BGH IV ZR 601/68 Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch

November 5, 2017

 

BGH IV ZR 601/68

Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch

 

Eine Ehefrau, die aus dem ihrer freien Verwaltung und Verfügung unterliegenden Vermögen den Unterhalt für ein gemeinschaftliches Kind der Ehegatten bestreitet, kann dafür von dem Ehemann nur Ersatz verlangen, wenn sie zu der Zeit, als sie die Leistung erbrachte, die Absicht hatte, solchen Ersatz zu beanspruchen.

Tenor

 

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 1966 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

                Von Rechts wegen

Tatbestand

1              Die Parteien haben im April 1942 in Ehrenfeld bei Oppeln geheiratet. Dadurch ist die im Mai 1941 geborene Tochter B der Parteien legitimiert worden. Der Beklagte wurde nach der Eheschließung zum Heeresdienst einberufen. Er geriet in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er im August 1949 in die Bundesrepublik entlassen wurde.

 

2              Die Klägerin und die Tochter B blieben mit der Mutter und einer Schwester der Klägerin im elterlichen Hause in der Nähe von Oppeln. Im Sommer 1964 sind die Mutter und die Schwester der Klägerin in die Bundesrepublik übergesiedelt. Die Klägerin verblieb im polnisch verwalteten Gebiet. Die Tochter B ist dort inzwischen verheiratet.

 

3              Von 1950 bis zum 31. Mai 1957 hat der Beklagte dem gemeinsamen Kind der Parteien Pakete geschickt, deren Anzahl und Umfang streitig ist.

 

4              Im Jahre 1954 hat der Beklagte erfolglos gegen die Klägerin, mit der er seit 1950 im Briefwechsel stand, Scheidungsklage wegen dreijähriger Heimtrennung – § 48 EheG – erhoben. Auf die im Dezember 1960 erneut angestrengte Klage des Beklagten wurde sodann die Ehe der Parteien durch Urteil vom 25. Mai 1964 aus § 48 EheG ohne Schuldausspruch geschieden. Am 2. August 1963 hat die Klägerin beantragt, ihr das Armenrecht für die beabsichtigte Klage auf Zahlung eines Unterhaltsausgleichs zu gewähren, weil sie vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Mai 1957 allein für den Unterhalt des ehelichen Kindes B aufgekommen sei. Im August 1964 ist der Klägerin das erbetene Armenrecht bewilligt worden. Daraufhin hat sie im Januar 1965 Klage auf Zahlung eines Ausgleichs von 4.620,– DM (60,– DM je Monat) eingereicht, die dem Beklagten am 16. Februar 1965 zugestellt worden ist.

 

5              Die Klägerin hat behauptet: Sie habe unter großen Entbehrungen das Kind aus eigenen Mitteln unterhalten. Sie sei arbeiten gegangen und habe den Verdienst ihrer Mutter gegeben, die für alle den gemeinsamen Haushalt geführt habe. Der Beklagte dagegen habe zum Unterhalt nichts Wesentliches beigetragen. Er habe lediglich zu Festtagen Pakete geschickt, deren Inhalt keinen besonderen Wert gehabt habe. Sie sei mit den Ansprüchen gegen den Beklagten erst 1963 hervorgetreten, weil sie aus religiösen Gründen bis zuletzt auf Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft gehofft habe.

 

6              Die Klägerin hat beantragt,

7              den Beklagten zu verurteilen, ihr 4.620,– DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen.

 

8              Der Beklagte hat beantragt,

9              die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihm Vollstreckungsnachlaß zu gewähren.

 

10            Er hat das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs der Klägerin geleugnet und dazu vorgebracht: Nicht die Klägerin, sondern deren Mutter und Schwester hätten den Unterhalt des Kindes B aufgebracht. Er habe zum Unterhalt der Tochter dadurch beigetragen, daß er ihr in dem ihm möglichen Umfang Kleidungsstücke und Lebensmittel geschickt habe. Im übrigen hat der Beklagte die Ansicht vertreten, daß die Ausgleichsforderungen der Klägerin verwirkt seien, weil sie erstmalig im Jahre 1963 mit ihren Ansprüchen für die Jahre 1950 bis 1957 an ihn herangetreten sei.

