Landgericht Fulda Beschl. v. 03.03.2017, Az.: 5 T 6/17 – Eine Kontrollbetreuung gemäß § 1896 Abs. 3 BGB kann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt

Januar 6, 2018
Landgericht Fulda
Beschl. v. 03.03.2017, Az.: 5 T 6/17

Eine Kontrollbetreuung gemäß § 1896 Abs. 3 BGB kann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2014 – XII ZB 142/14, m. w. N.). Dies kann auch schon bei konkret zu besorgenden Interessenkonflikten der Fall sein (BGH a. a. O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.1994 – 8 W 260/94; LG Kleve, Beschluss vom 22.10.2007 – 4 T 396/06).

 

Derartige Interessenkonflikte können vorliegen, wenn die Generalbevollmächtigte des Betroffenen gleichzeitig neben ihren Geschwistern für den Fall des Todes des Betroffenen auch seine gesetzliche Miterbin sowie Alleinerbin der verstorbenen Ehefrau des Betroffenen und zugleich offensichtlich nachhaltig mit ihren Geschwistern als zukünftigen weiteren Miterben zerstritten ist.

Ein Interessenkonflikt der Generalbevollmächtigten liegt insbesondere dann nahe, wenn sie es als Alleinerbin trotz mehrfacher Ankündigung unterlässt, zu prüfen, ob für den Betroffenen nach dem Tod von dessen Ehefrau ein erbrechtliches Vorgehen nach § 1371 Abs. 3 BGB (Zugewinnausgleich zuzüglich kleinem Pflichtteil bei Ausschlagung des ihm zugewandten Vermächtnisses), nach § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB (großer Pflichtteil bei Ausschlagung des Vermächtnisses) oder nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB (Annahme des Vermächtnisses mit Geltendmachung des Pflichtteilsrestanspruches) am vorteilhaftesten wäre, und sie nicht hinreichend über die Umstände größerer Überweisungen vom Konto der verstorbenen Ehefrau des Betroffenen auf ihr eigenes Konto aufklärt.

Tenor:

Die Beschwerde der B. gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Betreuungsgerichts – Fulda vom 15.12.2016 (Az.: 87 XVII 694/15) wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Der Betroffene ist Vater der Beschwerdeführerin und der Beteiligten zu 2. und zu 3. Er war mit X. verheiratet, die am 04.09.2015 verstorben ist. Bei dem Betroffenen wurde im Februar 2015 eine Demenz diagnostiziert.

Der Betroffene hatte seiner Tochter B. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) unter dem 15.07.2009, notariell beglaubigt am 17.08.2015, eine Generalvollmacht unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt. Wegen der Einzelheiten der Vollmacht wird auf BI. 24 ff. d. A. Bezug genommen.

Der Betroffene wohnt auf dem Hausgrundstück in XYZ, das im Alleineigentum seiner Ehefrau gestanden hatte. Die Ehefrau des Betroffenen hatte ein am 07.07.2015 errichtetes Testament hinterlassen, in dem sie ihre Tochter B. (also die Bevollmächtigte des Betroffenen und Beschwerdeführerin) zur Alleinerbin eingesetzt hatte. Zugleich hatte die Ehefrau des Betroffenen die Beschwerdeführerin verpflichtet, dem Betroffenen ein lebenslanges Wohnrecht an den von ihm bisher genutzten Räumen des Wohnhauses einzuräumen. Das Wohnungsrecht wurde unter der auflösenden Bedingung eingeräumt, dass der Betroffene einen Heimpflegevertrag auf unbestimmte Dauer abschließt (vgl. Bl. 8-13 d. A.).

Am 29.07.2015 veranlasste die Ehefrau des Betroffenen die Auflösung ihrer Konten bei der Sparkasse (Girokonto und Aktivsparen). Die Kontoauflösung erfolgte am 05.08.2015. Der Gesamtwert der Anlage belief sich auf einen Betrag von 72.563,38 Euro. Am 22.08.2015 unterzeichneten der Betroffene und seine Ehefrau ein Schriftstück, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin „per Vermächtnis für die Pflege von mir und meinem Ehemann und für die Hilfe in unserem Haus und Garten“ das gesamte Barvermögen und der Sohn der Bevollmächtigten zusätzlich eine Geldzuwendung von 3.500 € erhalten soll (Bl. 131 d. A.). Das Schriftstück war von dem Sohn der Beschwerdeführerin aufgesetzt worden. Am 04.09.2015 verstarb sodann die Ehefrau des Betroffenen.

