OLG München 7 U 2900/09 Insolvenzverwalterklage auf Rückzahlung von Beträgen aus dem Gesellschaftsvermögen einer insolventen GmbH & Co. KG

Januar 22, 2018

 

OLG München 7 U 2900/09

Insolvenzverwalterklage auf Rückzahlung von Beträgen aus dem Gesellschaftsvermögen einer insolventen GmbH & Co. KG: Anspruch gegen den früheren Geschäftsführer der Komplemetär-​GmbH wegen Zahlungen trotz Überschuldung; Haftung für Rückzahlungen bei kapitalersetzenden Darlehen; rechtliche Ausgangspunkte für die Prüfung einer Kreditunwürdigkeit

 

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 7.4.2009 (Az.: 13 HK O 25090/04) aufgehoben.

 

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.789.521,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.10.2004 zu bezahlen.

 

  1. Die Beklagte wird verurteilt, als Gesamtschuldner neben den Herren Dr. Dieter H., Dr. Klaus P., Jan Mo., Dr. Peter Mi. und Brian C. an den Kläger weitere 2.500.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.10.2004 zu bezahlen, wobei die gesamtschuldnerische Haftung bezüglich des Zinsanspruchs mit den oben genannten Personen erst ab 1.7.2006 besteht.

 

  1. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

 

  1. Der Beklagten wird die Geltendmachung der beschränkten Erbenhaftung vorbehalten.

 

  1. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Streithelfer hat der Kläger 1/5 zu tragen. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

  1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

  1. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

 

1              Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der T. H. GmbH & Co KG [im Folgenden: Schuldnerin] die Rückzahlung von aus dem Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin geflossenen Beträgen geltend.

 

2              Ursprünglicher Beklagter war der verstorbene Dr. K. [im Folgenden: Erblasser], der alleiniger Kommanditist der Schuldnerin war. Persönlich haftende Gesellschafterin der Schuldnerin war die K. Vermögensverwaltungs GmbH [im Folgenden: Komplementärin]. Der Erblasser war einer der Geschäftsführer der Komplementärin. Im Zuge des gegenwärtigen Berufungsverfahrens verstarb der Erblasser und wurde durch die nunmehrige Beklagte allein beerbt.

 

3              Die Schuldnerin betrieb kein operatives Geschäft. Ihr wesentliches Aktivvermögen bestand aus ihrem Finanzanlagevermögen. Insbesondere war sie direkt oder indirekt an den drei Dachgesellschaften der K.-​Gruppe, nämlich der K. M. GmbH & Co KG a.A. [im Folgenden: K.M.], der K. P.TV GmbH & Co KG a.A. [im Folgenden: K. P. TV] und der K. Beteiligung GmbH & Co KG [im Folgenden: K. Beteiligung] beteiligt.

 

4              Gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin sollte deren festgestellter Jahresüberschuss für das Geschäftsjahr 2009 in Höhe von rund 373 Mio. DM an den Erblasser ausgekehrt werden. Diesbezügliche Zahlungen erfolgten zunächst nicht. Dann aber wurden am 21.9.2001 (umgerechnet) 1.022.583,17 € an den Erblasser ausbezahlt. Am 12.11.2001 wurden (umgerechnet) 1.789.521,58 € an den Erblasser ausbezahlt. Am 26.2.2002 wurden 2.500.000,- € an den Erblasser ausbezahlt.

 

5              Am 12.6.2002 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Am 14.6.2002 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung unter Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter angeordnet. Am 13.9.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

 

6              Der Kläger hat beantragt,

 

7              (1) den (damaligen) Beklagten zur Zahlung von € 2.812.104,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.10.2004 an den Kläger zu verurteilen;

 

8              (2) den (damaligen) Beklagten als Gesamtschuldner neben den Herren Dr. Dieter H., Dr. Klaus P., Jan Mo., Dr. Peter Mi. und Brian C. zur Zahlung von weiteren € 2.500.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.10.2004 an den Kläger zu verurteilen, wobei die gesamtschuldnerische Haftung bezüglich des Zinsanspruchs mit den oben genannten Personen erst ab 1.7.2006 besteht.

 

9              Der (damalige) Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

 

10            Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. L. nebst mehreren schriftlichen Ergänzungen; ferner hat es den Sachverständigen mündlich angehört. Hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. wird auf Anlage zu Bl. 404 d.A., Bl. 466 d.A., Anlage zu Bl. 551 d.A. sowie Bl. 528 ff. d.A. Bezug genommen.

 

11            Das Landgericht hat sodann die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren gegen die nunmehrige Beklagte weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und macht hilfsweise den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung geltend.

 

12            Der Senat hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B. Hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. wird Bezug genommen auf Bl. 929 ff. d.A. und Bl. 1093 ff. d.A.. – Der Sachverständige Dr. B. ist dem Senat seit Jahren bekannt und hat sich vor allem bei der Beurteilung komplexer und schwieriger Sachverhalte im Großverfahren wiederholt bewährt, gerade aufgrund seiner großen Erfahrung als Wirtschaftsprüfer und Lehrbeauftragter. Die Auswahl des Sachverständigen beruhte damit vor allem auf seiner praktischen Erfahrung bei der Prüfung von Großunternehmen, die ihn gegenüber von eher theoretisch geprägten Sachverständigen aus dem wissenschaftlichen Bereich vom Know How her als überlegen erscheinen lässt.

 

B.

 

13            Die Berufung des Klägers erweist sich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als begründet. Im Übrigen hatte es bei der Klageabweisung zu verbleiben und war die Berufung zurückzuweisen.

 

I.

 

14            Der Erblasser haftete (und damit haftet die Beklagte als seine Alleinerbin, §§ 1922, 1967 BGB) für die Rückzahlung der Auszahlungen an den Stichtagen 12.11.2001 und 26.2.2002 sowohl gemäß §§ 177 a, 130 a Abs. 2, 3 HGB (jeweils damalige Fassung) als auch gemäß §§ 172 a HGB, 32 a, b GmbHG und §§ 135 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO (jeweils damalige Fassung). Auf Rückzahlung der am Stichtag 21.9.2001 erfolgten Zahlung besteht jedoch kein Anspruch.

 

15            1. Ansprüche gegen den Erblasser aus §§ 177 a, 130 Abs. 2, 3 HGB damaliger Fassung richteten sich gegen ihn in seiner Eigenschaft als Mitgeschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin.

 

16            a) Die Schuldnerin war eine Kommanditgesellschaft, an der ein Kommanditist (nämlich der Erblasser) als natürliche Person beteiligt war. Damit gelten nach § 177 a Abs. 1 HGB damaliger Fassung die § 130 Abs. 2, 3 HGB damaliger Fassung.

 

17            b) Damit durften nach § 130 a Abs. 2 HGB damaliger Fassung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine Zahlungen aus dem Vermögen der Schuldnerin mehr geleistet werden. Zwar war die Schuldnerin nach den Feststellungen des Sachverständigen im fraglichen Zeitraum nicht zahlungsunfähig (dazu unten III.), sie war jedoch am 12.11.2001 und 26.2.2002 überschuldet (dazu unten IV.). Die Schuldnerin bzw. der Kläger als ihr Insolvenzverwalter kann daher die Erstattung dieser Zahlungen verlangen.

