OLG Frankfurt am Main, 17.10.2016 – 17 U 120/16

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 17.10.2016 – 17 U 120/16
Tenor:

In dem Rechtsstreit (…)

wird die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Senat ihrer Berufung einstimmig keine Aussicht auf Erfolg beimisst. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, ist beabsichtigt, die Berufung ohne Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.
Gründe

I.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen das am 26.04.2016 verkündete Urteil des Landgerichts, durch das dieses der von der Klägerin erhobenen Klage auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung zweier geschlossener Fonds stattgegeben hat.

Die Klägerin, welche seit etwa 1989 Kundin der Beklagten ist, zeichnete auf der Grundlage der jeweils durch den Zeugen A als Mitarbeiter der Beklagten erfolgten Beratung am 03.03.2006 die Beteiligung an dem Schiffsfonds der Schifffahrts-Gesellschaft „B“ mbH & Co. KG (im Folgenden: Fonds B) zu einem Nennbetrag von 25.000 US-Dollar zuzüglich 5 % Agio und am 14.05.2008 den US-Immobilienfonds „C …“ (im Folgenden: Fonds C) zu einem Nennbetrag von 20.000 US-Dollar zuzüglich 5 % Agio. Für die Vermittlung des Fonds B erhielt die Beklagte eine Vermittlungsprovision in Höhe von insgesamt 12 % der Einlagesumme, während ihr für den Fonds C eine Vermittlungsprovision von 9 % vergütet wurde. Die Klägerin, welche zuvor bereits im Dezember 2002 sowie im September 2003 jeweils geschlossene Immobilienfonds in Höhe von nominal 20.000 US-Dollar bzw. 20.000 Euro gezeichnet hatte, ließ sich im Rahmen des mit dem Zeugen A geführten Beratungsgesprächs von ihrem Ehemann begleiten, welcher seinerseits vor der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligungen in zwei geschlossene Immobilienfonds investiert hatte. In einer von diesem am 09.09.2004 unterzeichneten und mit „Kundenangaben für die Anlageberatung“ überschriebenen Erklärung waren die Anlageziele als „langfristig“ und die Risikobereitschaft mit „risikobereit“ angegeben (Bl. 155 f. d.A.).

Die Klägerin hat zur Begründung der der Beklagten vorgeworfenen Beratungsfehler geltend gemacht, seitens des Zeugen A nicht über das Risiko des Totalverlustes, der eingeschränkten Fungibilität, eines möglichen Wiederauflebens der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB sowie der Möglichkeit der Rückforderung gemäß §§ 30, 31 GmbHG sowie gemäß § 3.5 des Gesellschaftsvertrages und die schifffondsspezifischen Risiken bzw. die Risiken der Beteiligung an US-Fonds hingewiesen worden zu sein. Während der Zeuge A im Übrigen erklärt habe, die Vergütung der Beklagten beschränke sich auf das 5%ige Agio, habe dieser ihr mit den streitgegenständlichen Beteiligungen riskante Anlagen empfohlen, obwohl die Klägerin als Anlageziel jeweils „Alterssicherung“ angegeben habe.

