OLG Frankfurt am Main, 23.11.2016 – 13 U 198/15

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 23.11.2016 – 13 U 198/15
Tenor:

1.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 9.10.2015 – 12 O 403/14 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.
2.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A AG einen Zahlungsanspruch nach Anfechtung gegen die Beklagte geltend.

Die Beklagte ist Aktionärin der A AG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Ihr Ehemann war von März 2009 bis 20.7.2011 Vorstand der Insolvenzschuldnerin.

Auf das Konto der Insolvenzschuldnerin wurden am 21.4.2011 zweimal 27.000,- € eingezahlt. In den Buchungsunterlagen der Insolvenzschuldnerin erhielten die beiden Zahlungen den Buchungstext „Falsches Konto – Einzahlung B“ (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.).

Am 18.5.2011 wurden vom Konto der Insolvenzschuldnerin 54.000,- € in bar abgehoben. Auf dem Kontoauszug ist handschriftlich vermerkt: „Rückzahlung B“ (Anlage K 3, Bl. 8 d.A.). Verbucht wurde dies als „Rückzahlung B v. 21.04.2011“.

Am 7.9.2011 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 16.12.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Auf die Nachfrage des Klägers, wofür die Beklagte die 54.000,- € erhalten habe, erklärte der Sohn der Beklagten, dass die Beklagte versehentlich 2 x 27.000,- € auf das falsche Konto überwiesen habe. Der Betrag sei am 18.5.2011 zurücküberwiesen worden (Anlage K 5, Bl. 16 d.A.).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die beiden Zahlungen in Höhe von 27.000,- € seien keine Fehlüberweisungen, sondern Darlehen gewesen. Die Beträge seien vom Konto der Beklagten überwiesen worden. Die Rückzahlung des Darlehens sei gemäß § 135 InsO anfechtbar. Die Beklagte habe den Betrag in Höhe von 54.000,- € von der Insolvenzschuldnerin erhalten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 54.000,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe ihren Sohn gebeten, sich nach Rücksprache mit ihr um die Beantwortung des Schreibens des Klägers zu kümmern. Ihr Sohn habe aus den Anlagen K 2 und K 3 geschlossen, dass es sich um Fehlüberweisungen gehandelt habe und das Geld zurücküberwiesen worden sei. Mit ihr habe er keine Rücksprache gehalten. Dass er tatsächlich keine Kenntnisse darüber hatte, ob das Geld zurückgezahlt worden sei, ergebe sich auch aus dem Umstand, dass er von einer Rücküberweisung gesprochen habe, obwohl der Betrag – unstreitig – bar abgehoben worden sei. An der Erklärung ihres Sohnes müsse sie sich nicht festhalten lassen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei zur Zahlung von 54.000,- € gemäß §§ 135,143 InsO verpflichtet. Es sei nach den Unterlagen davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin von der Beklagten zweimal 27.000,- € erhalten habe. Da ein Rechtsgrund für die Zahlung nicht dargelegt worden sei, sei von einem Darlehen auszugehen. Dabei könne dahinstehen, ob die Zahlung von der Beklagten oder von dem zur Verfügung über ihr Konto berechtigten Ehemann veranlasst worden sei. Denn sie müsse sich dessen Verhalten gemäß § 164 BGB zurechnen lassen. Auch wenn es sich um eine Fehlüberweisung gehandelt habe, sei es als Darlehen zu qualifizieren, da die Rückzahlung erst fast vier Wochen später erfolgt sei, der Anspruch auf Rückzahlung somit faktisch gestundet worden sei. Das Darlehen sei an die Beklagte zurückgezahlt worden. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte das Geld persönlich erhalten habe. Es sei davon auszugehen, dass es der Rückzahlung gedient habe und von dem Ehemann der Beklagten veranlasst worden sei. Wenn die Beklagte sich nicht um die Belange der Gesellschaft kümmere, sondern ihrem Mann alles überlassen habe, müsse sie es sich zurechnen lassen, wenn dieser für sie bestimmte Geldbeträge entgegen genommen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils und die Abweisung der Klage begehrt.

