäß ist, aber den Verbraucher trotzdem zur baldigen Ausübungen seines Widerrufsrechts anhalten könnte. Damit wäre die Sanktion des § 355 Abs.3 S.3 BGB a.F. letztlich auf die Fälle aktiv irreführender oder gänzlich fehlender Belehrungen beschränkt, was erkennbar nicht der Rechtsprechung des BGH entspricht. Auch ist ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten hier nicht erkennbar. Insbesondere kann es natürlich nicht zu ihrem Nachteil gereichen, dass sie sich vor der Widerrufserklärung, also während der Vertragslaufzeit an ihre darlehensvertraglichen Verpflichtungen gehalten und auch darlehensvertragliche Rechte wahrgenommen haben. Dies gilt umso mehr, wenn man annimmt, dass die Belehrung ungeachtet der Mängel einen Verbraucher über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht belehrt. Denn dann kann aus dem Umstand, dass der Verbraucher seinen vertraglichen Verpflichtungen in der Folgezeit – z.B. im Glauben an eine Verfristung des Widerrufsrechts – nachgekommen ist und keine Anstalten gemacht hat, sich vom Vertrag zu lösen, logischerweise kein Schluss auf ein unredliches Verhalten gezogen werden. Der Verbraucher kann das Widerrufsrecht auch ohne besondere Begründung ausüben, vgl. § 355 Abs.1 S.2 BGB a.F.; eine wie auch immer geartete „Gesinnungsprüfung“ findet nicht statt – und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Genauso wenig wie bei ordnungsgemäßer Belehrung ein am letzten Tag der Widerrufsfrist nicht wegen Übereilung, sondern allein wegen gesunkener Zinsen erklärter Widerruf rechtsmissbräuchlich wäre, ist es ein späterer Widerruf, der nur wegen unzureichender Belehrung noch fristgemäß ist.

Soweit die angebliche Schutzzweckwidrigkeit des Widerrufs argumentativ herangezogen wird, ist dies grundlegend verfehlt und stellt letztlich einen Zirkelschluss dar. Wenn nur Widerrufe zulässig wären, deren Zweck in dem Berufen auf den gesetzgeberisch beabsichtigten zweiwöchigen Übereilungsschutz besteht, wäre die Nichterteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung immer folgenlos, weil ein außerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist erklärter Widerruf ungeachtet der Frage, ob die Frist im konkreten Fall auch wirksam in Lauf gesetzt worden ist, zwangsläufig nicht mehr aus den gesetzgeberischen Zwecken erklärt wäre. Tatsächlich setzt die Begrenzung des Übereilungsschutzes auf den gesetzlich vorgesehenen kurzen Zeitraum aber gerade eine ordnungsgemäße Belehrung über die Frist voraus.

Es ist und bleibt nach alledem im Grundsatz ohne weiteres legitim, in laufender Frist das Verbraucherwiderrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus geltend zu machen. Abgesehen davon kann die Beklagte ohnehin keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, die Kläger ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht zu belehren (vgl. BGH NJW 2014, 2646 [BGH 07.05.2014 – IV ZR 76/11]). Soweit die Klägerin argumentiert, sie habe im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages und das Verhalten der Beklagten von einer Nachbelehrung abgesehen, führt dies nicht weiter. Denn wenn der Fehler der Belehrung im Hause der Beklagten erkannt worden sein sollte, bestand – ohne ordnungsgemäße, die Frist in Lauf setzende Belehrung – gerade kein Vertrauenstatbestand, der ein Unterlassen der Nachbelehrung gerechtfertigt und verursacht hätte. Vollends widersprüchlich wird es, wenn die Beklagte weiter ausführt, dass das Erfordernis der Erteilung einer Nachbelehrung gar nicht erkennbar gewesen sei sowie dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine bewusste Entscheidung getroffen hätte, von einer Nachbelehrung der Beklagten abzusehen. Denn wenn es sich tatsächlich so verhalten hätte, käme ein Unterlassen der Klägerin „im Vertrauen“ nicht in Betracht, weil dies doch gerade ein Bewusstsein von der Rechtslage, vorliegend also von der an sich gegebenen Handlungsnotwendigkeit voraussetzt. Anders ausgedrückt: Dass die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der eigenen Belehrung gar nicht erkannt, über die Möglichkeit einer fristauslösenden Nachbelehrung gar nicht nachgedacht und/oder hierzu auch keine Entscheidung getroffen hat, ist nicht kausal auf das angeblich den Vertrauenstatbestand schaffende, den Vertrag bejahende Verhalten der Beklagten zurückzuführen.

Nach alledem kann die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer „Vorfälligkeitsentschädigung“ keinen Bestand haben.

Die Berufung hat dagegen wegen der Abweisung der Widerklage im Ergebnis derzeit keinen Erfolg.

Die Beklagten verlangen widerklagend in der Hauptbegründung von ihnen gezahlten Vertragszins heraus, soweit er die von ihnen für die Überlassung der Darlehensvaluta nach eigener Berechnung geschuldete Nutzungsentschädigung übersteigt, und gehen davon aus, dass der Wert des Gebrauchsvorteils geringer war als der von ihnen entrichtete Vertragszins.