 

18            c) Der Anspruch richtet sich nach § 130 a Abs. 3 HGB damaliger Fassung gegen die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung ermächtigten Gesellschafter der Schuldnerin. Zur Vertretung der Schuldnerin ermächtigt war deren Komplementärin (§§ 161 Abs. 2, 125 HGB). Vertretungsberechtigte Organe der Komplementärin waren ihre Geschäftsführer (§ 35 GmbHG) und damit auch der Erblasser.

 

19            Mehrere Geschäftsführer haften gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB). Dies konnte im Tenor ausgesprochen werden, allerdings nur für den Auszahlungsstichtag 26.2.2002; für den Auszahlungsstichtag 12.11.2001 wurde Entsprechendes nicht beantragt.

 

20            d) Die Beklagte hat den Erblasser nicht von einem Verschulden, welches vermutet wird, entlastet.

 

21            Eine Entlastung käme zum einen in Betracht, wenn die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar gewesen wären, was allerdings zur Beweislast der Beklagten steht (§ 130 a Abs. 2, 3 HGB damaliger Fassung). Gewinnauszahlungen an einen Kommanditisten bei Insolvenzreife einer KG entsprechen allerdings nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes.

 

22            Im Übrigen könnte eine Entlastung eintreten, wenn der Erblasser die Insolvenzreife der Schuldnerin nicht hätte erkennen können. Allerdings steht auch dies zur Darlegungs- und Beweislast der Beklagten. Insoweit hat die Beklagte keine Tatsachen vorgebracht, die geeignet wären, die Verschuldensvermutung zu widerlegen.

 

23            e) Dem dargestellten Anspruch kann die Beklagte nicht das Gewinnentnahmerecht des Erblassers gemäß § 169 HGB entgegen halten. Der Anspruch richtete sich gegen den Erblasser nicht in seiner Eigenschaft als Kommanditist, sondern in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-​GmbH der Schuldnerin. Als solcher durfte er nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr leisten, auch nicht auf grundsätzlich berechtigte Ansprüche.

 

24            2. Ansprüche gegen den Erblasser aus §§ 172 a HGB, 32 a, b GmbHG damaliger Fassung richteten sich gegen den Erblasser in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Schuldnerin.

 

25            a) Bei der Schuldnerin war kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person Damit gelten für die Schuldnerin die §§ 32 a, b GmbHG mit der Maßgabe, dass ein sich hieraus ergebender Anspruch sich gegebenenfalls auch gegen Kommanditisten und damit gegen den Erblasser richtete (§ 172 a HGB damaliger Fassung).

 

26            b) Im Zeitpunkt der gegenständlichen Auszahlungen vom 12.11.2001 und 26.2.2002 befand sich die Schuldnerin in der Krise im Sinne von § 32 a GmbHG damaliger Fassung, was sich schon daraus ergibt, dass sie insolvenzreif (zwar nicht zahlungsunfähig, aber überschuldet, unten III., IV.) war. Ein ordentlicher Kaufmann hätte der Gesellschaft daher Eigenkapital zugeführt, um die Überschuldung zu beenden und die Insolvenz abzuwenden. Keine Krise im Sinne der genannten Vorschrift lag aber zum ersten Auszahlungsstichtag vom 21.9. 2001 vor.

 

27            Zu diesem Zeitpunkt war die Schuldnerin weder zahlungsunfähig noch überschuldet (unten III., IV.). Eine Krise der Gesellschaft wäre zwar auch dann anzunehmen, wenn die Schuldnerin zwar nicht insolvenzreif, aber nicht mehr kreditwürdig gewesen wäre (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.7.1999 – II ZR 87/98, zitiert nach juris, dort Rz. 11 m.w.Nachw.). Allerdings war die Schuldnerin am 21.9.2001 noch kreditwürdig (dazu unten II.).

 

28            c) Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls zu den beiden letzten Auszahlungsstichtagen die Tatsache, dass der Erblasser den ihm für das Geschäftsjahr 1999 zustehenden Gewinn zunächst nicht entnommen hatte, als eigenkapitalersetzendes Darlehen zu werten. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus § 32 Abs. 1 GmbHG damaliger Fassung, weil kein Darlehen im Rechtssinne (zwei diesbezüglich übereinstimmende Willenserklärungen) vorliegt. Allerdings greift § 32 a Abs. 3 GmbHG damaliger Fassung. Die Nichtgeltendmachung eines bestehenden Gewinnauszahlungsanspruchs entspricht bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einer Darlehensgewährung.

 

29            d) Damit hatte der Erblasser und hat nunmehr die Beklagte die an den beiden letzten Auszahlungsstichtagen empfangenen Beträge nach § 32 b GmbHG damaliger Fassung zurückzuzahlen, da diese faktischen Darlehensrückzahlungen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrags erfolgten.

 

30            e) Auch insoweit kann sich die Beklagte nicht auf das Gewinnentnahmerecht des Erblassers berufen. Die Regelungen über kapitalersetzende Darlehen gehen nach Auffassung des Senats dem Gewinnentnahmerecht des Kommanditisten vor.

 

31            3. Ein Anspruch gegen den Erblasser nach §§ 135 Nr. 2, 143 InsO damaliger Fassung richtete sich gegen den Erblasser als Zahlungsempfänger. Er betrifft ebenfalls nur die letzten beiden Auszahlungsstichtage, da sich die Schuldnerin zum ersten Auszahlungsstichtag noch nicht in der Krise befand (siehe oben). Zu den letzten beiden Auszahlungsstichtagen lag jedoch ein kapitalersetzendes Darlehen vor, welches im Sinne von § 135 Nr. 2 InsO damaliger Fassung im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung zurückgeführt wurde (siehe oben). Der Erblasser bzw. nunmehr die Beklagte haben daher die fraglichen Beträge zur Insolvenzmasse zu erstatten (§ 143 Abs. 1 InsO damaliger Fassung).

 

II.

 

32            Die Schuldnerin war zum ersten Auszahlungsstichtag am 21.9.2001 nicht kreditunwürdig. Die Kreditwürdigkeit der Schuldnerin zu den anderen beiden Stichtagen kann dahin stehen, da sich insoweit eine Haftung des Erblassers, also letztlich der Beklagten (§§ 1922, 1967 BGB) unter dem Gesichtspunkt der Überschuldung der Schuldnerin ergibt (dazu unten IV.).

 

33            Der Sachverständige Dr. B. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nach der erforderlichen Gesamtschau die Schuldnerin zum ersten Auszahlungsstichtag noch kreditwürdig war. Der Senat folgt dieser klaren und überzeugenden, auch für Nicht-​Wirtschaftswissenschaftler gut nachvollziehbar dargestellten Auffassung des Sachverständigen. Zu den Überlegungen des Sachverständigen und den dagegen erhobenen Einwendungen der Parteien ist im Einzelnen das folgende auszuführen.

 

34            1. Der Sachverständige Dr. B. geht mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.7.1999 – II ZR 87/98, zitiert nach juris, dort Rz. 11) davon aus, dass ein Unternehmen dann kreditunwürdig ist, wenn ein akuter Kreditbedarf von einem außenstehenden Kreditgeber nicht zu marktüblichen Konditionen gedeckt würde und dieser Kreditbedarf dazu führen würde, dass die Gesellschaft, würde sie nicht Leistungen aus dem Gesellschafterkreis erhalten, liquidiert werden müsste. Zur Beurteilung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung des Unternehmens erforderlich. Der retrospektiven Beantwortung dieser Frage haftet damit naturgemäß ein gewisses spekulatives Element an. Nach Auffassung des Senats, die der Sachverständige Dr. B. offenbar teilt, kann man sich einer Antwort dadurch annähern, dass man den im Prognosezeitraum zu erwartenden Kreditbedarf („akuter“ Kreditbedarf) ermittelt und eine Abschätzung dahin versucht, ob die erforderlichen Kredite durch werthaltige Sicherheiten besichert werden konnten.

