Grundlegende Voraussetzung zur Errichtung eines wirksamen Testaments ist die Testierfähigkeit des Erblassers. Die Testierfähigkeit ist die Fähigkeit ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben. Sie fußt in dem Grundsatz der Testierfreiheit, wonach der Erblasser nach freiem Ermessen über sein Vermögen verfügen kann. Die Testierfreiheit – als ein Bestandteil der Erbrechtsgarantie – ist verfassungsrechtlich verankert und untersteht dem Schutz des Art. 14 I 1 GG. Sie umfasst das Recht auf Bestimmung der Vermögensnachfolgers, auf rechtliche und wirtschaftliche Aufteilung des Vermögens, auf Vornahme sonstiger testamentarischer Verfügungen und auf Einsetzung mehrerer Erben und Bestimmung ihrer Anteile.
Nach § 2229 I BGB ist eine Person erst mit der Vollendung des 16. Lebensjahres testierfähig. Eine jüngere Person ist also testierunfähig und kann kein Testament errichten. Ein solch testierfähiger Minderjähriger – also eine Person die zwischen 16 und 18 Lebensjahre alt ist – kann nach § 2233 I BGB allerdings nur wirksam ein öffentliches Testament durch mündliche Erklärung vor einem Notar oder Übergabe einer offenen Schrift errichten. Im Übrigen ergibt sich die Testierfähigkeit aus § 2229 IV BGB. In diesem Sinne kann derjenige, welcher wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, wegen einer Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm ab gegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kein Testament errichten. Konkret muss sich der Erblasser über die Tragweite seiner Anordnungen und ihrer Auswirkungen für die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aller betroffenen Personen ein klares Urteil bilden können. Er muss fähig sein, frei von Einflüssen Dritter zu entscheiden und insbesondere auch eine Abwägung der Gründe, die für und gegen seine Verfügungen sprechen, durchführen zu können. Wichtig ist hierbei, dass die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments gegeben sein muss. Die Mitwirkung Dritter führt nicht zum Fehlen der Erforderlichen Einsichtsfähigkeit, wenn die Entscheidung zur Umsetzung von Vorschlägen bewusst und kraft eigenen Entschlusses des Erblassers erfolgt. Auch die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB wirkt sich nicht auf die Testierfähigkeit des Betreuten aus. Aus der Betreuungsbedürftigkeit allein kann und darf nicht auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden. Es besteht für den Betreuten insoweit die Vermutung der vollen Testierfähigkeit.
Einzelfälle: Testierunfähigkeit bei Geistesstörung, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung
Eine besondere Bedeutung kann die Testierfähigkeit erlangen, wenn die testierende Person von einer Krankheit betroffen ist. Diese Fälle erfasst der § 2229 IV BGB. Demnach ist der Testierer testierunfähig, wenn er im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit unterliegt, einer Bewusstseinsstörung unterliegt oder geistesschwach ist und deswegen unfähig ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung zu verstehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
1. Geistesstörung oder Geistesschwäche
Von einer Geistesstörung oder einer Geistesschwäche werden alle zumindest vorübergehend bestehenden geistig-seelischen Anomalien von einigem Gewicht erfasst. Es ist insbesondere kein Dauerzustand erforderlich. Der Zustand des Betroffenen muss bewirken, dass dieser seine Angelegenheiten nicht mehr selbstständig zu besorgen vermag. Dafür ist allerdings noch nicht bloß eine unkluge oder kurzsichtige Handlungsweise ausreichend. Ebenso wenig die bloß ungenügende Erkenntnis der rechtlichen und wirtschaftlichen Tragweite des Erklärten. Auch die bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit reicht nicht aus, solange sich die Einflüsse noch in einem nachvollziehbaren Rahmen auf die Handlungen des Erklärenden auswirken. Auch ein hoher Grad an Psychopathie, querulatorischer Veranlagung oder sonstige abnormale Persönlichkeitsstrkturen können nicht ohne weiteres eine Testierunfähigkeit begründen. Aus einer Rauschgiftsucht kann zumindest im Regelfall nicht auf die Testierunfähigkeit geschlossen werden.
