OLG Frankfurt am Main, 30.11.2016 – 19 U 179/16

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 30.11.2016 – 19 U 179/16
Tenor:

In dem Rechtsstreit (…)

weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Gründe

I.

Die Parteien schlossen am 22.05.2009 einen grundpfandrechtlich besicherten Darlehensvertrag über 50.000,00 €, den die Kläger in den Folgejahren bedienten. Mit Schreiben vom 11.09.2015 widerriefen sie ihre auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen. In der Sache streiten die Parteien darüber, ob dieser Widerruf wirksam war. Die Kläger begehren die Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 119 ff. d. A.) Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die Kläger erstinstanzlich gerügt haben, die im Vertrag enthaltene Widerrufsbelehrung informiere nicht zutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist, weil die verwendete Formulierung den Eindruck erwecke, die Widerrufsfrist beginne bereits am Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Bank und damit unabhängig von der Vertragserklärung des Verbrauchers, zumal das Angebot der Beklagten bereits mit „Darlehensvertrag“ überschrieben sei. Weiterhin sei der Belehrungstext verwirrend, weil der Verbraucher nicht direkt („Sie“) angesprochen werde. Schließlich würden die Widerrufsfolgen in der Belehrung nur verkürzt und unvollständig dargestellt; es fehle der Hinweis auf die 30-tägige Frist.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.07.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass den Klägern gegen die Beklagte keine Ansprüche aufgrund des Widerrufs des streitgegenständlichen Darlehensvertrages zustünden, weil einem etwaigen Widerrufsrecht die Einwände der unzulässigen Rechtsausübung und der Verwirkung entgegenstünden. Der Widerruf der Kläger verstoße gegen § 242 BGB, weil durch ihn die formal bestehende Widerrufsmöglichkeit zur Erreichung vertragsfremder Zwecke, namentlich der Einsparung von Zinsen und einer Vorfälligkeitsentschädigung, ausgenutzt werde. Auch die Voraussetzungen des Zeit- und des Umstandsmoments für die Verwirkung seien erfüllt, nachdem die Kläger ihren Widerruf erst über 5 Jahre nach Vertragsschluss erklärt und das Darlehen, auf das sie angewiesen gewesen seien, über einen langen Zeitraum hinweg bedient hätten. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Kläger aufgrund der Belehrung durch die Beklagte dem Grunde nach um ihr Widerrufsrecht gewusst hätten, es jedoch gleichwohl zunächst nicht ausgeübt hätten. Zugunsten der Beklagten sei andererseits die Anwendung von § 242 BGB als korrektiv angezeigt, weil es für sie schwierig gewesen sei, den gesetzlichen Informationspflichten fehlerfrei nachzukommen. Die Möglichkeit einer Nachbelehrung sei vorliegend kein stichhaltiges Argument gegen die Verwirkung, weil die Beklagte zu einer solchen keine Veranlassung gehabt habe.

Gegen das ihnen am 03.08.2016 (Bl. 126 d. A.) zugestellte Urteil haben die Kläger am 02.09.2016 Berufung eingelegt (Bl. 130 f. d. A.) und diese am 04.10.2016 begründet (Bl. 141 ff. d. A.).

Die Kläger verfolgen ihre in erster Instanz gestellten Anträge weiter. Sie rügen, dass das Landgericht sich mit der Wirksamkeit der Belehrung nicht auseinandergesetzt habe, weil es den Widerruf der Kläger fehlerhaft als unzulässige Rechtsausübung qualifiziert habe. Die Motivation für die Ausübung des Widerrufsrechts habe das Erstgericht den Klägern dabei einerseits ohne tatsächliche Erkenntnisse unterstellt und andererseits verkannt, dass es auf diese nicht ankomme. Auch der Einwand der Verwirkung greife nicht ein. Der Darlehensvertrag sei nicht abgelöst, so dass das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Die durch das Landgericht für die Erfüllung des Umstandsmoments herangezogenen Aspekte seien nicht ausreichend. Hätte das Gericht den klägerischen Vortrag richtig gewürdigt, wäre es nicht zu einem klageabweisenden Urteil gekommen.

Die Kläger beantragen,

1.

das am 21.07.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt aufzuheben und festzustellen, dass der Darlehensvertrag vom 22.05.2009 über einen Betrag in Höhe von 50.000,00 € zur Darlehensnummer … durch die Widerrufserklärung der Kläger/Berufungskläger vom 11.09.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt worden ist und der Beklagten/Berufungsbeklagten keine gegen die Kläger/Berufungskläger über das Rückgewährschuldverhältnis hinausgehenden Rechte vermittelt.
2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger/Berufungskläger die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.238,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass den Klägern gegen die Beklagte der geltend gemachte Feststellungsanspruch sowie der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zustehen. Zwar kann sich die Beklagte nach den durch den BGH in den Entscheidungen vom 12.07.2016 zu Az. XI ZR 501/15 und XI 564/15 aufgestellten Grundsätzen nicht darauf berufen, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger rechtsmissbräuchlich oder das Widerrufsrecht verwirkt sei. Insofern greifen die Rügen der Berufung durch. Allerdings stellt sich die Abweisung der Klage aus anderen Gründen als richtig dar. Die Widerrufsfrist war zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs aufgrund der fehlerfrei erteilten Widerrufsbelehrung bereits abgelaufen.