Die Beklagte hat sich zur Begründung ihres Klageabweisungsbegehrens darauf berufen, die Klägerin sei in gleicher Weise wie ihr Ehemann risikobereit gewesen und sei im Zusammenhang mit der Beratung über die typischen unternehmerischen Risiken sowohl im Zusammenhang mit der Investition in den US-Immobilienmarkt als auch der Beteiligung an dem Schiffsfonds hingewiesen worden. Im Übrigen habe der Zeuge A die Aufklärung der Klägerin jeweils anhand der Emissionsprospekte vorgenommen und der Klägerin den Prospekt auch vor der Zeichnung zur Verfügung gestellt. Während der Klägerin seitens der Beklagten bei der Diskussion über das zusätzlich anfallende Agio erklärt worden sei, dass dieses letztlich an die Beklagte fließe, seien die Klägerin und ihr Ehemann hinsichtlich der an die Beklagte gezahlten Vergütung überhaupt nicht interessiert gewesen. Im Übrigen hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus fehlerhafter Kapitalanlageberatung gemäß § 280 Abs. 1 BGB hat es auf eine Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich der in beiden Fällen vereinbarten Vermittlungsvergütung abgestellt, auf deren Höhe der Zeuge A über den von ihm unstreitig erteilten Hinweis auf das an die Beklagte fließende 5%-ige Agio hinaus nicht hingewiesen habe. Während die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts die Anlage nicht gezeichnet hätte, wenn sie um die an die Beklagte über das Agio hinaus gezahlte Vergütung gewusst hätte, sei der Beklagten die ihr obliegende Widerlegung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht gelungen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Zur Begründung macht sie geltend, das Landgericht habe als Indiz zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung nicht berücksichtigt, dass für die Klägerin allein Werthaltigkeitsgesichtspunkte bei der Frage der Provisionshöhe eine Rolle gespielt hätten. Indem die Klägerin und ihr Ehemann insgesamt sechs geschlossene Fondsbeteiligungen gezeichnet hätten, von denen mindestens zwei Beteiligungen mit Provisionen an die Beklagte oberhalb von 5 % verbunden gewesen seien, verfolge die Klägerin unter Berufung auf ihr angeblich unbekannt gebliebene Provisionen lediglich bei den Beteiligungen die Rückabwicklung, welche wirtschaftlich nachteilig verlaufen seien. Im Übrigen habe das Landgericht dem Beweisangebot auf Vernehmung der Klägerin als Partei hinsichtlich der Widerlegung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nachgehen müssen. Schließlich beruhe das Urteil auf einer rechtsfehlerhaften Außerachtlassung der seitens der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung. Die Klägerin habe die Annahme, dass die Beklagte das 5%-ige Agio bekommen habe, den Zeichnungsunterlagen und nicht einer mündlichen Erklärung des Zeugen A entnommen. Insoweit habe das Landgericht das Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen A für die Tatsache, dass der Zeuge A keine Angaben hinsichtlich an die Beklagte fließende 5 % gemacht habe, mit der Feststellung übergangen, der Zeuge A habe gegenüber der Klägerin erklärt, dass ein Agio von 5 % an die Beklagte fließe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 26.04.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen – Aktenzeichen: 2 O 53/16 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung. Aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht ihre beiden bereits zuvor in den Jahren 2002 und 2003 gezeichneten Beteiligungen an geschlossenen Fonds rückabgewickelt habe, könne bereits deshalb keine der Kausalitätsvermutung entgegenstehende Indizwirkung hergeleitet werden, weil die Klägerin innerhalb der absoluten Verjährungsfristen keine Kenntnis von den Pflichtverletzungen der Beklagten erlangt habe. Im Übrigen könne die Beklagte auch nicht mit der Verjährungseinrede durchdringen, zumal die Beklagte selbst auf Seite 26 der Klageerwiderung vom 24.03.2016 vorgetragen habe, dass der Berater A von dem an die Beklagte fließenden 5%-igen Agio gesprochen habe.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das am 26.04.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht und auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Auch unter Berücksichtigung der mit der Berufung erhobenen Angriffe begegnet das angefochtene Urteil keinen durchgreifenden Bedenken, soweit es dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin gem. § 280 I BGB durch die zuerkannte Rückabwicklung der über die Beklagte gezeichneten Beteiligungen an den geschlossenen Fonds stattgegeben hat.

Nach den rechtsfehlerhaften und mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat auch der Senat im Hinblick auf die von dem Zeugen A als Mitarbeiter der Beklagten der Klägerin empfohlenen Fondsbeteiligungen von einem zumindest stillschweigend zustande gekommenen Anlageberatungsvertrag auszugehen. In gleicher Weise steht weiterhin außer Streit, dass die Beklagte ihre aus dem Beratungsvertrag resultierende Aufklärungspflicht jedenfalls insoweit verletzt hat, als sie die Klägerin nicht über die Höhe der tatsächlich vereinnahmten Provision in Höhe von insgesamt 12 % bezogen auf den Fonds B und von insgesamt 9 % bezogen auf den Fonds C aufgeklärt hat. Bei den jeweils von der Beklagten erzielten und im Fondsprospekt offen ausgewiesenen Vergütungen handelt es sich jeweils um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, über deren tatsächliche Höhe der Zeuge A unstreitig nicht aufgeklärt hat.

