OLG Frankfurt am Main, 26.01.2015 – 6 W 107/14 Rechnet der Beklagte gegen die Klageforderung mit einer Gegenforderung auf, die bereits Gegenstand eines anderen vom Beklagten geführten Klageverfahrens ist, rechtfertigt dies nicht die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Gegenforderung in dem anderen Verfahren.

April 11, 2019

OLG Frankfurt am Main, 26.01.2015 – 6 W 107/14
Rechnet der Beklagte gegen die Klageforderung mit einer Gegenforderung auf, die bereits Gegenstand eines anderen vom Beklagten geführten Klageverfahrens ist, rechtfertigt dies nicht die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Gegenforderung in dem anderen Verfahren.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gründe
1

I.

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Mit Klageantrag zu 2. verlangt der Kläger die Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 873,45 €. Gegen diese Forderung hat der Beklagte mit Klageerwiderung vom 25.07.2014 die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 1.141,90 € erklärt. Der Forderung liegen Kosten zugrunde, die ihm aus einer anwaltlichen Abmahnung entstanden sind, die gegen den Kläger gerichtet war. Die Aufrechnung wurde mit der Klageerwiderung vom 25.07.2014 erklärt. Bereits zuvor, am 17.01.2014, hatte der Beklagte Klage vor dem Landgericht O1 erhoben und u.a. die zur Aufrechnung gestellte Forderung eingeklagt.
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Das Landgericht hat das Verfahren, soweit es den Klageantrag zu 2. betrifft, gemäß § 148 ZPO ausgesetzt.

II.

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Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 252 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts O1 nicht vorgreiflich ist für die Entscheidung, die im hiesigen Verfahren ergehen soll. Das wäre nur der Fall, wenn in dem Verfahren vor dem Landgericht O1 über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat. An dieser Voraussetzung fehlt es hier.
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Bei einer Prozessaufrechnung handelt es sich um einen Doppeltatbestand. Sie ist zugleich eine bürgerlich-rechtliche einseitige Willenserklärung wie auch Prozesshandlung (Muselak-Stadler, Zivilprozessordnung 10. Auflage, § 145 Rd. 14; Zöller-Greger, ZPO 30. Auflage, § 145 Rdn. 11; Palandt-Grünberg, BGB 74. Aufl., § 388 Rn. 2). Da die Beklagte die Aufrechnung nicht bloß hilfsweise für den Fall erklärt hat, dass das Gericht die Klageforderung für begründet erachtet, ist die Gegenforderung mit wirksam erklärter Aufrechnung und Zugang des Klageerwiderungsschriftsatzes an den Kläger gemäß §§ 388, 389 BGB erloschen, und zwar mit Wirkung ab Bestehen der Aufrechnungslage. Als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung mit rechtsgestaltender Wirkung ist die Aufrechnungserklärung unwiderruflich und bedingungsfeindlich, § 388 Satz 2 BGB (Palandt-Grünberg a. a. O. § 388 Rdn. 1). Dies unterscheidet die Primäraufrechnung von der Hilfsaufrechnung, die erst dann Wirkung entfaltet, wenn das Gericht die Hauptforderung für begründet erachtet und die demzufolge bis zu diesem Zeitpunkt zurückgenommen werden kann (BGH NJW 2009, 1071, [BGH 19.11.2008 – XII ZR 123/07] Rdz. 12 bei Juris).
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Daher führt die hier erklärte Aufrechnung dazu, dass es von der Entscheidung über die Aufrechnung abhängt, ob die Klage vor dem Landgericht O1 Erfolg haben kann, denn die wirksam erklärte Primäraufrechnung (oder die zum Tragen gekommene Eventualaufrechnung) macht die anderweitig erhobene Leistungsklage des Aufrechnenden unbegründet (Staudinger/Gursky (2011) Vorbemerkungen zu §§ 387 ff. Rdn. 37; Stein/Jonas-Leipold, Zivilprozessordnung 22. Auflage, § 145 Rdn. 50; Zöller-Greger a.a.O., § 145 Rdn. 18a am Ende).
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Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Dresden (NJW 1994, 139 [OLG Dresden 02.06.1993 – 5 W 243/93]) entschieden, dass dann, wenn dieselbe Forderung in einem Rechtsstreit klageweise und im anderen Rechtsstreit aufrechnungsweise geltend gemacht werde, eine Aussetzung des Prozesses, in dem die Forderung eingeklagt werde, nur ausnahmsweise in Betracht komme. Im Regelfall sprächen die besseren Gründe dafür, wenn überhaupt ausgesetzt werde, den Prozess auszusetzen, in dem die Forderung zur Aufrechnung gestellt werde. Das Oberlandesgericht Dresden argumentiert, generell gegen eine Aussetzung des Prozesses der klageweisenden Geltendmachung der Forderung bis zur Entscheidung des Prozesses, in dem die Forderung aufrechnungsweise geltend gemacht werde, spreche, dass die notwendige Prüfung, ob im Aufrechnungsprozess mit einer Entscheidung über die aufgerechnete Forderung zu rechnen ist, unter Umständen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordere, wobei das Ergebnis nicht selten ungewiss bleibe.
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Hieraus lässt sich jedoch kein Argument für die Zulässigkeit der Aussetzung des Prozesses herleiten, in dem die Aufrechnung erklärt wurde.
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Dasselbe gilt für das Argument des Oberlandesgerichts Dresden, es sei zu berücksichtigen, dass das Gericht, das für die klageweise Geltendmachung zuständig sei, nach der gesetzlichen Regelung, die Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten Rechnung trage (Schuldnerschutz, besondere Sachnähe und anderes mehr), das eigentlich und in erster Linie zuständige Gericht sei, während die Zuständigkeit des Gerichts des Aufrechnungsprozesses, sehe man es von der aufgerechneten Forderung her, eine zufällige sei, die die gesetzliche Zuständigkeitsordnung durchbreche und sich nur durch die Aufrechnungsnotwendigkeit ergeben habe.
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Auch die weitere Erwägung des Oberlandesgerichts Dresden, der Streitstoff im Prozess, in dem die Forderung klageweise geltend gemacht werde, sei im Allgemeinen weniger umfangreich, so dass in diesem Prozess mit einer schnelleren Entscheidung zu rechnen sei, überzeugt nicht, da der Prozess, in dem die Forderung klageweise geltend gemacht wird, nicht ohne Rücksicht auf die erfolgte Primäraufrechnung entschieden werden kann.
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Eine Kostenentscheidung hatte zu unterbleiben, weil die Ausgangsentscheidung des Landgerichts über die Aussetzung des Verfahrens Bestandteil des Hauptverfahrens ist (BGH MDR 2006, 704).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZO) liegen nicht vor.

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