OLG Frankfurt am Main, 27.01.2016 – 17 U 16/15

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 27.01.2016 – 17 U 16/15
Leitsatz:

1.

Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. sowohl inhaltlich als auch in den äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az: II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014 m. w. N.)
2.

Der Senat neigt zu der Annahme, dass durch die Anbringung einer Fußnote, deren Text „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ sich zudem außerhalb der Umrandung befindet, gerade keine inhaltliche Bearbeitung des Textes stattfinden sollte, sodass diese einem Vertrauensschutz im Zweifel noch nicht entgegensteht. Soweit Ziffer 9 der Gestaltungshinweise der Anlage 2 zu § 14 BGB-lnfoV vorsieht, dass für das Vorliegen eines finanzierten Geschäftes mehrere Alternativen der Belehrung zur Verfügung stehen, weicht eine Bank im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Gestaltung der Widerrufsbelehrung durch die von ihr bearbeiteten Gestaltungshinweise unter Verlust des Vertrauensschutzes des § 14 BGB-lnfoV inhaltlich von der vorgesehenen Gestaltung ab, wenn sie ohne das Vorliegen eines finanzierten Geschäftes bei mehreren dafür zur Verfügung stehenden Alternativen der Belehrung diese ungeachtet des Inhalts der vorgegebenen Gestaltungshinweise verwendet.
3.

Die Erklärung eines Widerrufs zwei Monate nach Rückführung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ist weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich. Indem ein Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben kann, liegt auch dann kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Verbraucher – wie hier – für sich keinen Übereilungsschutz in Anspruch zu nehmen gedenkt, sondern aus dem Widerruf einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen will.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.12.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden – Az. 9 O 95/14 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.072,33 € festgesetzt.
Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung eines Teilbetrags zweier von ihm gezahlter Vorfälligkeitsentschädigungen nach dem Widerruf zweier Darlehensverträge.

Der Kläger schloss als Verbraucher mit der Beklagten im Juni 2007 einen Darlehensvertrag zur Nr. …1 über ein Darlehen im Nennbetrag von 66.500,- € bei einer Zinsfestschreibung bis zum 30.04.2018, wobei wegen der Einzelheiten des schriftlichen Vertrages auf dessen Kopie (Anlage K 1) verwiesen wird. Diesem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, wobei wegen deren Inhalt und Ausgestaltung ebenfalls auf deren Kopie (Bl. 9 d.A.) Bezug genommen wird. In Zusammenhang mit der Veräußerung der finanzierten Immobilie löste der Kläger das Darlehen im Januar 2014 durch am 07.01.2014 erfolgte Zahlung einer von der Beklagten berechneten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.072,33 € ab.

Der Kläger schloss als Verbraucher im Juni 2007 ebenfalls zur Finanzierung der Immobilie mit der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag zu der Nr. …2 über einen Darlehensbetrag in Höhe von 333.500,- € bei entsprechender Zinsfestschreibung bis zum 30.04.2018. Auch insoweit wird wegen des Inhalts des Darlehensvertrages sowie der Widerrufsbelehrung auf die entsprechenden Kopien (Anlage K 10, Bl. 95 ff. d.A.) verwiesen. Auch dieses Darlehen löste der Kläger durch Zahlung einer von der Beklagten begehrten Vorfälligkeitsentschädigung am 15.01.2014 in Höhe von 46.524,85 € in Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie ab.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2014 ließ der Kläger in seinem Namen seine Erklärungen zum Abschluss der oben dargestellten Darlehensverträge widerrufen, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf die Anlage K 2 Bezug genommen wird.