 

35            2. Der Senat geht mit dem Sachverständigen Dr. B. von einem Prognosezeitraum von etwa 6 – 8 Monaten ab dem jeweiligen Auszahlungsstichtag aus. Der Sachverständige begründet dies damit, dass es sich dabei um den Zeitraum handle, der voraussichtlich für Kreditverhandlungen im Hinblick auf einen Großkredit erforderlich sei.

 

36            Die Klagepartei wendet hiergegen vor allem ein, der Zeitraum sei zu kurz bemessen; sachgerechter erscheine es, auf den selben Zeitraum wie bei der Fortführungsprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung abzustellen, also auf das Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahrs. Hiergegen argumentiert der Sachverständige Dr. B., dass zum einen Kredite häufig kürzere Laufzeiten hätten; zum anderen aber bestehe zwischen der Kreditwürdigkeitsprüfung und der Fortführungsprognose kein denknotwendiger Zusammenhang. Eine negative Fortführungsprognose stünde der Vergabe von kurzfristigen, ausreichend besicherten Krediten nicht entgegen, da eine negative Fortführungsprognose nicht identisch mit einer Überschuldung des Unternehmens sei, sondern lediglich ein Berechnungsparameter bei der Überschuldungsprüfung (Ansatz von Liquidationswerten statt Fortführungswerten), so dass auch ein Unternehmen mit negativer Fortbestehensprognose nicht überschuldet zu sein braucht. Diese Argumentation überzeugt den Senat.

 

37            3. Zum ersten Auszahlungsstichtag geht der Sachverständige Dr. B. von einem im Prognosezeitraum zu erwartenden Kreditbedarf von 500 Mio. € aus. Diesem vom Sachverständigen überzeugend hergeleiteten Ergebnis schließt sich der Senat an.

 

38            a) Bei den genannten 500 Mio. € handelt es sich um den Refinanzierungsbedarf für einen Kredit der D. Bank in dieser Höhe, der um den Jahreswechsel 2001/2 mehrfach fällig und jeweils nur kurzfristig prolongiert wurde.Die Schuldnerin musste zum ersten Auszahlungsstichtag damit rechnen, dass insoweit eine Refinanzierung im Prognosezeitraum erforderlich werden würde.

 

39            b) Der Senat sieht mit dem Sachverständigen keinen Kreditbedarf für die laufenden Ausgaben der Schuldnerin (z.B. Personalkosten). Die Schuldnerin konnte für den Prognosezeitraum davon ausgehen, dass diese Kosten wie in der Vergangenheit durch Transferzahlungen der Tochter- und Enkelgesellschaften deckbar waren.

 

40            c) Der Senat sieht mit dem Sachverständigen zum ersten Auszahlungsstichtag auch keinen weiteren Kreditbedarf wegen drohender Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit der drohenden Ausübung von Put-​Optionen.

 

41            aa) Die der A. S. Verlagsgruppe eingeräumtem Put-​Optionen verpflichteten nicht die Schuldnerin, sondern die K. M. bzw. die T. TV. Erst mit Vertrag vom 12.12.2001 mit der K. M. verpflichtete sich die Schuldnerin, K. M. bzw. T.TV von Verpflichtungen aus der Ausübung der Put-​Optionen freizustellen bzw. alternative Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen. Zum Auszahlungsstichtag 21.9.2001 war daher Kreditbedarf im Zusammenhang mit den ASV-​Put-​Optionen noch nicht absehbar.

 

42            bb) Die den Gesellschaften der BSkyB eingeräumten Put-​Optionen konnten regulär frühestens zum 1.10.2002 ausgeübt werden. Ein hiermit einhergehender Kreditbedarf lag daher zum ersten Auszahlungsstichtag außerhalb des Prognosezeitraums. Eine vorzeitige Ausübung der Put-​Optionen war zwar für den Fall erheblicher Forderungsausfälle bei der Schuldnerin oder einiger Konzernunternehmen vorgesehen. Mit dem Eintritt dieser Bedingungen musste die Schuldnerin nach den überzeugenden Herleitungen des Sachverständigen Dr. B. aber am ersten Auszahlungsstichtag nicht rechnen.

 

43            cc) Die den Minderheitsgesellschaftern der K. Pay TV eingeräumten Put-​Optionen waren regulär frühestens zum 1.1.2004 ausübbar. Ein hierdurch entstehender Kreditbedarf lag daher eindeutig außerhalb des Prognosezeitraums. Einigen Gesellschaftern war noch die Möglichkeit eingeräumt, die Put-​Optionen dann auszuüben, wenn BSkyB ihre Optionen ausübte. Diesbezüglich stellt sich die Lage wie oben unter bb) dar.

 

44            dd) Hinsichtlich der sog. „T.-​Investoren“ (Minderheitsgesellschafter der K. M.) konnten zwar die Put-​Optionen ab 15.11.2001 ausgeübt werden und wurde dies nur aufgrund Gewährung zusätzlicher Sicherheiten kurzfristig verschoben. Der Sachverständige hat allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gefunden, dass mit der Ausübung der Put-​Optionen aus Sicht des ersten Auszahlungsstichtags zu rechnen war. Von einem zusätzlichen Kreditbedarf der Schuldnerin im Hinblick auf die Put-​Optionen der T.-​Investoren kann daher nicht ausgegangen werden.

 

45            ee) Die Put-​Optionen der übrigen Minderheitsgesellschafter der K. M. konnten frühestens im Jahr 2004 ausgeübt werden. Hieraus resultierender Kreditbedarf der Schuldnerin liegt daher eindeutig außerhalb des Prognosezeitraums.

 

46            4. Jedenfalls zum ersten Auszahlungsstichtag lagen werthaltige Sicherheiten im Vermögen der Schuldnerin vor, die geeignet und ausreichend gewesen wären, den im Prognosezeitraum voraussichtlich anfallenden Kreditbedarf zu besichern. Daher geht der Senat davon aus, dass die Schuldnerin die erforderlichen Kredite zu marktüblichen Konditionen erhalten hätte und damit kreditwürdig war.

 

47            a) In seinem Ausgangsgutachten stellt der Sachverständige Dr. B. insoweit auf die Anteile (soweit noch nicht verpfändet) der Schuldnerin an der T., der K. M. und der K. Pay TV ab. Deren Werte hat der Sachverständige indikativ ermittelt und in Verkehrswertbandbreiten dargestellt. Letzteres überzeugt; es wäre unmöglich und mit den Gesetzen der Logik nicht zu vereinbaren, aus retrospektiver Sicht den „einen“, wahren Verkehrswert zu den jeweiligen Auszahlungsstichtagen zu postulieren. Die Angabe von Verkehrswertbandbreiten entsprechen auch eher den Anforderungen des einschlägigen § 287 ZPO, wonach der Senat letztlich mit Hilfe des Sachverständigen den Verkehrswert der fraglichen Sicherheiten für Zwecke der Kreditwürdigkeitsprüfung zu schätzen hat.

