OLG Köln, Urteil vom 08.09.2011 – 5 W 34/11

Februar 28, 2021

OLG Köln, Urteil vom 08.09.2011 – 5 W 34/11

Tenor

Auf die als Beschwerde anzusehende Eingabe des Sachverständigen Prof. Dr. T. wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 25.03.2011 – 3 O 494/07 – insoweit aufgehoben als der Sachverständige entschädigungslos gestellt worden ist.
Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist durch Beschluss des Landgerichts vom 14.07.2009 in einer Arzthaftungssache zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß dem zuvor erlassenen Beweisbeschluss der Kammer beauftragt worden. Der Sachverständige hat daraufhin ein Gutachten vom 06.10.2009 zur Akte gereicht. Nachdem die Parteien dazu Stellung genommen haben, hat der Sachverständige zu den Einwänden gegen sein Gutachten ein Ergänzungsgutachten vom 19.01.2011 erstellt. Wegen darin enthaltener Äußerungen des Sachverständigen hat der Beklagte einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt, dem das Landgericht stattgegeben hat. Darüber hinaus hat das Landgericht den Sachverständigen entschädigungslos entpflichtet.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner als Einspruch bezeichneten Eingabe, die er näher begründet hat.

Das Landgericht hat dieser als Beschwerde ausgelegten Eingabe nicht stattgegeben und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 4 JVEG zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers ist in der Sache begründet.

Entgegen der Meinung des Landgerichts war der Sachverständige nach seiner Ablehnung wegen einer Besorgnis der Befangenheit nicht entschädigungslos zu entpflichten, weil die Voraussetzungen dazu nicht festzustellen sind.

Wird ein Sachverständiger von einer Partei mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so verliert er seinen Entschädigungsanspruch nur dann, wenn er selbst den Ablehnungsgrund durch grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz herbeigeführt hat (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 27. Auflage 2009, § 413 Rn. 7 m.w.N.). Das lässt sich nicht feststellen.

Im Nichtabhilfebeschluss vom 23.08.2011 hat das Landgericht seine Einschätzung, der Sachverständige habe den Ablehnungsgrund grob fahrlässig verschuldet, damit begründet, dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 19.01.2011 in mehrfacher Hinsicht mit diversen Kraftausdrücken den Boden der sachlichen Asueinandersetzung und Kritik verlassen habe und über seinen Gutachtenauftrag hinausgegangen sei, wobei er den Verdacht erregt habe, den Angaben der Beklagtenseite keinen Glauben zu schenken. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass die Äußerungen des Sachverständigen, mit denen er auf die Einwände des Beklagten reagiert hat und sie als der „populärwissenschaftlichen Laienphantasie“ entstammend, als „abstruse Behauptungen oder Darlegungen ohne jeden medizinischen Realitätsbezug“ und „Scheinargumente“ bezeichnet bzw. er ausgeführt hat, dass „keine der angeführten Argumente in irgendeiner Weise medizinisch nachvollzogen“ werden könnten und dabei gleichzeitig moniert hat, dies sei im Rahmen eines Verfahrens erfolgt, in dem die Klägerin Prozesskostenhilfe erhalte, und der Beklagte daran erinnert werden sollte, dass „im Interesse der deutschen Steuerzahler […] die Kosten nicht in unendliche Höhen“ getrieben werden sollten, durchaus Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen gegenüber dem Beklagten begründen können. Gleiches gilt, soweit der Sachverständige sich in den Bereich rechtlicher Wertungen und Bewertungen zu Lasten des Beklagten begeben und dem Gericht Hinweise für eine weitere Sachaufklärung gegeben hat. Hierin liegen zweifellos verbale Entgleisungen, die einem gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht unterlaufen sollten. Das hätte sich jedem zur Unparteilichkeit Aufgerufenen und bei Beachtung der an ihn zu stellenden Anforderungen auch dem Beschwerdeführer erschließen müssen.

Bei der Beurteilung der Wertigkeit des Pflichtenverstoßes eines Sachverständigen als grob fahrlässig oder vorsätzlich ist allerdings entsprechend der Regelung des § 839 a BGB ein hoher Maßstab anzulegen, um die gebotene innere Unabhängigkeit des Sachverständigen zu bewahren. Dies würde hier freilich voraussetzen, dass die Äußerungen des Sachverständigen nicht nur verbale Entgleisungen darstellen, sondern auch in der Sache gegenüber den Einwänden des Beklagten nicht haltbar sind. Nur dann könnte angenommen werden, dass der Sachverständige sich mit seinen Äußerungen grob pflichtwidrig oder vorsätzlich einem – erfolgreichen – Befangenheitsgesuch ausgesetzt hätte und damit seinen Vergütungsansprcuh verwirkt hätte. Allerdings fehlt dem Senat – und wohl auch dem Landgericht – die erforderliche medizinische Sachkunde, um zu beurteilen, ob die Äußerungen des Sachverständigen nicht möglicherweise im Kern zutreffen, was seine Ausführungen durchaus in einem anderen, milderen Licht erscheinen lassen würde. Das scheint auch nicht ausgeschlossen, da der Beklagte als Facharzt für Anästhesie gegen das Gutachten des Sachverständigen Einwände erhoben hat, die nicht seinen Fachbereich betreffen, sondern den des Gutachters als Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Treffen die Ausführungen des Sachverständige in der Sache indes zu, kann eine grobe oder gar vorsätzliche Pflichtwidrigkeit nicht festgestellt werden. Was die von dem Sachverständigen vorgenommene rechtliche Einschätzung und die Hinweise an das Gericht anbelangt, geht das Landgericht zutreffend davon aus, das er damit seinen Auftrag – weit – überschritten hat. Dennoch ist ihm auch deswegen eine Vergütung nicht abzuerkennen, denn sie stellen zum einen seine medizinischgutachterlichen Ausführungen aus den zuvor genannten Gründen nicht ohne weiteres in Frage. Darüber hinaus war auch nicht zu befürchten, dass sich die in Arzthaftungssachen und deren rechtliche Grundlagen erfahrene Kammer davon beeinflussen ließ. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Sachverständige aus seiner Sicht in guter Absicht und in Anbetracht möglicherweise prozessverschleppender Einwände des Beklagten tatsächlich nur zur Förderung des Verfahrens beitragen wollte.

Die Pflichtenverstöße des Sachverständigen haben mithin nicht ein solches Gewicht, dass ihm eine Enschädigung für seine gutachterlichen Leistungen zu versagen wäre.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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