Der Kläger hat vorgetragen, dass sein Widerrufsrecht mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB noch nicht erloschen sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, da die streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen der Beklagten sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung nicht vollständig der Musterwiderrufsbelehrung entsprächen. Insbesondere sei die Aufnahme der zusätzlichen Worte in der Überschrift: „Zu Darlehens-/Kreditvertrag vom 21.06.2007“ und die Fußnote 1 mit dem Inhalt: „Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z.B. Darlehensvertrag vom …“ sowie die Einfügung einer Fußnote 2 („Bitte Frist im Einzelfall prüfen“) nach dem ersten Satz im Text der Widerrufsbelehrung als wesentliche Abweichung von der Musterbelehrung zu bewerten. Zudem stelle die Wiedergabe von Ausfüllhinweisen im ersten Absatz der Widerrufsbelehrung eine wesentliche und beachtliche Abweichung von der Musterbelehrung dar. Letztlich sei zudem zu beachten, dass entgegen des Gestaltungshinweises in Nr. 9 zur Muster-Widerrufsbelehrung im Absatz: Finanzierte Geschäfte“ der dort vorgesehene Satz: „Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen“ durch den Satz: „Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zur-Verfügung-Stellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt“ ersetzt wurde. Durch die sprachliche Veränderung des Satzes entfalle die Schutzwirkung der Verwendung der Musterbelehrung. Insbesondere bei der Fußnote 2 und der kumulativen Beschreibung zu einem „verbundenen Vertrag“ im Sinne von § 358 BGB handele es sich um Änderungen, die den Musterschutz entfallen ließen. Zudem genügte die Widerrufsbelehrung auch nicht dem sich § 355 Abs. 2 BGB ergebenden Deutlichkeitsgebot, da die Länge der Widerrufsfrist aufgrund der eingefügten Fußnote 2 für den Verbraucher unklar sei. Auch der Beginn der Berechnung der Widerrufsfrist sei unklar, da aus der Belehrung nicht hervorgehe, unter welchen Umständen die Frist später als mit dem Erhalt der Belehrung zu laufen beginne.

Insoweit sei die Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ unklar und entspreche nicht dem Deutlichkeitsgebot. Auch die kumulative Erläuterung des Vorliegens eines finanzierten Geschäftes im Allgemeinen und eines finanzierten Erwerbs eines Grundstücks- oder grundstücksgleichen Rechtes verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot. Letztlich handele es sich bei dem gesamten Absatz „Finanzierte Geschäfte“ um eine unzulässige Ergänzung, weil es zu diesem Darlehensvertrag vorliegenden keinen verbundenen Vertrag i.S.d.§ 358 BGB gebe.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der auf den einen Darlehensvertrag gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.072,33 € sowie eine Teilrückzahlung in Höhe von 12.000,- € der auf den weiteren Darlehensvertrag gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung sowie Herausgabe der Nutzungen, wobei eine Vermutung dafür spreche, dass die Beklagte Nutzungen aus den geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gezogen habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.072,33 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus einem Betrag von 9.072,33 € ab dem 08.01.2014 und aus einem Betrag von 12.000,- € ab dem 16.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass das 14tägige Widerrufsrecht des Klägers zum Zeitpunkt seiner Widerrufserklärung abgelaufen gewesen sei. In der abweichenden Überschrift sei keine inhaltliche Veränderung der Musterbelehrung zu sehen, da der Zusatz lediglich klarstelle, auf welchen Darlehensvertrag sich die Belehrung beziehe. Auch aus der Anfügung von Fußnote 2 ergebe sich keine inhaltliche Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung, da der Fußnotentext sich nicht an den Darlehensnehmer richte, das Widerrufsrecht nicht tangiere und den

Darlehensnehmer in keiner Weise betreffe. Zudem sei der Fußnotentext außerhalb der eingerahmten Widerrufsbelehrung abgedruckt und wende sich erkennbar an den Sachbearbeiter der Beklagten. Auch bezüglich des Klammerzusatzes in der Widerrufsbelehrung vor den Angaben zur konkreten Adressierung des Widerrufsschreibens bezüglich des Empfängers müsse beachtet werden, dass eine inhaltliche Veränderung gegenüber dem Mustertext nicht vorliege. Die Ergänzung stelle lediglich einen Ausfüllhinweis dar. Weiterhin stehe der enthaltene Passus zu den finanzierten Geschäften in vollständigem Einklang mit der Musterbelehrung, wobei die Beklagte auch berechtigt gewesen sei, die Belehrung zu einem verbundenen Geschäft zu erteilen, selbst wenn es sich vorliegend nicht um ein solches gehandelt habe, da der Verordnungsgeber nicht verlangt habe, den Passus nur dann zu verwenden, wenn es sich tatsächlich auch um ein finanziertes Geschäft gehandelt habe. Bezüglich der sprachlichen Fassung der Widerrufsbelehrung der Beklagten unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ sei zu beachten, dass eine inhaltliche Abweichung oder missverständliche Gestaltung nicht gegeben sei, sondern allenfalls eine Verdoppelung der erforderlichen Hinweise. Zudem sei der Widerruf des Klägers rechtsmissbräuchlich, da es ihm nur darum gehe, die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung wieder zu erhalten. Damit nutze der Kläger in treuwidriger Weise eine von ihm behauptete, tatsächlich aber nicht bestehende formale Rechtsposition zur Erreichung von vertragsfremden Zielen aus. Es sei auch nicht erkennbar, dass sich ein etwaiger Mangel der Belehrung zu seinem Nachteil ausgewirkt habe.