 

11            Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, jedoch die Revision zugelassen. Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie verfolgt ihren vom Berufungsgericht gestellten Antrag weiter. Der Beklagte hat gebeten, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

12            Die Revision ist unbegründet.

 

13            Eine Ehefrau, die allein für den Unterhalt eines gemeinschaftlichen Kindes der Eheleute aufgekommen ist, kann deswegen einen Ersatzanspruch, der die Rechtsnatur eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs hat, gegen den anderen Ehegatten haben (BGHZ 31, 329, 332). Hiervon ist das Berufungsgericht mit Recht ausgegangen. Das Berufungsgericht meint jedoch, es sei aus Gründen der Rechtssicherheit geboten, den Ausgleichsanspruch davon abhängig zu machen, daß der Elternteil, der allein für den Unterhalt des Kindes aufgekommen ist, im Zeitpunkt der Zuwendung die Absicht hatte, von dem anderen einen Ausgleich zu fordern. Dieses subjektive Erfordernis ergebe sich seit dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes, dem 1. Juli 1958, aus § 1360 b BGB. Diese Vorschrift umfasse auch den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern. Das Vorliegen der Rückforderungsabsicht sei aber ebenfalls für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes sachliche Voraussetzung des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Das ergebe sich zunächst aus den damals und teilweise heute noch geltenden Bestimmungen über rechtsähnliche Ausgleichsansprüche. Eine dem § 1360 b BGB entsprechende Auslegungsregel finde sich in dem Recht des Güterstands der Gütertrennung in § 1429 BGB, ferner für das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in § 1618 BGB und schließlich für einen Erstattungsanspruch im Verhältnis von Eltern, Voreltern und ihren Abkömmlingen in § 685 Abs. 2 BGB. Entsprechendes müsse für die Zeit vor dem 1. Juli 1958 für den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gelten, denn die ebengenannten Vorschriften seien nur Ausdruck einer der Lebenserfahrung entsprechenden Verhaltensweise, die aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit allgemeine rechtliche Beachtung verdiene.

 

14            Es kann unerörtert bleiben, ob diesen allgemeinen rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts beizutreten ist. Denn die Rechtssätze, die das Gericht hieraus herleitet, ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Klägerin verlangt Ausgleich für den Unterhalt, den sie der gemeinsamen Tochter der Parteien in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Mai 1957 geleistet hat. Dadurch, daß die Klägerin das gemeinsame Kind der Parteien in dieser Zeit unterhalten hat, hat sie zum ehelichen Aufwand beigetragen. Denn Unterhaltsleistungen an ein gemeinschaftliches Kind der Eheleute gehören zum ehelichen Aufwand (Staudinger/Engelmann, BGB 9. Aufl. § 1389 Anm. 2 a).

 

15            Da die Parteien als deutsche Staatsangehörige im Jahre 1942 in Deutschland geheiratet haben, galt für ihre Ehe der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung. Nach dem Inkrafttreten des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter, dem 1. April 1953, lebten sie in dem hier maßgebenden Zeitabschnitt im Güterstand der Gütertrennung. Denn der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung hat damit ein gesetzliches Ende gefunden. Da kein anderer Güterstand vereinbart war, galt Gütertrennung (BGHZ 31, 198).

 

16            Die Klägerin behauptet, den Unterhalt für das gemeinsame Kind aus ihrem Arbeitserwerb bestritten zu haben. Dieser Erwerb war, solange die Parteien im Güterstand der Verwaltung und Nutznießung lebten, nach § 1367 aF BGB Vorbehaltsgut der Klägerin. Nach § 1371 aF BGB finden auf das Vorbehaltsgut die bei der Gütertrennung für das Vermögen der Frau geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Danach ist auch § 1429 aF BGB entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift enthält eine Auslegungsregel. Falls die Frau aus ihrem Vermögen etwas für den ehelichen Aufwand aufwendet, so ist nach dieser Bestimmung im Zweifel anzunehmen, daß ihr die Absicht gefehlt hat, dafür Ersatz zu verlangen. Der Bestimmung liegt der gesetzgeberische Wille zugrunde, daß eine Frau für solche Aufwendungen nur Ersatz zu beanspruchen hat, wenn sie die Absicht hatte, Ersatz zu verlangen, als sie die Leistung erbrachte.

 

17            Dies gilt, wie die Regelungen bei den verschiedenen Güterständen erkennen lassen, ganz allgemein, wenn eine Ehefrau aus dem ihrer freien Verwaltung unterliegenden Vermögen etwas für den ehelichen Aufwand beigesteuert hat. Denn § 1429 aF BGB, der für den Güterstand der Gütertrennung gilt, ist bei allen Güterständen für das der freien Verwaltung und Verfügung der Frau unterliegende Vermögen entsprechend anzuwenden. § 1371 aF BGB bestimmt das für den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, § 1429 aF BGB für den der Gütertrennung, § 1441 aF BGB für den der allgemeinen Gütergemeinschaft, § 1526 Abs. 3 aF in Verbindung mit § 1441 aF BGB für den der Errungenschaftsgemeinschaft und § 1549 aF in Verbindung mit § 1441 aF BGB für den der Fahrnisgemeinschaft.

