OLG Frankfurt am Main, 21.09.2016 – 17 U 27/16

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.09.2016 – 17 U 27/16
Tenor:

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.2016 – 2-21 O 119/15 – wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 33.700,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2014 sowie weitere 1.474,81 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.06.2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Vertrag über die Gewährung von Bausparvorausdarlehen vom 27.12.2005 (Darlehensnummern 1 und 2) durch den Widerruf der Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Kläger verfolgen mit der Berufung ihr erstinstanzliches, auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung und Feststellung der Wirksamkeit eines Darlehenswiderrufs gerichtetes Klageziel weiter.

Die Kläger schlossen als Verbraucher mit der Beklagten am 27.12.2005 einen Darlehensvertrag über zwei Bausparvorausdarlehen im Nennbetrag von jeweils 163.000,00 € (Kto.-Nr. 1 und 2). Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf dessen Kopie (Anlage B 1 – Anlagenband) verwiesen. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die wie folgt lautet:

Widerrufsbelehrung

für Darlehensverträge der X und der X1

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Erklärung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:

X, Postfach …, Stadt1

Fax: …, E-Mail: …

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangenen Leistungen ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.

Finanzierte Geschäfte

Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung, Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder Verkäufer einseitig begünstigt. Können Sie auch den andern Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.

Ende November 2013 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die vorzeitige Rückzahlung der Darlehen gegen Zahlung eines Aufhebungsentgelts in Höhe von insgesamt 33.500,- € und eines Bearbeitungsentgelts in Höhe von 200,00 € unter Verrechnung eines Bausparguthabens. Wegen des Einzelheiten der Vereinbarung wird auf deren Kopie (Anlage B 2 – Anlagenband) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23.07.2014 erklärten die Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Vertragserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 25.07.2014 zurück. Daraufhin forderten die Kläger die Beklagte zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 15.10.2014 ablehnte.

Die Kläger haben behauptet, sie hätten den Darlehensvertrag außerordentlich gekündigt. Sie haben die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die entrichtete Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen, da der Darlehensvertrag wirksam widerrufen worden sei. Die Beendigung des Darlehensvertrages im Wege der Kündigung stehe dem Recht zum Widerruf nicht entgegen, da die Beklagte nicht ordnungsgemäß über das Bestehen eines Widerrufsrechts belehrt habe. Das Widerrufsrecht sei auch nicht durch Zeitablauf erloschen. Die Belehrung entspreche im Hinblick auf den Fristbeginn nicht den gesetzlichen Vorgaben, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden habe. Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. berufen, da die von ihr erteilte Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht vollständig der Musterwiderrufsbelehrung entspreche. So laute der Text nicht wie in der Musterbelehrung vorgesehen „[…] mit Erhalt dieser Belehrung […]“, sondern „[…] mit Erhalt dieser Erklärung […]“. Außerdem fehlten die Sätze „Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen“ und „Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung ihrer Widerrufserklärung erfüllen“.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die Beendigung des Darlehensvertrages stehe der Wirksamkeit des Widerrufs entgegen. Mangels Bestehens eines Vertragsverhältnisses, welches sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandeln könne, gehe der Widerruf ins Leere. Im Übrigen sei die Widerrufsbelehrung wirksam, da die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV eingreife. Die Beklagte habe die gesetzlichen Vorgaben vollständig umgesetzt. Eines Hinweises in der Belehrung, dass der Darlehensnehmer eventuellen Zahlungsverpflichtungen nach einem Widerruf 30 Tage nach Absendung der Erklärung zu erfüllen habe, habe es nicht bedurft. § 355 BGB a.F. sehe keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1, 3 BGB a.F. vor.