Die Beklagte meint, eine Zurechnung über § 164 BGB setze ein wirksames Vertretungsverhältnis voraus. Allein der Umstand, dass der Ehemann die Verfügungsgewalt über das Konto gehabt habe, führe nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht. Im Übrigen habe der Beklagtenvertreter nach Urteilsverkündung mit dem Sohn der Beklagten gesprochen. Dieser habe in Erfahrung bringen können, dass der Ehemann der Beklagten das Geld vom Konto der Beklagten in bar abgehoben und auf das Konto der Insolvenzschuldnerin eingezahlt habe. Es handele sich daher nicht um eine Zahlung der Beklagten, jedenfalls nicht um ein Darlehen. Im Übrigen habe die Beklagte keine Rückzahlung erhalten. Der handschriftliche Vermerk auf dem Kontoauszug beweise das nicht. Warum sie sich eine mögliche Abhebung vom Konto der Insolvenzschuldnerin durch ihren Ehemann zurechnen lassen müsse, sei nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 9.10.2015 – 12 O 403/14- abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil: Auch dann, wenn das Geld vom Konto der Beklagten abgehoben und auf das Konto der Insolvenzschuldnerin eingezahlt worden sei, handele es sich um eine Leistung der Beklagten. Der Kläger habe nach seinen Möglichkeiten umfangreiche und ausreichende Indizien für eine Rückzahlung vorgetragen.

Der Senat hat die Beklagte informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23.11.2016 (Bl. 138ff. d.A.).

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden, und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 54.000,- €.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 143 Abs. 1 InsO. Danach muss das, was durch anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, an die Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte von der Insolvenzschuldnerin durch anfechtbare Rechtshandlung 54.000,- € erhalten hat.

Nach § 135 Abs. 1 Ziffer 2 InsO ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt hat, anfechtbar, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Zwar wird man mit dem Landgericht davon ausgehen können, dass die Beklagte an die Insolvenzschuldnerin zweimal 27.000,- € gezahlt hat.

In erster Instanz hat die Beklagte den Vortrag der Klägerseite, diese Beträge seien vom Konto der Beklagten an die Insolvenzschuldnerin überwiesen worden, nicht bestritten.

Erst in der Berufungsbegründung hat die Beklagte behauptet, dass es sich nicht um eine Überweisung gehandelt habe. Vielmehr habe ihr verstorbener Ehemann das Geld von ihrem Konto abgehoben und auf das Konto der Schuldnerin eingezahlt. Ob die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO neuer Vortrag in der Berufungsinstanz zuzulassen ist, hier vorliegen, ist fraglich, kann aber dahinstehen.

Denn auch dann, wenn der Ehemann das Geld vom Konto der Beklagten abgehoben und auf das Konto der Insolvenzschuldnerin eingezahlt hätte, würde dies nichts daran ändern, dass die Einzahlung als Zahlung der Beklagten zu bewerten ist. Der Ehemann der Beklagten hatte unstreitig die Verfügungsgewalt über das Konto der Beklagten und hat die Abhebung und Einzahlung in Ausübung dieser Verfügungsgewalt getätigt. Dass dies gegen den Willen der Beklagten erfolgt wäre, hat auch die Beklagte nicht behauptet. Dass auch die Einzahlung auf das Konto der Insolvenzschuldnerin im Namen der Beklagten und nicht in eigenem Namen vorgenommen worden ist, bestätigt im Übrigen der Umstand, dass in den Kontounterlagen der Insolvenzschuldnerin die Zahlung als Zahlung der Beklagten verbucht worden ist. Es ist von der Beklagten nicht behauptet worden, dass der Ehemann der Beklagten sich den Betrag nach der Abhebung vom Konto der Beklagten und vor der Einzahlung auf das Konto der Insolvenzschuldnerin selbst zugeeignet hätte.

Auch die weitere Einschätzung des Landgerichts, bei den Zahlungen an die Insolvenzschuldnerin handele es sich um Darlehen, ist jedenfalls vertretbar. Zwar hat die Beklagte den Abschluss eines Darlehensvertrages bestritten. Dieses einfache Bestreiten war aber vorliegend nicht ausreichend. Denn die Zahlungen auf das Konto der Insolvenzschuldnerin sind unstreitig erfolgt. Daher hätte die Beklagte darlegen müssen, auf welcher Rechtsgrundlage die Zahlungen ihrer Ansicht nach erfolgt sind. Dies hat sie nicht getan. Sie hat insbesondere nicht behauptet, dass es sich um Fehlüberweisungen gehandelt habe. In erster Instanz hat sie lediglich vorgetragen, dass ihr Sohn dies vermutet habe. Dagegen hat sie nicht behauptet, dass es sich tatsächlich um eine solche handelt. Auch in der Berufungsinstanz hat sie eine Fehlüberweisung nicht behauptet, sondern dargelegt, dass es sich um eine Barabhebung gehandelt habe.

Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn § 135 InsO setzt weiter voraus, dass die Insolvenzschuldnerin zur Rückgewähr des Darlehens an die Beklagte 54.000,- € gezahlt hat.

Dies hat der Kläger zwar behauptet, aber nicht bewiesen.

Zwar sprechen einige Anhaltspunkte dafür, dass der Betrag tatsächlich an die Beklagte gezahlt worden ist. So entspricht der abgehobene Betrag exakt der eingezahlten Summe. Außerdem heißt es in den Buchungsunterlagen der Insolvenzschuldnerin unter dem 18.5.2011 „Rückzahlung B vom 21.4.2011“. Darüber hinaus findet sich auf dem Kontoauszug der handschriftlich eingefügte Zusatz: „Rückzahlung B“. Hinzu kommt, dass auch der Sohn der Beklagten dem Kläger mitgeteilt hat, dass eine Rückzahlung erfolgt sei.

Diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um zu der Überzeugung zu gelangen, die Beklagte habe das Geld erhalten. Zwar erfordert die Überzeugung von der Wahrheit keine absolute oder unumstößliche Gewissheit. Es genügt vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 567, 568 [BGH 14.12.1993 – VI ZR 221/92]).

Allein der Umstand, dass vom Konto der Insolvenzschuldnerin ein Betrag in Höhe von 54.000,- € abgehoben worden ist und die Insolvenzschuldnerin diese Abhebung als Zahlung an die Beklagte verbucht hat, rechtfertigt nicht die Gewissheit, die Beklagte habe den Betrag in Höhe von 54.000,- € erhalten. Genauso ist es denkbar, dass der Ehemann der Beklagten den Betrag selbst vereinnahmt bzw. anderweitig darüber verfügt hat. Da die Beklagte nach ihren eigenen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung keinen Überblick über die von ihrem Mann getätigten und über ihr Konto abgewickelten Geschäfte hatte und keine Kenntnis von der Zahlung an die Insolvenzschuldnerin hatte, spricht wenig dafür, dass sie den Betrag erhalten hat.

Die Ansicht des Landgerichts, die Beklagte müsse sich ggf. zurechnen lassen, dass ihr Mann die Gelder vereinnahmt habe, überzeugt nicht. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte nicht um die Belange der Gesellschaft gekümmert, sondern alles ihrem Mann überlassen hat, rechtfertigt es nicht, ihr jedes Verhalten ihres Ehemanns zuzurechnen. Sie muss sich zwar möglicherweise als Gesellschafterin zurechnen lassen, dass vom Konto der Insolvenzschuldnerin 54.000,- € abgehoben worden sind, nicht aber, dass ihr Mann (oder ein Dritter?) diese Gelder vereinnahmt bzw. verwendet hat, selbst wenn diese Zahlung als Rückzahlung an die Beklagte verbucht worden ist.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Ehemann der Beklagten eine Vollmacht hatte, für sie Gelder entgegen zu nehmen. Ob er, die Beklagte selbst oder möglicherweise ein Dritter die Gelder entgegen genommen hat, ist völlig offen. Denkbar ist auch, dass das Geld für ganz andere Zwecke verwendet wurde, aber als Rückzahlung an die Beklagte verbucht worden ist, um den falschen Anschein geringerer Schulden zu erwecken.

Es fehlt daher an einer Rechtshandlung, die die Beklagte befriedigt hat und damit an einer anfechtbaren Rechtshandlung (§ 135 Abs. 1 Ziffer 2 InsO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf es keiner Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf der rechtlichen Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Über den konkret verfahrensgegenständlichen Sachverhalt hinausweisende Rechtsfragen wirft der Fall nicht auf.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 54.000,- € festgesetzt.

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