Aus einem Schreiben der Postbank vom 10.06.2016 (Bl. 222 d. A.) ergibt sich, dass am 22.02.2016 eine Gutschrift von 42.330 € von dem Konto der Beschwerdeführerin auf das Konto des Betroffenen übertragen worden sei. Hierbei handelte es sich möglicherweise um einen Teil des „Barvermögens“ aus dem als „Vermächtnis“ bezeichneten Schriftstück.

Im Oktober 2015 regten die Beteiligten zu 2. und zu 3. beim Amtsgericht Fulda die Einrichtung einer Betreuung über den Betroffenen an (Bl. 1 ff. d. A.). Zur Begründung verwiesen sie auf die erbrechtliche Situation. Hauptgrund für die Überprüfung der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen seien seine erbrechtlichen Ansprüche. Er sei nicht in der Lage, seine erbrechtlichen Ansprüche zu klären und beispielsweise die Bedeutung der Wahl einer „familienrechtlichen Lösung“ nach § 1371 BGB zu überblicken. Es sei nicht zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin ihm hierbei behilflich sein werde, da sie sich als Anspruchsgegnerin für Pflichtteilsansprüche in einem unübersehbaren Interessenkonflikt befinde.

Unter dem 12.11.2015 erteilten die damaligen anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin den Beteiligten zu 2. und zu 3. eine Auskunft über Nachlassaktiva und -passiva (Bl. 125-131 d. A.).

Das Amtsgericht teilte bereits im Dezember 2015 mit (vgl. Bl. 79 d. A.), dass es im Hinblick auf die erteilte Generalvollmacht beabsichtige, von einer Betreuerbestellung abzusehen. Der Betroffene lebte und lebt unter der Woche nach wie vor in dem Haus in XYZ. Hier wird er durch die Beschwerdeführerin versorgt, die sich unter der Woche dort aufhält. An den Wochenenden bringt die Beschwerdeführerin den Betroffenen jeweils zu sich selbst nach Hause und versorgt ihn dort. Zwischen dem 15.12.2015 und dem 02.01.2016 befand sich der Betroffene in Kurzzeitpflege in dem AWO-Seniorenwohnheim und Pflegezentrum in Petersberg. Danach wurde wieder zu dem soeben beschriebenen Lebensrhythmus übergegangen, wobei die Beschwerdeführerin die Pflege des Betroffenen seit Februar 2016 gemeinsam mit einer professionellen Pflegekraft übernimmt. Aufgrund eines am 10./11.01.2017 erlittenen Schlaganfalls befand sich der Betroffene zwischenzeitlich einige Wochen in stationärer Krankenhausbehandlung und derzeit in Kurzzeitpflege im Seniorenheim Mediana.

Die Beteiligten zu 2. und zu 3. haben sich im vorliegenden Verfahren dahingehend geäußert, dass der Betroffene im Dezember 2015 plötzlich für sie unauffindbar gewesen sei und sie erst durch intensive Nachforschungen erfahren hätten, dass der Betroffene in das AWO-Heim umgezogen sei. Dort sei ihm auf Anweisung der Bevollmächtigten der Zugang zum Betroffenen verweigert worden.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. Bl. 263-272 d. A.) mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.12.2016 (Bl. 345 ff. d. A.) die Beteiligte zu 1. zur Kontrollbetreuerin mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung der Rechte des Betroffenen gegenüber der Beschwerdeführerin bestellt. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, die im Jahre 2009 erfolgte Vollmachtserteilung an die Beschwerdeführerin sei wirksam gewesen. Demnach bedürfe es keiner Betreuerbestellung für den Betroffenen. Es bestünden aber ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin nicht im Interesse des Betroffenen als Vollmachtgeber handle. Die gleichzeitige Stellung als Alleinerbin der Ehefrau des Betroffenen und als Bevollmächtigte des Betroffenen berge einen Interessenkonflikt. Auf sie sei infolge der Erbschaft und des „Vermächtnisses“ ein Großteil des Vermögens des Betroffenen und seiner Ehefrau übergegangen. Bei der Auflösung der Konten und der Unterzeichnung des „Vermächtnisses“ (jeweils durch die verstorbene Ehefrau des Betroffenen) habe sie nicht im Interesse des Betroffenen gehandelt. Zudem habe sie keine Berechnung des Pflichtteils des Betroffenen vorgelegt und nicht ermittelt, ob es für den Betroffenen vorteilhafter wäre, das Vermächtnis anzunehmen oder das Vermächtnis auszuschlagen und stattdessen den Pflichtteil zu verlangen. Weiter habe die Bevollmächtigte zumindest versucht, Besuche ihrer Geschwister beim Betroffenen zu verhindern.