 

48            Die Überlegungen des Sachverständigen zur Ermittlung der Verkehrswertbandbreiten überzeugen den Senat auch im Hinblick auf die von den Parteien hiergegen erhobenen Einwendungen. Mit letzteren hat sich der Sachverständige auf S. 70 ff. seines Ergänzungsgutachtens überzeugend auseinander gesetzt. Der Senat hält nach allem die Methodik des Sachverständigen zur Verkehrswertschätzung nach § 287 ZPO für geeignet.

 

49            b) Im Ausgangspunkt zu Recht geht der Sachverständige bei der Bewertung der genannten Sicherheiten jeweils vom oberen Ende der von ihm ermittelten Verkehrswertbandbreiten aus. Zur Begründung führt er aus, dass innerhalb der Bandbreite jeder Wert so richtig oder so falsch wie ein anderer sei. Dies überzeugt. Damit ist rechtlich vom oberen Ende der Bandbreiten auszugehen, da der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Kreditunwürdigkeit trägt. Aus Sicht des Senats verbietet es sich folglich, von einem Mittelwert oder gar (mit Blick auf das bilanzielle Vorsichtsprinzip) vom unteren Ende der ermittelten Bandbreiten auszugehen.

 

50            c) Der Haupteinwand der Klagepartei gegen die Bewertung der Sicherheiten durch den Sachverständigen stützt sich auf § 18 KWG damaliger Fassung. Zum ersten Auszahlungsstichtag lag noch kein geprüfter Jahresabschluss der Schuldnerin für das Geschäftsjahr 2000 vor. Die Schuldnerin sei daher nicht in der Lage gewesen, einem potentiellen Kreditgeber – wie von der genannten Norm gefordert – ihre wirtschaftlichen Verhältnisse durch Vorlage der Jahresabschlüsse offen zu legen. Die vom Sachverständigen herangezogenen Sicherheiten hätten daher in ihrer Eigenschaft als Beteiligungen an nicht börsennotierten Aktiengesellschaften den somit strengen an die Eigenschaften von Kreditsicherheiten zu stellenden Anforderungen nicht entsprochen. Die Schuldnerin würde keinen Kredit erhalten haben.

 

51            Der Sachverständige Dr. B. hat diese Frage zurecht als Rechtsfrage offen gelassen. Der Senat ist der Auffassung, dass die dargestellten Befunde die genannten Beteiligungen als Sicherheiten nicht wertlos machen. Zum einen ist § 18 KWG damaliger Fassung eine aufsichtsrechtliche Norm, die sich primär an Kreditinstitute richtet, wobei ein Verstoß hiergegen einen handelnden Banker ggf. regresspflichtig gegenüber seinem Institut machen würde, wenn der fragliche Kredit „platzt“; eine unmittelbare Aussage über den Wert eines als Sicherheit in Betracht kommenden Vermögensgegenstandes lässt sich dem nicht entnehmen. Und dass zum anderen die das Aktivvermögen der Schuldnerin bildenden Beteiligungen an nicht börsennotierten Gesellschaften nicht wertlos waren, zeigt schon der Befund, dass die Schuldnerin solche Beteiligungen regelmäßig verpfändet hat und diese auch als Pfand akzeptiert wurden. § 18 KWG steht daher dem Vorliegen werthaltiger Sicherheiten im Vermögen der Schuldnerin nicht entgegen.

 

52            d) Dem Anliegen des Klägers ist daher durch angemessene Abschläge auf die ermittelten Verkehrswerte der Sicherheiten (ausgehend jeweils vom oberen Ende der Verkehrswertbandbreite, vgl. oben b) Rechnung zu tragen. Solche Abschläge entsprechen schon der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach kein Kreditinstitut den vollen Verkehrswert einer Sicherheit beleihen wird und der Abschlag umso größer ausfallen muss, je weniger „sicher“ die Sicherheit erscheint und je schwerer sie sich realisieren lässt. In seinem Ergänzungsgutachten hiernach befragt, kommt der Sachverständige Dr. B. zu dem Ergebnis, dass die genannten Gesellschaftsbeteiligungen auch dann, wenn man entsprechende Abschläge vornimmt, hinreichend werthaltig sind, um den im Prognosezeitraum zu erwartenden Kreditbedarf zu besichern.

 

53            Zur Bestimmung der Abschläge geht der Sachverständige davon aus, dass im fraglichen Zeitraum ein Abschlag von 40 Prozent für an einer inländischen Börse notierte Aktien üblich war, und schlussfolgert, dass der Abschlag für die gegenständlichen, nicht börsennotierten Beteiligungen höher sein müsse. Für seine Modellberechnung geht er – je nach wirtschaftlicher Gesamtlage der Unternehmen – für T. von einem Abschlag von 45 %, für K. M. von einem Abschlag von 50 % und für K. Pay TV/Beta Research von einem Abschlag von 55 % aus. Diese Vorgehensweise erscheint dem Senat als geeignete Anknüpfung für eine Schätzung (§ 287 ZPO) des Werts der Beteiligungen für Zwecke der Kreditwürdigkeitsprüfung. Auch auf der Basis dieser Zahlen kommt der Sachverständige jedoch zu dem Ergebnis, dass zum ersten Auszahlungsstichtag hinreichende Sicherheiten zur Besicherung des zu erwartenden Kreditbedarfs vorhanden waren und die Schuldnerin kreditwürdig war (vgl. Ergänzungsgutachten S. 23).

 

54            e) Der Senat kann nicht davon ausgehen, dass wegen bestehender Negativerklärungen 20 % der Anteile an K. M. nicht als Sicherheit zur Verfügung standen. In seinem Ergänzungsgutachten (S. 47 f.) hat der Sachverständige aus einer Vielzahl von Verpfändungen von Anteilen an K. M. den Schluss gezogen, dass die fraglichen Negativerklärungen entweder nicht bestanden oder im gegenständlichen Zeitraum bereits wieder aufgehoben waren. Jedenfalls steht das Gegenteil nicht fest. Dies muss zu Lasten des für das Vorliegen von Kreditunwürdigkeit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers gehen.

 

III.

 

55            Die Schuldnerin war zum ersten Auszahlungsstichtag am 21.9.2001 nicht zahlungsunfähig. Die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zu den anderen beiden Stichtagen kann dahinstehen, da sich insoweit eine Haftung der Beklagten für den Erblasser (§§ 1922, 1967 BGB) jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Überschuldung der Schuldnerin ergibt (dazu unten IV.).

 

56            1. Bei seiner Abschätzung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zum ersten Auszahlungsstichtag geht der Sachverständige Dr. B. von zutreffenden rechtlichen Ansätzen aus. Es waren zunächst – bezogen auf den Auszahlungsstichtag – die fälligen Verbindlichkeiten und die verfügbaren liquiden Mittel der Schuldnerin in einem Finanzstatus gegenüber zu stellen. Ergab sich hiernach eine Liquiditätsüberdeckung, war die Schuldnerin zahlungsfähig. Ergab sich eine Liquiditätsunterdeckung, waren die Zahlungsmittelzu- und -abflüsse im nachfolgenden Dreiwochenzeitraum gegenüber zu stellen. Ergab sich hiernach eine Deckungslücke, war zu fragen, ob diese durch Ausgleichs- oder Anpassungsmaßnahmen wie etwa eine Neukreditaufnahme geschlossen werden konnte. Nur wenn dies zu verneinen war, wäre Zahlungsunfähigkeit in Betracht gekommen.

