OLG Frankfurt am Main, 23.01.2015 – 9 U 71/14

April 11, 2019

OLG Frankfurt am Main, 23.01.2015 – 9 U 71/14
Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist zur Einlegung der Berufung wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.09.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 26. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten des zweiten Rechtszugs und des Wiedereinsetzungsverfahrens zu tragen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen zwei Wochen zum Gegenstandswert für das Berufungsverfahren Stellung zu nehmen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des der Klägerin am 19.09.2014 zugestellten Urteils (Bl. 118 ff., Bl. 126 d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 18.11.2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tage (vgl. Bl. 127 d.A.), hat die Klägerin gegen das Urteil Berufung eingelegt und zugleich beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Klägerin macht geltend, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift am Samstag, dem 18.10.2014, in seiner Kanzlei verfasst, unterzeichnet und vollständig (d.h. einschließlich einer beglaubigten sowie einer unbeglaubigten Abschrift) ausgefertigt. Sodann habe er die Handakte einschließlich der angeklammerten Rechtsmittelschrift und der Verfügung in den sog. „Eiltkorb“ auf dem Schreibtisch der Büroleiterin gelegt. Da er am Tag des Fristablaufs, dem 20.10.2014, nicht im Büro gewesen sei, habe er auf der für die Handakte bestimmten Abschrift der Berufungsschrift verfügt, den Schriftsatz am Montag, dem 20.10.2014, an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu faxen und im Original per Post zu übersenden, anschließend die Frist zu streichen und schließlich die Akte zur nächsten Vorfrist wieder vorzulegen. Diese Verfügung habe den üblichen Kanzleiabläufen entsprochen, wonach der Bürobetrieb so organisiert gewesen sei, dass eine Frist erst nach erfolgter fristgemäßer Versendung des Schriftsatzes habe gestrichen werden dürfen.

Die Klägerin trägt weiter vor, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine büroorganisatorische Weisung bestanden habe, wonach die in dem Eiltkorb liegenden Vorgänge vorrangig zu erledigen gewesen seien und der Korb bei Verlassen der letzten Büroangestellten abgearbeitet – also leer – habe sein müssen. Nur die Rechtsanwälte der Sozietät hätten fristgebundene Einzelweisungen (auch Zahlungsanweisungen) in dem Korb ablegen dürfen.

Am Nachmittag des 20.10.2014 habe der Prozessbevollmächtigte mit der Büroleiterin telefoniert und dabei auch die von ihm stammende Verfügung im Eiltkorb angesprochen. Die Büroleiterin habe diese zur Kenntnis genommen gehabt und entweder gesagt, dass die Verfügung bereits erledigt sei, oder jedenfalls geäußert, dass sie erledigt werde.

Trotz der eindeutigen schriftlichen und für das Kanzleipersonal erkennbaren Verfügung habe die Büroleiterin am Montag, dem 20.10.2014, zwar die im Fristenkalender eingetragene Frist gestrichen und die verfügte Wiedervorlage für den 12.11.2014 in den Kalender eingetragen, jedoch verabsäumt, die anliegende Berufungsschrift zunächst per Telefax und sodann postalisch an das Oberlandesgericht zu senden. Die Berufungsschrift habe sie stattdessen einfach in die Aktenlasche der Handakte gesteckt.

Bei der Büroleiterin handele es sich um eine ausgebildete, geschulte und zuverlässige Kraft, welche seit mehr als 15 Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte arbeite. In diesem Zeitraum habe sie an diversen Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen. In der Kanzlei des Unterzeichners sei sie seit mehr als acht Jahren ganztägig als Rechtsanwaltsfachangestellte tätig.

Sowohl der Prozessbevollmächtigte als auch dessen Sozien führten regelmäßig Kontrollen und Stichproben sowohl zur Fristenkontrolle als auch hinsichtlich des ordnungsgemäßen Postausgangs und der Umsetzung sämtlicher anwaltlicher Verfügungen durch. Hierbei habe sich ergeben, dass die Büroleiterin während ihrer bisherigen Tätigkeit für den Prozessbevollmächtigten fehlerlos sämtliche anwaltlichen Verfügungen ausgeführt habe.

Die Richtigkeit der schriftsätzlichen Ausführungen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin anwaltlich versichert. Zudem hat die Klägerin zum Zwecke der Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung der Büroleiterin vom 17.11.2014 vorgelegt.

Wegen des weitergehenden zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin einschließlich der gestellten Anträge wird auf deren Schriftsatz vom 18.11.2014 (Bl. 138 ff. d.A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Inhalts der eidesstattlichen Versicherung der Büroleiterin wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung der Erklärung (Bl. 150 f. d.A.) verwiesen.

Der Beklagte bestreitet die von der Klägerin zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragenen Tatsachen vollumfänglich. Auf den Schriftsatz vom 15.12.2014 (Bl. 155 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

II.

Die mit Schriftsatz vom 18.11.2014 beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren. Denn gemäß § 233 ZPO ist Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung, dass die Partei ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Berufungsbegründung zu wahren. Daran fehlt es hier.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht dargelegt, die Frist unverschuldet versäumt zu haben. Indem er geltend macht, die Büroleiterin habe – entgegen seiner anwaltlichen Verfügung und der üblichen organisatorischen Abläufe – den Berufungsschriftsatz versehentlich weder per Fax noch per Post an das Oberlandesgericht geschickt und trotzdem die entsprechende Frist gestrichen, beruft er sich zwar auf ein Versehen des Büropersonals, für das die Partei grundsätzlich nicht einzustehen hat. Seinem Vorbringen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen hätte, um Fehler wie den hier aufgetretenen zu vermeiden.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss ein Rechtsanwalt seinen Mitarbeitern grundsätzlich die allgemeine Weisung erteilen, bei der Telefaxübermittlung von fristwahrenden Schriftstücken einen Einzelnachweis über den Sendevorgang auszudrucken, diesen zu prüfen und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen. Alternativ genügt es für eine wirksame Ausgangskontrolle, wenn aufgrund einer allgemeinen Büroanweisung die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger gestrichen wird (vgl. BGH in NJW-RR 2002, 60 [BGH 02.07.2001 – II ZB 28/00] m.w.N).

Wäre die Büroleiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend der vorstehenden Anforderungen angewiesen worden, hätte sie die Frist für die Rechtsmitteleinlegung nicht ohne Prüfung des Sendeberichts oder telefonische Nachfrage beim Oberlandesgericht streichen dürfen. Infolgedessen wäre ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgefallen, dass eine fristwahrende Faxübermittlung der Berufungsschrift an das Oberlandesgericht noch nicht erfolgt war.

Die nicht ausschließbare Möglichkeit des der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Vertreterverschuldens in Form eines Mangels der Organisation bzw. Überwachung des Büropersonals steht der Gewährung der Wiedereinsetzung entgegen (vgl. Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 233 Rdnr. 22 d m.w.N.).

Aufgrund der zu versagenden Wiedereinsetzung bleibt es dabei, dass das Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Somit war die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.

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