Gegen den der Beschwerdeführerin am 23.12.2016 zugestellten Beschluss hat diese durch Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 22.12.2016, eingegangen bei Gericht am darauffolgenden Tag (Bl. 372 d. A.), Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Besorgnis über die Notwendigkeit einer Kontrollbetreuung völlig aus der Luft gegriffen sei. Der Nachlass führe zu keinen Ansprüchen des Betroffenen gegen die Bevollmächtigte, sodass kein Grund für eine Kontrollbetreuung bestehe.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter dem 02.01.2017 nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 390 d. A.).

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss und im Übrigen auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Bevollmächtigten ist zulässig, erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss vom 20.12.2016 zu Recht (nur) eine (Kontroll-)Betreuung für den Betroffenen eingerichtet.

Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht auf Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer, sofern der Betroffene auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Nicht erforderlich ist eine Betreuung hingegen dann, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Als Aufgabenkreis eines zu bestellenden Betreuers kann gemäß § 1896 Abs. 3 BGB allerdings auch – wie vorliegend geschehen – die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden.

Was zunächst die Frage der medizinischen Voraussetzungen der eingerichteten Kontrollbetreuung bzw. der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen betrifft, schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im angegriffenen Beschluss vom 20.12.2016 – namentlich den dort in Bezug genommenen Ausführungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. im psychiatrischen Gutachten vom 20.09.2016 – vollumfassend an. Demnach ist der Betroffene nicht mehr in der Lage, irgendwelche Angelegenheiten selbst zu besorgen, sodass bei Nichtvorhandensein der Generalvollmacht eine Betreuung erforderlich wäre.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Subsidiarität der Betreuung bedarf es vorliegend nicht der Einrichtung einer Totalbetreuung für den Betroffenen, da dieser seiner Tochter B. durch privatschriftliche Urkunde vom 15.07.2009 mit nachfolgender Unterschriftsbeglaubigung eine (Vorsorge-)Vollmacht erteilt hat. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der so erteilten Vollmacht bestehen aus Sicht der Kammer nicht. Insbesondere ist von der uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit des Betroffenen am 15.07.2009 auszugehen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene schon 2009 an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit litt, die ihm vernünftige Erwägungen zur Entscheidungsfindung unmöglich gemacht hätten, bieten sich nicht, was auch den Sachverständigen Dr. V. zu der Aussage bewogen hat, es ließen sich aus psychiatrischer Sicht anhand der vorliegenden Informationen keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung begründen (Bl. 271 d. A.).

Etwaige Restzweifel, ob bei ihm bereits zu diesem Zeitpunkt ein die freie Willensbildung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB bestanden hat, fallen nicht ins Gewicht (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Auflage 2012, § 104 Rn. 8). Die verschiedenen, insbesondere von den Beteiligten zu 2. und zu 3. genannten Indizien, die gegen eine wirksame Vollmachtserteilung im Jahre 2009 sprechen könnten, sind nicht stichhaltig:

So ist es zwar zutreffend, dass sich in den Tagebucheintragungen des Betroffenen zum Datum 15.07.2009 ebensowenig wie zu den Tagen zuvor oder danach eine Eintragung findet, die auf eine Vollmachtserteilung schließen lässt, obwohl der Betroffene sonst durchaus auch alltägliche oder belanglose Ereignisse in seinem Tagebuch notiert hat (vgl. die Tagebuchkopien aus dem relevanten Zeitraum, Bl. 149-152 d. A. sowie das Protokoll des Anhörungstermin vom 07.04.2016, insb. Bl. 143b d. A.). Das Auslassen dieses Ereignisses im Tagebuch lässt aber nicht zwingend darauf schließen, dass das Ereignis nicht stattgefunden haben kann. Der Betroffene kann es auch vergessen haben, dies im Tagebuch zu notieren.

Weiter ist auch zutreffend, dass aus den vorgelegten Kontoauszügen keine Zahlung des Betroffenen an den Notar Ü. im Jahre 2009 hervorgeht, obwohl das Dokument der vom Betroffenen erteilten Generalvollmacht laut der Beschwerdeführerin (vgl. Bl. 61, 160 d. A.) in der Kanzlei des Notars Ü. erstellt worden ist. Auch dies lässt jedoch keinen begründeten Zweifel an der Wirksamkeit der Generalvollmacht aufkommen. Es ist nämlich unklar, über welche Quelle der vermutlich auf Notar Ü. zurückgehende Formulierungsvorschlag in den Besitz des Betroffenen gelangt ist. Der Betroffene muss den Formulierungsvorschlag nicht direkt von Notar Ü. erhalten haben, sondern kann ihn auch über Dritte erhalten haben, sodass auch nicht unbedingt eine Kostenforderung des Notars Ü. gegen den Betroffenen entstanden und ausgeglichen worden sein muss.

