OLG Frankfurt am Main, 21.05.2015 – 22 U 15/15

April 8, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.05.2015 – 22 U 15/15
Orientierungssatz:

1.

Nach § 240 S. 1 ZPO wird ein Rechtsstreit bis zur Aufnahme des Verfahrens nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften unterbrochen, wenn er die Insolvenzmasse betrifft. Ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse genügt. Ein Verfahren betrifft die Insolvenzmasse, wenn es zu ihr in rechtlicher oder wenigstens wirtschaftlicher Beziehung steht. Zu den die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüchen zählt ein Unterlassungsanspruch wegen einer Schutzrechtsverletzung.
2.

Auch ein Unterlassungsanspruch aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung kann die Insolvenzmasse betreffen.

Tenor:

Das Verfahren ist unterbrochen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Frage der Unterbrechung.

Das Amtsgericht Darmstadt hat mit Beschluss vom 1. Dezember 2014 über das Vermögen der Verfügungsbeklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Herrn Rechtsanwalt X zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 44 der Akten; Beschluss vom 1. Dezember 2014 im Anlagenband als Anlage B 1). Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2014 hat Rechtsanwalt Y mitgeteilt, dass der Insolvenzverwalter der Verfügungsbeklagten den Rechtsstreit mit diesem Schriftsatz nicht aufnehme (Bl. 45 der Akten).

Das Landgericht hat mit am 13. Januar 2015 verkündetem Urteil, auf das Bezug genommen wird, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verfügungsklägerin stehe ein Unterlassungsanspruch nicht zu, da sich dieser weder aus dem Rahmenvertrag noch aus dem E-Mail-Verkehr der Parteien herleiten lasse. Das Verfahren sei wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verfügungsbeklagten nicht unterbrochen worden, da es nicht die Insolvenzmasse betreffe; der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nämlich ein höchstpersönlicher Anspruch.

Mit ihrer form- und fristgerechten Berufung verfolgt die Verfügungsklägerin ihren erstinstanzlich gestellten Unterlassungsantrag weiter.

Das mit Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 12. September 2014 (Anlage K14, Bl. 186 d. A.) bestätigte Telefonat, in welchem die Verfügungsklägerin erklärt haben soll, umgehend die vertraglichen Leistungen in vollem Umfang bis zum Ablauf der regulären Vertragsdauer zu erbringen, habe nicht stattgefunden (Bl. 157, 158 d. A.). Dies habe der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin umgehend in seiner E-Mail vom 12. September 2014 klargestellt (Anlage K2, Bl. 10, 158 d. A.).

II.

Nachdem zwischen den Parteien Streit um die Frage der Unterbrechung bestand, war hierüber durch Zwischenurteil zu entscheiden (vgl. die Nachweise bei BGH Zwischenurteil vom 11. Februar 2010, Aktenzeichen: VII ZR 225/07, zitiert nach , Rz. 6). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 1. Dezember 2014 wurde das Verfahren unterbrochen, § 240 S. 1 ZPO.

Das anhängige Verfahren betrifft die Insolvenzmasse.

Nach § 240 S. 1 ZPO wird ein Rechtsstreit bis zur Aufnahme des Verfahrens nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften unterbrochen, wenn er die Insolvenzmasse betrifft. Ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse genügt (vgl. die Nachweise bei BGH Teilurteil vom 1. Oktober 2009, Aktenzeichen: I ZR 94/07, zitiert nach , Rz. 17).

Ein Verfahren betrifft die Insolvenzmasse, wenn es zu ihr in rechtlicher oder wenigstens wirtschaftlicher Beziehung steht (vgl. BGH Beschluss vom 18. November 2014, Aktenzeichen: EnVR 59/13, zitiert nach , Rz. 9). Zu den die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüchen zählt ein Unterlassungsanspruch wegen einer Schutzrechtsverletzung (vgl. BGH a. a. O.). Wiederholt haben sich der Bundesgerichtshof und das Reichsgericht mit patentrechtlichen Unterlassungsansprüchen befasst und dafür ausgesprochen, dass der Konkurs über das Vermögen des angeblichen Patentverletzers einen auf Unterlassung gerichteten Prozess unterbreche und dass der Konkursverwalter das Verfahren wieder aufnehmen könne (vgl. BGHZ 155, 371, 380).

Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar nicht – worauf die Verfügungsklägerin zu Recht hinweist – um einen Unterlassungsanspruch wegen einer Schutzrechtsverletzung. Die Verfügungsklägerin macht vielmehr einen Unterlassungsanspruch aufgrund einer ihrer Auffassung nach zwischen den Parteien geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung geltend. Gleichwohl betrifft dieser Anspruch die Insolvenzmasse.

So stellen alle Rechtspositionen mit Geldwert Vermögen im Sinne des § 35 InsO dar (vgl. Frankfurter Kommentar zur InsO/Schumacher, 6. Auflage (2011), § 35, Rz. 5). Massezugehörig sind neben den Aktiva im Rechtssinne auch alle tatsächlichen Werte wie zum Beispiel Kundenverzeichnisse, Standortvorteile, aber auch Geschäftsbeziehungen (vgl. Kreft/Eickmann, InsO, 5. Auflage (2008), § 35, Rz. 26). Eine Unterbrechung des Verfahrens tritt daher ein, wenn Verfahrensgegenstand (zumindest mittelbar) ein Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehören kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage (2014), § 240, Rz. 8). So liegt der Fall hier.