 

57            2. Bei der Ermittlung des Finanzstatus hat der Sachverständige auch beachtet, dass sich der schuld- und der insolvenzrechtliche Fälligkeitsbegriff nicht decken. Insolvenzrechtlich fällig ist eine Verbindlichkeit nur, wenn der Gläubiger sie ernsthaft einfordert, also der Wille des Gläubigers erkennbar geworden ist, die Forderung einziehen zu wollen.

 

58            Auf dieser Basis ist es nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber dem Erblasser auf Auszahlung weiterer – über die streitgegenständlichen Beträge hinausreichender – Gewinne nicht als fällig in den Finanzstatus einbezogen hat, weil keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Erblasser solche Ansprüche geltend machen wollte. Dasselbe gilt für die – erheblichen – Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber verbundenen Unternehmen.

 

59            Ebenso wenig war zum ersten Auszahlungsstichtag die Darlehensverbindlichkeit der Dresdner Bank einzubeziehen, da diese schon schuldrechtlich weder am 21.9.2001 fällig war noch binnen des Dreiwochenzeitraums fällig wurde.

 

60            3. Umgekehrt hat der Sachverständige zu Recht die Ansprüche der Schuldnerin gegen den Sohn des Erblassers und gegenwärtige bzw. frühere Geschäftsführer wegen gewährter Darlehen nicht als liquide Aktiva in seine Zahlungsfähigkeitsbeurteilung mit einfließen lassen, da er keine Anhaltspunkte dafür gefunden hat, dass diese am Auszahlungsstichtag fällig waren bzw. binnen des Dreiwochenzeitraums fällig wurden. Im übrigen hätte selbst die unterstellte Fälligkeit solcher Rückzahlungsansprüche keinen kurzfristigen Zahlungsmittelzufluss garantiert.

 

61            4. Auf der Basis vorstehender Überlegungen kommt der Sachverständige überzeugend zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin am 21.9.2001 nicht zahlungsunfähig war. Dem folgt der Senat.

 

62            a) Der Sachverständige musste, da genaue Zahlen zum 21.9.2001 sich der Buchhaltung der Schuldnerin nicht entnehmen ließen, die Zahlungsfähigkeit zu den Stichtagen 31.8.2001 und 30.9.2001 ermitteln und aus den Ergebnissen auf den 21.9.2001 rückschließen. Diese methodische Vorgehensweise hält der Senat für überzeugend.

 

63            b) Zum Stichtag 31.8.2001 ergab sich sowohl eine Liquiditätsunterdeckung zum Beurteilungsstichtag als auch eine solche zum Ende des Dreiwochenzeitraums (Gutachten S. 81). Da die Schuldnerin aber noch kreditwürdig war (vgl. oben II.), hätte die erforderliche Liquidität durch Neukreditaufnahme beschafft werden können. Zahlungsunfähigkeit lag daher am 31.8.2001 nicht vor.

 

64            c) Zum Stichtag 30.9.2001 ergab sich zwar eine Liquiditätsunterdeckung zum Beurteilungsstichtag, aber eine Liquiditätsüberdeckung zum Ende des Dreiwochenzeitraums (Gutachten S. 82). Zahlungsunfähigkeit lag daher auch am 30.9.2001 nicht vor.

 

65            d) Damit war die Schuldnerin sowohl am 31.8.2001 als auch am 30.9.2001 zahlungsfähig. Da der Sachverständige keine Anhaltspunkte dafür gefunden hat, dass die Lage sich am zwischen diesen Terminen liegenden Stichtag 21.9.2001 anders darstellte, folgt der Senat dem Sachverständigen in der Annahme, dass die Schuldnerin auch am 21.9.2001 zahlungsfähig war.

 

IV.

 

66            Die Schuldnerin war zum ersten Auszahlungsstichtag am 21.9.2001 nicht überschuldet, sehr wohl aber zu den beiden anderen Auszahlungsstichtagen am 12.11.2001 und 26.2.2002. Damit ergibt sich eine Haftung des Erblassers bzw. der Beklagten (§§ 1922, 1967 BGB) für die beiden letztgenannten Auszahlungen in Höhe von 1.789.521,58 € und 2.500.000,- €. Insoweit ist die Klage in der Hauptsache begründet.

 

67            1. Zum ersten Auszahlungsstichtag (21.9.2001) konnte der Schuldnerin eine positive Fortführungsprognose bis zum Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahrs (31.12.2002) bescheinigt werden. Die vom Sachverständigen Dr. B. folgerichtig auf der Basis von Fortführungswerten vorgenommene Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva der Schuldnerin ergab keine Überschuldung.

 

68            a) Erörterungsbedürftig ist insoweit das Erfordernis der Bildung von Drohverlustrückstellungen für die mögliche Ausübung von Put-​Optionen zum 21.9.2001. Diesbezüglich führt der Senat auf der Basis der Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. folgendes aus.

 

69            aa) Für die den Gesellschaftern des A.-​S.-​Konzerns eingeräumten Put-​Optionen waren keine Drohverlustrückstellungen zu bilden, da diese nicht die Schuldnerin betrafen (vgl. auch schon oben II 3 c aa).Auf den Überschuldungsstatus der Schuldnerin haben diese Optionen nur indirekte Auswirkungen, weil sie den Verkehrswert von K. M. bzw. T. TV minderten, was der Sachverständige bei seiner Verkehrswertableitung berücksichtigt hat.

 

70            Dabei geht der Senat nicht davon aus, dass die Vereinbarung der Put-​Optionen sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 BGB) war. Zwar trifft es nach den Feststellungen des Sachverständigen zu, dass der Verkehrswert der fraglichen Anteile den Nennwert der Put-​Optionen mittlerweile um ein mehrfaches unterschritt. Hierin liegt aber gerade der Sinn und Zweck der Vereinbarung von Put-​Optionen, nämlich Sicherung eines Gesellschafters vor der marktbedingten Entwertung seiner Gesellschaftsanteile. Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann in einer derartigen Vereinbarung unter Kaufleuten nicht gesehen werden.

 

71            bb) Für die den Gesellschaftern der BSkyB eingeräumten Put-​Optionen waren bereits zum 21.9.2001 Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

72            Die BSkyB konnte die Option regulär ziehen, wenn bis 30.9.2001 ein Börsengang der K. Pay TV nicht zustande kam, allerdings schon vorher im Falle erheblicher Forderungsausfälle. Für den Eintritt der Voraussetzungen einer vorzeitigen Geltendmachung wegen Forderungsausfällen hat der Sachverständige zwar keine Anhaltspunkte gefunden. Allerdings war nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen, wonach nach dem Platzen der Medienblase praktisch keinem Medienunternehmen im streitgegenständlichen Zeitraum der Börsengang gelang, nicht damit zu rechnen, dass ein Börsengang der K. Pay TV bis 30.9.2002 gelingen könnte. Es war also damit zu rechnen, dass die Bedingung für den Eintritt der regulären Voraussetzungen der Ausübung der Put-​Optionen eintreten würde und dass BSkyB diese auch ausüben werde.

 

73            Dem kann die Beklagte nicht entgegen halten, dass von einer Ausübung der Put-​Optionen durch BSkyB nicht hätte ausgegangen werden müssen, da BSkyB kein Interesse daran gehabt habe, die Insolvenz der K.-​Gruppe zu beschleunigen. Insoweit handelt es sich um ein spekulatives Kriterium, zumal der Sachverständige darauf hingewiesen hat, dass eine Insolvenz der K.-​Gruppe für BSkyB auch Vorteile hätte bringen können (z.B. Übernahme von überlebensfähigen Tochter- oder Enkelgesellschaften der Schuldnerin). Der Senat ist daher nicht der Auffassung, dass derartige Überlegungen einen sorgfältigen Kaufmann hätten davon abhalten dürfen, Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

74            Die Höhe der erforderlichen Drohverlustrückstellungen hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend hergeleitet. Dem schließt sich der Senat an. – Dies gilt auch für die im Folgenden zu erörternden Rückstellungen, ohne dass dies jeweils noch im Einzelnen hervorgehoben werden wird.

