OLG Frankfurt am Main, 19.03.2015 – 7 U 134/13

April 8, 2019

OLG Frankfurt am Main, 19.03.2015 – 7 U 134/13
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.5.2013 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 184.438,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 66.764,11 € für den Zeitraum vom 23.8.2008 bis zum 31.8.2012 und aus einem Betrag von 184.438,78 € seit 1.9.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Forderungen der Rechtsanwälte A an vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten über 11.168,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.11.2012 freizustellen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 10%, die Beklagte 90% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der jeweiligen Gegenpartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils vollstreckten Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1

I.

2

Die Beklagte ist ein englisches Versicherungsunternehmen, das Lebensversicherungen anbietet. Die als „B“ bezeichnete Police, die der Kläger abgeschlossen hat, ist eine Kapitallebensversicherung, bei der der Versicherungsnehmer einen Einmalbeitrag in einen „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“ einzahlt. Dafür werden ihm Anteile an diesem Pool zugewiesen. Die Beklagte setzt regelmäßig jährlich eine Dividende fest, die den Wert und damit den Rücknahmepreis der Anteile erhöht (sog. deklarierter Wertzuwachs). Sie garantiert aber keine Mindestdividende, sondern nur, dass am Ende der Laufzeit des Vertrags der Wert der Anteile höher ist als am Anfang und dass tatsächlich vorgenommene Erhöhungen nicht mehr zurückgenommen werden. Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer Gewinn- bzw. Überschussbeteiligungen in Form des sog. Fälligkeitsbonus erhalten, der insbesondere der Ablaufleistung und bestimmten Auszahlungen zugeschlagen werden kann.
3

Der von den Parteien mit Versicherungsbeginn 4.1.2001 geschlossene Versicherungsvertrag (vgl. Versicherungsschein Anl. K 19) sieht einen Einmalbeitrag von 357.904,32 € vor, die in den „Euro-Pool Serie 4.02“ investiert werden sollten. Die Laufzeit wurde auf 10 Jahre bestimmt.
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Der Kläger hat zur Finanzierung des Einmalbeitrags Ende des Jahres 2000 ein Darlehen über 474.853,80 sfr (Zinssatz nominal 5,67%) bei der damaligen C-Bank aufgenommen (Anlage K 18), dessen Nennbetrag nebst kumulierter Zinsen am Ende der Laufzeit von 10 Jahren in einer Summe zurückbezahlt werden sollte.
5

Die beiden Verträge sind die Elemente eines Europa-Anlageplan genannten Hebelmodells, welches das Ziel verfolgt, dem Anleger aus der Differenz der Darlehenszinsen und der erhofften höheren Rendite der Lebensversicherung einen Gewinn zu verschaffen. Das Konzept ist von der Fa. D initiiert und beworben; es wurde dem Kläger von dem Zeugen E vermittelt. Diese Finanzmakler sind im Verhältnis zur Beklagten Untervermittler des Versicherungsvertrags. Hauptvermittler sind von der Beklagten als „Masterdistributoren“ bezeichnete Finanzvermittler, denen die Beklagte, die in Deutschland keine Agenturen unterhält, den Vertrieb ihrer Versicherungsprodukte überlassen und mit denen sie auch Courtagevereinbarungen getroffen hatte.
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Die bei der Beklagten abgeschlossene Versicherung hat nicht die erhoffte Wertentwicklung genommen. Der deklarierte Wertzuwachs betrug in den Jahren 2003 2,5 %, 2004 2,25 %, 2005 1 %, 2006 0,5 %, 2007 0,5%, 2008 0,5 %. Fälligkeitsboni wurden nicht gewährt. Darüber wurde der Kläger mit Jahresabrechnungen (Anl. B 10 – B 16) informiert.
7

Nach Ablauf der Police kehrte die Beklagte 376.251,77 € als Ablaufleistung aus.
8

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 6.8.2008 (Anlage K 21) aufgefordert, ihre Haftung für den aus der Anlage entstandenen Schaden anzuerkennen.
9

Der Kläger hat mit Schreiben vom 31.12.2009 (Anlage K 42) bei der Gütestelle F die Durchführung eines Güteverfahrens beantragt. Dem Schreiben, das am selben Tag bei der Gütestelle einging, war das Schreiben vom 6.8.2008 beigefügt. Die Beklagte, bei der der Antrag am 19.3.2010 einging, hat der Gütestelle mit Schreiben vom 23.3.2010, dort eingehend am 26.3.2010 (Anlage B 29) mitgeteilt, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde. Dies teilte die Gütestelle den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20.4.2014, dort eingehend am 21.4.2010, mit. Die Klageschrift wurde am 10.10.2012 eingereicht.
10

