Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 5. Zivilsenat, 5 U 86/13
Haftung des Kapitalanlagevermittlers: Verharmlosung der Anlagerisiken durch Werberundschreiben oder selbsterstellte Informationsblätter des Anlagevermittlers bei Risikoaufklärung im nachfolgenden Vermittlungsgespräch anhand des vollständigen Emissionsprospekts; Darlegungs- und Beweislast für die rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts
Gründe
Sachverhalt:
Der Kläger beansprucht von dem Beklagten, einem freien Anlageberater, Schadenersatz im Zusammenhang mit verschiedenen Fondsbeteiligungen in den Jahren 2005 bis einschließlich Februar 2008.
Die Parteien kennen sich seit dem Jahr 2003. Der Kläger ist pensionierter Lehrer. Seine Ehefrau, die Zeugin C.A., war bis 2001 ebenfalls als Lehrerin tätig, danach unterhielt sie eine Generalagentur der X-Versicherung. Der Beklagte ist als selbständiger Anlageberater und Vermittler tätig. Gelegentlich übersandte er dem Kläger und seiner Ehefrau Informationsschreiben über mögliche Kapitalanlagen. Insgesamt vermittelte der Beklagte den Eheleuten A. acht verschiedene Beteiligungen. Die Zeugin C.A. verfolgt eigene Ansprüche gegen den Beklagten im Rahmen des Rechtsstreits OLG Schleswig 5 U 108/13 (= Landgericht Kiel 2 O 157/12).
Gegenstand dieses Rechtsstreits sind die nachfolgenden drei Fondsbeteiligungen:
Treuhandbeteiligung an der Container One GmbH & Co. KG über 50.000,00 US $ + 2.500,00 US $ Agio.
Insoweit behauptet der Kläger einen Schaden in Höhe von 47.767,72 € .
Treuhandbeteiligung an der „Santa P Schiffe 2″, jeweils zu 25 % an der Zweite MS „Santa Pamina“ Offen Reederei GmbH & Co. KG; Zweite MS „Santa Placida“ Offen Reederei GmbH & Co. KG; Zweite MS „Santa Pelagia“ Offen Reederei GmbH & Co. KG und Zweite MS „Santa Petrissa“ Offen Reederei GmbH & Co. KG“. Gemäß Forderungsaufstellung per 20. Dezember 2011 beansprucht der Kläger insoweit Schadenersatz in Höhe von 114.820,15 €.
Treuhandbeteiligung an der IGB „USA Retail Portfolio Fund IV GmbH & Co. KG“ über 50.000,00 US $ zzgl. 5 % Agio. Gemäß Forderungsaufstellung per 20. Dezember 2011 beansprucht der Kläger insoweit Schadenersatz in Höhe von 42.669,74 €.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn fehlerhaft über die Eigenschaften, Chancen und Risiken der vorgenannten Beteiligungen aufgeklärt. Die Angaben in den jeweiligen Kundenanschreiben und den von dem Beklagten selbst erstellten „Beiblättern“ seien in wesentlichen Punkten unzutreffend. Die entsprechenden Emissionsprospekte seien jeweils erst nach der Zeichnung überreicht worden. Er habe die Prospekte dann auch nicht näher durchgesehen, da er den Angaben des Beklagten vertraut habe. Er habe keine langfristigen Anlagen mit einem Totalverlustrisiko gewollt. Vielmehr habe er eher Anlagen im Bereich von 3 bis 5 Jahren gesucht.
Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 13. Mai 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen. Der Kläger habe die von ihm behauptete, verspätete Übergabe der jeweiligen Emissionsprospekte nicht bewiesen. Die Angaben des Beklagten in seinen jeweiligen Werbeschreiben und in den von ihm erstellten Übersichten wichen nicht entscheidend von den Prospektangaben ab. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei die Kammer davon überzeugt, dass der Beklagte seine Angaben in den jeweiligen persönlichen Beratungsgesprächen richtig gestellt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Das Landgericht habe sich nicht damit befasst, ob die Angaben des Beklagten in den von ihm verfassten Werbeschreiben und Beiblättern tatsächlich fehlerhaft seien. Dann wäre nämlich der Beklagte für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, er habe die fehlerhaften Angaben ausdrücklich richtig gestellt. Insoweit sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft. Gleiches gelte für die Frage der rechtzeitigen Prospektübergabe. Das Landgericht hätte in Betracht ziehen müssen, dass der Kläger verschiedene Unterlagen auf Initiative des Beklagten übersandt bekommen und im Rahmen der Gespräche lediglich den Flyer und die von dem Beklagten selbst erstellten Übersichten beachtet habe.