Eine Kontrollbetreuung ist jedoch zu Recht angeordnet worden.

Allerdings darf eine Kontrollbetreuung wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird. Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2014 – XII ZB 142/14, m. w. N.). Dies kann auch schon bei konkret zu besorgenden Interessenkonflikten der Fall sein (BGH a. a. O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.1994 – 8 W 260/94; LG Kleve, Beschluss vom 22.10.2007 – 4 T 396/06). Ausreichend hierfür sind jedoch nicht bereits bloße Vermutungen, vielmehr muss ein konkreter Anlass für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung vorhanden sein (BGH, Beschluss vom 30.03.2011 – XII ZB 537/10).

Derartige Interessenkonflikte kommen im Streitfall aber in Betracht: Die Beschwerdeführerin ist nicht nur Generalbevollmächtigte, die über Vermögensgegenstände jeder Art des Betroffenen verfügen darf, für ihn Zahlungen und Wertgegenstände entgegennehmen und Verbindlichkeiten eingehen sowie Grundbesitz veräußern und erwerben, belasten, Darlehen- und Kreditverträge abschließen und Bankkonten und Depots eröffnen und auflösen darf. Sie ist gleichzeitig neben ihren Geschwistern, den Beteiligten zu 2. und zu 3., für den Fall des Todes des Betroffenen auch seine gesetzliche Miterbin sowie Alleinerbin nach ihrer Mutter, der verstorbenen Ehefrau des Betroffenen, und zugleich – das ist ein hier maßgeblicher Gesichtspunkt – offensichtlich nachhaltig mit ihren Geschwistern als zukünftigen weiteren Miterben zerstritten. Schon dieser Umstand lässt es in Betracht kommen, gemäß § 1896 Abs. 3 BGB einen Kontrollbetreuer zu bestellen.

Die Umstände der Kontenauflösung am 29.07.2015 und der Unterzeichnung des als „Vermächtnis“ überschriebenen Schriftstücks am 22.08.2015 bieten noch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt auf Seiten der Beschwerdeführerin. Die Kontenauflösung wurde schließlich durch die Mutter der Beschwerdeführerin bewirkt und nicht durch die Beschwerdeführerin selbst. Auch das als „Vermächtnis“ bezeichnete Schriftstück geht auf die Initiative der Mutter zurück, die Beschwerdeführerin hat lediglich nicht verhindert, dass ihr – zu dem Zeitpunkt schon bekanntermaßen dementer – Vater das Schriftstück unterzeichnete.

Tatsächliche Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt – wobei nicht erforderlich und hier auch nicht erkennbar ist, dass dieser bereits zu einem konkreten Schaden geführt haben muss – bieten sich bei der Frage eines möglichen Pflichtteilsanspruchs des Betroffenen. Einen solchen Anspruch müsste die Beschwerdeführerin für den Betroffenen geltend machen, da dieser demenzbedingt dazu nicht in der Lage ist. Die Beschwerdeführerin hat auch bekundet, selbstverständlich werde sie den Pflichtteilsanspruch geltend machen (Anhörungsprotokoll vom 01.12.2015, Bl. 74 d. A.). Bislang hat sie jedoch nicht belegt, dass sie dies bereits getan oder auch nur die entsprechenden Vorbereitungen dafür getroffen hätte. Als von seiner Ehefrau enterbter Pflichtteilsberechtigter hätte der Betroffene nämlich drei Wahlmöglichkeiten:

– Entweder er schlägt das ihm zugewandte Wohnrechtsvermächtnis aus und verlangt Zugewinnausgleich zuzüglich (kleinem) Pflichtteil (§ 1371 Abs. 3 BGB).

– Oder er macht bei Ausschlagung des Vermächtnisses den großen Pflichtteil geltend (§ 2307 Abs. 1 S. 1 BGB).

– Oder er schlägt nicht aus und verlangt lediglich den Pflichtteilsrestanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Wert des halben gesetzlichen Erbteils und dem Wert des Vermächtnisses (§ 2307 Abs. 1 S. 2 BGB).

