Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 9. Zivilsenat, 9 U 84/16
Insolvenzanfechtung: Anfechtbarkeit von Entnahmen eines Kommanditisten aus dem Vermögen der Gesellschaft
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Juli 2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs hat die Klägerin zu tragen. Von den Kosten des zweiten Rechtszugs haben die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Klägerin und Beklagte können eine Vollstreckung durch die jeweils andere Partei abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die erste Instanz wird auf 28.796,22 € festgesetzt. Der Streitwert der zweiten Instanz beträgt 19.018,54 €.
I.
Die Klägerin ist die Verwalterin in dem auf Eigenantrag vom 30. August 2013 am 20. September 2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der … GmbH & Co. KG (nachfolgend Schuldnerin). Die Beklagte ist mit einer Einlage von 9.500,00 DM (von insgesamt 10.000,00 DM) Kommanditistin der 1994 gegründeten Schuldnerin und zugleich – mit einem Anteil von 98 % – Gesellschafterin ihrer Komplementärin.
Vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nimmt die Klägerin die Beklagte noch auf Rückgewähr von 23 Zahlungen über insgesamt 13.623,54 € in Anspruch, die in der Zeit vom 7. März 2012 bis zum 1. Juli 2013 von zwei Geschäftskonten der Schuldnerin geleistet wurden. Wegen der Zahlungen im Einzelnen wird auf die Aufstellung gemäß Seite 6 f der Klagschrift vom 15. Oktober 2014 Bezug genommen. Im Berufungsverfahren noch von Interesse sind die Zahlungen mit den Verwendungszwecken „Privatentnahme“ und „DAK“, die Klage auf Rückgewähr auch der weiteren Zahlungen hat das Landgericht rechtskräftig abgewiesen.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als Kommanditistin der Schuldnerin berechtigt gewesen sei, die Privatentnahmen zu tätigen und unter dem Verwendungszweck „DAK“ die von ihr geschuldeten Krankenversicherungsbeiträge aus dem Vermögen der Schuldnerin zu begleichen. Im Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin ist geregelt, dass die Kommanditeinlagen gleichzeitig feste Kapitalanteile sind, die nur durch Gesellschaftsvertrag geändert werden können (§ 3 Abs. 3 GV). Die Einlage wird auf einem festen Kapitalkonto verbucht, das für jeden Kommanditisten die Beteiligung am Festkapital und am Gesellschaftsvermögen ausweist (§ 4 Abs. 2 GV). Daneben sieht der Gesellschaftsvertrag für jeden Kommanditisten ein variables Kapitalkonto vor, auf dem Gewinn- und Verlustanteile sowie Entnahmen verbucht werden (§ 4 Abs. 3 GV). Ohne einen Gesellschafterbeschluss mit einer Mehrheit von (mindestens) 51 % der Stimmen und nach den „ersten Geschäftsjahren“ dürfen Kommanditisten von ihrem variablen Kapitalkonto, sofern dieses einen aktiven Bestand ausweist, bis zu 10.000,00 DM (5.112,92 €) monatlich entnehmen (§ 5 GV). Das variable Kapitalkonto der Beklagten (Konto Nr. 1708) wies zum 1. März 2012 einen Saldo zu ihren Gunsten in Höhe von 106.549,57 € aus und zum 6. September 2013 in Höhe von 114.210,00 €. Die Parteien streiten darüber, ob die Salden richtig ausgewiesen sind.
Die Klägerin behauptet, die Salden seien unrichtig. Wegen Verlusten der Schuldnerin aus ihrer Geschäftstätigkeit könne es kein Guthaben der Beklagten mehr gegeben haben. Die Klägerin ist deshalb der Ansicht, bei den noch im Streit stehenden 23 Zahlungen habe es sich um unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin an die Beklagte gehandelt. Die Zahlungen seien nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die Anfechtbarkeit ergebe sich zudem aus § 133 Abs. 1 InsO und – für den Fall, dass der Saldo des variablen Kapitalkontos richtig ausgewiesen sein sollte – aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. In Höhe ihrer Kommanditeinlage von 9.500,00 DM (4.601,63 €) sei die Beklagte zudem aus § 172 Abs. 4 HGB verpflichtet.