 

75            cc) Hinsichtlich der Put-​Optionen der Minderheitsgesellschafter der K. Pay TV ist zu differenzieren.

 

76            (1) Die Optionen der KM-​MBP Offshore Partners und der KM-​MBP Partners waren nach den Feststellungen des Sachverständigen analog zu denjenigen der BSkyB strukturiert. Daher waren auch hier Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

77            (2) Keine Drohverlustrückstellungen waren jedoch hinsichtlich der Put-​Optionen von K.Holdings B.B.V., Euro Pacific Growth Funds, American Funds Insurance Services, Capital Worth Growth and Income Fund und The New Economy Fund zu bilden. Deren Ausübung war frühestens zum 1.1.2004 möglich, wenn nicht bis 31.12.2003 ein Börsengang durch K. Pay TV gelang. Anders als zum 30.9.2002 konnte ein Börsengang zum 31.12.2003 noch möglich erscheinen. Aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns erschien es daher zum 21.9.2001 vertretbar, diesbezüglich noch keine Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

78            dd) Für die Put-​Optionen der Traviata-​Investoren waren zum 21.9.2001 noch keine Drohverlustrückstellungen zu bilden. Zwar hätten diese Optionen am 15.11.2001 ausgeübt werden können. Nach den überzeugenden Überlegungen und Berechnungen des Sachverständigen Dr. B. konnten diese Investoren aber zum 21.9.2001 davon ausgehen, dass diese Ansprüche auch dann befriedigt werden konnten, wenn andere Optionsberechtigte ihre Optionen ausübten. Mit einer Ausübung der Optionen durch die T.-​Investoren war daher eher nicht zu rechnen. Von daher erschien es aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns vertretbar, diesbezüglich vorläufig keine Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

79            ee) Die Put-​Optionen des Capital Research & Management Funds waren ähnlich strukturiert wie diejenigen der Traviata-​Investoren. Entsprechend den dort angestellten Überlegungen waren daher zum 21.9.2001 noch keine Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

80            ff) Für die Put-​Optionen der N. G. T. Holding GmbH und der R. Beteiligung waren zum 21.9.2009 noch keine Drohverlustrückstellungen zu bilden. Die Optionen konnten erst im Jahr 2004 ausgeübt werden. Soweit Voraussetzung ein bis dahin unterbliebener Börsengang der K. Media war, konnte ein solcher Börsengang angesichts der volatilen Marktentwicklung noch möglich erscheinen. Hinsichtlich der R. Beteiligung, deren Put-​Optionen nicht vom Ausbleiben eines Börsengangs abhingen, hat der Sachverständige keine Hinweise für eine Ausübungsabsicht des Investors gefunden. Von daher konnte ein sorgfältiger Kaufmann von der Bildung von Drohverlustrückstellungen absehen.

 

81            b) Unter Berücksichtigung der bis 31.12.2002 zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen aus den Put-​Optionen hat der Sachverständige die im Prognosezeitraum (Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahrs) zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen den Verkehrswerten der vorhandenen Sicherheiten gegenüber gestellt und kommt hiernach überzeugend und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass eine Liquidationsunterdeckung im Prognosezeitraum nicht zu erwarten war (Gutachten S. 134). Der Schuldnerin war daher eine positive Fortführungsprognose zu stellen (vgl. aber unten d).

 

82            c) Folglich war beim Überschuldungsstatus der Schuldnerin zum 21.9.2001 bei der Bewertung des Aktivvermögens der Schuldnerin von Fortführungswerten auszugehen. Der Sachverständige hat hier (wie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung) jeweils das obere Ende der von ihm ermittelten Verkehrswertbandbreiten angesetzt. Dies ist hier nicht nur im Ansatz (vgl. dazu oben II 4 b), sondern auch im Ergebnis zutreffend. Denn anders als bei der Kreditwürdigkeitsprüfung hält der Senat im Überschuldungsstatus keine prozentualen Verkehrswertabschläge für geboten. Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung waren die Abschläge der Tatsache geschuldet, dass kein Kreditinstitut vorhandene Sicherheiten zu 100 Prozent valutieren wird. Diese Problematik stellt sich beim Überschuldungsstatus nicht. Hier ist vielmehr, da der Kläger für das Vorliegen von Überschuldung darlegungs- und beweispflichtig ist, von dem für den Erblasser bzw. die Beklagte günstigsten denkbaren Verkehrswert des Aktivvermögens der Schuldnerin auszugehen.

 

83            Auf dieser Basis kommt der Sachverständige zu Stichtag 21.9.2001 dazu, dass das Aktivvermögen der Schuldnerin deren Passivvermögen deutlich überstieg (Gutachten S. 144). Überschuldung lag daher nicht vor.

 

84            d) Kein anderes Ergebnis ergibt sich für den Stichtag 21.9.2001, wenn man (zwar nicht im Überschuldungsstatus, aber) bei der Ermittlung der Fortbestehensprognose wie bei der Prüfung der Kreditunwürdigkeit die oben unter II 4 d diskutierten Wertabschläge auf die vorhandenen Sicherheiten vornimmt (so dass die Frage hier noch offen bleiben kann). Dann kommt man zwar zu einer negativen Fortbestehensprognose (Ergänzungsgutachten S. 24) mit der Folge, dass im Überschuldungsstatus auf Liquidationswerte (also jeweils auf das untere Ende der ermittelten Verkehrswertbandbreiten, vgl. dazu näher unten IV 2 c) abzustellen ist. Aber auch dann ergibt sich zum 21.9.2001 noch ein positives Reinvermögen der Schuldnerin (Ergänzungsgutachten S. 27).

 

85            2. Zum zweiten Auszahlungsstichtag (12.11.2001) konnte der Schuldnerin keine positive Fortbestehensprognose mehr bescheinigt werden. Die vom Sachverständigen unter den nachstehend zu erörternden Prämissen auf der Basis von Liquidationswerten vorgenommene Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva der Schuldnerin ergab eine Überschuldung zum 12.11.2001.

 

86            a) Zum Erfordernis von Drohverlustrückstellungen für Put-​Optionen ist wie folgt auszuführen.

 

87            aa) Hinsichtlich der Put-​Optionen des Axel-​Springer-​Konzerns ergeben sich keine Änderungen gegenüber dem 21.9.2001.

 

88            bb) Dies gilt letztlich auch hinsichtlich der Put-​Optionen zugunsten von BSkyB. Die Notwendigkeit von Drohverlustrückstellungen tritt hier sogar noch deutlicher in Erscheinung, weil BSkyB zwischenzeitlich in einer Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Ausübung der Put-​Optionen erwogen werde.

 

89            cc) Hinsichtlich der Put-​Optionen der Minderheitsgesellschafter der K. Pay TV gelten die Ausführungen zum Stichtag 21.9.2001 entsprechend.

