OLG Hamm, 18.08.2015 – 15 W 332/15 – Unterbliebene Eintragung eines Nacherbenvermerks

August 27, 2018

OLG Hamm, 18.08.2015 – 15 W 332/15

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1)

Setzt der Erblasser in einem notariellen Einzeltestament seine Ehefrau als Alleinerbin und eine dritte Person als „Schlusserben“ ein, muss das Grundbuchamt davon ausgehen, dass tatsächliche Zweifel im Hinblick auf die Anordnung einer Nacherbfolge bestehen.

  1. 2)

Das Grundbuchamt muss dann die Grundbuchberichtigung nach dem Tode des Erblassers von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen und darf keinesfalls die Ehefrau als Erbin ohne einen Nacherbenvermerk eintragen.

  1. 3)

Das Beschwerdegericht kann in einem solchen Fall die Eintragung eines Amtswiderspruchs anordnen, der sich gegen die Eigentümereintragung insoweit richtet, als die Verlautbarung einer Verfügungsbeschränkung durch die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks unterblieben ist.

Tenor:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird das Grundbuchamt angewiesen, in den Grundbüchern von X Blatt ###, ###, ### und ### zugunsten der Beteiligten zu 1) einen Widerspruch gegen die jeweils am 30.03.2015 vorgenommenen Eintragungen der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin, soweit die Verlautbarung einer Verfügungsbeschränkung durch die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks zugunsten der Beteiligten zu 1) unterblieben ist, einzutragen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung der den Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Als Eigentümer des in Grundbüchern von X Blatt ###, ###, ### und ### eingetragenen Grundbesitzes war zunächst Herr M (im Folgenden: Erblasser) eingetragen.

Dieser hatte am 10.06.2009 ein notarielles Testament errichtet, in dem er unter II. seine Ehefrau E – die Beteiligte zu 2) – zu seiner „alleinigen und ausschließlichen Erbin“ bestimmte (UR-Nr.40/2009 der Notarin B in C). Unter III. und IV. dieses notariellen Testaments verfügte der Erblasser wie folgt:

„III. Schlusserbeneinsetzung

Als Schlusserben nach dem Ableben meiner Ehefrau setze ich ein meine Nichte Frau V.

  1. Vorversterben

Sofern meine Ehefrau vor mir versterben, oder wir einer gemeinsamen Gefahr erliegen, bei der ein Vorversterben eines Ehegatten vor dem anderen nicht mehr festgestellt werden kann, soll Schlusserbschaft nach vorstehender Ziffer gelten.“

Am 12.03.2012 errichtete der Erblasser ein weiteres notarielles Testament in dem er unter Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung vom 10.06.2009 anordnete, dass seine Ehefrau nach seinem Ableben seine alleinige Erbin bleiben solle. Für seine Schwester V2 setzte er ein Vermächtnis aus (UR-Nr. 28/2012 der Notarin B in C).

Der Erblasser verstarb am 3.11.2014. Die beiden letztwilligen Verfügungen wurden am 15.01.2015 eröffnet (AG Medebach 9 IV 38/12).

Unter dem 16.02.2015 beantragte die Beteiligte zu 2), zu diesem Zeitpunkt noch vertreten durch die Notarin B, unter Bezugnahme auf die notariellen Testamente vom 10.06.2009 und 12.03.2012, sie als Alleineigentümerin in den vorbenannten Grundbüchern einzutragen.

Das Grundbuchamt nahm die beantragten Eintragungen jeweils am 30.03.2015 vor.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2015 beantragte die Beteiligte zu 1) in den Grundbüchern einen Nacherbenvermerk zu ihren Gunsten einzutragen, wobei sie zur Begründung anführte, die Bestimmung unter III. des notariellen Testaments vom 10.06.2009 sei als Nacherbeneinsetzung zu verstehen. Die Beteiligte zu 2) ist der Eintragung des Nacherbenvermerks entgegen getreten.

Die Grundbuchrechtspflegerin hat die beurkundende Notarin ohne vorherige Einholung einer Aussagegenehmigung des Präsidenten des Landgerichts Arnsberg zu einer Stellungnahme aufgefordert, ob der Erblasser die Beteiligte zu 1) als Nacherbin habe einsetzen wollen.

In ihrer Stellungnahme vom 16.06.2015, die mit dem Satz „Ein Nacherbenvermerk ist demgemäß nicht einzutragen“ schließt, konzediert die Notarin B, dass der Begriff „Schlusserbe“ missverständlich sei, nach ihrer Erinnerung aber die Nichte damit lediglich zur Ersatzerbin eingesetzt werden sollte.