Das Landgericht setze sich hinsichtlich der Beteiligung am USA Retail Portfolio Fund IV nur unzureichend damit auseinander, dass die von dem Beklagten erstellten Unterlagen (Werbeschreiben vom 30. November 2007 und Beiblatt) fehlerhaft seien. So fänden sich bei den Punkten Renditeprognose und Laufzeit in den v.g. Unterlagen keine Einschränkungen. Gleiches gelte in Bezug auf die Beteiligung an der Container One GmbH & Co. KG. Auch hier seien die Angaben des Beklagten in dem Werbeschreiben vom 4. August 2005 und in dem Beiblatt überhaupt nicht nachvollziehbar. Die Angaben „zusätzlich Sicherung des gesamten Kapitalrückflusses nach 6 Jahren (sehr wichtig!!!)“ und „einziger Containerfonds auf dem Markt, bei welchem der Rückfluss des gesamten Kapitals nach Fondsende gesichert ist“ seien schlichtweg falsch, denn auch insoweit handele es sich um eine unternehmerische Beteiligung mit Totalverlustrisiko. Auch das Werbeschreiben vom 10. September 2007 betreffend die Beteiligung an den Fonds der „Santa P Schiffe“ enthalte unrichtige Angaben. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass Ausschüttungen unmittelbar nach dem Beitritt nicht erfolgen könnten.
Der Kläger beansprucht von dem Beklagten Schadenersatz gegen Rückabwicklung der o.g. Fondsbeteiligungen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Aus den Gründen:
Die Berufung hat im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keinen Erfolg. Der Senat hat den Kläger bereits mit einstimmigem Beschluss vom 25. September 2013 auf die mangelnde Erfolgsaussicht hingewiesen und dies wie folgt begründet:
„Dem Kläger steht gegen den Beklagten bereits dem Grunde nach kein Schadenersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den jeweiligen Anlagevermittlungsverträgen zu. Die Ausführungen des Landgerichts, dass zwischen den Parteien kein Anlageberatungs- sondern lediglich ein Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen ist, werden mit der Berufung nicht angefochten. Deshalb war eine auf die besonderen Anlagerbelange zugeschnittene Beratung (Anlageziel, Risikobereitschaft etc.), zu der grundsätzlich ein Anlageberater verpflichtet gewesen wäre, nicht geschuldet. Der Anlagevermittler ist – wie im Übrigen auch der Anlageberater – lediglich zu einer richtigen und vollständigen Information des Kunden über die tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für seine Anlageentscheidung besonders bedeutsam sind (BGH Urteil vom 5. März 2009, III ZR 17/08, WM 2009, 739-742). Der Kläger hat nicht bewiesen, dass der Beklagte diese Informations- und Aufklärungspflichten in erheblicher Weise verletzt hat.
Vielmehr ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger den jeweiligen Emissionsprospekt stets so rechtzeitig erhalten hat, dass er in der Lage war, seinen Inhalt zur Kenntnis nehmen. Der Beklagte ist insoweit seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen und hat erklärt, wann, in welcher Form und in welchem Umfang er die jeweiligen Emissionsprospekte an den Kläger ausgehändigt hat.