Der Annahme eines zum Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB verpflichtenden Aufklärungsfehlers steht im konkreten Fall auch nicht die Annahme einer anderweitigen Aufklärung in Form einer rechtzeitigen Übergabe des Emissionsprospekts entgegen. Zwar kann es als Mittel der Aufklärung grundsätzlich genügen, wenn dem Anlageinteressenten rechtzeitig vor dem Vertragsschluss ein Fondsprospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, soweit der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urteil vom 24.04.2014 – III ZR 389/12 -, NJW-RR 2014, 1075, Rn. 9; Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10 -, JurBüro 2013, 418, Rn. 33; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10 -, WM 2012, 1337, Rn. 20 f.). Einen insoweit rechtzeitig übergebenen Prospekt muss der Anleger im eigenen Interesse sorgfältig und eingehend durchlesen. Wurde der Anleger demnach ordnungsgemäß mittels Übergabe eines fehlerfreien Prospektes aufgeklärt, nimmt er die darin enthaltenen Information jedoch nicht zur Kenntnis, geht dies grundsätzlich zu seinen Lasten (BGH, Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10 -, a.a.O., Rn. 33).

Soweit der Zeuge A den Fondsprospekt im konkreten Fall jedoch nach der eigenen Darstellung der Beklagten allenfalls im Zusammenhang mit der konkreten Zeichnung der Anlagen jeweils anlässlich des Beratungsgespräches selbst übergeben hat, genügt dies nicht zu einer ordnungsgemäßen Beratung, zumal insoweit nicht von der Gelegenheit zu einer sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Fondsprospekts vor der zu treffenden Anlageentscheidung ausgegangen werden kann. Indem die Klägerin ihre Anlageentscheidung im konkreten Fall gerade auf der Grundlage der mündlichen Beratung und damit erfolgten Empfehlung durch den Zeugen A getroffen hat, beruht die Anlageentscheidung ersichtlich auf dem Vertrauen der Klägerin auf den Rat und die Angaben ihres Beraters. Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang davon absieht, nachträglich den ihr übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, kann darin kein in subjektiver und objektiver Hinsicht „grobes Verschulden gegen sich selbst“ gesehen werden.

Ungeachtet dieser Umstände wäre der Fondsprospekt im Übrigen aus sich heraus ohnehin auch nicht geeignet, die notwendige Aufklärung über die konkret durch die Beklagte im Zusammenhang mit der von ihr betriebenen Beratung erzielten Provision zu vermitteln. Während zwar aus dem Fondsprospekt die allgemein im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Anlage jeweils fließende Vermittlungsprovision zu entnehmen ist, konnte die Klägerin ungeachtet der nicht rechtzeitig erfolgten Übergabe daraus ohnehin auch nicht die konkret an die Beklagte geflossene Höhe der Vermittlungsprovision entnehmen.

Das Landgericht hat im Übrigen zu Recht angenommen, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die von der Beklagten erzielten Rückvergütungen die beiden im Streit stehenden Fondsbeteiligungen nicht gezeichnet hätte. Es begegnet auch insoweit keinen Bedenken, dass das Landgericht die Vermutung der Kausalität der unterbliebenen Aufklärung über die von der Beklagten erlangten Rückvergütungen für den Erwerb der Fondsbeteiligungen insoweit nicht als widerlegt angesehen hat.