Der Kläger behauptet, dass ihm gegenüber der Vermittler, der Zeuge E, das Anlagemodell unter Verwendung einer Musterberechnung (Anlage K1) und mit der Behauptung, die Versicherung werde sehr wahrscheinlich eine Rendite von 8,5% erzielen, denn die Beklagte habe in der Vergangenheit regelmäßig zweistellige Renditen erzielt, beworben habe. Die Beklagte bilde keine stillen Reserven, die Pools würden getrennt verwaltet und die Gewinne würden vollständig weitergegeben. Die Beklagte führe ein Glättungsverfahren durch, bei dem in guten Zeiten nicht alle Gewinne den Versicherungsnehmern gutgeschrieben würden, um in schlechteren Zeiten diese Reserven dann wieder zugunsten der Versicherungsnehmer aufzulösen. Tatsächlich habe die Beklagte zur Zeit seines Vertragsangebots nur noch mit einer Rendite von 6 % gerechnet und weder 8,5 % noch in der Vergangenheit mit vergleichbaren Verträgen zweistellige Renditen erzielt. Tatsächlich gebe es auch keine getrennte Poolverwaltung und keine Sicherheit, dass den Versicherungsnehmern alle Reserven wieder gutgeschrieben würden, insbesondere wegen der Erhebung von Garantiekosten. Die unzulängliche Aufklärung und Beratung sei der Beklagten zuzurechnen, weil sie über die Einzelheiten des Anlagekonzepts informiert gewesen, dieses und andere fremdfinanzierte Modelle aktiv gefördert und die auf den Europa-Anlageplan bezogenen Unterlagen gekannt habe. Bei zutreffender Kenntnis und Information hätte er die zu dem Europa-Anlageplan gehörenden Verträge nicht gezeichnet. Der Kläger verlangt deshalb die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn so zu stellen, wie er ohne den Abschluss der Verträge stünde.
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Seinen Schaden sieht der Kläger in dem zur Rückführung des Darlehens nach Einsatz der Ablaufleistung erforderlichen Mehrbetrag, im Verlust des eingesetzten Eigenkapitals und dem darauf entgangenen Gewinn. Außerdem verlangt der Kläger Freistellung von den Kosten der vorprozessualen Tätigkeit seiner Bevollmächtigten.
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Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger habe aus den jährlichen Abrechnungen erkennen können und auch erkannt, dass sich die Verträge bei weitem nicht so entwickelt hätten, wie er das erwartet habe. Er habe auch die maßgeblichen Grundsätze der jetzt beanstandeten Prämienverwaltung aus der Broschüre PPFM seit 2006 gekannt. Außerdem seien die Ansprüche auch kenntnisunabhängig verjährt. Der Güteantrag habe die Verjährung nicht gehemmt. Jedenfalls sei die daran anschließende 6-Monats-Frist vor Klageerhebung abgelaufen. Die Beklagte habe den Kläger nicht unzutreffend beraten. Der Kläger sei auch darauf hingewiesen worden, dass nur eine Renditeprognose von 6 % gerechtfertigt gewesen sei. Erklärungen der Vermittler seien ihr nicht zuzurechnen. Die Einzelheiten der Prämien- und Überschussverwaltung der Beklagten seien für die Entscheidung des Klägers, die Verträge abzuschließen, ohne Bedeutung gewesen. Für den Erfolg der Anlage des Klägers komme es nur darauf an, dass die erwartete Rendite eintrete. Darauf habe der Kläger spekuliert.
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Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen des Wortlauts der in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und lediglich die beantragte Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden nur in einem geringeren Umfang getroffen als vom Kläger verlangt.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Zur Begründung der Berufung vertieft die Beklagte ihre Ausführungen zur Verjährung. Die absolute Verjährung sei vollendet. Der Güteantrag habe die Verjährung nicht gehemmt, weil der erhobene Anspruch nicht ausreichend bestimmt bezeichnet worden sei. Dem Antrag sei entgegen der Verfahrensordnung auch keine Vollmacht beigefügt gewesen. Die Bekanntgabe sei auch nicht demnächst erfolgt, denn wegen der gleichzeitigen Einreichung von über 900 Anträgen bei einer personell dafür nicht ausgestatteten Gütestelle hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Verzögerung der Bekanntgabe zu vertreten. Wegen der bereits im März erfolgten Erklärung, nicht an dem Güteverfahren teilnehmen zu wollen, sei die etwaige Hemmung schon im September beendet gewesen. Auf den Zeitpunkt der Mitteilung der ablehnenden Erklärung der Beklagten an den Kläger komme es nicht an. Denn es bestehe kein allgemeiner prozessrechtlicher Grundsatz, dass der Gläubiger die Beendigung einer zunächst bestehenden Verjährungshemmung kennen müsse. Auch der Bundesgerichtshof stelle ausdrücklich auf die Beendigung des Güteverfahrens und nicht auf den Zeitpunkt der Mitteilung an den Antragsteller ab. Schließlich meint die Beklagte, dass der Güteantrag in missbräuchlicher Absicht gestellt sei, weil der Kläger mit diesem Antrag eine gütliche Einigung nicht angestrebt habe, denn die Gütestelle habe Güteverhandlungen über die Vielzahl der gleichzeitig eingereichten Anträge nicht leisten können. Die Beklagte habe auch schon 2008 verdeutlicht, dass wegen der Vielzahl der gegen sie erhobenen Ansprüche eine gütliche Einigung nicht in Betracht komme. Ferner sei die relative Verjährungsfrist vor Klageerhebung vollendet, weil der Kläger spätestens schon im Jahr 2006 den Inhalt von Broschüren der Beklagten gekannt habe, aus denen sich die von ihm jetzt als aufklärungsbedürftig beanstandeten Einzelheiten der Poolverwaltung ergeben hätten. Darüber habe das Landgericht Beweis erheben müssen.
15