Weiter hat die Beklagte geltend gemacht, die Ausübung des Widerrufsrechts sei rechtsmissbräuchlich und im Übrigen nach § 242 BGB verwirkt.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird insoweit gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein eventuell bestehendes Widerrufsrecht sei durch die Beendigung des Darlehensvertrags entfallen. Das Widerrufsrecht setze einen bestehenden Darlehensvertrag voraus, an dem es fehle, wenn es zu einer Vertragsbeendigung gekommen sei. Jedenfalls stehe der Geltendmachung des Widerrufsrechts der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Das Widerrufsrecht diene nicht dazu, sich nach jahrelanger beanstandungsloser Erfüllung der vertraglichen Pflichten und Inanspruchnahme der Gegenleistung nunmehr den vertraglich vereinbarten Pflichten zu entziehen. Auch räume das Widerrufsrecht dem Verbraucher nicht die Möglichkeit ein, das wirtschaftliche Risiko gefallener Zinsen auf den Darlehensgeber abzuwälzen. Die Kläger hätten eine Widerrufsbelehrung erhalten, so dass ihnen bekannt gewesen sei, dass sie nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zum Widerruf der Vertragserklärungen berechtigt seien. Es widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn der Unternehmer, der sich im Hinblick auf eine gesetzeskonforme Belehrung schwierigen formalen Anforderungen ausgesetzt sehe, im Falle eines formalen Fehlers vom Verbraucher, der vertragswidrige Zwecke verfolge, in Anspruch genommen werden könne. Überdies sei ein eventuelles Widerrufsrecht verwirkt.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Sie machen geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein beendeter Darlehensvertrag nicht mehr widerrufen werden könne, wobei hier nicht von einer Vertragsaufhebung, sondern von einer außerordentlichen Kündigung auszugehen sei. Das Fortbestehen des Widerrufsrechts trotz Beendigung des Darlehensvertrags sei in der Rechtsprechung anerkannt. Auch habe der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26.08.2015 klargestellt, dass in Fällen wie dem vorliegenden nicht von einer Verwirkung des Rechts zum Widerruf auszugehen sei. Dies entspreche der Rechtsauffassung anderer Oberlandesgerichte. Schließlich könne – wie der Senat in jener Entscheidung ebenfalls ausgeführt habe – die Ausübung des Widerrufsrechts auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Für den Widerruf von Versicherungsverträgen habe dies der Bundesgerichtshof bereits entschieden.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.2016 – Az. 2-21 O 119/15 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 33.700,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2014 zu zahlen,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.2016 – Az. 2-21 O 119/15 – abzuändern und festzustellen, dass die Kläger durch den Widerruf ihrer Vertragserklärung zum Abschluss der mit der Beklagten vereinbarten Bausparvorausdarlehen mit den Nummern 1 und 2 das Darlehensverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.2016 – Az. 2-21 O 119/15 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 1.474,81 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wegen außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung. Sinn und Zweck der Aufhebungsvereinbarung sei es gerade gewesen, die ursprünglichen Darlehensverträge vorzeitig aufzuheben, sie also zu beenden. Nach Zahlung der Ablösesalden und der Aufhebungsentgelte durch die Kläger und nach Freigabe der Grundschuld durch die Beklagte hätten beide Parteien ihre Verpflichtungen aus der Aufhebungsvereinbarung erfüllt. Damit seien die Darlehensverträge erloschen. Ein Widerruf sei damit dogmatisch zwingend nicht mehr möglich. Ein eventuelles Widerrufsrecht sei unter diesen Umständen jedenfalls verwirkt, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.03.2014 – 17 W 11/14 – entschieden habe. Das erforderliche Umstandsmoment liege in der Entgegennahme der Zahlung durch die Beklagte und der Freigabe der bestellten Grundschuld. Der erforderliche Vertrauenstatbestand sei zudem schon deshalb entstanden, weil die Kläger den Darlehensvertrag bis zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung ordnungsgemäß erfüllt hätten. Schließlich bleibe es dabei, dass die Kläger ihr Widerrufsrecht jedenfalls rechtsmissbräuchlich ausgeübt hätten. Auf die Rechtsprechung des 3. und des 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main sei ebenso wie auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu verweisen. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.03.2016 – III ZR 146/15 – ergebe sich nichts anderes. Gegenstand jener Entscheidung sei die Ausübung des Widerrufsrechts innerhalb der Widerrufsfrist. Auf Fallgestaltungen wie der hier vorliegenden, bei denen es um die Ausübung des Widerrufsrechts nach mehreren Jahren gehe, ließen sich die Ausführungen des Bundesgerichtshofs nicht übertragen. Der Bundesgerichtshof habe überdies in seiner Entscheidung vom 23.02.2016 – XI ZR 101/15 – mehrfach darauf hingewiesen, dass es zu den grundlegenden Pflichten des Darlehensnehmers gehöre, den Vertragstext und damit auch die Widerrufsbelehrung zu lesen. Hier hätten die Kläger die Widerrufsbelehrung jedoch nicht gelesen. Hätten sie dies getan, wären ihnen die behaupteten angeblichen Unklarheiten bereits bei Vertragsabschluss aufgefallen. Sie hätten in diesem Fall nachfragen können und müssen. Ihr jetziges Verhalten sei daher in hohem Maße widersprüchlich und unbeachtlich.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte aufgrund des Widerrufs der auf den Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung sowie des Bearbeitungsentgelts in Höhe von insgesamt 33.700,00 € gem. § 346 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. §§ 495 Abs. 1, 355 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung = a.F. (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB).