Das Landgericht hat der Klage auf Rückgewähr der noch im Streit stehenden Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO stattgegeben. Der Bejahung des Merkmals der Unentgeltlichkeit stehe das von der Beklagten geltend gemachte Entnahmerecht nicht entgegen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe schon nicht widerspruchsfrei zum Vorliegen einer entsprechenden Berechtigung nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags vorgetragen. Im Übrigen hätte ein Guthaben auf dem variablen Kapitalkonto in der Krise der Schuldnerin wie ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen behandelt werden müssen, so dass die streitgegenständlichen Auszahlungen jedenfalls gemäß § 135 InsO der Anfechtung unterlägen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend macht sie geltend, das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Die Klägerin könne sich nicht auf ein schlichtes Bestreiten des ausgewiesenen Guthabens auf dem variablen Kapitalkonto zurückziehen. Vielmehr liege die Darlegungs- und Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der entsprechenden Unterlagen bei ihr. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 6. Juli 2016 – 6 O 109/14 – aufzuheben und die Klage abändernd abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien einen Teilvergleich über einen dinglichen Herausgabeanspruch geschlossen, den das Landgericht der Klägerin neben den jetzt noch streitgegenständlichen Zahlungsansprüchen zugesprochen hat, und vereinbart, die Kosten des vergleichsweise erledigten Teils der Klage seien bei der streitigen Kostenentscheidung „mit 50 zu 50“ zu berücksichtigen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die nach Abschluss des Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat allein noch zur Entscheidung anstehenden Zahlungsansprüche sind nicht begründet. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt kann die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 13.623,54 € verlangen.
1.
Die streitgegenständlichen Zahlungen mit den Verwendungszwecken „Privatentnahme“ und „DAK“ sind nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar.
a)
Die Regelung des § 134 Abs. 1 InsO will Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Insolvenzeröffnung schützen. Die Interessen der durch eine unentgeltliche Leistung Begünstigten sollen den Interessen der Gläubigergesamtheit weichen. Dieser Zweck gebietet eine weite Auslegung des Begriffs der Unentgeltlichkeit. Der anfechtungsrechtliche Begriff der unentgeltlichen Verfügung ist umfassender als bei der Schenkung nach § 516 BGB und setzt eine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche nicht voraus. Im Zwei-Personen-Verhältnis ist Unentgeltlichkeit gegeben, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Bei allen anderen Leistungen als Verpflichtungsgeschäften, insbesondere also bei Erfüllungshandlungen, beurteilt sich die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit nach dem Grundgeschäft. Aus diesem ist abzuleiten, ob die isolierte Leistung von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 Rn. 13).
Erbringt der Schuldner eine Leistung im Rahmen eines entgeltlichen Vertrags, ist seine Leistung entgeltlich, soweit durch sie eine bestehende Verbindlichkeit erfüllt wird. Gegenleistung ist dann die vom Schuldner erlangte Befreiung von seiner Schuld (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – IX ZR 60/10, ZIP 2011, 390 Rn. 10). Eine entgeltliche Leistung liegt daher vor, wenn der Anspruch eines Gesellschafters auf Auszahlung eines Gewinns oder Auseinandersetzungsguthabens erfüllt wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533). Von einer unentgeltlichen Leistung ist hingegen auszugehen, wenn es etwa zur Auszahlung von Scheingewinnen kommt (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013, aaO Rn. 9).
Die Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO trägt der Insolvenzverwalter (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 Rn. 30; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rn. 49; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 22; HK-InsO/Thole, 8. Aufl., § 134 Rn. 18 mwN). Der Beweislast folgt im Grundsatz die Darlegungslast. Soweit die Frage der Unentgeltlichkeit von Umständen aus dem Bereich des Anfechtungsgegners abhängt, kann ihn allerdings eine sekundäre Darlegungslast treffen (MünchKomm-InsO/Kayser, aaO).
b)
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend von unentgeltlichen Leistungen nicht ausgegangen werden.