Der von der Verfügungsklägerin in diesem Verfahren erhobene Anspruch ist darauf gerichtet, die Verfügungsbeklagte an der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu Subunternehmern der Verfügungsklägerin unter deren Umgehung zu hindern. Die Aufnahme und Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen hat jedoch unmittelbare Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb der Verfügungsbeklagten und damit unmittelbare Relevanz für ihr Vermögen und somit auch die Insolvenzmasse. Mit der Beauftragung anderer Unternehmen zum Zwecke der Erfüllung eigener vertraglicher Verpflichtungen hat die Verfügungsbeklagte ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten.

Die Verfügungsklägerin hat ihrerseits ein wirtschaftliches Interesse daran, dass ihre Subunternehmer nicht unter Umgehung ihrer selbst beauftragt werden und dadurch mit ihr in Konkurrenz treten.

Bei dem erhobenen Unterlassungsanspruch handelt es sich auch nicht – unabhängig von der Frage, ob von einer GmbH als juristischer Person erhobene Ansprüche überhaupt höchstpersönlicher Natur sein können – um einen höchstpersönlichen oder nichtvermögensrechtlichen Anspruch.

Hierunter fallen z.B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Namensrecht und die daraus fließenden Ansprüche (vgl. Kreft/Eickmann a. a. O., § 35, Rz. 31). Derartige Rechte sind zweifellos nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Vorliegend geht es auch nicht um Leistungen aufgrund von höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten, die nur er selbst erheben kann (vgl. diesbezüglich BGH Beschluss vom 22. Mai 2014, Aktenzeichen: IX ZB 72/12, zitiert nach , Rz. 18).

Unter höchstpersönlichen Ansprüchen sind Ansprüche zu verstehen, die ihrem Inhalt nach nicht übertragen werden können (vgl. Staudinger/Busche, BGB, Neubearbeitung 2005, § 399, Rz. 5). Bei höchstpersönlichen Rechtsgütern, wie der Ehre, sind Unterlassungsansprüche nicht übertragbar (vgl. Münchener Kommentar/Roth, BGB, 6. Auflage (2012), § 399, Rz. 21). Ansprüche auf Unterlassung von Eigentumsverletzungen, Patentverletzungen und unlauterem Wettbewerb sind hingegen zusammen mit dem Eigentum, dem Patent und dem Unternehmen übertragbar (vgl. Münchener Kommentar/Roth a. a. O.). Dasselbe gilt für vereinbarte Wettbewerbsrechte zu Gunsten eines bestimmten Unternehmens; bei Übertragung des Unternehmens gelten diese unselbständigen Rechte im Zweifel als mit abgetreten (vgl. Münchener Kommentar/Roth a. a. O.).

Würde das Unternehmen der Verfügungsklägerin daher übertragen, würden die im Falle des Bestehens der von der Verfügungsklägerin in diesem Verfahren behaupteten Vereinbarung der Parteien daraus herzuleitenden Unterlassungsansprüche mit abgetreten.

Der Auffassung der Verfügungsklägerin, wonach eine Unterbrechung des Verfahrens daran scheitere, dass die behauptete Unterlassungsvereinbarung nicht die Insolvenzmasse, sondern „das höchstpersönliche Recht der Vertragsfreiheit“ der Verfügungsbeklagten betreffe, vermag der Senat nicht zu folgen.

Erstens kommt es darauf an, ob der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin höchstpersönlicher Natur ist, was der Senat verneint; zweitens handelt es sich bei der Vertragsfreiheit um einen der tragenden Grundsätze des Zivilrechts (vgl. zum „Grundsatz der Vertragsfreiheit“ zum Beispiel BGH Urteil vom 10. Juli 2013, Aktenzeichen: VIII ZR 388/12, zitiert nach , Rz. 17).

Schließlich kommt hinzu, dass auch bei Klagen, die der Vorbereitung eines aktiv oder passiv die Masse betreffenden Hauptanspruchs dienen, die in § 240 ZPO vorausgesetzte Beziehung zur Konkursmasse besteht, so dass eine Unterbrechung des Verfahrens eintritt (vgl. BGH LM § 146 KO Nr. 4 m.w.N.; so auch Zöller/Greger a. a. O., § 240, Rz. 8).

Der vorliegende Unterlassungsanspruch dient nicht nur der Verhinderung von Verstößen gegen die angeblich zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, sondern gleichzeitig bildet er die vorbereitende Grundlage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die ihrerseits die Insolvenzmasse schmälern würden.

In ihrer Antragsschrift vom 17. November 2014 hat die Verfügungsklägerin selbst vorgetragen, durch die Verstöße der Verfügungsbeklagten verschlechtere sich nicht nur ihre wettbewerbliche Stellung und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Verfügungsbeklagten, sondern es entgingen ihr zudem Gewinne, da sie die Leistungen ihrer Subunternehmer ansonsten mit einem Aufschlag an die Verfügungsbeklagte weiter berechnen könne. Den so entgehenden Gewinn hat die Verfügungsklägerin auf monatlich mindestens 10.000 € geschätzt und auf dieser Basis den vorläufigen Streitwert angegeben.

Eine Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens seitens des Insolvenzverwalters ist unstreitig nicht erfolgt.

Einer Kostenentscheidung bedarf es für das Zwischenurteil nicht, wie dieses – mangels vollstreckbaren Inhalts – auch nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist (vgl. 5. Zivilsenat des OLG Frankfurt Zwischenurteil vom 28. August 2012, Aktenzeichen: 5 U 150/11, zitiert nach , Rz. 16).

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