 

90            dd) Anders als zum 21.9.2001 waren zum 12.11.2001 für die Put-​Optionen der T.-​Investoren Drohverlustrückstellungen zu bilden. Das Rechenwerk des Sachverständigen deutet darauf hin, dass die Investoren das Risiko liefen, mit ihren Ansprüchen auszufallen, wenn sie die Optionen nicht zeitnah geltend machen würden. Die Bereitschaft der Investoren, kurzfristig und gegen Sicherheiten auf die sofortige Ausübung der Optionen zu verzichten, lässt nach Auffassung des Sachverständigen keinen sicheren Schluss auf das weitere Verhalten der Investoren zu. Der Sachverständige legt sich daher nicht fest, ob die Investoren die Optionen bis zum 31.12.2002 wahrscheinlich ausgeübt hätten, und stellt deshalb für die Fortführungsprognose und den Überschuldungsstatus alternative Szenarien vor.

 

91            Zu entscheiden ist hier keine tatsächliche Frage (Wahrscheinlichkeit der Ausübung der Optionen, was zur Beweislast des Klägers stünde), sondern eine Rechtsfrage, die der Senat auf der Basis des vom Sachverständigen aufbereiteten Sachverhalts zu entscheiden hat. Nämlich: war die Schuldnerin auf der Basis dieses Sachverhalts verpflichtet, Drohverlustrückstellungen zu bilden?

 

92            Der Senat ist der Auffassung dass ein ordentlicher Kaufmann in der Situation der Schuldnerin Drohverlustrückstellungen gebildet hätte. Der reguläre Ausübungstermin der Put-​Optionen (15.11.2001) stand am 12.11.2001 unmittelbar bevor. Zwar wurden Verhandlungen über die Nichtausübung geführt; diese führten aber nur zu einer kurzfristigen Verschiebung um den Preis der Hingabe zusätzlicher Sicherheiten. Obendrein bestand wie gezeigt das Risiko, dass die Investoren mit ihren Ansprüchen ausfallen würden. Von daher war nach Auffassung des Senats mit einer Ausübung der Put-​Optionen bis zum 31.12.2002 ernsthaft zu rechnen.

 

93            ee) Die Put-​Optionen des Capital Research & Management Fund waren ähnlich strukturiert wie diejenigen der T.-​Investoren. Entsprechend den dort angestellten Überlegungen waren daher zum 12.11.2001 Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

94            ff) Für die Put-​Optionen der N. G. T. Holding GmbH und der Rewe Beteiligung hatten sich die Rahmenbedingungen seit dem ersten Auszahlungsstichtag nicht geändert. Drohverlustrückstellungen waren nach wie vor nicht erforderlich.

 

95            b) Unter Berücksichtigung der bis zum 31.12.2002 zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen einschließlich derjenigen gegenüber den Traviata-​Investoren hat der Sachverständige die im Prognosezeitraum (Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahrs) zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen den Verkehrswerten der vorhandenen Sicherheiten gegenüber gestellt und kommt hiernach überzeugend und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass eine Liquidationsunterdeckung im Prognosezeitraum zu erwarten war (Gutachten S. 135 – Alternativszenario). Der Schuldnerin war daher zum 12.11.2001 eine negative Fortbestehensprognose zu stellen.

 

96            Soweit man bei der Ermittlung der Fortbestehensprognose die oben unter II 4 d und IV 1 d diskutierten Wertabschläge auf die vorhandenen Sicherheiten vornimmt (was der Senat für sachgerecht hält, weil es letztlich wie bei der Frage der Kreditwürdigkeit darum geht, ob die Schuldnerin die erforderlichen Kredite erhalten hätte), vertieft sich die negative Fortführungsprognose; insbesondere ist diese auch dann negativ, wenn anders als oben angenommen Drohverlustrückstellungen für die Put-​Optionen der T.-​Investoren nicht erforderlich gewesen sein sollten (Ergänzungsgutachten S. 24 f.).

 

97            Der Annahme einer negativen Fortbestehensprognose kann nicht entgegen gehalten werden, dass die KPMG am 11.1.2002 dem mit Fortführungswerten arbeitenden (also von einer positiven Fortbestehensprognose ausgehenden) Jahresabschluss der Schuldnerin für das Geschäftsjahr 2000 einen Bestätigungsvermerk erteilt hat. Der Sachverständige hat überzeugend nachgewiesen, dass sich zwischen den drei Auszahlungsstichtagen die Kreditverhältnisse der Schuldnerin und die den Kreditverhältnissen zugrunde liegenden Besicherungen so maßgeblich geändert haben, dass eine Einzelfallbetrachtung zu jedem der drei Stichtage zu erfolgen hat. Aus den subjektiven Einschätzungen der Prüfer der KPMG zu einem anderen Stichtag (11.1.2002) lassen sich daher keine relevanten Rückschlüsse ziehen.

 

98            Keine Aussagekraft hätte auch die von der Beklagten behauptete Tatsache, dass die im Februar 2002 beauftragten Sanierungs- bzw. Restrukturierungsberater den K.-​Konzern insgesamt für sanierungsfähig und -würdig erachtet haben. Der Sachverständige weist zutreffend darauf hin, dass diese am zweiten Auszahlungsstichtag noch nicht und am dritten Auszahlungsstichtag erst wenige Tage tätig waren. Es ist daher davon auszugehen, dass der (wiewohl im Nachhinein gewonnene) Horizont des Sachverständigen demjenigen der Restrukturierungsberater deutlich überlegen ist.

 

99            c) Folglich war beim Überschuldungsstatus der Schuldnerin zum 12.11.2001 bei der Bewertung des Aktivvermögens von Liquidationswerten auszugehen. Der Sachverständige hat hier jeweils das untere Ende der von ihm ermittelten Verkehrswertbandbreiten als Liquidationswerte angesetzt. Er hat dies damit begründet, dass das Aktivvermögen der Schuldnerin im Wesentlichen aus Finanzanlagen bestand. Liquidation der Schuldnerin hätte bedeutet, diese Finanzanlagen zu veräußern. Der dabei erzielbare Erlös hätte angesichts der Liquidationssituation im unteren Bereich des Realistischen gelegen. Diese Argumentation erscheint nach Auffassung des Senats im Rahmen des § 287 ZPO als gut geeignete Methode zur Schätzung der Liquidationswerte.

 

100          Auf dieser Basis kommt der Sachverständige zum Stichtag 12.11.2001 dazu, dass das Passivvermögen der Schuldnerin deren Aktivvermögen überstieg (Gutachten S. 146; Ergänzungsgutachten S. 28). Die Schuldnerin war daher überschuldet.

 

101          3. Zum dritten Auszahlungsstichtag (26.2.2002) konnte der Schuldnerin keine positive Fortführungsprognose zum Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahrs (31.12.2003) bescheinigt werden. Die vom Sachverständigen folgerichtig auf der Basis von Liquidationswerten vorgenommene Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva der Schuldnerin ergab eine Überschuldung zum 26.2.2002.

 

102          a) Zum Erfordernis von Drohverlustrückstellungen für Put-​Optionen ist wie folgt auszuführen, soweit sich die Lage gegenüber dem zweiten Auszahlungsstichtag geändert hat.

 

103          aa) Am 26.2.2002 waren die Put-​Optionen bereits ausgeübt und belasteten T. TV, was deren Verkehrswert entsprechend reduzierte. Zur Wirksamkeit der Put-​Optionen vgl. bereits oben IV 1 a aa.

 

104          bb) Hinsichtlich der Put-​Optionen von BSkyB ergeben sich keine durchgreifenden Änderungen gegenüber dem 12.11.2001.