Dass die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung von der seinerzeit gültigen Musterbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoVO inhaltlich abwich, ist unerheblich. Es stand dem Verwender frei, über ein bestehendes Widerrufsrecht zu belehren, ohne das Muster zu verwenden, was sich aus § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der Fassung vom 05.08.2002 und § 355 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 02.12.2004 ergibt. In diesem Falle sind die Anforderungen an die Belehrung allein anhand des Gesetzes zu bestimmen, da die Privilegierung durch die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entfällt. Nach dieser Prüfung anhand des Gesetzes entspricht die erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen, die sich gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB nach § 355 BGB in der Fassung vom 2.12.2004 richten.

a) Die Widerrufsbelehrung informiert richtig über den maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist. Diese betrug zwei Wochen; ihr Lauf hing bei einem wie vorliegend schriftlich abzuschließenden Vertrag nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung in Textform hinaus auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wurde. Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist (BGH, Urteil vom 10.3.2009 zu Az. XI ZR 33/08 Rn. 15, Juris). Hierüber informiert die Belehrung, indem sie den Beginn des Fristlaufs an den Erhalt der (Abschrift der) Vertragsurkunde anknüpft, die stets die Vertragserklärung des Verbrauchers beinhaltet. Die Formulierung in der Belehrung erweckt nicht den Eindruck, als seien die Voraussetzungen für den Fristbeginn unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers erfüllt. Zwar hat der BGH in der Entscheidung zu Az. XI ZR 33/08 für die Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“ mit dieser Begründung eine fehlerhafte Belehrung angenommen. Hintergrund war jedoch, dass der Verbraucher mit der Widerrufsbelehrung ein unterschriftsreifes, mit „Darlehensvertrag“ überschriebenes Darlehensangebot der Bank – nicht aber ein von keiner Partei unterzeichneter Vertragsentwurf oder eine eigene Vertragserklärung – erhalten hatte, das er seinerseits unterschrieb und an die Bank zurücksandte. Bei dieser Sachlage habe der Darlehensnehmer, so der BGH, die Widerrufsbelehrung dahin missverstehen können, es könne sich bei dem Vertragsangebot der Bank bereits um die Vertragsurkunde handeln und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf seine eigene Vertragserklärung. Der vorliegende Sachverhalt weist in den entscheidenden Punkten jedoch keine Parallelen zu dem vom BGH entschiedenen Fall auf. Vorliegend haben die Kläger den Vertrag am 22.05.2008 unterzeichnet, die Vertreter der Beklagten taggleich. Die vorherige Übersendung eines bereits unterzeichneten Vertragsangebots der Beklagten kann daher nicht erfolgt sein und ist von den Klägern auch nicht konkret vorgetragen. Aufgrund der identischen Ortsangabe „Stadt1“ und dem identischen Unterzeichnungsdatum ist vielmehr davon auszugehen, dass der Vertrag unter Anwesenden in der Filiale der Beklagten in Stadt1 unterzeichnet wurde. Danach können die Kläger zuvor allenfalls einen von keiner Partei unterzeichneten Vertragsentwurf erhalten haben. Ein Fehlverständnis dahingehend, dass mit dem Begriff „Vertragsurkunde“ ein von keiner Partei unterzeichneter Darlehensvordruck gemeint sein könnte, kann aber bei keinem unbefangenen durchschnittlichen Verbraucher entstehen.

b) Die abstrakte Formulierung der Widerrufsbelehrung ohne eine direkte Anrede des Verbrauchers begründet keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot. Der Gesetzgeber hat keine Vorgaben dazu gemacht, aus welcher Perspektive die Widerrufsbelehrung vorzunehmen ist. Maßgeblich ist ausschließlich, dass die Belehrung dem Verbraucher nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. seine Rechte deutlich macht. Hierzu muss er erkennen können, dass die Belehrung sich an ihn richtet. Diesem Erfordernis ist indes auch bei der von der Beklagten gewählten Formulierung in der dritten Person Singular Genüge getan. Denn der durchschnittliche unbefangene Verbraucher, auf den abzustellen ist, erkennt, dass der Terminus „Darlehensnehmer“ ihn bezeichnet. Bereits aufgrund des gewöhnlichen Wortsinns ist jedem Kunden, der mit einer Bank einen Baufinanzierungsvertrag abschließt, bekannt, dass die Bank Darlehensgeber und er selbst Darlehensnehmer ist. Vorliegend gilt dies umso mehr, da im Vertrag die persönlichen Daten der Kläger unter der Überschrift „Darlehensnehmer“ erfasst wurden und sie ihre Unterschrift in den für die Darlehensnehmer vorgesehenen Feldern leisteten.

c) Die Belehrung ist im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Widerrufs nicht zu beanstanden. Insbesondere der von den Klägern als fehlend gerügte Hinweis auf die Verpflichtung zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen innerhalb von 30 Tagen ist sowohl für beide Vertragsparteien in der Belehrung enthalten.

Die Kläger erhalten Gelegenheit, zu diesen Hinweisen bis zum 30. Dezember 2016 Stellung zu nehmen.

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