Die Beklagte wiederholt und vertieft ferner ihre Einwände gegen den vom Landgericht festgestellten Haftungsgrund. Eine Feststellung der haftungsbegründenden Umstände und der Kausalität für den Zeichnungsentschluss habe nicht ohne Vernehmung des Vermittlers und des Klägers als Partei erfolgen können, da der unter Beweis gestellte Vortrag nicht ins Blaue hinein erfolgt sei. Der Beklagten seien die Angaben des Vermittlers auch nicht zuzurechnen, die gegenteilige Annahme, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck komme, sei europarechtswidrig. Außerdem hafte die Beklagte nicht nach Anlagegrundsätzen; das Landgericht habe auch nicht dargelegt, dass es sich hier um eine Kapitalanlage handle. Mit Bezugnahme auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft G vom 4.9.2013 legt die Beklagte dar, dass eine Renditeerwartung von 8,5% zur Zeit der Vertragsanbahnung vertretbar gewesen sei.
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Bezüglich des Schadens wendet die Beklagte ein, dass die Feststellungen zur Schadenshöhe nicht ausreichend begründet seien. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Kläger, der eine spekulative Anlage gewollt habe, sein Eigenkapital lediglich in eine herkömmliche deutsche Lebensversicherung investiert hätte.
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Die Beklagte beantragt,
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das am 15.5.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-23 O 396/12) insoweit abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
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hilfsweise
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das am 15.5.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-23 O 396/12) insoweit aufzuheben und die Sache an das Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen. Das Berufungsgericht hat den Zeugen E über die Behauptung des Klägers vernommen, dem Kläger sei bei der Antragsaufnahme eine Rendite von 8,5 % in Aussicht gestellt worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.2.2015 Bezug genommen.

II.

25

Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Sie hat nur hinsichtlich der Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden und bezüglich des zuerkannten entgangenen Gewinns Erfolg. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
26

Der auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftigen Schadens gerichtete Klageantrag ist unzulässig, weil ein weiterer Schadenseintritt nicht zu befürchten ist. Die von dem Kläger gegebenen Begründung, er befürchte künftige Steuernachforderungen und dabei Zinsansprüche, hat das Landgericht aus dem zuerkannten Feststellungsantrag ausgeschlossen. Das hat der Kläger hingenommen. Damit ist aber nicht mehr ersichtlich, welcher auch nur mögliche Schaden jetzt noch Anlass des Feststellungsantrags sein soll. Eine Feststellungsklage setzt aber voraus, dass der Schaden sich noch entwickelt und ein weiterer Schadenseintritt wahrscheinlich ist (BGH NJW 2006, 830 [BGH 24.01.2006 – XI ZR 384/03]; BGH NJW 1984, 1552 [BGH 30.03.1983 – VIII ZR 3/82]; Zöller-Greger, 30. Aufl., § 256 Rdn. 9, 7a mNw.). Das ist bei dieser Sachlage nicht gegeben.
27

Soweit das Landgericht dem bezifferten Klageantrag bzw. dem Freistellungantrag stattgegeben hat, bleibt die Berufung weitgehend erfolglos. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz wegen Verschuldens beim Vertragsschluss verlangen.
28

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Berufungsgericht folgt, muss die Beklagte bei der Anbahnung eines Vertragsschlusses über die B-Police, weil es sich dabei um eine Kapitalanlage handelt, bei der der Versicherungszweck nur eine ganz untergeordnete Bedeutung hat, Anleger über die für den Anlageentschluss besonders bedeutsamen Umstände verständlich und vollständig informieren. Soweit dies durch Vermittler nicht oder inhaltlich unvollständig oder unzutreffend geschieht, muss die Beklagte sich dies zurechnen lassen, weil sie den Vertrieb und damit auch die Erfüllung ihrer eigenen Informationspflichten anderen Finanzvermittlern überlassen hat. Zu den besonders bedeutsamen Umständen, über die aufzuklären ist, gehört danach die Renditeerwartung, wenn durch die Vermittler der Eindruck erweckt wird, eine Durchschnittsrendite von 8,5 % sei realistisch, die Beklagte selbst aber nur 6 % für gerechtfertigt gehalten hat (vgl. BGH U. v. 11.7.2012, Az. IV ZR 164/11).
29

