OLG Frankfurt am Main, 29.07.2015 – 12 U 34/14

April 7, 2019

OLG Frankfurt am Main, 29.07.2015 – 12 U 34/14
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29.1.2014 (Az. 19 O 463/12) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe

Von einer Darstellung des Tatbestands wird abgesehen, § 540 Abs. 2 ZPO.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet und war zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil den vorgetragenen Sachverhalt zutreffend festgestellt und die Rechtsfragen rechtsfehlerfrei beantwortet hat. Der Vergütungsanspruch besteht gem. der §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 2 BGB, 1, 2, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 RVG in der vom Landgericht zuerkannten Höhe. Auf das Urteil wird daher gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1.

Die Sozialplanabfindung war Gegenstand des Mandats, weil die Beklagte von ihrer Arbeitgeberin vor die Alternative einer betriebsbedingten Kündigung oder einer Annahme eines Abfindungsangebotes gestellt worden war, wobei die Arbeitgeberin das Bestehen eines Sozialplanabfindungsanspruchs streitig gestellt hatte und sich die Beklagte in dieser Situation mit der Bitte um Rechtsrat und Vertretung an die Klägerin wandte. Die Auffassung der Beklagten, die Sozialplanabfindung sei ausweislich der Anlage K1 von der Arbeitgeberin angeboten worden, lässt den Kontext der zugleich angedrohten betriebsbedingten Kündigung außer Betracht. Angesichts der Alternaivität einer betriebsbedingten Kündigung und eines Angebots auf Abfindung lag es im erkennbaren Interesse der Beklagten, von der Klägerin über die ihr günstigere und aussichtsreichere Lösung beraten zu werden. Dass die Klägerin hierüber auch beraten hat, ist zwischen den Parteien außer Streit.

2.

Die von der Klägerin unternommene Wertaddition zwischen dem Kündigungsschutzanspruch und dem Anspruch aus dem Sozialplan verstößt nicht gegen § 42 Abs. 3 GKG, weil es sich um selbstständige Gegenstände handelt. Der Sozialplan stellt keinen Ersatz für das Arbeitsverhältnis dar (vgl. LAG Hamburg vom 22.1.2013, 5 Ta 33/12, Juristisches Büro 2013,251, zit. nach Juris Rn. 5).

3.

a)

Die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Rahmengebühr mit dem Faktor 1,8 aus Nr. 2300 VV RVG war nach dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer vom 5.6.2013 (Bl. 72 ff.) angemessen, weil die Tätigkeit überdurchschnittlich schwierig war. Denn der Beklagten war eine betriebsbedingte Kündigung durch einen Großbetrieb angedroht, die auf das Vorliegen betriebsbedingter Kündigungsgründe, die Sozialauswahl, die Möglichkeit an einer Weiterbeschäftigung in einem anderen Betriebsstätte und das Bestehen von Ansprüchen aus dem Sozialplan zu überprüfen war. Darüber hinaus war die Angelegenheit für die Beklagte von besonderer Bedeutung, weil der Arbeitgeber die Beendigung eines seit 28 Jahren bestehenden Lebensarbeitszeitverhältnisses beabsichtigte und die Klägerin im Lebensalter von 5x Jahren das Risiko eines altersbedingten dauerhaften Ausscheidens aus dem Erwerbsleben zu gewärtigen hatte.

Die von der Beklagten ins Feld geführte vorgebliche Mangelhaftigkeit des Gutachtens der Rechtsanwaltskammer liegt außerhalb jeder konsentierbaren Rechtsauffassung. Das Gutachten ist vielmehr besonders gründlich und deckt auch die kritischen Punkte – wie etwa den bestrittenen Umfang der Tätigkeit – nicht zu, sondern würdigt auch diese bei der Abwägung.

b)

Eine Reduzierung der Rahmengebühr ist auch nicht deswegen geboten, weil die Klägerin mehrere Arbeitnehmer derselben Arbeitgeberin parallel vertreten hat. Die Berufung verkennt mit ihrem Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 26.2.2013, XI ZR 345/15, Juristisches Büro 2013, 418 schon im Ansatz, dass die Rahmengebühr vom Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Eine Unbilligkeit der Bestimmung kann unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 26.2.2013 schon deshalb nicht begründet werden, weil es vorliegend offensichtlich an einer standardisierten Bearbeitung durch gleich lautende Anspruchsschreiben fehlt. Dass die Klägerin im Gegenteil die Sozialauswahl der einzelnen, von ihr vertretenen Arbeitnehmer durch das Großunternehmen ebenso individuell prüfen musste wie die auf den Arbeitsplatz und die berufliche Qualifikation zugeschnittene Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung an einer anderen Betriebsstätte, ist offensichtlich. Eine unbillige Bestimmung ist daher unter Berücksichtigung des Gutachtens der Rechtsanwaltskammer fern liegend.

4.

Die rechnerische Ermittlung der Gebührenhöhe aus dem Gegenstandswert ist unbestritten und zutreffend.

5.

Der vom Landgericht zuerkannte Zinsanspruch ist aus der fristgebundenen Aufforderung vom 15.4.2011 nach Ablauf der dort gesetzten Zahlungsfrist im Rahmen der gestellten Anträge gemäß der §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.

6.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor, weil es sich um eine Entscheidung in einem Einzelfall auf der Grundlage gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt.

Die mit Schriftsatz vom 29.7.2015 erklärte Rücknahme der Berufung konnte gemäß § 516 Abs. 1 BGB keine Wirkung mehr entfalten, weil das Berufungsurteil bei Eingang des Schriftsatzes um 10:49 Uhr bereits verkündet war.

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