Das Landgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 18.12.2014 die Beklagte entsprechend der Anträge des Klägers zur Rückzahlung der geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger die Darlehensverträge wirksam widerrufen habe. Die Widerrufsbelehrung habe in beiden Fällen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, da die von den Beklagten verwendete Klausel, dass die Widerrufsfrist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne, keinen eindeutigen Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist enthalte. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV berufen, da sie die Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen habe, da die dem Kläger erteilte Belehrung ihrem Wortlaut nach nicht in jeder Hinsicht dem

Muster in der seinerzeit geltenden Fassung entsprochen habe. Jedenfalls in der Einfügung der Fußnote 2 mit dem entsprechenden Text liege eine beachtliche und erhebliche Abweichung vor. Zudem sei auch entgegen des Gestaltungshinweises unter Ziffer 9 der Anlage 2 zur damals gültigen BGB-InfoV vorliegend eine inhaltliche und textliche Änderung der Musterbelehrung vorgenommen worden, so dass die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV entfalle. Dabei sei es unerheblich, welche Auswirkungen diese Änderungen für die Frage des Schutzes der Beklagten als Verwender habe, da Abweichungen im Sinne der Rechtsprechung gegeben seien. Vor allem die Einfügung der Fußnote 2 mit dem Zusatz „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ und die abweichende Formulierung zu den finanzierten Geschäften in der Widerrufsbelehrung gegenüber dem Muster lasse den Musterschutz entfallen. Zwar lasse die Ziffer 9 der Musterbelehrung eindeutig zu, dass ein Hinweis auch dann erteilt werden könne, wenn kein verbundenes Geschäft vorliege, doch habe die Beklagte im dritten Absatz inhaltliche Änderungen des Belehrungstextes durch Abweichungen und Ergänzungen vorgenommen. Schließlich sei der Widerruf auch nicht rechtsmissbräuchlich und zwar unabhängig davon, ob man von einer Kündigung des Darlehensvertrages durch den Kläger oder einer einvernehmlichen Aufhebungsvereinbarung ausgehe. Zwar mache ein Vertragspartner mit der Abgabe der Kündigungserklärung grundsätzlich von seinem Wahlrecht zwischen den beiden Gestaltungsrechten Kündigung und Widerruf Gebrauch, doch führe dies vorliegend nicht zum Entfallen des Widerrufsrechtes, da der Kläger über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei und sein Wahlrecht somit habe nicht sachgerecht ausüben können. Auch eine Verwirkung des Widerrufsrechtes sei nicht eingetreten, da es jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment fehle. Ein schutzwürdiges Vertrauen habe die Beklagte nicht in Anspruch nehmen können, da sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäß Widerrufsbelehrung erteilt habe. Insofern liege auch keine unzulässige Rechtsausübung vor. Schließlich habe der Kläger auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen, wobei bei der Beklagten als Bank zu vermuten sei, dass sie Nutzungen in Höhe des Verzugszinssatzes des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gezogen habe.