Durch den Widerruf ist der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden.

Der Widerruf ist nicht gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. verfristet. Zwar haben die Kläger ihre Vertragserklärungen nicht innerhalb von zwei Wochen seit Aushändigung der Widerrufsbelehrung widerrufen. Dies ist jedoch unerheblich, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu laufen begonnen hat und das Widerrufsrecht gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. nicht erloschen ist. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, wird ein Verbraucher durch die in einer Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung: „[…] frühestens mit Erhalt dieser Belehrung […]“, nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist belehrt, da die Formulierung nicht umfassend ist. Der Verbraucher kann der Verwendung des Wortes „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt. Er wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt (BGH v. 15.08.2012, Az. VIII ZR 378/11, Juris Rn. 9; BGH v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11, Juris Rn. 15; BGH v. 02.02.2011, Az. VIII ZR 103/10, Juris Rn. 14). Da die Belehrung den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärt, setzt sie den Verbraucher nicht in der gebotenen Weise in die Lage, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen, und verstößt damit gegen das Deutlichkeitsgebot (BGH, Urteil vom 17.01.2013, Az. III ZR 145/12, Juris Rn. 10; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 30).

Auf § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung (a. F.) i. V. m. der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a. F. kann sich die Beklagte nicht berufen. Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. genügt die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F., wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. in Textform verwendet wird. Dafür reicht es nicht aus, dass die Belehrung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist mit der entsprechenden Formulierung des Musters für die Widerrufsbelehrung übereinstimmt. Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. besteht nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rn. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rn. 15; BGH v. 01.12.2010, Az. VIII ZR 82/10, Juris Rn. 15). Greift der Unternehmer in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11, Juris Rn. 17; Senat, v. 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 31). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf die Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rn. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rn. 18; Senat a.a.O.). Geringfügige Anpassungen, wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz (vgl. hierzu BGH v. 20.11.2012, Az. II ZR 264/10, Juris Rn. 6), bleiben allerdings möglich (Senat, Beschluss vom 10.08.2015, Az. 17 U 194/14, Juris Rn. 24; OLG Frankfurt v. 29.12.2014, Az. 23 U 80/14, Juris Rn. 17). Nach diesem Maßstab hat die Beklagte die Musterbelehrung einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen.