Ob die Vermutung widerlegt ist, bestimmt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls und den im Zusammenhang damit zu berücksichtigenden Beweisanzeichen. In diesem Zusammenhang kann die Beklagte eine gegenüber der angefochtenen Entscheidung abweichende Beurteilung des maßgeblichen Sach- und Streitstandes insbesondere nicht mit der Argumentation begründen, die Widerlegung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens folge im konkreten Fall daraus, dass die Klägerin lediglich diejenigen Beteiligungen rückabwickeln möchte, welche wirtschaftlich nachteilig verlaufen seien. Diese Argumentation steht bereits in tatsächlicher Hinsicht entgegen, dass die Beklagte bezüglich der beiden in den Jahren 2002 und 2003 gezeichneten Beteiligungen an geschlossenen Fonds nicht zu begründen vermocht hat, dass die Klägerin innerhalb der absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren rechtzeitig Kenntnis von einer möglichen Rückabwicklung wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten hinsichtlich der dort geflossenen Rückvergütungen besessen hätte. Selbst wenn die Klägerin in diesem Fall noch rechtzeitig vor Ablauf der absoluten Verjährungsfrist um die Möglichkeit der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche gemäß § 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten gewusst hätte, kann allein aus dem Umstand, dass die Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen von einer Klageerhebung in den vorangegangen Fällen abgesehen hat, noch nicht davon ausgegangen werden, die Höhe der jeweils erzielten Rückvergütungen habe für die Anlageentscheidung keine Rolle gespielt. Zwar mag die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten hat, ein Indiz dafür sein, dass der Anleger die empfohlene Kapitalanlage auch in Kenntnis der Rückvergütung erworben hätte (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, juris Rn. 50, Urteil vom 26.02.2013, XI ZR 183/11, jurisRn. 24). Erhält ein Anleger in Bezug auf eine vergleichbare Kapitalanlage, die er vor oder nach der streitgegenständlichen erworben hat, erst nach dem Erwerb der jeweiligen Beteiligung Kenntnis von Rückvergütungen, kann sich ein Indiz für die fehlende Kausalität der unterlassenen Mitteilung über Rückvergütungen daraus ergeben, dass der Anleger an den vergleichbaren – möglicherweise gewinnbringenden – Kapitalanlagen festhält und nicht unverzüglich Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2014, XI ZR 418/13, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, juris Rn. 50; Urteil vom 26.02.2013, XI ZR 183/11, juris Rn. 24). Trotz dieser Indizwirkung kann angesichts der Überlegung, aus wirtschaftlichen Gründen eine sich vernünftig entwickelnde Anlage zu behalten, allein noch nicht zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung ausreichen.

Auch soweit die Klägerin im Rahmen ihrer mündlichen Äußerung zu erkennen gegeben hat, bei Kenntnis einer an die Beklagte geflossenen Provision von 9 oder 12 % inklusive Agio aus Werthaltigkeitsgesichtspunkten die Fondsbeteiligung nicht gezeichnet zu haben, lässt diese Gesichtspunkte bereits deshalb nicht auf eine Widerlegung der Kausalitätsvermutung schließen, weil diese Begründung keine hinreichenden Rückschlüsse auf das Motiv für die Anlageentscheidung zulässt. Dass der Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung die an die Beklagte fließende Provision deshalb zu hoch gewesen sein mag, weil daraus gegebenenfalls Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität abzuleiten gewesen wären, erlangt für die Frage der möglichen Widerlegung der Kausalitätsvermutung keine entscheidende Bedeutung. Es reicht vielmehr aus, wenn er in Kenntnis der Höhe der Rückvergütungen nicht gezeichnet hätte.

Schließlich kann sich die Beklagte zur Begründung der begehrten Klageabweisung auch nicht auf die von ihr erhobenen Einrede der Verjährung berufen. Die Dreijahresfrist nach § 199 BGB beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Ein solcher Fall der Kenntniserlangung in einem Zeitraum von mehr als drei Jahren vor Klageerhebung kann vorliegend jedenfalls nicht angenommen werden. Insoweit erfordert der Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 i.V.m. § 195 BGB zwar nicht die Kenntnis des Anlegers von der konkreten Höhe der verschwiegenen Rückvergütung. Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist, von dem ein Anleger denknotwendig bereits dann positive Kenntnis hat, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank überhaupt Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält und darüber nicht belehrt hat.