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird insoweit gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie trägt vor, dass die Ergänzung der Überschrift keine inhaltliche Veränderung des Mustertextes darstelle. Auch das Einfügen der Fußnote 2 stelle keine Abweichung dar, da diese gerade nicht Inhalt der Widerrufsbelehrung geworden sei, sondern außerhalb der eingerahmten Belehrung stehe. Im Übrigen sei auch klar erkennbar, dass sich diese an den Sachbearbeiter der Beklagten richte. Schließlich habe die nur klarstellende und marginale Abweichung des Belehrungstextes von dem Mustertext gemäß Ziffer 9 der Ausfüllhinweise keine Auswirkung auf die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung. Auch die Formulierung zu den finanzierten Geschäften sei nicht zu beanstanden, da diese so gewählt sei, dass der Verbraucher unschwer erkennen könne, dass im konkreten Fall eine wirtschaftliche Einheit eben nicht anzunehmen sei, da die Beklagte nicht Vertragspartner im Rahmen des Grundstückserwerbes war. Schließlich seien auch die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Verwirkung nicht überzeugend, da hiermit letztlich eine „Bestrafung“ der Beklagten vorgenommen werde. Es fehle eine Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Sachverhalt, wonach der Kläger über einen Zeitraum von sieben Jahren das Darlehens bedient und dieses im Januar 2014 gegen vorbehaltlose Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abgelöst habe. Jedenfalls nach dieser Abwicklung der Darlehensverträge habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass kein Widerruf mehr erfolge. Im Übrigen verkenne das Erstgericht im Rahmen der Nutzungsentschädigung, dass sich bei Immobiliarkrediten der Verzugszinssatz gem. § 497 BGB auf lediglich 2,5 Prozentpunkte belaufe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 18.12.2014 (Az.: 9 O 95/14) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, dass dieses zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Widerrufsbelehrung unwirksam sei. Im Übrigen liege in dem Widerruf des Klägers auch kein Rechtsmissbrauch und dieses Recht sei auch nicht verwirkt worden. Das Landgericht habe vielmehr zu Recht den Musterschutz wegen der Einfügung der Fußnote sowie der fehlenden Ersetzung des 2. Satzes des Absatzes „Finanzierte Geschäfte“ versagt. Im Übrigen liege bereits in der Ergänzung der Überschrift eine inhaltliche Änderung der Musterbelehrung. Dies gelte zudem auch für den Klammerzusatz vor der Angabe zum Widerrufsadressaten ebenso wie die vom Landgericht zu Recht als Abweichung vom Mustertext eingeordnete Einfügung der Fußnotenverweise. Schließlich habe auch der Absatz „Finanzierte Geschäfte“ zu einem Wegfall des Musterschutzes geführt, da dieser nicht dem Muster entsprochen habe, auch wenn er vorliegend hätte weggelassen werden können. Weiter habe das Landgericht zutreffend dargestellt, dass weder ein Fall der Verwirkung noch des Rechtsmissbrauches vorliege. Dabei komme es nicht auf den Aspekt der „Bestrafung“ an, sondern darauf, dass neben dem Zeitmoment kein Umstandsmoment vorliege, da weder die Bedienung des Darlehens noch die vorzeitige Ablösung ein derartiges Vertrauen der Beklagten darauf, dass kein Widerruf erfolgen werde, rechtfertigen könnten. Weiterhin habe der Kläger Anspruch auf Nutzungsersatz in der zugesprochenen Höhe, da die Beklagte nicht dargelegt habe, dass ihre Nutzungen geringer als 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gewesen seien.