aa)
Die Beklagte hat als Rechtsgrund für die streitgegenständlichen Zahlungen das aus den gesellschaftsvertraglichen Regelungen folgende Recht angeführt, Entnahmen von dem variablen Kapitalkonto in Höhe von bis zu 10.000,00 DM (5.112,92 €) monatlich zu tätigen (§ 5 GV). Dieses Recht besteht nach den „ersten Geschäftsjahren“ der 1994 gegründeten Schuldnerin, sofern das variable Kapitalkonto einen aktiven Bestand ausweist. Zum Bestand des variablen Kapitalkontos hat die Beklagte mit der Anlage B 11 einen Beleg aus der Buchführung der Schuldnerin vorgelegt, der zum 1. März 2012 einen Saldo zu ihren Gunsten in Höhe von 106.549,57 € ausweist und zum 6. September 2013 einen Saldo von 114.210,00 € (Anlage B 11; Bl. 402 d.A.). Danach war im Zeitraum der noch im Streit stehenden Zahlungen durchgängig ein Guthaben im sechsstelligen Bereich vorhanden und die Beklagte auf der Grundlage von § 5 GV berechtigt, Entnahmen zu tätigen. Entnahmen im Sinne des § 5 GV stellen auch die unter dem Verwendungszweck „DAK“ getätigten Zahlungen dar, mittels derer unter Abkürzung des Leistungswegs die von der Beklagten geschuldeten Krankenversicherungsbeiträge direkt beglichen worden sind. Eine möglicherweise bestehende sekundäre Darlegungslast zum Rechtsgrund der Zahlungen hat die Beklagte damit erfüllt.
bb)
Es wäre an der Klägerin gewesen darzulegen und zu beweisen, das durch die Anlage B 11 ausgewiesene Guthaben der Beklagten sei unrichtig ausgewiesen und habe – auch in Höhe der jeweils getätigten Entnahmen – tatsächlich nicht bestanden. Dem genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Sie hat sich darauf beschränkt, das Guthaben einfach zu bestreiten.
cc)
Eine Möglichkeit zu weiterem Vortrag ist der Klägerin nicht einzuräumen. Der Senat hat die Frage der Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO mit den Parteien ausführlich erörtert. Die Auffassung des Senats folgt dem allgemeinen und bei anwaltlich vertretenen Parteien als bekannt vorauszusetzenden Grundsatz, dass jeder, der aus einem bestimmten Sachverhalt eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet, dessen tatsächliche Voraussetzungen zu beweisen und damit auch dazulegen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994 – X ZR 30/93, NJW 1995, 49, 50; vom 10. Juni 2002 – II ZR 68/00, NJW 2002, 2862, 2863). Dieser Grundsatz gilt ersichtlich unbestritten auch für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung, insbesondere für die Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO. Die Auffassung des Senats konnte für die Klägerin, von einem Fachanwalt für Insolvenzrecht vertreten und ihrerseits Fachanwältin für Insolvenzrecht, nicht überraschend sein.
Auch als in erster Instanz siegreiche Partei durfte die Klägerin nicht auf den Fortbestand der vom Landgericht vorgenommenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast vertrauen, nachdem die Beklagte mit der Berufungsbegründung auf den für ihr Rechtsmittel zentralen Punkt der Darlegungs- und Beweislast ausdrücklich hingewiesen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 19. August 2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18; Beschluss vom 20. Oktober 2016 – IX ZR 305/14, NZI 2017, 28 Rn. 7). Die Klägerin musste vielmehr damit rechnen, dass der Senat anderer Auffassung als das Landgericht sein würde.
2.
Die noch streitgegenständlichen Zahlungen sind nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Die Klägerin hat eine Anfechtbarkeit nach dieser Vorschrift ausdrücklich geltend gemacht und sich hierzu hilfsweise auf das Vorbringen der Beklagten – Entnahmen aus einem tatsächlich bestehenden Guthaben auf dem variablen Kapitalkonto – bezogen. Durch die Entnahmen ist es jedoch weder zur Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gekommen noch wurde für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt.
a)
Entnimmt ein Kommanditist Gelder aus dem Vermögen der Gesellschaft und sind die Entnahmen durch ein Guthaben auf einem Kapitalkonto gedeckt, scheidet eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO aus, wenn das Guthaben eine Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft ausweist und damit keine Forderung des Gesellschafters darstellt.
aa)
Die (Nicht-)Anwendbarkeit des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Eigenkapitalausschüttungen ist allerdings nicht unumstritten. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird vertreten, dass von einer einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellten Forderung auszugehen ist, wenn die Gesellschafter durch einen Gewinnvortrag auf neue Rechnung der Gesellschaft liquide Mittel zur Verfügung stellen. Der Anspruch auf den Bilanzgewinn stelle eine einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung dar, wenn dieser auf der Auflösung einer Gewinnrücklage oder eines Gewinnvortrags beruhe (OLG Koblenz, NZI 2014, 27; Mylich, ZGR 2009, 474, 491 ff; Leithaus, NZI 2014, 29; Dubois/Schmiegel, NZI 2013, 913, 919; wohl auch Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 39 Rn. 38). Sowohl der Gewinnvortrag als auch die Bildung einer Gewinnrücklage hätten Finanzierungscharakter, was eine anfechtungsrechtliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen rechtfertige (Mylich, aaO S. 493). Nur zeitnah festgestellte und ausgeschüttete Gewinne seien nicht als darlehensähnlich anzusehen und damit grundsätzlich nicht unter § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu subsumieren (Leithaus, aaO).