Die Beschwerdeführerin hat bislang nicht aufgeklärt, welche der drei Varianten die wirtschaftlich günstigste für den Betroffenen wäre. Eine solche Vergleichsberechnung hat die vormalige Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin bereits im Dezember 2015 angekündigt (Bl. 77 d. A.), jedoch bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 28.12.2016 (Bl. 374-381 d. A., vgl. auch Bl. 423-430 d. A.) hat die Beschwerdeführerin dann eine Berechnung möglicher erbrechtlicher Ansprüche des Betroffenen vorgelegt. Hierin wird der Wert des Wohnrechtsvermächtnisses verglichen mit dem Wert des (großen) Pflichtteils bei Ausschlagung des Vermächtnisses. Die Verfasserin des Berichts kommt zu dem Ergebnis, dass der Wert des Pflichtteils unter dem Wert des Vermächtnisses liege und somit bei Annahme des Vermächtnisses kein weiterer Anspruch des Betroffenen bestehe. Die Berechnung enthält jedoch keine Erwägungen zu der Frage, ob eine Ausschlagung des Vermächtnisses mit gleichzeitiger Wahl der „güterrechtlichen Lösung“ gemäß § 1371 Abs. 3 BGB nicht vorteilhafter wäre. Sich mit dieser Frage zu beschäftigen, wäre aber gerade naheliegend gewesen. Denn da das Wohnrechtsvermächtnis unter der auflösenden Bedingung des dauerhaften Umzuges des Betroffenen in ein Pflegeheim steht, kann (z. B. aufgrund unvorhergesehener Ereignisse) auch unerwartet eine Situation eintreten, in der das Wohnrechtsvermächtnis plötzlich wertlos wird. Diese Situation wäre zu vergleichen mit der Situation bei Ausschlagung des Vermächtnisses und Wahl der „güterrechtlichen Lösung“. Bei letztgenannter Variante entstünde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein vermögensrechtlicher Anspruch des Betroffenen, der zumindest nicht außer Acht gelassen werden sollte. Obdachlos würde der Betroffene dadurch nicht, die Beschwerdeführerin müsste lediglich einen Mietvertrag mit ihm schließen. Soweit der Betroffene geäußert hat, er wolle in seinem Haus wohnen bleiben, ist auch diese Äußerung unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass eine Ausschlagung des Vermächtnisses nicht dessen Wohnungslosigkeit zur Folge gehabt hätte, sofern die Beschwerdeführerin sodann kraft ihrer Generalvollmacht mit Entbindung von den Beschränkungen des § 181 BGB mit dem Betroffenen einen Mietvertrag geschlossen hätte. Die Äußerung des Betroffenen, er wolle dort wohnen bleiben, entbindet bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung also nicht von der Überprüfung, ob eine Ausschlagung sinnvoller wäre. Der Betroffene kann schließlich demenzbedingt die Auswirkungen einer Ausschlagung oder Annahme des Vermächtnisses gar nicht bis zum Ende überblicken.

Demnach hat die Beschwerdeführerin bislang noch nicht in ausreichendem Maße die unterschiedlichen erbrechtlichen Wahlmöglichkeiten des Betroffenen und ihre vermögensrechtlichen Auswirkungen verglichen, sodass ein Interessenkonflikt im Hinblick auf ihre Alleinerbenstellung nach der Mutter bzw. Ehefrau nicht ausgeräumt ist.

Ein ähnlicher Interessenkonflikt droht auch hinsichtlich des „Barvermögens“ des Betroffenen und seiner verstorbenen Ehefrau. Dieses Barvermögen ist ausweislich des als „Vermächtnis“ überschriebenen Schriftstücks vom 22.08.2015 (Bl. 131 d. A.) vollständig (bis auf einen Betrag von 3.500 €) auf die Bevollmächtigte übertragen worden. Hierzu sollte offensichtlich bereits die am 29.07.2015 mit Wirkung zum 05.08.2015 veranlasste Kontoauflösung dienen. Denn ausweislich des „Vermächtnisses“ ist das Barvermögen „von unserem Konto auf das Konto unserer Tochter gestellt worden und sie alleine soll darüber verfügen“. Hier dürfte es sich um eine Schenkung handeln, die zwar zunächst wegen Formmangels (§ 518 Abs. 1 S. 1 BGB) und wegen Mangels der Geschäftsfähigkeit des unterzeichnenden Betroffenen nichtig war, sodann aber durch Vollzug (§ 518 Abs. 2 BGB) und durch Bestätigung seitens der Bevollmächtigten (§ 141 BGB) wirksam geworden ist. Abgesehen davon, dass nicht ganz klar ist, auf wessen Konten sich das genannte Barvermögen mittlerweile verteilt, droht auch im Hinblick auf dieses Guthaben ein Interessenkonflikt bei der möglichen Geltendmachung des Pflichtteils des Betroffenen, insbesondere der Frage, ob es sich hier um eine Pflicht- und Anstandsschenkung im Sinne von § 2330 BGB handelte. Insoweit droht auch hier die Möglichkeit, dass die Bevollmächtigte die Vollmacht nicht allein im Interesse des Betroffenen ausübt.