II.

Dem Kläger steht aufgrund des von ihm erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitszahlungen gem. § 346 Abs. 1, 2 BGB, i. V. m. §§ 495 Abs. 1, 355 a.F. zu.

Der von dem Kläger geltend gemachte Rückgewähranspruch gemäß § 346 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 495 Abs. 1, 355 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 gültigen Fassung (a.F.) ist grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gerechtfertigt.

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger, welcher als Verbraucher am Abschluss eines Darlehensvertrages beteiligt war, ein Widerrufsrecht nach §§ 495, 491 BGB a.F. anlässlich seiner Widerrufserklärung am 04.03.2014 zustand, da die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 BGB gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB noch nicht abgelaufen war. Der Widerspruch war auch dann noch als rechtzeitig erklärt zu behandeln, da der Lauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung zuvor nicht in Gang gesetzt worden ist. Insoweit beginnt nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, welche auch Namen und Anschriften desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn der Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. enthält.

Das Landgericht hat weiterhin zutreffend dargelegt, dass die Widerrufsbelehrung insofern zu beanstanden ist, als sie die Formulierung enthält „Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung.“ Diese Formulierung wird nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes den Maßstäben des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. und dem darin enthaltenen Deutlichkeitsgebot nicht gerecht. Denn eine Belehrung, die sich hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränkt, dass die Frist frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung beginnt, ist – wie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen geklärt ist – nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend, weil die Verwendung des Wortes „frühestens“ es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen (BGH, Urteil vom 15.08.2012, VIII ZR 378/11, Juris, m.w.N., OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.10.2014, 17 U 138/14, Juris, Rn. 25 m.w.N.; OLG Frankfurt, Urteil vom 26.08.2015, 17 U 202/14). Dieser vermag der Verbraucher lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnen, der Beginn des Fristlaufs also noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird damit darüber im Unklaren gelassen, um welche etwaigen Umstände es sich dabei handelt (BGH, Urteil vom 09.12.2009 – BGH, VIII ZR 219/08 VIII ZR 219/08, WM 2010, WM 2010 Seite 721 Rn. 13, WM 2010 Seite 721 Rn. 15; Urteil vom 29.04.2010 – BGH, I ZR 66/08 I ZR 66/08, WM 2010, WM 2010, Seite 2126, Rn. 21; Urteil vom 01.12.2010 – BGH, VIII ZR 82/10, WM 2011, WM 2011 Seite 86 Rn. Rn. 12; Urteil vom 02.02.2011 – BGH, VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn.14 [BGH 02.02.2011 – VIII ZR 103/10]; Urteil vom 28.06.2011 – BGH, XI ZR 349/10, WM 2011, WM 2011, Seite 1799 Rn. 34; Urteil vom 01.03.2012 – BGH, III ZR 83/11, NZG 2012, Seite 427, Rdnr. 15). Indem diese Belehrung den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärt, setzt sie den Verbraucher nicht in der gebotenen Weise in die Lage, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen, und verstößt damit gegen das Deutlichkeitsgebot (BGH, Urteil vom 17.01.2013, III ZR 145/12, Juris, Rn. 10 m.w.N., OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.4.2015, Beck RS 2015,09345, Rn. 22 m.w.N.).

Zudem hat das Landgericht weiterhin zutreffend ausgeführt, dass sich die Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der seinerzeit maßgeblichen Fassung berufen kann. Ein Vertrauensschutz zugunsten der Beklagten als Verwenderin der Widerrufsbelehrung ist nur dann anzunehmen, wenn das von der Beklagten verwendete Formular dem Muster der maßgeblichen Anlage zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 28.06.2011, XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 ff., Rn. 37; OLG Köln, Urteil vom 23.01.2013, 13 U 217/11, Juris, Rn. 21, jeweils m. w. N.). Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rdnr. 15; BGH v. 01.12.2010, Az. VIII ZR 82/10, Juris Rdnr. 15). Greift der Unternehmer in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11, Juris Rdnr. 17). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rdnr. 18). Zwar bleiben nach der Rechtsprechung geringfügige Anpassungen, wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz (vgl. hierzu BGH v. 20.11.2012, Az. II ZR 264/10, Juris Rdnr. 6) möglich (vgl. auch OLG Frankfurt v. 29.12.2014, Az. 23 U 80/14, Juris Rdnr. 17), doch liegt eine solche geringfügige Anpassung hier nicht vor. Demgemäß kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Abweichung von der Widerrufsbelehrung betreffe nur Nuancen ohne erkennbare eigentliche Abweichung hinsichtlich des bearbeiteten Textes. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.

Die verwendete Widerrufsbelehrung enthält zunächst abweichend von dem Mustertext einen Zusatz in der Überschrift sowie zwei Fußnotenverweise und einen Klammerzusatz, die in dem Mustertext nicht enthalten sind. Es kann letztlich vorliegend dahingestellt bleiben, inwiefern hierin eine inhaltliche Bearbeitung und damit Abweichung von der in Anlage 2 zur § 14 BGB-InfoV vorgesehenen Musterbelehrung liegt. Allerdings neigt der Senat zu der Annahme, dass durch die Anbringung der Fußnote 2, deren Text sich zudem außerhalb der Umrandung befindet, gerade keine inhaltliche Bearbeitung des Textes stattfinden sollte, sodass diese einem Vertrauensschutz noch nicht entgegen steht. Während diese damit nicht mehr Bestandteil der eigentlichen Widerrufsbelehrung ist, stellt sie und zudem keine inhaltliche Änderung dar, da sie lediglich klarstellt, dass die Frist im Einzelfall zu prüfen ist und damit weder die Angaben zu der Frist selbst oder zu deren Beginn und Lauf inhaltlich einer Bearbeitung unterzieht oder ändert (ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 01.06.2015, Az.: 6 U 13/15, Rdnr. 83,84, zitiert nach juris; a.A.: OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az.: 14 U 2439/14, juris, Rdnr. 31; OLG München, Urteil vom 21.10.2013, Az.: 19 U 1208/13; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.10.2012, Az.: 4 U 194/11). Dies gilt auch für die Fußnote 1 und den Zusatz in der Überschrift, da die Überschrift selbst nicht Bestandteil der Belehrung ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2011, Az. I ZR 123/10).