Mit Beschluss vom 1.07.2015 hat das Grundbuchamt den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Berichtigung der Grundbücher durch Eintragung eines Nacherbenvermerks zurückgewiesen. Der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 16.07.2015 hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 17.07.2015 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig (§ 71 GBO).

Soweit die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde die Eintragung eines Nacherbenvermerks begehrt, ist die Beschwerde nicht begründet. Der auf die Eintragung von Amtswidersprüchen nach § 53 GBO gerichtete Hilfsantrag hat hingegen Erfolg und führt zu der im Tenor näher beschriebenen Anweisung an das Grundbuchamt.

1.

Die Eintragung eines Nacherbenvermerks zugunsten der Beteiligten zu 1) kommt derzeit nicht in Betracht, da die Stellung der Beteiligten zu 1) als Nacherbin weder durch einen Erbschein nachgewiesen ist noch aus einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen im Wege der im Grundbuchverfahren möglichen Auslegung entnommen werden kann (§ 35 Abs. 1 GBO).

Die Beteiligte zu 1) führt im Ansatz zutreffend an, dass die Eintragung eines zunächst unterbliebenen Nacherbenvermerks von Amts wegen grundsätzlich nachgeholt werden kann (Demharter, GBO, 29. Auflage, § 51 Rn.20).

Die Vornahme einer solchen Eintragung setzt aber voraus, dass der Antragsteller seine Stellung als Nacherbe auch mit den im Grundbuch zulässigen Beweismitteln nachweisen kann.

Einen Erbschein nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO hat die Beteiligte zu 1) nicht vorgelegt. Die Vorlage eines Erbscheins, der ihre Stellung als Nacherbin ausweist, kann der Beteiligten zu 1) auch nicht im Wege einer Zwischenverfügung aufgegeben werden, da sie im Erbscheinsverfahren kein eigenes Antragsrecht hat (BayObLG Rechtspfleger 1999, 331).

Die Stellung der Beteiligten zu 1) als Nacherbin kann den in öffentlicher Urkunde enthaltenen letztwilligen Verfügungen vom 10.06.2009 und 12.03.2012 mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismitteln auch nicht mit der für eine Eintragung erforderlichen Sicherheit entnommen werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO).

Der Erblasser hat in seinen notariellen Testamenten zunächst seine Ehefrau, die Beteiligte zu 2), als Erbin eingesetzt. In der letztwilligen Verfügung vom 10.06.2009, die insoweit durch die letztwillige Verfügung vom 12.03.2012 nicht abgeändert worden ist, hat er die Beteiligte zu 1) unter III. als Schlusserbin nach dem Ableben der Beteiligten zu 2) und unter IV. als Ersatzerbin für den Fall des Vorversterbens der Beteiligten zu 2) eingesetzt. Welche erbrechtliche Positionen der Erblasser den Beteiligten zu 1) und 2) mit diesen Verfügungen zukommen lassen wollte, lässt sich im Wege der Auslegung im Grundbuchverfahren nicht abschließend klären, auch wenn nach derzeitigem Erkenntnisstand mehr für eine Einsetzung der Beteiligten zu 1) als

Nacherbin spricht. Eine ausdrückliche Einsetzung als Nacherbin enthält die letztwillige Verfügung nicht, obwohl der Erblasser sich bei der Errichtung des Testaments notarieller Hilfe bedient hat und er davon ausgehen musste, dass die Notarin über ausreichende erbrechtliche Kenntnisse verfügt, die eine klare und eindeutige Umsetzung seines letzten Willens gewährleisten. Dieser Erwartung ist die Notarin jedoch nicht gerecht geworden. Der Begriff des Schlusserben entstammt der Terminologie des gemeinschaftlichen Testaments, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu Erben des Erstversterbenden und einen Dritten zum Erben des Letztversterbenden einsetzen. Es stellt sich daher die Frage, welche erbrechtliche Vorstellung ein alleintestierender Ehegatte mit der Verwendung des Begriffs „Schlusserbe“ verbindet. Die von der Notarin in ihrer sogenannten Stellungnahme vom 16.06.2015 vorgenommene Deutung, dass mit der unter III. vorgenommenen Verfügung lediglich die Einsetzung als Ersatzerbin beabsichtigt war, verbietet sich dem objektiven Betrachter schon allein deshalb, weil unter IV. eine ausdrückliche Regelung zur Ersatzerbfolge getroffen wird. Es ist daher naheliegend, dass der Regelung unter III. ein eigenständiger Inhalt zukommen sollte, wobei dann viel für eine Einsetzung als Nacherbin spricht. Daran ändert auch die in Bezug auf die Beteiligte zu 2) gewählte Bezeichnung als „alleinige und ausschließliche“ Erbin nichts, da ihr die unklare weitere erbrechtliche Bestimmung betreffend die Beteiligte zu 1) gegenübersteht.