Für den hier zu beurteilenden Fall der Entnahme von Geldern durch einen Kommanditisten bedeutete dies, dass von einer Anwendbarkeit von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auszugehen wäre, wenn durch die Entnahme Gewinne der Gesellschaft abgeschöpft würden, die der Kommanditist bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte entnehmen können und zunächst stehenließ.
bb)
Das ist nicht richtig. Eine direkte Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheidet im Falle der Ausschüttung von Eigenkapital schon deshalb aus, weil es nicht nur an einer einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellten Forderung fehlt, sondern überhaupt an einem Forderungsrecht des Gesellschafters. Unverzichtbares Wesensmerkmal eines Forderungsrechts ist die Unentziehbarkeit. Eine Forderung ist in ihrem Bestand nach Grund und Höhe sicher und kann nur durch Erfüllung oder ein Erfüllungssurrogat zu Fall gebracht werden. Die Beteiligung eines Gesellschafters am Eigenkapital der Gesellschaft stellt deshalb keine Forderung dar, weil das Eigenkapital durch Verluste jederzeit aufgezehrt werden kann. Macht folglich ein Kommanditist von einem gesellschaftsvertraglichen Recht zur Entnahme aus dem Eigenkapital der Gesellschaft keinen Gebrauch, lässt er keine Forderung stehen, sondern begründet eine solche gar nicht erst. Vergleichbar ist die Lage im GmbH-Recht. Der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns entsteht erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung und mit der Beschlussfassung über die Verwendung des ausgewiesenen Gewinns (BGH, Urteil vom 14. September 1998 – II ZR 172/97, BGHZ 139, 299, 302; vom 30. Juni 2004 – VIII ZR 349/03, NJW-RR 2004, 1343, 1344). Beschließt also die Gesellschafterversammlung, den Gewinn in eine Rücklage einzustellen oder schlicht vorzutragen, gelangt eine (unentziehbare) Forderung des Gesellschafters, die faktisch gestundet und damit einer Forderung auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich entsprechen könnte, gar nicht erst zur Entstehung.
Auch eine entsprechende Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO kommt nicht in Betracht. Richtig ist allerdings, dass der Nichtgebrauch eines Entnahmerechts durch einen Kommandisten oder die Thesaurierung von Gewinnen einer GmbH dem Stehenlassen einer Forderung wertungsmäßig nahe stehen kann, war für eine entsprechende Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO spricht. Für eine entsprechende Anwendung spricht auch, dass der Schutz einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Eigenkapital in der Insolvenz der Gesellschaft noch hinter dem Schutz einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder einer gleichgestellten Forderung zurückbleibt. Der Gesellschafter ist noch nicht einmal nachrangiger Insolvenzgläubiger, sondern erhält nur dann eine Zahlung auf seine Beteiligung, wenn zuvor alle Insolvenzgläubiger (auch die nachrangigen) befriedigt werden konnten (§ 199 InsO). Erblickt man den Regelungsgehalt des § 135 InsO im vorinsolvenzlichen Schutz des von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordneten Nachrangs (vgl. BT-Drucks. 16/6140 S. 26), müsste ein solcher Schutz erst recht für Zahlungen aus dem Eigenkapital gelten (vgl. Eidenmüller/Engert in Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 305, 326). Eine entsprechende Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf vorinsolvenzliche Ausschüttungen aus dem Eigenkapital der Gesellschaft scheidet jedoch aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.
Gesetzgeberisches Ziel der Neufassung des § 135 InsO mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG; BGBl. I 2008, 2026) war eine Neuregelung des Rechts der Gesellschafterdarlehen. Die Unterscheidung von „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen wurde aufgegeben, das wertausfüllungsbedürftige Merkmal der Krisenfinanzierung durch eine einfach handhabbare Fristenregelung ersetzt. Damit sollte eine parallele Anwendung des Rechts der Kapitalerhaltung auf Gesellschafterdarlehen verhindert und die verwirrende Doppelspurigkeit der sogenannten Rechtsprechungsregelungen und der Novellenregelungen über die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen beseitigt werden (BT-Drucks. 16/6140 S. 26). Der Gesetzgeber wollte demnach eine insolvenzanfechtungsrechtliche Lösung der Gesellschafterfremdfinanzierung und keine Ausweitung des Eigenkapitalschutzes. Dass § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO direkt nicht auf Eigenkapitalausschüttungen anwendbar ist, läuft dem Plan des Gesetzgebers deshalb nicht zuwider.