Anders als die Beklagte mit der Berufung geltend machen will, hat das Landgericht im konkreten Fall auch kein auf die Widerlegung der Kausalitätsvermutung gerichtetes Beweisangebot auf Vernehmung der Klägerin als Partei übergangen, indem es als unstreitig zu Grunde gelegt hat, der Zeuge A habe gegenüber der Klägerin erklärt, das 5%ige Agio fließe an die Beklagte. Dies entspricht dem unmissverständlichen Vorbringen der Beklagten auf Seite 26 der Klageerwiderung, in dem es unter Ziffer 4. hinsichtlich des für die jeweiligen Beteiligungen anfallenden Agios als Vergütung zugunsten der Beklagten heißt:

„Seitens der Beklagten wurde dies jedoch nicht als abschließend dargestellt. Es wurde bei der Diskussion über das zusätzlich anfallende Agio lediglich erklärt, dass dieses letztlich an die Beklagte fließe“.

An diesen Sachvortrag ist der Senat auch bei der Entscheidung über die Berufung gebunden, ohne dass sich die Beklagte insoweit auf einen etwaig missverständlichen erstinstanzlichen Vortrag ihrerseits berufen könnte. Die Sachdarstellung der Beklagten dazu in erster Instanz war unmissverständlich mit der Folge, dass das Landgericht zu Recht den Hinweis der Beklagten auf das von ihr vereinnahmte 5%ige Agio als unstreitig behandelt hat. An diese Darstellung ist der Senat gemäß § 531 Abs. 2 ZPO gebunden, indem keine der dort geregelten Ausnahmen für eine Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel ersichtlich ist.

Soweit danach davon auszugehen ist, dass die Klägerin um das an die Beklagte fließende 5%ige Agio wusste, besaß sie keine daraus abzuleitende Kenntnis hinsichtlich des in Frage stehenden Beratungsfehlers in Form des nicht erfolgten Hinweises über das darüber hinaus bestehende Provisionsinteresse. Auch wenn der für die Beklagte tätige Berater vorliegend nicht geäußert hat, die an die Beklagte fließende Vermittlungsprovision sei auf die Höhe des Agios begrenzt, besaß die Klägerin im konkreten Fall keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte für eine Verletzung der vertraglichen Aufklärungspflicht. Vielmehr vermittelte der Hinweis des Zeugen A auf die Zahlung des Agios an die Beklagte bei der Klägerin die verständliche Annahme, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein, weshalb es an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergeben konnte (BGH, Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 498/11 -, WM 2013, 609, Randnr. 30 m.w.N.). Indem die Klägerin durch ihren Anlageberater über einen sich aus der Zahlung des Agios ergebendes Provisionsinteresse hingewiesen wurde, besaß sie gerade keine Kenntnis oder auch nur greifbare Anhaltspunkte hinsichtlich einer darüber hinaus fließenden Provision, ohne dass ihre Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Selbst wenn sie entsprechende Ausführungen im Fondsprospekt zu den insgesamt darin mitgeteilten Vertriebsvergütungen zur Kenntnis genommen hätte, besaß sie keine für die Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung notwendigen Anhaltspunkte dafür, dass weitere Rückvergütungen an die Beklagte geflossen seien.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen empfiehlt der Senat der Beklagten zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen unanfechtbaren Beschluss, dessen Begründung sich gegebenenfalls in einer bloßen Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass eventuellem neuen Sachvortrag durch die Zivilprozessordnung enge Grenzen gesetzt sind. Eine Zurücknahme der Berufung hätte – abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten – zumindest eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, in dem die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von vier auf zwei Gebühren halbiert würden.

Der Senat beabsichtigt, den Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz auf 42.685,40 € festzusetzen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, zur beabsichtigten Zurückweisung ihrer Berufung binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Binnen gleicher Frist können beide Parteien zur Frage des Gebührenstreitwerts Stellung nehmen.

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