Beispiele in denen eine Testierunfähigkeit wegen Geistesschwäche oder Geistesstörung angenommen werden kann: arteriosklerotische Demenz, Demenz bei Parkinson-Syndrom, Demenz vom Alzheimer Typ, senile Demenz, Schwachsinn, hirnorganische Syndrome, Depressionen mit manischen Vorstellungen während der manischen Phase, paranoide Wahnvorstellungen, krankhafte Eifersucht, schizophrenieartige Psychosen, psychotische Wahnvorstellungen
Bei einer Altersdemenz besteht die Möglichkeit die Testierfähigkeit aufgrund der Gesamtverfassung und des Gesamtbildes der Person zur Zeit der Testamentserrichtung im Einzelfall zu bejahen. Wichtig ist insofern noch, dass normale Alterserscheinungen, wie etwa Vergesslichkeit, die Testierfähigkeit nicht ausschließt.
2. Bewusstseinsstörung
Die Bewusstseinsstörung i.S.v. § 2229 IV BGB entspricht der Bewusstlosigkeit nach § 105 II BGB. Allerdings ist nicht erforderlich, dass die Sinnestätigkeit eingestellt ist und das Bewusstsein für die Außenwelt komplett fehlt. Eine erhebliche Bewusstseinstrübung genügt, um in einem solchen Fall eine Testierunfähigkeit anzunehmen. Dabei ist ausschlaggebend, ob die jeweilige Person noch den Inhalt und das Wesen der eigenen Handlung erkennen kann oder dies eben durch die Bewusstseinstrübung – zumindest in eine bestimmte Richtung – ausgeschlossen wird. Maßgeblich ist also, ob das Bewusstsein der Person in einer Art und Weise getrübt ist, als dass sie die Bedeutung der eigenen Handlungen nicht erkennen kann. Auch eine Gedächtnisschwäche ist nicht mit einer Bewusstseinstrübung gleichzusetzen. Sollte der Erblasser auch bei einer vorliegenden Merkfähigkeitsstörung in der Lage sein, sachlich zu denken und seine Handlungen zu beurteilen, so kann auch die Testierfähigkeit noch gegeben sein.
Beispiele in denen eine Bewusstseinsstörung mit der Folge der Testierunfähigkeit angenommen werden kann: Volltrunkenheit, Drogeneinfluss, hochgradiges Fieber, nervöse Erschöpfung, Hypnose, Suggestion, manische und depressive Phasen und auch epileptische Anfälle.
Dennoch kann auch eine in einem Zustand der Bewusstseinsstörung errichtete Verfügung von Todes wegen später – bei klarem Bewusstsein – genehmigt werden.
3. Sonderfall: wechselnde Zustände
Es gibt Fälle, in denen wechselt der Zustand des Erblassers von Testierunfähig zu Testierfähig. Das heißt die Störung der Geistestätigkeit kann nur vorübergehend sein. Der Jurist bezeichnet diese Momente als lichten Augenblick (lucidum intervallum). In solchen lichten Augenblicken ist eine Testamentserrichtung möglich. Problematisch für die Praxis ist, dass dieser Zustand des lichten Augenblicks nachgewiesen werden muss. Ein solcher Nachweis ist nur schwer zu erbringen. Dennoch gibt es die Möglichkeit ein nervenärztliches Sachverständigengutachten einzuholen, um den lichten Augenblick zu bestätigen.
4. Beurteilung der Testierfähigkeit
Doch wer beurteilt nun die Testierfähigkeit? Dem Grunde nach wird die Testierfähigkeit durch das Nachlassgericht beurteilt. Das Nachlassgericht führt eine Ermittlung von Amts wegen – d.h. es ermittelt von sich aus, ohne weitere einleitende Maßnahmen – sollte der beurkundende Notar seine Zweifel an der Testierfähigkeit des Testierenden in einem Vermerk zum Testament zum Ausdruck gebracht haben. Es können insofern Akten aus früheren Entmündigungs- oder Vormundschaftsverfahren als Grundlage für die Entscheidung herbeigezogen werden. Diese sind für das Betreuungsgericht allerdings nicht bindend.