 

105          cc) Hinsichtlich der Minderheitsgesellschafter von K. Pay TV ist zu beachten, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. keine positive Fortführungsprognose für K. Pay TV mehr gestellt werden konnte. Es war also damit zu rechnen, dass auch K.Holdings B.B.V. und die anderen oben unter IV 1 a cc (2) genannten Investoren ihre Put-​Optionen ausüben würden. Daher waren nunmehr auch insoweit Drohverlustrückstellungen zu bilden.

 

106          dd) Hinsichtlich der Put-​Optionen der T.-​Investoren ergeben sich keine durchgreifenden Änderungen gegenüber dem 12.11.2001. Eher war noch deutlicher mit der Ausübung der Put-​Optionen zu rechnen, weil zwischenzeitlich die (zweite) Pressemitteilung von BSkyB vom 8.2.2002 bekannt geworden war, wonach letztere bestrebt war, den vollen Wert ihrer Put-​Optionen zu sichern. Hiernach musste es sich für die T.-​Investoren aufdrängen, dass sie bei nicht alsbaldiger Ausübung der eigenen Optionen „zu kurz kommen“ könnten.

 

107          ee) Hinsichtlich der Put-​Optionen des Capital Research & Management Fund haben sich gegenüber dem 12.11.2001 keine durchgreifenden Änderungen ergeben.

 

108          ff) Für die Put-​Optionen der N. G. T. Holding GmbH und der Rewe Beteiligung hatten sich die Rahmenbedingungen seit den ersten beiden Auszahlungsstichtagen nicht geändert. Drohverlustrückstellungen waren daher nach wie vor nicht erforderlich.

 

109          b) Unter Berücksichtigung der bis zum 31.12.2003 zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen einschließlich der vorstehend aufgeführten zusätzlichen Drohverlustrückstellungen hat der Sachverständige die im Prognosezeitraum (Ende des nächstfolgenden Geschäftsjahrs) zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen den Verkehrswerten der vorhandenen Sicherheiten gegenüber gestellt. Dabei war zu berücksichtigen, dass K. Pay TV kein positiver Verkehrswert mehr beigemessen werden konnte und dass die Beteiligung der Schuldnerin an K. M. überwiegend anderweitig verpfändet war. Hiernach kommt der Sachverständige überzeugend und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass eine Liquiditätsunterdeckung im Prognosezeitraum zu erwarten war (Gutachten S. 137). Der Schuldnerin war daher zum 26.2.2002 eine negative Fortführungsprognose zu stellen. Noch deutlich negativer stellt sich die Fortbestehensprognose dar, wenn man – wie es der Senat für geboten erachtet, vgl. oben IV 2 b – hinsichtlich der vorhandenen Sicherheiten die mehrfach diskutierten Wertabschläge vornimmt.

 

110          Mit den Einwänden der Beklagten gegen die Annahme einer negativen Fortführungsprognose hat sich der Senat bereits oben (IV 2 b) auseinander gesetzt.

 

111          c) Folglich war im Überschuldungsstatus der Schuldnerin zum 26.2.2002 bei der Bewertung des Aktivvermögens der Schuldnerin von Liquidationswerten (= unteres Ende der ermittelten Verkehrswertbandbreiten, vgl. oben IV 2 c) auszugehen. Auf dieser Basis kommt der Sachverständige zum Stichtag 26.2.2002 dazu, dass das Passivvermögen der Schuldnerin deren Aktivvermögen überstieg (Gutachten S. 148). Die Schuldnerin war daher überschuldet.

 

V.

 

112          Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Der Kläger hat unwidersprochen vorgebracht und durch Vorlage der Anlage K 9 belegt, die Klageforderung mit Schreiben vom 27.9. 2004 unter Fristsetzung zum 20.10.2004 angemahnt zu haben.

 

VI.

 

113          Auf Antrag der Beklagten war gemäß § 305 ZPO der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung auszusprechen.Ob zugunsten der Beklagten die tatsächlichen Voraussetzungen der Einreden nach §§ 2014, 2015 BGB vorliegen, muss der Senat nicht prüfen (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 34. Aufl., § 305 Rz. 2); dies ist gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren zu klären.

 

VII.

 

114          Der neue Sachvortrag der Beklagten (Schriftsatz vom 6.9.2013) im Hinblick auf erst kürzlich aufgefundene Unternehmensplanungen der P.S.Sat1 Media AG vom November 2001 für die Jahre 2002 bis 2006 ist verspätet gemäß §§ 531 Abs. 2 Nr. 3, 296, 282 ZPO. Selbst wenn man den bestrittenen Beklagtenvortrag unterstellt, wonach der Beklagten diese Unterlagen erst im Februar 2013 zugänglich geworden sind und dass diese erst gesichtet werden mussten, hätte es der Beklagten oblegen, diese Unterlagen früher vorzulegen, zumindest so zeitig, dass sie hätten noch zum Gegenstand des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen vom 8.5.2013 gemacht werden können.

 

115          Aber auch inhaltlich erschließt sich dem Senat die Bewertungsrelevanz der in die Zukunft gerichteten, offenbar rein internen und damit Geschäftspartnern der Schuldnerin bzw. der P.S.Sat1 Media AG nicht zugänglichen Planungen nicht. Maßgeblich für die Bewertung sind primär „harte“ Fakten, die der Senat den Gutachten des Sachverständigen Dr. B.entnehmen kann, und nicht Planungen, Erwartungen und Hoffnungen für die Zukunft.

 

VIII.

 

116          Ein Zuwarten mit der Entscheidung im Hinblick darauf, dass dem Beklagtenvertreter Akteneinsicht in ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Dritte wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage bzw. des Prozessbetrugs in einem anderen Verfahren angekündigt wurde, kommt nicht in Betracht. Der vorliegende Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Die Beklagte hat dem Sachverständigen Dr. B. diverse Unterlagen vorenthalten (vgl. Schreiben des Sachverständigen vom 27.2.2013, Bl. 1079 der Akten). Wenn sie selbst nun neue Unterlagen vorlegt bzw. deren Vorlage nur ankündigt, liegt Verzögerungsabsicht nicht fern. Im übrigen ist es für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant, wie Dritte (etwa Banken) die wirtschaftliche Lage bzw. Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit des Konzerns des Erblassers beurteilten. Relevant ist allein die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu den drei Auszahlungsstichtagen, welche aufgrund der Gutachten des Sachverständigen Dr. B. zur Überzeugung des Gerichts feststeht.

 

117          Aus denselben Gründen erübrigt sich auch eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens im Hinblick auf eine in einem anderen Verfahren zwischen anderen Parteien mit anderem Streitgegenstand ins Auge gefasste Beweisaufnahme.

 

118          Auch das weitere tatsächliche Vorbringen der Parteien nach der mündlichen Verhandlung muss aus verfahrensrechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben.

 

C.

 

119          Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 ZPO.

 

120          Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

121          Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Tatsache, dass dem Rechtsstreit eine der spektakulärsten Insolvenzen der deutschen Wirtschaftsgeschichte zugrunde liegt, begründet keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die zugrunde liegenden Rechtsfragen (Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife; Haftung für Rückzahlungen bei kapitalersetzenden Darlehen; rechtliche Ausgangspunkte für die Prüfung von Kreditunwürdigkeit, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung) sind höchstrichterlich geklärt. Die Schwierigkeiten des gegenständlichen Falles liegen in der betriebswirtschaftlichen Erfassung der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin und betreffen daher die Umstände des Einzelfalls.

 

 

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