Allerdings sieht der Senat in dem dritten Absatz, der mit „Finanzierte Geschäfte“ überschrieben ist, eine inhaltliche Änderung und Abweichung von der Musterbelehrung. Zunächst ergibt sich klar aus dem Gestaltungshinweis Nr. 9 des damaligen Musters, dass diese Passage entfallen kann, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13, zitiert nach juris). Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine umfassende Belehrung für notwendig erachtet hat, dem Verwender jedoch freigestellt hat, auch auf diese Passage zu verzichten, wenn kein finanziertes Geschäft vorliegt. Hiervon hat die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht, sondern diesen Absatz dennoch aufgenommen, auch wenn kein verbundenes Geschäft i.S.d. § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB vorliegt. Weiterhin sieht Ziffer 9 der Gestaltungshinweise der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV vor, dass für das Vorliegen eines finanzierten Geschäftes mehrere Alternativen der Belehrung zur Verfügung stehen und zwar je nachdem, ob für das finanzierte Geschäft oder den Darlehensvertrag belehrt werden soll und um welche Art eines verbundenen Geschäfts es sich handelt, bspw. ob es um den finanzierten Erwerb eines Grundstückes geht. Vorliegend hat die Beklagte allerdings den Gestaltungshinweis Ziffer 9 des Musters betreffend die Hinweise für finanzierte Geschäfte missachtet, wonach im Fall des finanzierten Grundstückserwerbs Satz 2 der allgemeinen Hinweise zwingend durch spezielle Hinweise zu ersetzen ist. Denn statt Satz 2 zu ersetzen, hat die Beklagte die Belehrung betreffend den finanzierten Grundstückserwerb hinter Satz 2 in die vollständig beibehaltenen Hinweise für finanzierte Geschäfte eingefügt. Zudem hat sie die in den Gestaltungshinweisen vorgegebene Musterformulierung inhaltlich verändert, indem sie die einleitende Formulierung „Dies ist nur anzunehmen“ durch die abweichende und längere Formulierung „Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen“ ersetzt hat. Damit ist sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Gestaltung der Widerrufsbelehrung durch die von ihr bearbeiteten Gestaltungshinweise inhaltlich von der vorgesehenen Gestaltung abgewichen, so dass sie sich auf den Vertrauensschutz des § 14 BGB-InfoV nicht mehr berufen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rdnr. 18). Gerade dies ist vorliegend erfolgt, da die Beklagte durch Missachtung des Gestaltungshinweises Ziffer 9 und durch Umformulierung des vorgegebenen Mustertextes in das zur Verfügung gestellte Muster inhaltlich eingegriffen hat. Dann kann sie sich auf die mit einer unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen, unabhängig davon, ob der geänderte Teil der Musterbelehrung im konkreten Fall einschlägig ist (BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10, Rn. 39, zitiert nach juris; a.A. OLG Bamberg, aao.).

Da die Widerrufsbelehrung der Beklagten insoweit von der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. abweicht und die Beklagte schon aus diesem Grund keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen kann, kommt es nicht darauf an, ob die Widerrufsbelehrung auch wegen der anderen, von dem Kläger geltend gemachten Passagen von der Musterbelehrung abweicht.

Der Kläger hat sein Widerrufsrecht auch nicht verwirkt. Die Verwirkung der Widerrufsmöglichkeit schließt lediglich eine illoyal verspätete Inanspruchnahme eines Schuldners aus. Unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) setzt sie, insoweit der Verjährung ähnlich, eine zeitliche Grenze für die Rechtsausübung. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Für das Umstandsmoment ist maßgebend, dass die Beklagte bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten der Klägerin entnehmen durfte, dass diese ihre Rechte nicht mehr geltend machen werde und sich deshalb darauf eingerichtet hat, so dass die verspätete Geltendmachung daher mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar ist (vgl. BGH Urteil vom 18.10.2004, Az: II ZR 352/02, juris, Rdnr. 23 mwN.). Dabei besteht zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf eine Wechselwirkung insoweit, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGH, Urteil vom 19.10.2005 – XII ZR 224/03, juris Rdnr. 22 f. mwN.).