Es handelt sich um eine die Beklagte gegenüber den Vertragsinteressenten treffende Aufklärungspflicht, die auf dem vorvertraglichen Schuldverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer als Anlageinteressent und dem Versicherer als künftigem Vertragspartner des Anlegers beruht. Die von der Beklagten gegen die Annahme solcher Pflichten, gegen ihre Herleitung und gegen die Zurechnung des Verhaltens von Vermittlern vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch.
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Der Umstand, dass die mit der Beklagten abgeschlossenen Verträge Versicherungsverträge sind, rechtfertigt es nicht, von der entsprechenden Anwendung der für Kapitalanlagen geltenden Aufklärungspflichten abzusehen. Der Grund der Aufklärungs- und Informationspflichten ist nicht der Charakter des Geschäfts als Versicherungsvertrag oder Kapitalanlage, sondern der Umstand, dass es sich um ein nicht aus sich heraus verständliches Produkt handelt, das der Anleger mit dem Ziel, das eingesetzte Kapital zu vermehren, zeichnet. Informationspflichten werden wegen der Komplexität eines Anlageprodukts und deshalb, weil Lebensversicherer in Konkurrenz mit den Anbietern anderer Kapitalanlagen stehen, in Schrifttum und Rechtsprechung seit längerem auch für Versicherungsverträge bejaht (Schwintowski aaO.; von Stebut, ZIP 1992, 1698, 1702 mwNw; Kieninger NVersZ 1999, 118f.; Römer, VersR 1998, 1313, 1314, 1316; Prölss/Martin-Schneider, VVG, 28. Aufl., Vor § 150 Rdn. 30, 80; BGHZ 147,373). Es handelt sich daher bei der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um die Konkretisierung einer anlassbezogenen Beratung, die aufgrund der Eigenart des Produkts bei dessen Vermittlung immer besteht. Die Entscheidung BGH VersR 2005, 1565, [BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03] die auf die ausschließliche Maßgeblichkeit des Versicherungsrechts abstellt, bezieht sich auf die Anwendbarkeit des § 172 VVG a.F., also auf die Möglichkeit einer einseitigen Änderung von Versicherungsbedingungen im Interesse aller Versicherungsnehmer und hat mit der hier zu beurteilenden Frage nichts zu tun. Dass die von der Beklagten angebotenen Policen nicht aus sich heraus verständlich, sondern ein kompliziertes Produkt sind, liegt auf der Hand und kann nicht ernsthaft bestritten werden. Da ein Anleger bei der Auswahl zwischen verschiedenen Anlageprodukten auch Kapitallebensversicherungen in Betracht zieht, gibt es keinen sachlichen Grund, den Anbieter solcher Versicherungsverträge geringeren Informationspflichten zu unterwerfen als die Anbieter anderer Anlageformen. Für die hier abgeschlossene Police trifft zu, dass die vereinbarte Versicherungsleistung neben dem Anlagezweck nur untergeordnete Bedeutung hat. Die vereinbarte Todesfallleistung könnte zwar bei einem Wertverfall der Anlage den üblichen Rückkaufswert erheblich übersteigen. Dennoch ist sie von untergeordneter Bedeutung, weil derjenige, der die Police „B“ zeichnet, keine Risikolebensversicherung abschließen, sondern für den Einmalbeitrag eine optimale Rendite erhalten will. Es wäre unsinnig, eine Versicherungsleistung zu bezahlen, die darin besteht, die um ein Prozent erhöhte Prämie im Versicherungsfall zurückzuerhalten. Eine solche Versicherungsleistung könnte auch ein Sparbuch erfüllen. Die Risikokomponente ist dem Vertrag ersichtlich beigefügt, damit der Vertrag als Versicherungsvertrag aufsichtsrechtlich auch von einer Versicherungsgesellschaft angeboten werden darf; im Übrigen ist er ein rein partiarisches Rechtsverhältnis, so dass die Anlageentscheidung auch nur durch die Bedingungen, unter denen der Anleger am Ertrag teilnehmen kann, bedingt sein kann, also durch die Einzelheiten der Beitragsverwaltung und durch die Renditeaussichten. Deshalb hat der Anleger auch ein mit den Interessenten anderer Anlageformen gleichgeartetes Informationsbedürfnis hinsichtlich der für die Anlageentscheidung besonders bedeutsamen Umstände. Dass es sich bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, die von deutschen Gesellschaften angeboten werden, ähnlich verhält, führt dazu, dass auch bei solchen Verträgen weitergehende Informationspflichten angenommen werden (vgl. Prölss/Martin-Schneider aaO.); eine die Beklagte diskriminierende Sonderbehandlung ist daher nicht erkennbar. Aus der Regelung der Informationspflicht in § 6 Abs. 6 VVG kann die Beklagte schon deshalb nichts herleiten, weil es diese Regelung bei Abschluss der hier fraglichen Verträge noch nicht gab. Überdies ist nicht ersichtlich, dass bei einem gerade Renditezwecke verfolgenden komplexen Produkt die produktbezogene Beratungspflicht des Versicherers inhaltlich anders als diejenige des Anbieters einer Anlage ausfallen sollte. Auf die versicherungsrechtliche oder kapitalmarktrechtliche Quelle dieser Pflicht kommt es daher nicht an.