Es gibt immer wieder Fälle, in denen versuchen Erben oder Angehörige nach dem Tod des Erblassers Einsicht in die Krankenakten zu erhalten, um Anhaltspunkte über die Testierfähigkeit des Erblassers zu erfahren. Allerdings gibt es zum Einsichtsrecht der Erben weder eine einheitliche Rechtsprechung, noch wird seitens der Nachlassgerichte einheitlich verfahren. Der BGH hat den Erben und den Angehörigen kein eigenständiges Einsichtsrecht zugesprochen, sondern geht nur von einem von dem Verstorbenen abgeleiteten Einsichtsrecht aus. Schließlich steht dem Einsichtsrecht der Erben die ärztliche Schweigepflicht und der auch postmortal – d.h. nach dem Tode – bestehende Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen entgegen. Allerdings ist es möglich, bereits in Vorsorgevollmachten oder in dem Testament selbst eine Entbindung von der Schweigepflicht aufzunehmen. Es kann auch im Nachlassverfahren versucht werden, Einsicht in die Krankenakten zu erhalten oder eben den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen anzuhören.
5. Schranken der Testierfreiheit
Der Grundsatz der Testierfreiheit unterliegt allerdings auch gesetzlichen Grenzen. Seine praktisch bedeutsamste Grenze findet die Testierfreiheit in dem Pflichtteilsrecht nach §§ 2303 ff. BGB. Im Sinne des Pflichtteilsrechts soll den nächsten Angehörigen ein gewisser Mindestanteil am Vermögen gesichert werden.
Eine weitere Schranke findet die Testierfreiheit in den §§ 134, 138 BGB. Demnach kann eine Verfügung von Todes wegen in besonderen Ausnahmefällen sittenwidrig sein. Erforderlich dafür ist, dass die Verfügung von Todes wegen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden verstößt. Ein früher häufiger Fall einer sittenwidrigen Verfügung von Todes wegen war das sogenannte Geliebtentestament.
Beispiel: Der verheiratete Vater zweier Kinder setzt seine langjährige Geliebte als Alleinerbin seines beträchtlichen Vermögens ein.
Die frühere Rechtsprechung hat die Sittenwidrigkeit in einem solchen Fall bejaht, weil zwischen dem Erblasser und der Geliebten ein außereheliches Lebensverhältnis bestand. In der Folge war diese letztwillige Verfügung sittenwidrig und damit nichtig. Weil das Testament somit nichtig war, wurde das Vermögen anhand der gesetzlichen Erbfolge verteilt. Nach der heutigen Rechtsprechung wird ein solches Geliebtentestament wohl nur noch dann sittenwidrig sein, wenn es dem ausschließlichen Zweck dient, geschlechtliche Hingabe zu belohnen oder zu fördern. Weil hier ein strenger Beweismaßstab angelegt wird, ist die Sittenwidrigkeit von Geliebtentestamenten allerdings kaum noch von praktischer Bedeutung.
Sollte der Erblasser allerdings in einem Testament eine der Familie bis dato unbekannte Geliebte begünstigen, ist es empfehlenswert anwaltliche Beratung herbeizuziehen.
Die Testierfreiheit findet eine weitere Schranke in gewissen Potestativbedingungen. Potestativbedingungen sind Bedingungen, deren Eintritt oder Nichteintritt von dem Willen des Bedachten abhängt.
Beispiel für eine unzulässige Potestativbedingung: Der Erblasser A setzt seinen Sohn B, unter der Bedingung, dass der die F heiratet, als Erben ein.
Eine solche Potestativbedingung wäre sittenwidrig, weil die Bestimmung zur Heirat nach deutschem Recht sittenwidrig ist.