Die Musterbelehrung sah in der für den Vertragsschluss geltenden Fassung in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a. F. als Gestaltungshinweis Nr. 6 vor: „Bei Finanzdienstleistungen ist folgender Satz einzufügen: ‚Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen.'“ Diesen Satz hat die Beklagte nicht in die von ihr verwendete Belehrung eingefügt und damit die Musterbelehrung einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen. Bei diesem Zusatz handelt es sich nicht um eine Angabe, die ins Belieben des Unternehmers gestellt worden ist. Vielmehr sieht der Gestaltungshinweis Nr. 6 der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. ausdrücklich vor, dass der entsprechende Satz bei Finanzdienstleistungen einzufügen „ist“. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass § 355 BGB a.F. eine Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsfolgen nicht vorsah. Hierauf kommt in diesem Zusammenhang jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an. Denn entscheidend ist für die Gesetzlichkeitsfiktion der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 der BGB-InfoV a.F., dass ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht.

Zudem hat die Beklagte darauf verzichtet, den in der Musterwiderrufsbelehrung vorgesehenen Satz: „Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung ihrer Widerrufserklärung erfüllen“, in die Widerrufsbelehrung zu übernehmen. Auch damit hat sie bearbeitend in den Mustertext eingegriffen.

Die Beendigung des Darlehensvertrags durch Abschluss der Aufhebungsvereinbarung bzw. der von den Klägern vorgetragenen außerordentlichen Kündigung steht der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegen.

Zwar ist das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 18. Januar 2015- I-6 W 221/11, Juris Rn. 15; Urteil vom 27. November 2014 – I-6 U 135/14, Juris Rn. 31) insoweit der Ansicht, dass für einen Widerruf kein Raum mehr sei, wenn die entsprechenden Verträge aufgrund einer Kündigung oder einer Ersetzung durch einen neuen Vertrag ohnehin keinen Bestand mehr hätten. Demgegenüber vertritt der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass die Kündigung eines Versicherungsvertrages der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegenstehe. Wenn der Verbraucher über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt worden sei, habe er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben können (BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, Juris Rn. 36; vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12, Juris Rn. 24). Dabei stellt der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf ab, dass bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht sichergestellt sei, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst sei, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12, Juris Rn. 24; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 06.09.2015- 6 U 21/15, Juris Rn. 52; OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2015- I-31 U 64/15 Rn. 24). Für den Fall des Abschlusses eines Abwicklungsvertrages kann nichts anderes gelten. Deshalb hat der Senat bereits entschieden, dass das Widerrufsrecht auch nach Rückführung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung noch ausgeübt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 2016 – 17 U 16/15, Juris Rn. 31 ff.; Beschluss vom 10. März 2014 – 17 W 11/14, Juris Rn. 13). Daran ist festzuhalten, zumal auch der XI. Senat des Bundesgerichtshofs davon ausgeht, dass die vollständige Rückführung des Darlehens die Ausübung des Widerrufsrechts nicht per se verhindert (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, Rn. 3 ff., juris).

Der Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.

Zwar können grundsätzlich auch unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, Rn. 39, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die Voraussetzungen der Verwirkung sind hier jedoch nicht erfüllt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH a.a.O. Rn. 40, juris; BGH v. 20.07.2010, Az. EnZR 23/09, Juris Rn. 20). Im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen (Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 34). Danach kommt hier eine Verwirkung nicht in Betracht. Die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Vertrages allein reicht ebenso wenig wie die Rückführung des Darlehens für sich genommen aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (Senat a.a.O. m.w.Nw.; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 [2149]; a. A.: OLG Frankfurt, Urteil vom 07.08.2015, Az. 19 U 5/15, Juris Rn. 59 – Nichtzulassungsbeschwerde anhängig). Außer der seit der vollständigen Rückführung des Darlehens verstrichenen Zeit steht damit kein Verhalten der Kläger im Raum, aus dem die Beklagte bei objektiver Betrachtung den Schluss ziehen durfte, die Kläger würden ihr Recht nicht mehr geltend machen. Überdies hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass sie sich auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts eingerichtet hätte und ihr ein unzumutbarer Nachteil entstünde, falls der Widerruf Wirksamkeit entfaltete. Schließlich wäre die Beklagte auch nicht schutzwürdig. Nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Derjenige, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet, muss mithin regelmäßig mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechnen (vgl. (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 39; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin würden auch die Kläger die Sache im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, begründet die Schutzwürdigkeit der Beklagten jedenfalls nicht (Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 36). Sonstige begründete Umstände, aufgrund derer die Beklagte im konkreten Fall nicht mehr mit einem Widerruf nach der bereits erfolgten vollständigen Rückzahlung des Darlehens rechnen musste, liegen nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt sich die Ausübung des Widerrufs nicht als unzulässige Rechtsausübung dar.

