OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.11.2013 – 12 W 289/13 (NL)
Ausschlagung einer erbvertraglich zugewandten Alleinerbschaft
(AG Oldenburg, Beschl. v. 26.08.2013 – 30 VI 569/13)
Gründe:
Die Antragstellerin ist das aus deren erster Ehe stammende, einzige Kind der am 05.04.2013 verstorbenen Frau … (nachfolgend: Erblasserin). Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes war die Erblasserin in zweiter Ehe mit dem am 16.11.2010 verstorbenen Herr … verheiratet. Mit Herrn … hatte die Erblasserin am … einen notariellen Erbvertrag geschlossen.
Darin hat Herr … die Erblasserin als seine Alleinerbin und – für den Fall, dass diese vor ihm verstirbt oder aus einem anderen Grunde nicht Erbin werden sollte – die Beteiligte zu 2. zur alleinigen (Ersatz-) Erbin eingesetzt. Die Erblasserin hat ihrerseits Herrn … als ihren Alleinerben und – für den Fall, dass sie diesen überleben sollte – die Beteiligte zu 2. zu ihrer alleinigen (Ersatz-) Erbin bestimmt.
Beide Eheleute haben ferner jeweils ihre Abkömmlinge aus erster Ehe mit umfangreichen Vermächtnissen bedacht. Abschließend heißt es im Erbvertrag unter IV.
„Bindung”: „Wir nehmen unsere Erklärungen über die gegenseitige Erbeinsetzung und die Einsetzung der … zur Erbin des Längslebenden von uns mit erbvertraglicher Wirkung gegenseitig an. Ein vertragliches Rücktrittsrecht will sich keiner von uns vorbehalten.
Der Überlebende ist jedoch berechtigt, die Verfügungen zugunsten seiner Abkömmlinge zu ändern.”
Nach dem Tod des Herrn … hat die Erblasserin unter dem 18.01.2011 gegenüber dem Nachlassgericht erklärt, dass sie „die Erbschaft (nur) aufgrund gewillkürter Erbfolge” nach Herrn … ausschlage. Durch letztwillige Verfügungen vom 31.03.2011 und 13.12.2012 hat die Erblasserin neu testiert, wobei sie im letztgenannten Testament die Antragstellerin zu ihrer Alleinerbin eingesetzt hat.
Unter dem 25.04.2013 beantragte die Antagstellerin die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie ist der Ansicht, dass die Erblasserin durch die Ausschlagung der Erbschaft aus gewillkürter Erbfolge ihre Testierfreiheit wiedererlangt habe und die Antragstellerin daher wirksam zu ihrer Erbin einsetzten konnte. Das AG hat den Erbscheinsantrag durch Beschluss vom 26.08.2013 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Die Erbeinsetzung der Antragstellerin im Testament vom 13.12.2012 ist gem. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, da sie das Recht der im Erbvertrag vom 27.09.2012 wirksam bedachten Beteiligten zu 2. beeinträchtigt.
Die Erblasserin war im Zeitpunkt der Errichtung der Testamente vom 31.03.2011 und 13.12.2012 in Bezug auf die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2. durch den Erbvertrag vom 27.09.2010 gebunden. Sie hat ihre Testierfreiheit auch mit der am 18.01.2011 erklärten Ausschlagung der Erbschaft aus gewillkürter Erbfolge nach ihrem Ehemann nicht wiedererlangt. Die von der Eblasserin erklärte Ausschlagung der Erbschaft hat die Wirksamkeit des Erbvertrages vom 27.09.2010 nicht berührt.
Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin ist der Erbvertrag nicht im Hinblick auf die erklärte Ausschlagung gem. § 2298 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Unwirksamkeit eines Erbvertrages nach § 2298 Abs. 1 BGB tritt nur ein, wenn eine vertragsgemäße Verfügung im Erbvertrag z.B. aufgrund Geschäftsunfähigkeit, Formmangels oder wirksamer Anfechtung nichtig ist. Entsprechende Nichtigkeitsgründe liegen hier nicht vor. Die Ausschlagung des Erbes durch den Bedachten führt nicht zur Nichtigkeit der zugrunde liegenden Verfügung; diese wird vielmehr nur „gegenstandslos”, was für die Anwendung des § 2298 Abs. 1 BGB nach einhelliger Meinung nicht ausreicht (vgl. nur Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2298 Rn. 2; Staudinger/Kanzleiter, BGB, 2006, § 2298 Rn. 7; MünchKomm-BGB/Musielak, 6. Aufl., § 2298 Rn. 3).
Die Ausschlagung des Erbes durch Erblasserin führt auch nicht nach §§ 2085, 2279 BGB zur Unwirksamkeit des Erbvertrages. Zwar wird gestützt auf eine Entscheidung des BayObLG (FamRZ 2004, 59 (61)) in der Literatur vertreten, dass sich (u.a.) bei einer Ausschlagung der in einem gegenseitigen Erbvertrag zugewandten Erbschaft die Frage der Gültigkeit der anderen vertragsmäßigen Verfügung nach § 2085 BGB richten soll (vgl. Palandt/Weidlich a.a.O.; Staudinger/Kanzleiter, aaO., MünchKomm-BGB/Musielak a.a.O. A.A.: Erman/Schmidt, BGB, 13. Aufl., § 2298 Rn. 2).