Die Beklagten haben nach der Hauptbegründung der Widerklage jedoch keinen Zahlungsanspruch aus §§ 357 Abs.1 S.1, 346 Abs.1 BGB a.F. bzw. – für die Zeit nach Erklärung des Widerrufs – einen Anspruch aus § 812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB. Der Sache nach verlangen die Beklagten nämlich ihre Zinszahlungen bis zur Erklärung des Widerrufs teilweise – nämlich unter Abzug der von ihnen für die Überlassung der Darlehensvaluta geschuldeten Nutzungsentschädigung – heraus, für den Zeitraum bis zur Rückzahlung der Valuta die zu viel gezahlte Nutzungsentschädigung. Eine Differenz zwischen Vertragszins und Marktzins im Sinne von § 346 Abs.2 S.2 BGB besteht jedoch nicht. Im Einzelnen:

Nach § 357 Abs.1 S.1, 346 Abs.1 BGB a.F. sind im Fall des Widerrufs die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben, zu denen gemäß § 100 BGB auch die Gebrauchsvorteile gehören. Für die Berechnung des Wertersatzes ist die vertraglich bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war, § 346 Abs.2 S.2 BGB a.F. Deshalb kann der Darlehensnehmer nach Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung vom Darlehensgeber die aus seinem eigenen Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen einschließlich eines herauszugebenden Nutzungsersatzes zurückfordern. Umgekehrt ist der Darlehensnehmer zur Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages und zu dessen marktüblicher Verzinsung verpflichtet (BGH NJW 2008, 1585 [BGH 26.02.2008 – XI ZR 74/06] m.w.N.). Der BGH hat jüngst hinsichtlich der Rückabwicklungsfolgen klarstellend ausgeführt (Beschl.v. 22.09.2015 – XI ZR 116/15 -; NJW 2015, 3441):

Insbesondere sind die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, in denen § 357a BGB noch keine Anwendung findet. Der Senatsrechtsprechung (Senatsurteil vom 10. März 2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 19 f.) lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung und gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta schuldet. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 aaO Rn. 29). Soweit Darlehensgeber oder Darlehensnehmer gegenüber den gemäß § 348 Satz 1 BGB jeweils Zug um Zug zu erfüllenden Leistungen die Aufrechnung erklären, hat dies nicht zur Folge, dass der Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre.

Soweit der Darlehensnehmer die mit der Kapitalüberlassung auf Zeit empfangene Leistung des Darlehensgebers herauszugeben hat, schuldet er mithin gemäß § 346 Abs.2 S.1 Nr.1 BGB Wertersatz in Form einer Verzinsung des ihm überlassenen Darlehenskapitals zu dem vertraglich vereinbarten Zinssatz, es sei denn, er weist einen niedrigeren Marktzins nach, § 346 Abs.2 S.2 BGB. Dies bedeutet, dass der Darlehensnehmer nur den marktüblichen Zins zu zahlen hat, wenn er nachweisen kann, dass der marktübliche Zins geringer als der vereinbarte Zins war; gefordert ist daher der Nachweis, dass er anstelle der vereinbarten Sollzinsen das Geld anderweitig zu einem niedrigeren Zins (Marktzins) hätte erwerben können (OLG Zweibrücken, Beschl.v. 10.05.2010 – 7 U 84/09; Staudinger/Kaiser (2012), BGB, § 346 Rn.110). Der anzustellende Vergleich wird damit nicht etwa – wie dies die Beklagten meinen – über die gesamte Laufzeit des Darlehens abschnittsweise jeweils neu vorgenommen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes des Gebrauchsvorteils im Sinne des § 346 Abs.2 S.2, 2.Hs. BGB ist vielmehr der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Darlehensauszahlung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013, Az. 6 U 64/12). Insofern ist vorzutragen, dass der Marktzins für ein vergleichbares Darlehen seinerzeit geringer gewesen wäre (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013, Az. 6 U 64/12 m.w.N.; vgl. jüngst: Brandenburgisches OLG, Urt.v. 20.01.2016 – 4 U 79/15 -; OLG Nürnberg, Urt.v. 11.11.2015 – 14 U 2439/14). Solches können und wollen die Beklagten nicht vorbringen, nach deren eigenen Angaben das Darlehen nach den Verhältnissen bei Vertragsschluss sogar unter dem damaligen Marktzins ausgereicht wurde, vgl. Schriftsatz vom 26.01.2015, S.11 (Bl.44 d.A.). Hinzu kommt, dass von der Marktüblichkeit des vereinbarten Zinssatzes bereits auszugehen ist, wenn dieser innerhalb der Streubreite der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Zinssätze oder nur geringfügig bis zu 1 % darüber liegt (BGH NJW-RR 2008, 1436 [BGH 18.12.2007 – XI ZR 324/06]; Brandenburgisches OLG, Urt.v. 20.01.2016 – 4 U 79/15). Auch aus diesem Grunde fehlt es an einer Darlegung der fehlenden Marktüblichkeit des vereinbarten Zinses.

Soweit die Widerklage hilfsweise auf einen anderen Streitgegenstand, nämlich einen Anspruch auf (eigenen) Nutzungsersatz wegen der erbrachten Zinsleistungen gestützt werden soll, ist schon in erster Instanz kein nachvollziehbarer Tatsachenvortrag zur Forderungshöhe gehalten worden. Soweit der Betrag des verlangten Nutzungsersatzes die Widerklageforderung übersteigt, dürfte zudem eine unzulässige, weil unabgegrenzte Teilklage vorliegen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen. Eine Übertragung auf den Einzelrichter bleibt vorbehalten.

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