Was ist ein Berliner Testament?

Oktober 26, 2019

Was ist ein Berliner Testament?
RA Krau: Ursprünglich verstand man unter einem Berliner Testament folgende Gestaltung, die nach dem preußischen Recht vorherrschend war: Eheleute setzten sich gegenseitig als Vorerbe ein, einen Dritten als Nacherben und diesen Dritten gleichzeitig für den Fall des eigenen Überlebens als Ersatzerben. Heute wird der Begriff „Berliner Testament“ für gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten im Sinne des § 2269 BGB gebraucht. Danach wird vermutet, dass der Dritte als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten für den gesamten Nachlass eingesetzt sein soll, wenn sich die Ehegatten gegenseitig als Erben bestimmt haben und das Erbe nach dem Tod des Überlebenden an einen Dritten fallen soll.

Was ist der Vorteil eines Berliner Testaments?
RA Krau: Bei gesetzlicher Erbfolge entstehen Erbengemeinschaften. Erbengemeinschaften sind nichts für die Ewigkeit, sondern sollten auseinandergesetzt werden. Das kann insbesondere Probleme geben, wenn im Nachlass die Sachwerte dominieren: Stellen Sie sich eine 80jährige Frau vor, die nach dem Gesetz ihren Mann zur Hälfte beerbt hat, die gemeinsame Tochter erbt die andere Hälfte. Die Tochter will Kasse machen. Sie verlangt Auseinandersetzung. Im Nachlass befindet sich wenig Geld, aber ein schmuckes Häuschen. Die Mutter müsste nun das Haus verkaufen und in eine Mietwohnung ziehen, um die Tochter auszuzahlen, weil die Tochter sich nicht mit dem hälftigen Eigentum an dem Haus zufrieden gibt, sondern eben „Kasse machen“ will. Einer 80jährigen gibt keine Bank mehr einen Kredit. Das ist doch ein Drama. Hätten Vater und Mutter ein Berliner Testament gemacht, so hätte zunächst die Mutter den Vater alleine beerbt und nicht mit der Tochter teilen müssen. Die Tochter wäre dann nach dem Tod der Mutter Erbin geworden. Das Berliner Testament ist also das richtige, wenn zuallererst sichergestellt werden soll, dass der überlebende Ehegatte seinen Lebensstandard beibehalten soll und nicht wird „teilen“ müssen.

Was ist mit dem Pflichtteil?
RA Krau: Der Pflichtteil der Abkömmlinge ist eine Gefährdung des Berliner Testaments. Die Kinder werden beim ersten Erbfall enterbt, wenn die Eheleute sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Das löst den Pflichtteil der Abkömmlinge aus.

Wie kann man das vermeiden?
RA Krau: Durch die Aufnahme einer Pflichtteilsstrafklausel. Die Kinder werden ja beim Berliner Testament als Schlusserben nach dem letztversterbenden Ehegatten eingesetzt. Das heißt, sie kriegen letztlich alles, wenn sie nur geduldig zuwarten. Daher nehme ich in solchen Fällen in das Testament auf, dass dasjenige Kind, welches nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten gegen den Willen des Längerlebenden seinen Pflichtteil fordert, auch beim Schlusserbfall nur die Hälfte kriegen soll. Die Pflichtteilsstrafklausel kann man noch weiter aufpeppen, wenn man dem geduldigen Kind, welches nicht den Pflichtteil verlangt, im Wege des Vermächtnisses zusagt, dass es die Hälfte seines gesetzlichen Erbes nach dem erstversterbenden als Vermächtnis erhalten soll, wobei das Vermächtnis erst beim Schlusserbfall fällig wird.

Kommt diese Gestaltung mit der Pflichtteilsstrafklausel nicht an ihre Grenzen, wenn die Eheleute nur 1 Kind haben?
RA Krau: Das ist richtig. Die Pflichtteilsstrafklausel ist ja faktisch eine „Zuckerbrot und Peitsche Lösung“: Bist du ungeduldig und verlangst beim Tod des ersten Elternteils deinen Pflichtteil, so bestrafe ich dich beim Schlusserbfall und belohne dafür deine Geschwister, die deswegen mehr erhalten. Wenn es aber nur 1 Kind gibt, dann kann ich nicht eines belohnen und eines bestrafen.