Das Eigenkapital einer – wie hier – GmbH & Co. KG ist zudem nicht schutzlos. Eine Zahlung aus dem Vermögen der KG an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder einen Kommanditisten ist eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bilanzielle Überschuldung vertieft wird (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – II ZR 360/13, NZG 2015, 225 Rn. 8 mwN). Auch eine Anfechtbarkeit der Eigenkapitalausschüttung nach den Regeln der Deckungs- oder Vorsatzanfechtung kommt in Betracht (MünchKomm-InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 19). Die Gläubiger der Gesellschaft sind zudem durch die Kommanditistenhaftung nach den §§ 171 f HGB geschützt. Eine entsprechende Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Eigenkapitalausschüttungen scheidet deshalb aus (vgl. MünchKomm-InsO/Gehrlein, aaO; Eidenmüller/Engert, aaO S. 326 f; Menkel, NZG 2014, 982, 984; Wünschmann, NZG 2017, 51, 54).
b)
Danach kommt eine Anfechtbarkeit der noch streitgegenständlichen Zahlungen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO – auch soweit sie innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt sind – nicht in Betracht. Der nach dem Hilfsvorbringen der Klägerin zu unterstellende Saldo auf dem variablen Kapitalkonto ist als zum Eigenkapital der Schuldnerin gehörende Beteiligung der Beklagten anzusehen ist und nicht als Forderung der Beklagten gegen die Schuldnerin.
aa)
Werden Gelder auf einem Kapitalkonto des Kommanditisten verbucht, kann dadurch eine Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft ausgewiesen oder eine Forderung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht werden. Die Unterschiede zwischen Beteiligung und Forderung sind erheblich. Eine Forderung kann dem Gesellschafter nicht wegen späterer Verluste entzogen werden (vgl. § 169 Abs. 2 HGB), in der Insolvenz der Gesellschaft begründet die Forderung eine (ggf. nachrangige) Insolvenzforderung. Demgegenüber ist die Beteiligung Eigenkapital der Gesellschaft, auf das die Gesellschaftsgläubiger Zugriff nehmen können und das durch spätere Verluste vermindert wird. In der Insolvenz der Gesellschaft wird auf ein Beteiligungsrecht in Anwendung des § 199 InsO nur gezahlt, wenn alle Gläubiger befriedigt sind (vgl. von Falkenhausen/Schneider in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., Band 2, § 22 Rn. 45).
Ob es sich bei Geldern, die auf einem Kapitalkonto des Kommanditisten verbucht sind, um eine Beteiligung handelt oder ein Forderungsrecht ausgewiesen wird, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. von Falkenhausen/Schneider, aaO Rn. 49). Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, ob Verluste das Konto belasten dürfen oder ob sie von einem anderen Kapitalkonto abzusetzen oder einem Verlustsonderkonto zuzuschreiben sind (vgl. von Falkenhausen/Schneider, aaO Rn. 50; OLG Köln, ZIP 2000, 1726). Wenn spätere Verluste abgesetzt werden können, handelt es sich im Regelfall nicht um eine unentziehbare Forderung und es bleibt nur die Annahme einer Beteiligung (vgl. BFH, DStR 2008, 1577, 1578). Weitere Auslegungskriterien (Verzinsung; Entnahmerecht; Bezeichnung des Kontos etc.) kommen grundsätzlich erst zum Tragen, wenn Verluste nicht abgesetzt werden dürfen und es um die Frage geht, ob gleichwohl von einer Beteiligung auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1978 – II ZR 145/76, BB 1978, 109; OLG Köln, aaO).
bb)
Nach § 4 Abs. 3 GV wurden auf dem hier maßgeblichen variablen Kapitalkonto auch Verluste verbucht. Unter Berücksichtung des Vorstehenden wies der Saldo deshalb eine Beteiligung der Beklagten am Eigenkapital der Schuldnerin aus. Umstände, die ausnahmsweise ein abweichendes Auslegungsergebnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Damit erfolgten die streitgegenständlichen Zahlungen aus dem Eigenkapital der Schuldnerin und sind nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.