Der Senat tritt dieser Auffassung jedoch – jedenfalls für den Fall einer Ausschlagung des erbvertraglich zugewandten Erbes – nicht bei. Gegen eine Anwendung des § 2085 BGB bei einer Ausschlagung des in einem gegenseitigen Erbvertrag zugewandten Erbes spricht insoweit die Systematik der Auslegungsregeln in § 2298 BGB, wonach eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrages nur bei „Nichtigkeit” einer vertragsgemäßen Verfügung eintreten soll (Abs. 1) und der Überlebende seine vertragsgemäßen Verfügungen nur dann, wenn der Erbvertrag einen Rücktrittsvorbehalt enthält, nach Ausschlagung des ihm zugewandten Erbes aufheben kann (Abs. 2 Satz 3).
Jedenfalls der Regelung in § 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB hätte es nicht bedurft, wenn die längerlebende Vertragspartei schon über § 2085 BGB (auch ohne einen Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag) durch Ausschlagung der Zuwendung ihre Testierfreiheit wiedererlangen könnte. Auf der anderen Seite ist anerkannt, dass die Auslegungsregel des § 2085 BGB für wechselseitige oder vertragsgemäße Verfügungen in einem Erbvertrag gerade nicht gilt, da hier die speziellere Vorschrift des § 2298 Abs. 1 eingreift (vgl. Palandt/Weidlich a.a.O., § 2085 Rn. 1; Staudinger/Otte 2013, BGB, § 2085 Rn. 16). Dementsprechend hat auch der BGH in einem der vorliegenden Konstellation vergleichbar gelagerten Fall (BGH, FamRZ 2011, 1224 (1226); ebenso vorgehend OLG Köln, ErbR 2011, 56 (57)) entschieden, dass ein Recht des Überlebenden, nach Ausschlagung seine Verfügung durch Testament aufzuheben, in § 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB nur für den Fall vorgesehen ist, dass im Erbvertrag bereits ohnehin dessen Rücktritt vorbehalten war. Die Möglichkeit einer Wiedererlangung der Testierfreiheit des Überlebenden nach § 2085 BGB hat der BGH gar nicht erst erwogen.
Im Übrigen kann hier mit der Auslegungsregel des § 2085 BGB eine Unwirksamkeit der erbvertraglichen Verfügungen der Erblasserin bzw. eine Wiedererlangung der Testierfreiheit auch sachlich nicht begründet werden. Im Erbvertrag vom 27.09.2010 hat Herr unter Ziff. I. A. die Erblasserin als seine Alleinerbin eingesetzt und für den Fall, dass diese vor ihm versterben oder aus einem anderen Grunde (also z.B. auch aufgrund einer Ausschlagung des Erbes) nicht Erbin werden sollte, die Beteiligte zu 2. als (Ersatz-)Erbin bestimmt. Im Folgenden (Ziff. II. A. des Erbvertrages) hat die Erblasserin Herrn … als Alleinerben eingesetzt. Unter Ziff. IV. des Erbvertrages haben beide Vertragsbeteiligten sodann ausdrücklich erklärt, dass sie sowohl die gegenseitige Erbeinsetzung als auch die Einsetzung der Beteiligten zu 2. als Erbin des Längstlebenden mit erbvertraglicher Bindung gegenseitig annehmen.
Die Verfügungen des Herrn … im Erbvertrag sind daher unzweifelhaft vertragsgemäß (wechselseitig) und insoweit nicht (als einseitige Verfügung im Erbvertrag) nach § 2085 BGB zu berurteilen (vgl. insoweit Palandt/Weidlich a.a.O. § 2298, Rn. 1 a.E.; Staudinger/Otte a.a.O., § 2085 Rn. 14; Münch-Komm-BGB/Musielak, a.a.O., § 2298 Rn. 2 m.w.N.). Eine Unwirksamkeit der vertraglichen Erbeinsetzungen ergäbe sich hier im Übrigen auch selbst dann nicht, wenn man mit der vorstehend dargestellten Literaturansicht die Auslegungsregel des § 2085 BGB auch auf (z.B. aufgrund erfolgter Ausschlagung) gegenstandslos gewordene vertragsgemäße Verfügungen anwenden würde. Im Rahmen seiner erbvertraglichen Verfügung hat Herr … ausdrücklich festgelegt, dass dann, wenn die als Alleinerbin eingesetzte Erblasserin „aus einem anderen Grunde”, also auch aufgrund einer Ausschlagung des Erbes, nicht Erbin wird, der Ersatz-(Erb-)Fall eintritt.
Angesichts dieser, ausdrücklich vom beiderseitigen erbvertraglichen Bindungswillen getragenen Bestimmung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bindende Verfügung des Herrn … durch eine in der freien Willensentschießung der Erblasserin liegende Ausschlagung der Erbschaft insgesamt gegenstandslos bzw. unwirksam werden sollte. Vielmehr sollte die Verfügung auch in einem solchen Falle bestand haben und in der Folge dann der Ersatz(Erb-)Fall eintreten. Durch die Ausschlagung der Erbschaft seitens der Erblasserin ist die erbvertragliche Verfügung des Herrn … daher nicht unwirksam geworden, so dass die Auslegungsregel des § 2085 BGB schon tatbestandlich nicht zur Anwendung gelangt.
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