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob hier das Zeitmoment erfüllt ist, indem der Kläger das Widerrufsrecht etwa 7 Jahre nach seiner auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Erklärung und zwei Monate nach der Zurückführung der Darlehen durch Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ausgeübt hat, da es jedenfalls an dem zusätzlich notwendigen Umstandsmoment bezüglich der bereits abgewickelten Darlehensverträge fehlt. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, sich deshalb hierauf eingerichtet hat und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 – II ZR 352/02, juris, Rn. 23; Urteil vom 11. Oktober 2012 – VII ZR 10/11, juris Rn. 20 f.; Urteil vom 20. Juli 2010 – EnZR 23/09, juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 – EnZR 16/12, juris Rn. 13). Gerade im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen zu stellen. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen. Die bloße Dauer zwischen dem widerrufenen Geschäft und dem Widerruf reicht dafür nicht aus (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 a. a. O., Tz. 23 f.).

Vorliegend steht außer der vollständigen Rückführung des Darlehens kein Verhalten des Klägers im Raum, aus dem die Beklagte bei objektiver Betrachtung den Schluss ziehen durfte, der Kläger werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Vertrages allein reicht aber ebenso wenig wie die Rückführung des Darlehens aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (Senat a.O. m.w.N.; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145, 2149; a. A.: OLG Frankfurt, Urteil vom 07.08.2015, Az. 19 U 5/15, Juris Rn. 59 – Nichtzulassungsbeschwerde anhängig). Außer der seit der vollständigen Rückführung des Darlehens verstrichenen Zeit steht damit kein Verhalten der Kläger im Raum, aus dem die Beklagte bei objektiver Betrachtung den Schluss ziehen durfte, der Kläger würden sein Recht nicht mehr geltend machen. Überdies hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass sie sich auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts eingerichtet hätte und ihr ein unzumutbarer Nachteil entstünde, falls der Widerruf Wirksamkeit entfaltete. Schließlich wäre die Beklagte auch nicht schutzwürdig. Nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Derjenige, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet, muss mithin regelmäßig mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechnen (vgl. (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 39; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin würde auch der Kläger die Anlageentscheidung im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, begründet die Schutzwürdigkeit der Beklagten jedenfalls nicht (Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 36). Sonstigen begründete Umstände, aufgrund derer die Beklagte im konkreten Fall nicht mehr mit einem Widerruf nach der bereits erfolgten vollständigen Rückzahlung des Darlehensvertrages rechnen musste, liegen nicht vor. Da für beide Vertragsparteien das Schuldverhältnis abgewickelt und erledigt war, vermag zwar die Argumentation des Klägers nicht zu überzeugen, die Beklagte habe es in Kenntnis der Unwirksamkeit ihrer Widerrufsbelehrung selbst in den Händen gehabt, nachträglich durch eine erneute Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist von zwei Wochen in Gang zu setzen. Nach einer längst erfolgten Abwicklung des Darlehensvertrages kann es nach Treu und Glauben von einer finanzierenden Bank nicht mehr erwartet werden, sämtliche zurückliegenden Darlehensverträge zu überprüfen und durch eine nachträgliche Widerrufsbelehrung einen vom Kunden bis dahin nicht geltend gemachten Rückabwicklungsmechanismus in Lauf zu setzen. Allerdings kann sie dann auch kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, nicht mehr mit einer Rückabwicklung rechnen zu müssen (Senat a.a.O. Rn. 37). Dabei ist auch unmaßgeblich, aus welchen Gründen der Kläger nunmehr von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat. Denn während der Vertrauenstatbestand, den das Umstandsmoment voraussetzt, nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden kann (BGH, Urt. v. 23.01.2004 – VII ZR 177/13, a.a.O., juris Rn. 14; Urt. v. 09.10.2013 – XII ZR 59/12, a.a.O., juris Rn. 11 m. w. N.), kommt auch der Tatsache, aus welchen Gründen der Kläger nunmehr eine Rückabwicklung anstrebt, keine maßgebliche Bedeutung zu, da es gerade bei der Möglichkeit des Widerrufs der Erklärung nicht auf die dafür maßgebliche Motivation ankommt (Senat a.a.O. Rn. 35).

Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt sich die Ausübung des Widerrufs durch den Kläger auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Dem Kläger ist insbesondere nicht vorzuwerfen, sich mit der Erklärung des Widerrufs in einen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Übereinstimmung zu seinem früheren Verhalten stehenden Widerspruch gesetzt zu haben. Allein der Umstand, dass ein Berechtigter bis zur Ausübung eines ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkennt, kann der Geltendmachung von Rechten nach der Ausübung grundsätzlich nicht entgegenstehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42), da andernfalls die vom Gesetzgeber in § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. getroffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2015, Az. 31 U 40/15, Juris Rn. 7). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 40). Eine solche vorrangige Schutzwürdigkeit kann ein Unternehmer nicht für sich beanspruchen, wenn er es – so wie hier – versäumt hat, den Verbraucher über sein Widerrufs bzw. Widerspruchsrecht zu belehren (vgl. BGH a.a.O.).

Die Geltendmachung des Widerrufsrechtes ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie zu einem Zweck erfolgte, der der Zwecksetzung der Norm, die das Widerrufsrecht grundsätzlich eröffnet, zuwiderliefe. Zwar liegen Sinn und Zweck eines Widerrufsrechts grundsätzlich darin, dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, die Sinnhaftigkeit des von ihm abgeschlossenen Vertrages im Nachhinein noch einmal zu überdenken und auf eine voreilige Entschließung überprüfen zu können. Dennoch kann von einem Rechtsmissbrauch auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Verbraucher – wie hier – für sich keinen Übereilungsschutz in Anspruch zu nehmen gedenkt, sondern aus dem Widerruf einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen will (vgl. Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 35; a.A. OLG Hamburg, Urteil vom 02.04.2015, Az.: 13 U 87/14, zitiert nach , Rdnr.20 ff.). Nach der gesetzlichen Regelung kann ein Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben (vgl. § 355 Abs.1 S.2 BGB a.F.); eine wie auch immer geartete „Gesinnungsprüfung“ findet nicht statt – und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Insofern ist es ohne Weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2015, Az. 6 U 148/14, Juris Rn. 44; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 [2148]; a.A.: OLG Hamburg, Urteil vom 02.04.2015, Az. 13 U 87/14, BeckRS 2015, 17033, Rn. 18 ff.).

Aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs des Vertrages sind nach §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB a.F. die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Vorliegend sind somit – wie von dem Kläger beantragt – die von ihm gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen zurück zu gewähren.

Weiterhin sind gem. §§ 346 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Unstreitig ist die Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.072,33 € am 07.01.2014 der Beklagten und der weitere Betrag der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 46.524,85 € am 15.01.2014 der Beklagten zugegangen, so dass diese jeweils ab dem 08.01.2014 bzw. dem 16.01.2014 hieraus Nutzungen ziehen konnte. Die Höhe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen ist, wenn – wie hier – hinreichende Angaben zur Berechnung der durchschnittlichen Wiederanlagezinsen fehlen, gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Dabei sind das allgemeine Zinsniveau und seine Veränderungen in dem Zeitraum, in dem der rechtgrundlos erlangte Betrag zur Anlage zur Verfügung stand, zu berücksichtigen. Dies kann durch Anknüpfung an den jeweiligen Basiszinssatz und einen Aufschlag von 5 Prozentpunkten erfolgen, denn was für die Berechnung des Verzugsschadens nach § 288 Abs. 1 BGB zugunsten einer Bank gilt, muss auch bei der Schätzung von Nutzungszinsen zu ihren Lasten gelten (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2011, Az.: XI ZR 212/10; BGH vom 12. Mai 1998 – XI ZR 79/97, WM 1998, 1325, 1326 f. und vom 14. Mai 2002 – XI ZR 148/01, juris, Rn. 23). Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung darauf verweist, dass für den Verzug bei Immobiliarkrediten gem. § 497 BGB i.V.m. § 503 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB nur ein Zinssatz von 2,5 % über dem Basiszinssatz anfällt, vermag dies nicht zu überzeugen, da es sich vorliegend gerade nicht um einen Verzug eines Verbrauchers bei einem Immobiliarkredit handelt, sondern die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die der Bank in dieser Höhe zur Verfügung steht, um hieraus Nutzungen zu ziehen, nämlich sie gewinnbringend anzulegen oder als Dispositionskredit an Dritte zu geben. Mangels weiteren konkreten substantiierten Vortrags der Beklagten zu der Höhe der gezogenen Nutzungen erscheint vorliegend die Zugrundelegung des gesetzlichen Zinssatzes aus den obigen Gründen gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 GKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Senat weicht zwar hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs von der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg und des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ab. Er bewegt sich dabei jedoch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Verkündet am 27.01.2016

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