Zwar muss sich die Beschwerdeführerin als Generalbevollmächtigte damit von der Kontrollbetreuerin bezüglich ihrer Verwaltungstätigkeit überprüfen lassen und ihr Auskunft und Rechenschaft über den Gebrauch oder Nichtgebrauch der Vollmacht geben. Dieselben Auskunfts- und Rechenschaftspflichten bestanden aber auch schon bisher gegenüber ihrem Vollmachtsgeber (§ 666 BGB). Lediglich weil dieser aufgrund seiner altersbedingten demenziellen Erkrankung zu einer wirksamen Überprüfung nicht mehr in der Lage ist, ist wegen des angesprochenen Interessenkonflikts die Ausübung der Rechte des Betroffenen ihr gegenüber nunmehr einer Kontrollbetreuerin übertragen worden.

Im Übrigen möchte die Kammer klarstellen, dass mit den vorstehenden Ausführungen nicht zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Bevollmächtigte sich schlecht um ihren Vater, den Betroffenen, kümmert. Die Kammer verkennt nicht, dass die Bevollmächtigte bei der Pflege ihres Vaters einen hohen zeitlichen und persönlichen Aufwand betreibt und der Betroffene auch bei der gerichtlichen Anhörung am 01.12.2015 geäußert hat, er fühle sich bei seiner Tochter sehr wohl, diese solle sich weiter um ihn kümmern. Die Kammer hat auch zur Kenntnis genommen, dass die Bevollmächtigte ein eventuelles gegen die Beteiligten zu 2. und zu 3. gerichtetes Besuchsverbot beim Vater wieder zurückgenommen hat. Ausweislich der Stellungnahme des Leiters des AWO-Seniorenwohn- und Pflegezentrums Petersberg, Herrn S. (Bl. 113 f. d. A.) hat die Bevollmächtigte zwar zunächst unter Hinweis auf ihre Generalvollmacht ein Besuchsverbot für die Beteiligten zu 2. und 3. in der AWO-Einrichtung ausgesprochen. In einem persönlichen Gespräch mit Herrn S. ist ihr aber dargelegt worden, dass ein solches Verbot nicht umgesetzt werden könne, worauf die Bevollmächtigte grundsätzlich damit einverstanden war, dass die Beteiligten zu 2. und zu 3. den Betroffenen in der Einrichtung besuchen. Insoweit hat die Bevollmächtigte einen bestehenden Interessenkonflikt selbst beendet. Die Kammer nimmt auch zur Kenntnis, dass durch die Pflege des Betroffenen durch die Bevollmächtigte eine – vom Betroffenen nicht gewollte – stationäre Aufnahme in ein Pflegeheim bislang vermieden werden konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin missbräuchlich von ihrer Vollmacht Gebrauch gemacht hat, sieht die Kammer nicht. Die Kontrollbetreuung soll nicht dazu dienen, ein etwaiges „Fehlverhalten“ der Beschwerdeführerin zu sanktionieren, mit ihr soll vielmehr nur dem aufgezeigten Interessenkonflikt begegnet werden.

Die Beschwerde der Bevollmächtigten war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen. Vor dieser Entscheidung war eine nochmalige persönliche Anhörung des Betroffenen durch die Kammer nicht angezeigt. Dieser ist bereits vom Amtsgericht angehört worden. Von einer Anhörung durch die Kammer sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

Soweit die Kontrollbetreuerin angeregt hat, den Umfang der Kontrollbetreuung zu konkretisieren oder ggf. zu beschränken, war dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Hierüber wird das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit zu entscheiden haben.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 25 Abs. 2 GNotKG). Daher erübrigt sich auch die Festsetzung eines Beschwerdewertes.

Von einer Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auf die Beschwerdeführerin hat die Kammer gem. § 81 Abs. 1 FamFG abgesehen, da die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.

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