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Nach diesen Grundsätzen besteht der vom Kläger erhobene Anspruch, weil die eine Haftung der Beklagten begründende Verletzung der Aufklärungspflicht darin zu sehen ist, dass sie ein unzutreffendes, zu positives Bild ihrer eigenen Renditeerwartung gegeben hat. Die anderen von dem Kläger geltend gemachten und von dem Landgericht seinem Urteil zugrunde gelegten Verletzungen von Aufklärungspflichten können auf sich beruhen. Beim Vertragsabschluss wurde gegenüber dem Kläger der Eindruck erweckt, dass die Policen der Beklagten eine Durchschnittsrendite von 8,5 % erwirtschaften würden. Das hat der Zeuge E glaubhaft bestätigt. Er hat auch bestätigt, dass bei der Beratung die Modellrechnung Anlage K1 verwendet wurde. Der Zeuge hat betont, dass es sich um eine Prognose gehandelt habe, die nach den von der Beklagten gelieferten Zahlen, mit denen dies untermauert worden sei, berechtigt erschienen sei. Tatsächlich hat die Beklagte zu jener Zeit aber in anderen Musterberechnungen darauf hingewiesen, dass sie eine Wertentwicklung von 6 % als gerechtfertigt ansehe, wie die Beklagte hier selbst vorträgt. Dem Kläger hat die Beklagte diese vorsichtigere Einschätzung aber nicht bekannt gegeben. Der Zeuge E hat die mit der Software der Beklagten generierte Musterberechnung, die diesen Hinweis, wenn auch im Kleingedruckten, enthält, nicht gekannt und bei der Beratung auch nicht verwendet und demgemäß diese Einschätzung der Beklagten auch dem Kläger nicht mitgeteilt. Zur Verwendung dieser vorsichtigeren Einschätzung war die Beklagte, wie sie in der gutachtlichen Stellungnahme jetzt auch selbst darlegen lässt, aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorgaben verpflichtet. Die Beklagte durfte es deshalb nicht hinnehmen, dass in werbenden Anpreisungen eine von ihrer eigenen Praxis und aufsichtsrechtlichen Bindungen abweichende Renditeerwartung als ihre eigene Erwartung dargestellt wurde. Ob, wie die Beklagte behauptet, eine solche optimistischere Einschätzung objektiv begründbar gewesen wäre und wegen der aktienorientierten Zusammensetzung des Anlagevermögens die vorsichtigeren Vorgaben der Finanzaufsicht auf den With-Profit-Fund nicht vollständig übertragbar waren, ist daneben unerheblich. Wenn die Beklagte mit eigenen Renditeerwartungen werben wollte, musste sie jedenfalls dafür sorgen, dass die übliche Einschätzung, wie sie sie generell verwendete, bekannt gegeben wurde. Daneben hätte die Beklagte auch eine optimistischere Prognose, wenn sie nach den mit dem Gutachten dargelegten Gründen als auch vertretbar anzusehen wäre, bekannt geben können, hätte dann aber auf die Abweichung von aufsichtsrechtlichen Vorgaben hinweisen müssen. Nur damit hätte die Beklagte offenbart, dass es sich bei einer Renditeerwartung von 8,5% nicht um eine vorsichtige, sondern um eine optimistische Erwartung handelte. Ein realistisches Bild vermittelten die Angaben in der Musterberechnung Anlage K1, die hier verwendet wurde, daher nicht. Das Verhalten des Zeugen E bei der Vertragsanbahnung ist der Beklagten auch zuzurechnen, weil sie es ihm als Endvermittler überlassen hat, die ihr obliegenden Aufklärungspflichten auch zu erfüllen.
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Der Schaden des Klägers besteht in dem Abschluss der bei der Beklagten genommenen Versicherung, in der Aufnahme des Darlehens und dem Einsatz von Eigenkapital sowie der Belastung mit Zinsen. Dieser Schaden beruht ursächlich auf der unzulänglichen Aufklärung des Klägers. Für die Kausalität einer Aufklärungspflichtverletzung für den Anlageentschluss spricht eine tatsächliche Vermutung (BGH U.v.11.7.2012, Az. IV ZR 164/11; BGH U.v. 8.5.2012, Az. XI ZR 262/10), deren Widerlegung zur Beweislast der Beklagten steht und die nicht widerlegt ist. Die Beklagte hält selbst die Renditeerwartung des Klägers für den für seine Anlageentscheidung ausschlaggebenden Gesichtspunkt. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger, wenn ihm eine Rendite von 6% als gerechtfertigte Erwartung mitgeteilt worden wäre, diese Versicherung nicht für ein Zinsdifferenzgeschäft verwendet hätte, bei dem der Darlehenszins nominal bereits 5,67% beträgt, der Abstand also nur noch minimal ist.
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Die Ansprüche sind auch nicht verjährt. Statt § 12 VVG a.F. sind auf Ansprüche aus Verschulden beim Vertragsschluss §§ 195, 199 Abs. 1, 199 Abs. 3 BGB, Art. 229 § 6 EGBGB anzuwenden. Bei der kenntnisabhängigen Verjährung ist hinsichtlich der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis jede einzelne Aufklärungspflichtverletzung, die zu dem Schaden beigetragen hat, getrennt zu betrachten (BGH U. v. 15.2.12, Az. IV ZR 194/09). Der Umstand, dass der Kläger aus den Jahresübersichten, die er von der Beklagten erhielt, die ungünstige Wertentwicklung erkennen konnte, vermittelte ihm nicht die Erkenntnis, dass er schon über die eigene Erwartung der Beklagten nicht zutreffend informiert worden war. Denn die schlechte Entwicklung konnte auch in der ungünstigen wirtschaftlichen Lage, die nach dem Abschluss der Versicherung