3.
Die noch im Streit stehenden Zahlungen sind auch nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Es fehlt an den subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf das Beweisanzeichen der sowohl auf Seiten der Schuldnerin wie auch von der Beklagten erkannten (drohenden) Zahlungsunfähigkeit.
a)
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden (BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 Rn. 12).
Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. In diesen Fällen handelt der Schuldner ausnahmsweise nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 Rn. 16).
Entsprechendes gilt für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2016, aaO mwN).
b)
Auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin kann weder von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im maßgeblichen Zeitraum ausgegangen werden noch von einer Kenntnis der Beklagten von einer (unterstellten) Zahlungsunfähigkeit.
aa)
Die Klägerin behauptet, die Schuldnerin sei zumindest drohend zahlungsunfähig gewesen. Es hätten diverse erhebliche Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr ausgeglichen worden seien. Diese hätten in der Zahlungsunfähigkeit gemündet, die spätestens am 1. August 2012 eingetreten sei. Die Klägerin ist der Ansicht, die Kenntnis der Beklagten von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte Mehrheitskommanditistin der Schuldnerin und Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Komplementärin der Schuldnerin gewesen sei. Für die Kenntnis streite daher die Vermutungsregel des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO sowie die des § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO.
Die (drohende) Zahlungsunfähigkeit legt die Klägerin nicht gesondert dar, sondern nimmt die in einem Beschluss des Landgerichts Itzehoe vom 16. Februar 2015 enthaltenen Feststellungen in Bezug. Der Beschluss betrifft ein unter dem Az. 10 O 162/14 geführtes Verfahren gegen den Geschäftsführer der Komplementärin „wegen Geschäftsführerhaftung“. Der Beschluss enthält zwar Feststellungen, die über die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zulassen könnten. Die Feststellungen sind jedoch durch die Beklagte in Gänze bestritten. Weiteren Vortrag hat die Klägerin nicht gehalten.
bb)
Auch von einer Kenntnis der Beklagten von einer (unterstellten) Zahlungsunfähigkeit kann nicht ausgegangen werden. Eine auf den in § 138 InsO legaldefinierten Begriff der nahestehenden Person gestützte gesetzliche Vermutung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hat der Gesetzgeber für § 133 Abs. 1 InsO nicht geregelt. Ein Näheverhältnis zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner kann deshalb nur im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016, aaO) Berücksichtigung finden.
Im Rahmen der Gesamtabwägung reicht das hier vorliegende Näheverhältnis für sich genommen nicht zur Überzeugungsbildung. Zwischen den Parteien ist im Streit, ob und falls ja inwieweit die Beklagte als Kommanditistin der Schuldnerin, Gesellschafterin der Komplementärin und als Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Komplementärin der Schuldnerin Einsicht in deren Geschäftsvorgänge hatte. Näheren Vortrag der Klägerin hierzu gibt es nicht. Eine Einsicht in die für die Beurteilung einer Zahlungsunfähigkeit maßgeblichen Geschäftsvorgänge (die ihrerseits nicht näher dargelegt sind; vgl. oben unter aa)) ist auch nicht sonst ersichtlich.
4.
Weil eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht hinreichend dargelegt ist, scheidet auch eine Anfechtung der Zahlungen vom 31. Mai und 1. Juli 2013 nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO aus.
5.
Ein Anspruch aus § 172 Abs. 4 HGB wird von der Klägerin nur stichwortartig eingeworfen und nicht mit Vortrag unterlegt. Es ist auch nicht sonst ersichtlich, dass die Hafteinlage der Beklagten zurückbezahlt oder ihr Kapitalanteil unter den Betrag der Hafteinlage herabgemindert gewesen sein könnte.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO sowie auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei der Kostenentscheidung hat der Senat im Blick auf die durch Teilvergleich erledigten Herausgabeansprüche die von den Parteien getroffene Kostenregelung und einen (Teil-)Streitwert in Höhe von 5.395,00 € berücksichtigt.
IV.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist ein Schriftsatz der Klägerin vom 12. Januar 2017 bei Gericht eingegangen, der dem Senat aus den vorstehend unter II. 1. b) cc) genannten Gründen keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt.
V.
Zur Zulassung der Revision sieht sich der Senat im Blick auf die abweichende Rechtsprechung des OLG Koblenz (in NZI 2014, 27) zur Anwendbarkeit von § 135 InsO auf Eigenkapitalausschüttungen veranlasst.
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