Was ist die Lösung?
RA Krau: Die eine Lösung ist, dass Sie neben dem einen Abkömmling noch andere Personen als Schlusserben bestimmen. Sobald Sie 2 Schlusserben haben, können sie auch wieder belohnen und bestrafen. Eine andere, recht listige Lösung liegt darin, dass Sie auf die Pflichtteilsstrafklausel ganz verzichten, den überlebenden Ehegatten von der Bindung befreien, so, dass er auch nach dem Tod des anderen Ehegatten von Todes wegen und unter Lebenden noch frei verfügen kann. Sie bestimmen dann den Abkömmling zum alleinigen Schlusserben, sofern der überlebende Ehegatte nicht mehr abweichend testiert. Der Abkömmling wird sich dann fünfmal überlegen, ob er nach dem Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil zieht, denn er ist der Gnade und dem Wohlwollen des überlebenden Ehegatten ausgeliefert, der ihn jederzeit enterben kann, wenn er sich über die Geltendmachung des Pflichtteils ärgern sollte. Dieses „drohende Damoklesschwert“ ist allerdings auch nur von beschränkter Durchschlagskraft, wenn Sie sich vor Augen halten, dass das einzige Kind nach dem Tod des überlebenden Ehegatten bereits einen Pflichtteil von 50 % hat.

Gibt es weitere Lösungen?
RA Krau: 1. Schenken zu Lebzeiten unter der Bestimmung, dass die Schenkung auf den Pflichtteil anzurechnen ist. 2. Abkaufen des Pflichtteils – Erwirken eines notariellen Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung. 3. Übertragungen zu Lebzeiten.

Was ist der Nachteil des Berliner Testaments?
RA Krau: Das Berliner Testament vernichtet steuerliche Freibeträge. Zuviel Vermögen gelingt in die Hand des Schlusserben. Das Berliner Testament in seiner Reinform ist also für größere Vermögen nicht geeignet.

Welche Lösungen gibt es hier?
RA Krau: Sie setzen nach dem Tod des Erstversterbenden Vermächtnisse aus oder Sie bestimmen mehrere Personen zu Erben des Erstversterbenden.

Wie würden Sie ein handschriftliches Testament verwahren?
RA Krau: Ich empfehle allen meinen Mandanten, ihr Testament in einem verschlossenen Umschlag in die amtliche Verwahrung des für sie zuständigen Nachlassgerichts zu geben. So wird das Testament im Falle Ihres Todes automatisch eröffnet und den Erben bekannt gegeben. Es wird vor Verlust oder Vernichtung geschützt.

Gehören Anweisungen zum Ablauf der Bestattung ins Testament?
RA Krau: Ich will jetzt nicht zynisch klingen, aber bis das Testament eröffnet und zugestellt ist, sind sie unter der Erde. Anweisungen zur Gestaltung der Beerdigung sollten Sie zu Lebzeiten einer Vertrauensperson übergeben.

Wir haben ein Jahr nach dem Tod meiner Oma ein Testament gefunden. Wir haben den Nachlass schon nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt. Was müssen wir jetzt tun?
RA Krau: § 2259 BGB, Ablieferungspflicht, ordnet folgendes an:
(1) Wer ein Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitz hat, ist verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern.
(2) 1Befindet sich ein Testament bei einer anderen Behörde als einem Gericht in amtlicher Verwahrung, so ist es nach dem Tode des Erblassers an das Nachlassgericht abzuliefern. 2Das Nachlassgericht hat, wenn es von dem Testament Kenntnis erlangt, die Ablieferung zu veranlassen.

Was ist, wenn wir das Testament einfach vernichten?
RA Krau: 1. Sie machen sich strafbar wegen Urkundenunterdrückung. 2. Sie machen sich schadensersatzpflichtig. 3. Sie werden erbunwürdig.

Was geschieht, wenn wir das Testament nach einem Jahr noch bei dem Nachlassgericht abliefern? Immerhin haben wir den Nachlass schon nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge verteilt.
RA Krau: Der alte Erbschein wird eingezogen. Ein neuer Erbschein ist nach Maßgabe der testamentarischen Anordnungen zu erteilen. Die vollzogene Erbauseinandersetzung wird rückgängig gemacht. Es wird nach Maßgabe des neuen Erbscheins neu verteilt.

Was ist, wenn wir alle, gesetzliche und testamentarische Erben uns einig sind, dass wir diesen Aufwand nicht wollen?
RA Krau: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn sich alle einig sind, können Sie sich über die Anordnungen der Erblasserin hinwegsetzen. Sie können teilen, wie Sie wollen. Aber Vorsicht: Hier kann zusätzlich Schenkungsteuer entsehen!

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