bestand, ihren Grund haben. Dass der Kläger anderen Gründen der schlechten Wertentwicklung nicht nachgegangen ist, kann ihm nicht als grob fahrlässig vorgeworfen werden. Auf die Kenntnis oder mögliche Kenntnisnahme des Inhalts der im Internet veröffentlichten Broschüren kommt es hier nicht an, weil dadurch dem Kläger allenfalls Einzelheiten der Prämienverwaltung bekannt geworden wären. Solche Aufklärungsmängel sind neben dem die Renditeerwartung betreffenden Aufklärungsmangel unerheblich. Der Kläger hat die Umstände, die den hier maßgeblichen Aufklärungsmangel begründen, zwar mehr als drei Jahre, bevor er Klage erhoben hat, gekannt, denn jedenfalls seit dem Jahr 2008 war ihm die hier haftungsbegründende Pflichtverletzung, die seine Prozessbevollmächtigten in dem Schreiben vom 6.8.2008 aufgeführt haben, auch bekannt. Auch ist die Klage nicht vor dem 1.1.2012 eingereicht worden, so dass seit Entstehung des Anspruchs und dem maßgeblichen Stichtag, dem 1.1.2002, mehr als 10 Jahre verstrichen sind. Die Verjährung ist aber vor Vollendung der relativen und der absoluten Verjährung durch den am 31.12.2009 gestellten Güteantrag gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt worden, und zwar zunächst bis zum 21.4.2010, dem Tag, an dem die Mitteilung der Gütestelle, das das Güteverfahren beendet sei, den Kläger erreichte, und daran anschließend weitere 6 Monate, § 204 Abs. 2 BGB. Durch die am 10.10.2012 eingereichte und alsbald zugestellte Klage wurde die Hemmung aufrechterhalten. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände sind unbegründet.
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Es stellt keinen Missbrauch des Güteverfahrens dar, dass der Kläger in der vorliegenden Sache einen Güteantrag gestellt hat. Die Motivation einer Partei kann allenfalls in ganz ungewöhnlichen Fällen ein Grund sein, die vom Gesetz einschränkungslos zur Verfügung gestellte Möglichkeit, durch einen Güteantrag eine Verjährungshemmung herbeizuführen, zu beschränken. Denn für den Schuldner, der kein „Recht auf Verjährung“ hat, kommt es im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung nur darauf an, rechtzeitig zu erfahren, ob der Gläubiger sein Recht noch geltend machen will. Diese Kenntnis erhält der Schuldner aber ebenso gut wie bei der Zustellung einer Klage, wenn er von einem Güteantrag Kenntnis erlangt. Es ist daher fragwürdig, die Hemmung davon abhängig zu machen, dass der Gläubiger dem Güteantrag tatsächlich eine Erfolgschance beimisst, zumal sich diese subjektive Einschätzung regelmäßig nicht zuverlässig wird feststellen lassen. Unabhängig von tatsächlichen Äußerungen kann auch ein Sinneswandel bei einem Schuldner nicht ausgeschlossen werden. Eine große Zahl gleichartiger Ansprüche, die mit Güteanträgen gleichzeitig erhoben werden, kann für einen Schuldner auch Anlass sein, eine außergerichtliche Lösung zu suchen oder bis zur Entscheidung eines Pilotfalles auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten. Es war daher nicht missbräuchlich, dass der Kläger und neben ihm viele andere Anspruchsteller einen Güteantrag gestellt haben, auch wenn dies mit dem hauptsächlichen Ziel, kostengünstig eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen, erfolgt sein mag.
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Die Hemmung ist auch mit der Einreichung des Antrags bei der Gütestelle eingetreten, weil die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst wurde, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Der am 31.12.2009 eingereichte Güteantrag ging der Beklagten 3 Monate und 19 Tage nach der Einreichung zu. Dieser Zeitraum ist noch als eine demnächst erfolgte Bekanntgabe anzusehen, denn die Verzögerung beruht nicht darauf, dass der Kläger nicht alles getan hätte, um eine alsbaldige Bekanntgabe zu ermöglichen. Der Umstand, dass seine Prozessbevollmächtigten zeitgleich über 900 Anträge an eine verhältnismäßig kleine Gütestelle gerichtet haben, kann nicht als schuldhaftes, eine Verzögerung verursachendes Verhalten der einzelnen Partei zugerechnet werden, weil die einzelne Partei auch bei einer solchen Bündelung es nicht zu vertreten hat, dass andere Anspruchsteller unter Mandatierung derselben Prozessbevollmächtigten in gleicher Weise ihr Recht suchen. Eine Verteilung auf mehrere Gütestellen kann daher nicht erwartet werden. Gegenüber einer gerichtlichen Geltendmachung war hier sogar eine schnellere Bekanntgabe zu erwarten, da die Gütestelle die Anträge formlos an die im Ausland residierende Beklagte senden konnte.