Auf den jeweiligen Zeichnungsscheinen hat der Kläger durch seine Unterschrift ausdrücklich bestätigt, die Beitrittsunterlagen und damit auch den jeweiligen Emissionsprospekt erhalten zu haben (vgl. Beitrittserklärung vom 30. September 2005; Beitrittserklärung vom 4. Oktober 2007; Beitrittserklärung vom 28. Februar 2008; jeweils Privaturkunden gem. § 416 ZPO). Zwar steht allein dieser Umstand einer Beweisaufnahme zur streitigen (rechtzeitigen) Prospektübergabe nicht entgegen. Dieser Nachweis ist dem Kläger durch die Anhörung der Zeugin C.A. jedoch nicht gelungen. Im Hinblick auf die Beteiligung an den „USA Retail Portfolio Fund IV“ spricht das Schreiben des Beklagten vom 14. Februar 2008 eindeutig gegen die Behauptung des Klägers, die vollständigen Emissionsprospekte seien immer erst nach der Zeichnung übersandt worden. Hinsichtlich der Beteiligung „Container One GmbH & Co. KG“ hat unstreitig bereits neun Tage vor der Zeichnung, nämlich am 21. September 2005, das persönliche Beratungsgespräch stattgefunden. Die entsprechende Beitrittserklärung hat der Kläger erst per Fax am 30. September 2005 übersandt. Hinsichtlich der Beteiligung an dem Fonds der „Santa P Schiffe“ hat – entsprechend der Anhörung des Beklagten im Termin vom 25. Oktober 2012 – am 4. Oktober 2007 ein sehr langes Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden. Der Beklagte hat nachvollziehbar und detailliert erklärt, dass er auch insoweit die Aufklärung anhand des Emissionsprospekts vorgenommen habe. Das Landgericht hat im Ergebnis den Angaben des Beklagten geglaubt und sich von seiner Wahrheit überzeugt gezeigt. Demgegenüber enthielten die Bekundungen der Zeugin C.A. diverse Widersprüche und Ungereimtheiten, auf die das Landgericht in den Urteilsgründen (vgl. S. 18 und 19 des Urteils) hingewiesen hat. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen und eine erneute Beweisaufnahme gebieten würden (§§ 529, 531 ZPO), sind mit der Berufung nicht vorgetragen.
Auf ein gesondert unterschriebenes Empfangsbekenntnis findet § 309 Nr. 12 b BGB keine Anwendung, wie sich dies aus dem 2. Halbsatz der gesetzlichen Regelung ergibt. Im Übrigen wird durch das gesondert unterschriebene Empfangsbekenntnis keine von der gesetzlichen Beweislastverteilung abweichende vertragliche Beweislastregelung getroffen.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die jeweilige Emissionsprospekte die erforderlichen Informationen über die Kapitalbeteiligungen wahrheitsgemäß und verständlich vermittelt haben. Dies folgt bereits aus dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Grundsätzlich ist es einem Anlagevermittler nicht verwehrt, zunächst seine potentiellen Anlageinteressenten in Form eines Rundschreibens, das eindeutig Anpreisungs- und Werbecharakter hat, auf die Vorzüge einer Anlage hinzuweisen. Es liegt auf der Hand, dass solche Informationen für ein komplexes Anlageprodukt lückenhaft und unvollständig sind. Gleiches gilt für selbst erstellte „Beiblätter“ mit stichwortartigen Zusammenfassungen über 100 Seiten langer Emissionsprospekte. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese (Kurz-)Informationen automatisch immer gleich falsch sind. Mögliche Missverständnisse und Irritationen können nämlich insoweit bereits dadurch ausgeräumt werden, dass der Kunde zeitgleich und ausdrücklich wegen der vollständigen Information auf die Maßgeblichkeit des Emissionsprospekts hingewiesen wird. Das war hier hinsichtlich der Beteiligungen vom 30. September 2005 und 28. Februar 2008 der Fall. Die entsprechenden, von dem Beklagten verfassten Beiblätter enthielten jeweils den ausdrücklichen Zusatz:
„Dieses Beiblatt dient als Überblick. Bindend und allein maßgeblich für eine Beteiligung an der … ist allein der offizielle Emissionsprospekt!“.
Das Beiblatt für die Container One Beteiligung nimmt außerdem noch ausdrücklich Bezug auf die entsprechenden Seitenangaben in dem offiziellen Emissionsprospekt.
Hinsichtlich der Beteiligung an der „Santa P Schiffe 2“ enthält das Werbeschreiben des Beklagten vom 10. September 2007 zwar keinen entsprechenden Zusatz. In diesem Fall liegen aber nach Auffassung des Senats weder irreführende noch falsche Angaben vor (… wird weiter ausgeführt).