Den Klägern ist insbesondere nicht vorzuwerfen, sich mit der Erklärung des Widerrufs in einen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Übereinstimmung zu ihrem früheren Verhalten stehenden Widerspruch gesetzt zu haben. Allein der Umstand, dass ein Berechtigter bis zur Ausübung eines ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkennt, kann der Geltendmachung von Rechten nach der Ausübung grundsätzlich nicht entgegenstehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42), da andernfalls die vom Gesetzgeber in § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. getroffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2015, Az. 31 U 40/15, Juris Rn. 7). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 40). Eine solche vorrangige Schutzwürdigkeit kann ein Unternehmer nicht für sich beanspruchen, wenn er es – so wie hier – versäumt hat, den Verbraucher über sein Widerrufs bzw. Widerspruchsrecht ordnungsgemäß zu belehren (vgl. BGH a.a.O.).

Die Geltendmachung des Widerrufsrechtes ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie zu einem Zweck erfolgte, der der Zwecksetzung der Norm, die das Widerrufsrecht grundsätzlich eröffnet, zuwiderliefe. Zwar liegen Sinn und Zweck eines Widerrufsrechts grundsätzlich darin, dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, die Sinnhaftigkeit des von ihm abgeschlossenen Vertrages im Nachhinein noch einmal zu überdenken und auf eine voreilige Entschließung überprüfen zu können. Dennoch kann von einem Rechtsmissbrauch auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Verbraucher – wie hier – für sich keinen Übereilungsschutz in Anspruch zu nehmen gedenkt, sondern aus dem Widerruf einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen will (BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16 ff.; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 35). Nach der gesetzlichen Regelung kann ein Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben (vgl. § 355 Abs.1 S.2 BGB a.F.); eine wie auch immer geartete „Gesinnungsprüfung“ findet nicht statt – und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Insofern ist es ohne Weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16 ff.; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2015, Az. 6 U 148/14, Juris Rn. 44).

Aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs des Vertrages sind nach §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1 BGB a. F. die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB die Herausgabe einer eventuellen Vorfälligkeitsentschädigung. Daher können die Kläger von der Beklagten Rückzahlung des geleisteten Aufhebungsentgelts sowie der Bearbeitungsgebühr in Höhe von insgesamt 33.700,00 € verlangen.

Darüber hinaus steht den Klägern ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2014 zu. Die Beklagte ist spätestens mit Zugang des Ablehnungsschreibens der Beklagten vom 15.10.2014 gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten, so dass der Forderungsbetrag gem. § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen ist.

Die Kläger haben des Weiteren einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in unstreitiger Höhe von 1.474,81 € gem. §§ 286, 280 BGB. Die nach Eintritt des Verzugs entstandenen vorgerichtlichen Kosten sind als Verzugsschaden zu ersetzen. Diese Forderung ist wiederum seit dem Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit gem. §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 BGB zu verzinsen.

Ebenso hat die Berufung Erfolg, soweit die Kläger nach Umstellung ihres Klageantrages nunmehr festgestellt wissen wollen, dass sich die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben. Die Klage ist insoweit als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse ist ein für das Bestehen und nicht Bestehen des mit der Zahlungsklage verfolgten Anspruchs vorgreifliches Rechtsverhältnis, welches zwischen den Parteien streitig ist. Die Zwischenfeststellungsklage ist auch begründet. Wie bereits ausgeführt, hat der von den Klägern erklärte Widerruf zur Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse geführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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