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Die Antragsschrift vom 31.12.2009 (Anlage K 42) hat den erhobenen Anspruch auch ausreichend genau bezeichnet, denn die Antragsschrift stellt dar, dass ein auf Aufklärungspflichtverletzung beruhender Anspruch erhoben werde, dass der Beklagten vorgeworfen werde, über die Renditeerwartungen unzutreffend informiert zu haben. Das Ziel des Anspruchs wird gleichfalls bezeichnet, dass nämlich der Kläger so gestellt werden wolle, als ob er das Anlagemodell nicht gezeichnet hätte, insbesondere von Darlehensverbindlichkeiten befreit werden und Ersatz für bereits erbrachte Zins- und Tilgungszahlungen und entgangenen Gewinn erhalten wolle. Außerdem hat der Kläger in dem Güteantrag auf das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 6.8.2008 (Anl. K 21) Bezug genommen. Dort werden auf Seite 7 auch das eingesetzte Eigenkapital und der Darlehensbetrag beziffert.
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Dass dem Güteantrag eine schriftliche Vollmacht der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht beigefügt war, sondern nur deren Nachreichung angeboten war, lässt die verjährungshemmende Wirkung nicht entfallen, weil nach § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Vollmacht entweder beigefügt oder auf Antrag nachgereicht werden muss. Die Beifügung der Vollmacht gehört daher nicht zu den Formerfordernissen des Güteantrags.
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Ferner ist es unschädlich, dass der Antrag nicht förmlich unter Beachtung der Vorschriften der EuZVO zugestellt wurde. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB knüpft die verjährungshemmende Wirkung nicht an eine förmliche Zustellung, sondern an die Veranlassung der Bekanntgabe. Auch die Verfahrensordnung der Gütestelle sieht keine förmliche Zustellung vor. Soweit dort von Zustellung gesprochen wird, zeigt § 3 Abs. 2 der Verfahrensordnung, dass nur eine Zustellung durch Einwurfeinschreiben gemeint, also gerade keine förmliche Zustellung vorgesehen ist.
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Es ist auch unerheblich, dass die Klage erst mehr als 6 Monate nach der Mitteilung der Beklagten an die Gütestelle, dass sie sich an einem Güteverfahren nicht beteiligen wolle, eingereicht wurde. Denn es kommt für die Berechnung der 6-Monatsfrist nach § 204 Abs. 2 BGB nicht darauf, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem die Gütestelle dem Kläger mitgeteilt hat, dass die Beklagte an dem Güteverfahren nicht teilnehmen wolle. Dies folgt bereits aus der Verfahrensordnung der Gütestelle. Nach § 7 der Verfahrensordnung der Gütestelle (vgl. Anl. B 26) endet das Verfahren … b) wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird, c) wenn der Mediator das Verfahren wegen fehlender Aussicht auf Erfolg für beendet erklärt. Dies kann auch dann geschehen, wenn der Antragsgegner über einen Zeitraum von 5 Monaten hinweg nicht auf die Zustellung reagiert… Die Beklagte macht zu Unrecht geltend, dass das Verfahren hier bereits mit ihrer ablehnenden Mitteilung nach § 7b der Verfahrensordnung geendet habe. Das trifft nicht zu, denn dieser Beendigungsgrund setzt voraus, dass ein Mediationstermin bestimmt ist und die Partei dann erklärt, an diesem Termin nicht teilzunehmen. Ein Termin war hier aber nicht bestimmt. Daher kann das Verfahren nur gemäß § 7c der Verfahrensordnung durch Erklärung des Mediators beendet worden sein und ist auch durch seine Erklärung in dem Schreiben vom April 2010 beendet worden. Unabhängig davon kann die 6-Monatsfrist bei Beendigung eines Güteverfahrens auch nur dann beginnen, wenn der Gläubiger von der Beendigung Kenntnis hat. Denn wenn die Beendigung eines Hemmungstatbestandes vom Gläubiger nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, kommt es für den Lauf der 6-Monatsfrist darauf an, dass dieser Umstand dem Gläubiger mitgeteilt wird. Denn es handelt sich, wie das Oberlandesgericht Celle (U. v. 16.1.2007, Az. 16 U 160/06) zutreffend und mit Bezug zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 134, 387 dargelegt hat, um eine Überlegungsfrist zugunsten des Gläubigers, deren Dauer durch das Verhalten Dritter nicht verkürzt werden soll, so dass ebenso wie in den Fällen des Stillstands des Verfahrens auf einen nach außen wahrnehmbaren Umstand abzustellen ist, also für die Beendigung der Hemmung erforderlich ist, dass die Partei die letzte Prozesshandlung und damit die Notwendigkeit kennt, den Prozess weiter zu betreiben. Dies muss bei der Beendigung des Güteverfahrens in gleicher Weise gelten. Damit stimmt überein, dass der Bundesgerichtshof eine Erkundigungspflicht des Antragstellers im Hinblick auf den Fortgang eines eingeleiteten Güteverfahrens verneint hat (BGHZ 182, 284, nach juris Rdn. 20). Aus der Regelung der Klagerücknahme ergibt sich nichts anderes, denn regelmäßig tritt die Wirkung der Klagerücknahme bereits allein durch die Rücknahmeerklärung ein, so dass die klagende Partei damit auch weiß, dass die durch die Klage bewirkte Hemmung endet und sie zur erneuten Hemmung tätig werden muss. Soweit der genaue Zeitpunkt der Beendigung der Hemmung bei einer von der Zustimmung des Gegners abhängigen Rücknahme der klagenden Partei möglicherweise erst später bekannt wird, kann sie sich in dieser Situation darauf einstellen, weil sie grundsätzlich damit rechnen muss, dass der Gegner zustimmt, die Hemmung also endet. Weitere in diesem