Da es sich jedoch um ein notarielles Testament handelt und die ausdrückliche Verwendung des Begriffs „Nacherbe“ unterblieben ist, verbleiben Zweifel, die sich im Grundbuchverfahren nicht mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln klären lassen. Zu eigenen Ermittlungen, die über das Beiziehen von Akten und das Verwerten von offenkundigen Tatsachen hinausgehen, ist das Grundbuchamt gerade nicht berechtigt (Demharter, a. a. O., § 51 Rn.40).

Ob der Erblasser mit der Regelung unter III. die Beteiligte zu 1) als Nacherbin eingesetzt hat, ist daher in einem Erbscheinsverfahren oder in einem sonstigen Zivilprozessverfahren mit den dort zur Verfügung stehenden Beweismitteln zu klären.

2.

Auf den Hilfsantrag der Beteiligten zu 1) waren jedoch zu ihren Gunsten Widersprüche gegen die Eintragungen der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin einzutragen, soweit die Verlautbarung einer Verfügungsbeschränkung durch die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks zugunsten der Beteiligten zu 1) unterblieben ist (§ 53 Abs. 1 GBO).

Die Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin ist unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt.

Die Beteiligte zu 2) hat ihren Eigentumserwerb als unbeschränkte Alleinerbin nach dem Erblasser nicht nach § 35 GBO nachgewiesen.

Einen Erbschein, der sie als unbeschränkte Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO), hat die Beteiligte zu 2) nicht vorgelegt.

Ihre Stellung als unbeschränkte Alleinerbin hat die Beteiligte zu 2) auch nicht durch Vorlage von in öffentlicher Urkunde enthaltenen letztwilligen Verfügungen nachgewiesen. Wie oben unter Ziffer 1 ausgeführt, lässt sich den letztwilligen Verfügungen des Erblassers mit den im Grundbuchrecht zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht entnehmen, ob der Erblasser die Beteiligte zu 2) als Vollerbin oder aber nur als Vorerbin eingesetzt hat. Die sogenannte Stellungnahme der beurkundenden Notarin ist – abgesehen von ihrer inhaltlichen Fragwürdigkeit – ohnehin kein Beweismittel, das im Grundbuchverfahren als Auslegungshilfe herangezogen werden dürfte (Demharter, a. a. O., § 35 Rn.40+42).

Durch die Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin aufgrund unbeschränkter Alleinerbschaft ist das Grundbuch unrichtig geworden.

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs muss dabei nicht feststehen, vielmehr ist ausreichend, dass diese glaubhaft gemacht ist (Demharter, a. a. O. § 53 Rn.28).

Wie oben unter Ziffer 1 ausgeführt, spricht nach derzeitigem Erkenntnisstand mehr dafür, dass der Erblasser die Beteiligte zu 2) nicht als unbeschränkte Alleinerbin eingesetzt hat, sondern lediglich als Vorerbin und die Beteiligte zu 1) als Nacherbin. Die Unrichtigkeit der Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin ohne gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks zugunsten der Beteiligten zu 1) ist damit glaubhaft gemacht.

Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren nach § 81 Abs.1 S. 2 FamFG wegen der fehlerhaften Verfahrensweise des Grundbuchamtes, die das Beschwerdeverfahren erst erforderlich gemacht hat, nicht zu erheben. Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten eines Verfahrensbeteiligten durch den anderen Verfahrensbeteiligten entspricht vor diesem Hintergrund nicht der Billigkeit (§ 81 Abs. 1 FamFG).

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Das Interesse der Beteiligten zu 1) an der Eintragung der Nacherbenvermerke, mit denen Verfügungen der Beteiligten zu 2) über den Grundbesitz ohne ihr Mitwirken verhindert werden sollen, bewertet der Senat nach billigem Ermessen mit 10.000 € (§§ 36 Abs. 1, 61 GNotKG).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 GBO sind nicht gegeben.

 

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