Das Landgericht hat es als bewiesen erachtet, dass der Beklagte – entsprechend seiner Angaben im Rahmen der persönlichen Anhörung – den Kläger in den jeweiligen persönlichen Gesprächen sowohl über Laufzeiten und Risiken der Investments richtig und vollständig aufgeklärt und keine vom Prospekt abweichenden Angaben gemacht hat (vgl. S. 18 und 19 des angefochtenen Urteils). Der Beklagte hat erklärt, dass er grundsätzlich seinen (Werbe-)Rundschreiben allein wegen des Portos keine weiteren Unterlagen beifüge. Im Übrigen würde er auf Anforderung der Kunden beim Materialversand jedoch immer den vollständigen Emissionsprospekt mitschicken. Bei Gesprächen mit seinen Kunden würde er stets den vollständigen Prospekt als Gesprächsleitfaden benutzen, ohne den er überhaupt nicht vernünftig beraten könne. Beim Verkauf eines jeden Fonds verbrauche er ca. 4 bis 5 Prospekte, weil er während der Beratungen immer darin herummalen würde und die Prospekte am Ende deshalb ziemlich verbraucht seien. Das Landgericht hält diese Angaben für glaubhaft und ist von ihrem Wahrheitsgehalt überzeugt. Die Berufung zeigt im Sinne von §§ 529,531 ZPO keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an den Feststellungen des Landgerichts begründen könnten (… wird weiter ausgeführt).
Die ergänzenden Ausführungen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 30. Oktober 2013 rechtfertigen keine andere Entscheidung (…. wird weiter ausgeführt).
Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine Abweichung zur Auffassung anderer Oberlandesgerichte sowie des Bundesgerichtshofs liegt nicht vor. Der BGH-Entscheidung vom 2. Februar 1983 (IVa ZR 118/81, WM 1983, 263-265) liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort waren die Angaben im Beteiligungsprospekt selbst objektiv falsch („es lägen Abnahmeverpflichtungen in Höhe von 80 % der Produktion vor“) und der Anlagevermittler konnte sich nicht dadurch entlasten, dass er dem Anleger ein berichtigendes „Quittungsformular“ unterschrieben ließ. Es ging in der BGH-Entscheidung mithin um die nachträgliche Richtigstellung objektiv falscher Prospektangaben. Hier hingegen sind die Angaben in den jeweiligen Emissionsprospekten unstreitig vollständig und richtig, außerdem fand die Aufklärung jeweils anhand der vollständigen Prospektunterlagen statt.
Die Entscheidung des OLG Hamm vom 9. Mai 2007 (Aktenzeichen 8 U 61/05; zitiert in juris) passt ebenfalls nicht auf diesen Sachverhalt. Dort ging es um die Frage, ob die falschen Angaben in einem Kurzexposé (das zu Unrecht den Eindruck vermittelte, bei den vorgesehenen Ausschüttungen auf das Fondskapital würde die Kommanditistenhaftung in Höhe dieser Ausschüttung nicht wieder aufleben) durch die bloße Übergabe des Hauptprospekts (in dem zutreffend auf die Rechtslage zum Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB hingewiesen wurde) vor der Zeichnung korrigiert worden ist. Das OLG Hamm hat dazu lediglich ausgeführt, dass allein durch die Übergabe und den Hinweis auf den Hauptprospekt eine ausreichende Richtigstellung nicht erfolgen könne (OLG Hamm a. a. O., zitiert in juris Rz. 34). Hier hat jedoch der Beklagte nachgewiesen, dass er in allen Gesprächen mit dem Kläger jeweils den vollständigen Emissionsprospekt als Gesprächsleitfaden benutzt hat. Eine Korrektur – soweit sie denn überhaupt notwendig war – ist damit nicht nur schriftlich durch die bloße Übergabe des Prospekts sondern ausdrücklich auch mündlich durch das Gespräch erfolgt.
Grundsätzliche Fragen stellen sich nicht. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Zulassung der Revision. Der Rechtsstreit hat seinen Schwerpunkt vielmehr in den tatsächlichen Feststellungen.
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331
E-Mail: info@rechtsanwalt-krau.de
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331