Zusammenhang angeführte Beispiele, aus denen folgen soll, dass es einen allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz, dass die 6-Monatsfrist erst bei Kenntnis des Gläubigers von dem die Hemmung beendenden Tatbestand beginnt, nicht gibt, überzeugen das Berufungsgericht nicht, da es sich um Randerscheinungen handelt, die weder in die eine noch andere Richtung verallgemeinert werden können. Für die Ansicht der Beklagten können auch nicht entscheidend ein vermeintliches Bedürfnis des Schuldners, die Hemmung durch einen Güteantrag schnell beenden zu können, oder Beweisschwierigkeiten bezüglich des Zeitpunkts des Zugangs der Mitteilung über die Beendigung beim Gläubiger sprechen, weil ein rechtlich besonders geschütztes Interesse am erleichterten Eintritt und Nachweis der Verjährungsvoraussetzungen nicht besteht. Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.11.2013, Az. X ZR 3/13, kann die Beklagte für ihre Ansicht nichts herleiten. Es trifft zwar zu, dass in dieser Entscheidung der Lauf der 6-Monatsfrist ab der Beendigung des Verfahrens gerechnet wird. Offensichtlich war die Verjährung jedoch auch bei Berechnung der Frist nach diesem für den Gläubiger ungünstigeren Zeitpunkt noch rechtzeitig erneut gehemmt worden, so dass es in dieser Entscheidung auf das hier zu beurteilende Problem nicht ankam und daraus deshalb auch keine weitreichenden Schlüsse gezogen werden können.
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Wegen des bezifferten Schadens des Klägers verweist das Berufungsgericht – mit Ausnahme des entgangenen Gewinns – auf die zutreffenden Feststellungen und Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil. Nachdem der Kläger entsprechende Belege vorgelegt und die Beklagte hiergegen keine Einwände mehr erhoben hatte, bestand für das Landgericht keine Veranlassung, diese Unterlagen im Einzelnen zu würdigen. Mit der Berufungsbegründung macht die Beklagte weiterhin keine substantiierten Einwände gegen die Richtigkeit der Schadensberechnung geltend. Entgangenen Gewinn kann der Kläger dagegen nicht beanspruchen, so dass von dem erstinstanzlich zuerkannten Betrag 15.634,92 € abzuziehen waren. Der Kläger hat mit dem Europa-Anlageplan ein spekulatives Zinsdifferenzgeschäft abgeschlossen, so dass nicht angenommen werden kann, dass er bei Abstandnahme von diesem Modell sein Eigenkapital lediglich in eine Lebensversicherung eingezahlt hätte. Ebenso gut ist es möglich, dass der Kläger ein anderes spekulatives Hebelmodell gewählt hätte, so dass auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden kann, dass er auf sein Eigenkapital eine bestimmte Mindestrendite erzielt hätte.
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Zinsen gebühren dem Kläger aus Verzug bzw. Rechtshängigkeit.
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Der Kläger hat auch Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das Gericht hat keine Bedenken gegen die Höhe der Vergütung, insbesondere auch nicht gegen die Anwendung des 2,5-fachen Gebührensatzes. Es leuchtet ein, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Angelegenheit um eine besonders schwierige und für die Mandanten bedeutsame Angelegenheit handelt, die sich auch vorgerichtlich schon länger hingezogen hat, die auch besonderen Rechercheaufwand erforderte und gerade die besondere Sach- und Fachkunde der auf dieses Rechtsgebiet spezialisierten Bevollmächtigten des Klägers erfordert hat. Auch wenn daher im Einzelfall für die Anfertigung des vorgerichtlichen Schreibens nur noch ein geringerer Zeitaufwand erforderlich gewesen sein mag, stellt das noch nicht in Frage, dass die anderen Merkmale, die eine Ausschöpfung des Rahmens erlauben, erfüllt sind. Dessen Ausschöpfung ist aber auch noch nicht unbillig, wenn nicht alle Umstände des Einzelfalls eine Höchstschwierigkeit der Angelegenheit begründen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Zulassung der Revision beruht auf der mittlerweile bekannt gewordenen abweichenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg und des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München zu der hier erheblichen Frage des Beginns der 6-Monatsfrist nach Beendigung eines Güteverfahrens.
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Im Hinblick darauf, dass der Beklagten eine weitere Instanz zur Verfügung steht, sieht das Gericht auch keinen Anlass, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den von der Beklagten aufgeworfenen europarechtlichen Fragen einzuholen.
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Abschließend weist das Berufungsgericht noch darauf hin, dass von einer Vorlage an den Senat gemäß § 526 Abs. 2 ZPO abgesehen wurde, weil sich die grundsätzliche Bedeutung erst nach der Übertragung auf den Einzelrichter infolge der dann ergangenen divergierenden Erkenntnisse zur Verjährungsfrage ergeben hat, aber nicht aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage.

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