 

18            Diese innere Beschränkung des Ersatzanspruchs, die in dem geltenden Recht in einer dem gegenwärtigen Rechtszustand angepaßten Form ihren Ausdruck in § 1360 b BGB gefunden hat, hat ihren Grund in dem Wesen der Ehe. Eine Leistung zugunsten der engeren Familie ist um der Ehe Willen erbracht worden. Es widerspricht ihrer Natur, deswegen von dem anderen Ehegatten Ersatz zu fordern. Deswegen soll die Leistung jedenfalls dann keinen Ersatzanspruch gegen den anderen Ehegatten begründen, wenn nicht von vornherein die Absicht bestanden hat, solche Ansprüche geltend zu machen. Daß diese Absicht nicht bestanden hat, ist nach der Lebenserfahrung in Zweifelsfällen anzunehmen.

 

19            Es kann offen bleiben, ob einem Ehegatten, der einem gemeinschaftlichen Kind der Eheleute Unterhalt geleistet hat, deswegen gegen den anderen Ehegatten nur der familienrechtliche Ausgleichsanspruch zustehen kann oder ob er von diesem unter Umständen auch Ersatz aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683, 687 BGB oder der ungerechtfertigten Bereicherung, § 812 ff BGB fordern kann. Denn die oben dargelegte Beschränkung des Ersatzanspruchs muß ohne Rücksicht darauf gelten, auf welche Normen er im einzelnen gegründet wird. Es wäre widersinnig, wenn der Anspruch aus dem angeführten Grunde aus dem einen Rechtsgrund nicht, wohl aber aus einem anderen geltend gemacht werden könnte. Das würde dem Grundgedanken, auf dem die Beschränkung des Anspruchs beruht, widersprechen. Die Klägerin kann daher teilweisen Ersatz für ihre Aufwendungen stets nur verlangen, wenn erwiesen ist, daß sie zu der Zeit, als sie diese Aufwendungen machte, die Absicht hatte, hierfür Ersatz zu verlangen.

 

20            Soweit in dem hier zu entscheidenden Falle Raum für einen Übergang der Unterhaltsforderung des Kindes gegen den Beklagten auf die Klägerin nach § 1607 Abs. 2 BGB ist, wirkt sich die sich aus der Natur der Ehe ergebende Einschränkung des Ersatzanspruchs auch auf den in § 1607 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgesehenen Forderungsübergang aus. Bis zum Inkrafttreten des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter, dem 1. April 1953, haftete der Beklagte nach § 1606 Abs. 2 Satz 2 aF BGB vor der Klägerin für den Unterhalt der gemeinsamen Tochter. Jedoch war die Rechtsverfolgung gegen ihn erschwert. Denn das unterhaltsbedürftige Kind befand sich in den unter polnischer Verwaltung stehenden Gebieten, während der Beklagte seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hatte. Deswegen hat die Klägerin dem Kind Unterhalt gewährt. Der Anspruch des Kindes gegen den Beklagten könnte aber in einem solchen Fall nach § 1607 Abs. 2 Satz 2 BGB nur dann auf die Klägerin übergehen, wenn sie die Absicht hatte, deswegen Ersatz von dem Beklagten zu fordern. Höchstens mit dieser Einschränkung kann § 1607 Abs. 2 BGB gelten, wenn einer der Ehegatten einem gemeinschaftlichen Kind Unterhalt gewährt hat. Ihn in diesen Fällen uneingeschränkt anzuwenden, würde dem sich aus der Natur der Ehe ergebenden Grundgedanken über die Beschränkung des Ersatzanspruchs der Eheleute widersprechen.

 

21            Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin, als sie den Unterhalt für das Kind leistete, nicht die Absicht hatte, deswegen von dem Beklagten Ersatz zu verlangen. Die von der Revision gegen diese Feststellung erhobenen Rügen sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang die von der Klägerin an den Beklagten gerichteten Briefe ausdrücklich gewürdigt. Ihr Inhalt steht der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung nicht entgegen. Wenn es in dem Brief vom 19. Juni 1950 heißt, „Du bist herzlos, wenn Du nicht für Dein Kind, weder für Deine Frau etwas übrig hast“, so konnte das Berufungsgericht diese Bemerkung dahin verstehen, daß die Klägerin dem Beklagten vorwarf, er nehme an dem Geschick von Frau und Kind keinen Anteil. Diese seien ihm gleichgültig. Ebenso zwingt die von der Revision hervorgehobene Stelle aus dem Brief der Klägerin vom 11. Mai 1953 nicht zu der Annahme, daß die Klägerin die Absicht gehabt habe, für den ihr dem Kind geleisteten Unterhalt von dem Beklagten Ersatz zu verlangen.

 

22            Da die Klägerin nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht die Absicht hatte, von dem Beklagten Ersatz zu fordern, steht ihr gegen diesen der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Das Berufungsgericht hat ihre Klage mit Recht abgewiesen.

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