OLG Frankfurt am Main, 29.05.2015 – 18 W 102/15

April 8, 2019

OLG Frankfurt am Main, 29.05.2015 – 18 W 102/15
Tenor:

Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Stadt1 vom 8.4.2015 gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.3.2015 wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf € 15,- festgesetzt.
Gründe

I.

Die Kostenschuldnerin und Beschwerdegegnerin hat unter dem 25.8.2014 bei dem Amtsgericht Stadt1 die Erteilung einer Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis beantragt. Das Amtsgericht hat mitgeteilt, dass keine Eintragung vorhanden sei (sog. Negativauskunft) und hat der Beschwerdegegnerin unter dem 28.8.2014 in Anwendung der Ziff. 1401 der Anlage zum JVKostG den Betrag von € 15,- in Rechnung gestellt (Az.: …; Kassenzeichen …). Gegen diesen Kostenansatz hat die Kostenschuldnerin Erinnerung eingelegt und die Auffassung vertreten, eine derartige Negativauskunft sei kostenfrei, da es sich nicht um eine der in § 1 II Ziff. 1 – 7 JVKostG aufgeführten Angelegenheiten handele. Mit richterlichem Beschluss vom 10.11.2014 (Bl. 10 f d.A.) hat das Amtsgericht die Kostenrechnung aufgehoben und die Ansicht vertreten, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühr. Denn eine Kostenerhebung könne nur auf der Basis landesrechtlicher Vorschriften erfolgen. Solche seien nicht gegeben. Zwar verweise das HessJustizkostenG auf die bundesrechtliche JustizKO. Diese sei jedoch mit Erlass des JVKostG aufgehoben worden. Gegen diesen Beschluss hat die Landeskasse als Kostengläubigerin unter dem 27.11.2014 Beschwerde eingelegt (Bl. 15 f d.A.), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 9.12.2014, Bl. 22 d.A.). Das Landgericht hat die Beschwerde unter Zulassung der weiteren Beschwerde zurückgewiesen (Kammerbeschluss vom 25.3.2015, Bl. 36 ff d.A.). Gegen diese Entscheidung hat die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht als Vertreterin der Landeskasse unter dem 8.4.2015 weitere Beschwerde eingelegt (Bl. 42 ff d.A.).

II.

1. Das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5.3.2015 ist als fristunabhängige weitere Beschwerde nach § 66 IV S. 1 GKG statthaft, denn eine solche ist durch das Landgericht als Beschwerdegericht zugelassen worden. Zwar findet § 66 GKG nicht unmittelbar Anwendung, da der in § 1 GKG geregelte Geltungsbereich des Gesetzes nicht betroffen ist. Die Anwendbarkeit des § 66 II – VIII GKG folgt jedoch aus § 22 I JVKostG. Nach § 1 IV des seit 1.8.2013 (also vor der am 26.8.2014 eingegangenen Anfrage) geltenden Gesetzes über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung (JVKostG) ist dieses Gesetz auch auf das gerichtliche Verfahren anzuwenden, wenn in Justizverwaltungsangelegenheiten der Länder die Kosten nach landesrechtlichen Vorschriften erhoben werden. Die letztgenannten Voraussetzungen liegen vor. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Erteilung einer sog. Negativauskunft tatsächlich um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt. Denn für die Frage, welches Rechtsmittel statthaft ist, kann nach dem Meistbegünstigungsprinzip (siehe z.B. BGH, NJW 2012, 1591 [BGH 08.02.2012 – XII ZB 165/11]) jedenfalls auf die rechtliche Einordnung abgestellt werden, die dem angegriffenen Hoheitsakt zugrunde liegt. Dabei zeigt der Umstand, dass mit einer Kostenrechnung der Landeskasse unterschiedliche Kostenarten geltend gemacht werden, dass jedenfalls in dieser Konstellation hinsichtlich der Herleitung des statthaften Rechtsmittels nicht auf die Rechtsform des anzugreifenden Hoheitsakts abgestellt werden kann, sondern die inhaltliche Qualifikation der in der Rechnung angesetzten Kosten maßgeblich sein muss. Wie sich aus der streitbefangenen Kostenrechnung ergibt, ist bei deren Erstellung Ziff. 1401 der Anlage zu § 4 I JVKostG herangezogen worden. Geht der belastende Hoheitsakt angesichts dessen von Kosten aus, die in einer Justizverwaltungsangelegenheit des Landes entstanden sind, muss diese Einordnung selbst dann für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels maßgeblich sein, wenn sie nicht zutreffend sein sollte.

2. Nach § 66 VI S. 1 GKG entscheidet der Senat in vollständiger geschäftsplanmäßiger Besetzung, da der mit dem Rechtsmittel angegriffene Beschluss nicht von einem Einzelrichter stammt.

3. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Denn die durch die Landeskasse erstellte Kostenrechnung ist nicht zutreffend und zu Recht aufgehoben worden.

3.1 Ziff. 1401 der Anlage zu § 4 I JVKostG ist in der vorliegenden Fallgestaltung nicht anwendbar.

a) Eine unmittelbare Heranziehung dieses Gebührentatbestands scheidet a priori aus, da das JVKostG nach dessen § 1 I Kosten der Justizbehörden des Bundes in Justizverwaltungsangelegenheiten betrifft und einer der in § 1 II JVKostG geregelten Fälle nicht vorliegt.

b) Eine Anwendung des JVKostG auf der Basis des § 1 HessJustizkostenG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.3.2015 (GVBl. 2015, 126) verbietet sich ebenfalls. Zwar enthält § 1 I des geänderten Gesetzes nunmehr einen Verweis auf die Vorschriften des JVKostG. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Gesetzesänderung bereits vollendete Sachverhalte erfassen soll, zumal dies mit dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot kollidieren würde.

c) In der vor Erlass des Änderungsgesetzes vom 25.3.2015 gültigen Fassung enthielt § 1 HessJustizkostenG folgende Regelung:

In Justizverwaltungsangelegenheiten erheben die Justizbehörden des Landes Kosten (Gebühren und Auslagen) nach der Justizverwaltungskostenordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 363-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044), und den Vorschriften dieses Gesetzes sowie dem anliegenden Gebührenverzeichnis.

Der Beschwerdeführerin mag einzuräumen sein, dass es im Falle einer sog. dynamischen Verweisung, i. S. v. einer Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des in Bezug genommenen Gesetzes, einer überzogen formalen Betrachtungsweise entspricht, die Verweisung leer laufen zu lassen, wenn das in Bezug genommene Gesetz nicht nur in Einzelregelungen geändert, sondern insgesamt neu gefasst wird und einen anderen Namen erhält. Dies bedarf aber keiner Vertiefung.

Denn eine in diesem Sinne dynamische Verweisung auf die bundesrechtlichen Vorschriften liegt nicht vor – so dass es auch keiner Erörterung bedarf, in welchem Maße eine solche im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Landes zulässig wäre. Der Landesgesetzgeber hat nicht etwa auf die JustizKO „in der jeweils gültigen Fassung“ verwiesen, sondern auf die im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 363-1, veröffentlichte bereinigte Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044). Er hat auf diese Weise nach dem Gesetzeswortlaut auf eine ganz bestimmte Gesetzesfassung zurückgegriffen (sog. statische Verweisung).

Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Auslegung der Vorschrift im Sinne einer dynamischen Verweisung ist nicht möglich. Denn es fehlt an objektivierbaren Anhaltspunkten für die Annahme, der Landesgesetzgeber habe die jeweils gültige Fassung der JustizKO in Bezug nehmen wollen. Abgesehen davon, dass es sich in diesem Falle erübrigt hätte, die letzte Gesetzesänderung vom 22.12.2011 ausdrücklich zu benennen, enthält keine der früheren Fassungen des HessJustizkostenG in § 1 eine als dynamisch erkennbare Verweisung. Lediglich nach der neuesten, seit März 2015 gültigen Änderung des § 1 HessJustizkostenG findet sich im Gesetz im Verweis auf das JVKostG der Zusatz „in der jeweils geltenden Fassung“.

3.2 Die angegriffene Kostenrechnung erweist sich auch nicht unter Rückgriff auf die JVKostO in der ab 22.12.2011 gültigen Fassung als (teilweise) richtig. Die JVKostO enthält zwar in der Anlage zu § 2 I einzelne Gebührentatbestände und weist unter Ziff. 800 eine Gebühr von € 10,- für „Bescheinigungen und schriftliche Auskünfte aus Akten und Büchern“ aus. Diese Gebührenziffer ist auf die vorliegend erteilte Negativauskunft aber nicht anwendbar. Denn bei dem Hinweis, es seien keine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorhanden, handelt es sich gerade nicht um eine Bescheinigung oder Auskunft aus Akten etc. Bezeichnenderweise wurde in die entsprechende Gebührenregelung nach Ziff. 1401 JVKostG der Zusatz aufgenommen: „Die Gebühr wird auch für eine Bescheinigung erhoben, aus der sich ergibt, dass entsprechende Akten nicht geführt werden oder ein entsprechendes Verfahren nicht anhängig ist.“

4. Nach § 66 VIII GKG ist das Beschwerdeverfahren gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der vorsorglich festgesetzte Beschwerdewert entspricht dem angesetzten Kostenbetrag.

5. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde erübrigt sich. Denn nach § 66 III S. 3 GKG findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt.

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