Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 16.08.2017 Az.: 13 U 92/16 Insolvenzanfechtung: Unterlassen als insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung

Mai 23, 2018

Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 16.08.2017

Az.: 13 U 92/16
Insolvenzanfechtung: Unterlassen als insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Darmstadt – 05.04.2016 – AZ: 9 O 106/15

nachgehend:

BGH – 14.09.2017 – AZ: V ZR 246/17, NZB

Zwar kann auch in einem Unterlassen eine insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung liegen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Unterlassung auf eine Willensbestätigung beruht, somit in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Untätigkeit irgendwelche Rechtsfolgen auslöst. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn ein hochbetagter und erkrankter Erblasser davon absieht, in seinem letzten Lebensjahr monatliche Raten aus Reallasten gegenüber seinem Sohn in verjährungshemmender Weise geltend zu machen.

 

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Darmstadt vom 05.04.2016 – Az. 9 O 106/15 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wurde durch Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 15.05.2012 zum Insolvenzverwalter über den Nachlass des am …2011 verstorbenen A [fortan: Erblasser] bestellt. Mit seiner am 05.05.2015 bei Gericht eingegangenen Klage macht er offene Rentenzahlungsansprüche aus einer notariellen Urkunde geltend.

Der Erblasser übertrug mit notarieller Urkunde vom 02.05.2003 [Anlage K 2, Bl. 6 d.A.] dem Beklagten, seinem Sohn, das Eigentum an einem in Stadt2 gelegenen Grundstück. Der Beklagte verpflichtete sich unter § 4.1 der Urkunde im Gegenzug, dem Erblasser auf Lebenszeit eine dauernde monatliche Last von 2.000,- € zu zahlen, fällig jeweils zum 05. eines Monats.

  • 12 Nr. 2 der Urkunde lautet:

„Ansprüche aus dieser Urkunde auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an dem Grundstück oder auf Abänderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn.“

Jedenfalls bis einschließlich 2007 hat der Beklagte die monatliche Last vereinbarungsgemäß beglichen.

Im Gesamtzeitraum Januar 2008 bis März 2011 blieben die auf die monatliche Last geleisteten monatlichen Zahlungen des Beklagten an den Kläger hinter der gemäß § 4.1 der Urkunde geschuldeten Summe zurück.

Der Kläger errechnet seine Klageforderung wie folgt:

Jahr Soll Zahlungen offen
2008 24.000,00 € 21.440,00 € 2.560,00 €
2009 24.000,00 € 15.920,00 € 8.080,00 €
2010 24.000,00 € 0,00 € 24.000,00 €
2011 6.000,00 € 0,00 € 6.000,00 €
Summe 78.000,00 € 37.360,00 € 40.640,00 €

Auf die offene Forderung lässt sich der Kläger insgesamt 16.131,90 € anrechnen, welche der Beklagte für den Erblasser im Jahr 2009 an das Finanzamt (9.674,57 €) und an die Krankenkasse (2010: 5.045,59 €; 2011: 1.411,74 €) geleistet hat. Die Anrechnung nimmt der Kläger in der Weise vor, dass er eine Verrechnung mit der jeweils ältesten offenstehenden Forderung vornimmt, sodass danach verbleiben:

Jahr Soll Zahlungen offen nach Verrechnung zur Verrechnung verbleibend
2008 24.000,00 € 21.440,00 € 2.560,00 € 0,00 € 13.571,90 €
2009 24.000,00 € 15.920,00 € 8.080,00 € 0,00 € 5.491,90 €
2010 24.000,00 € 0,00 € 24.000,00 € 18.508,10 € 0,00 €
2011 6.000,00 € 0,00 € 6.000,00 € 6.000,00 € 0,00 €
Summe 78.000,00 € 37.360,00 € 40.620,00 € 24.508,10 €

(Klageforderung)

Zwischen den Parteien ist streitig, ob und in welchem Umfang anderweitige Zahlungen des Beklagten auf dessen Rentenzahlungsverpflichtung anzurechnen sind. Hierbei handelt es sich zum einen um eine behauptete Barzahlung am 01.04.2009 in Höhe von 9.000,- € [Quittung Bl. 34 d.A.]. Zum anderen hat der Beklagte in Höhe des Betrages der von ihm getragenen Beerdigungskosten von 5.708,64 € hilfsweise gegen die Klageforderung die Aufrechnung erklärt. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz weitere Zahlungen auf Behandlungs- und Medikamentenkosten für den Erblasser in Höhe von 2.977,28 € behauptet, die seiner Ansicht nach Berücksichtigung finden müssen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil [Bl. 106 ff. d.A.].verwiesen, mit dem das Landgericht der Klage stattgegeben hat. Zur Begründung hat es ausgeführt: Im streitgegenständlichen Zeitraum seien nur die vom Kläger in der Klage berücksichtigten Beträge als Leistungen auf die dauernde Last zu berücksichtigen, der eingeklagte Betrag stehe hingegen zur Zahlung offen. Die vom Beklagten behauptete Vereinbarung einer Reduzierung der dauernden Last greife nicht, da diese mangels Gegenleistung jedenfalls gemäß § 134 InsO wirksam angefochten sei. Auch könne die behauptete Barzahlung vom 9.000,- € nicht berücksichtigt werden, da der Beklagte beweisfällig geblieben sei. Der Beklagte habe für die Echtheit der Quittung keinen Beweis angeboten und der Zeugenbeweisantritt habe sich nur auf den ursprünglichen Vortrag, wonach es sich um eine Zahlung an die Tochter des Erblassers gehandelt habe, bezogen. Die erklärte Aufrechnung hinsichtlich der Beerdigungskosten sei schließlich gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO unzulässig.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Mit Schriftsatz vom 21.03.2017 [Bl. 255 d.A.] hat er erstmals die Verjährungseinrede erhoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 05.04.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Darmstadt zu Az. 9 O 106/15 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Die Klageforderung sei nicht verjährt. In der Nichtgeltendmachung der streitgegenständlichen Raten der dauernden Last durch den Erblasser sei eine anfechtbare gläubigerbenachteiligende Handlung in der Form des Unterlassens gemäß §§ 129, 134 InsO zu sehen, so dass im Ergebnis die Verjährung der streitgegenständlichen Forderungen erst nach dem Tod des Erblassers und Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu laufen begonnen habe und die Klage somit in unverjährter Zeit erhoben worden sei.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist daher abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte kann der Klageforderung wirksam die Verjährungseinrede entgegenhalten, § 214 BGB. Die streitgegenständlichen rückständigen Raten unterlagen der Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB und sind spätestens mit Ablauf des 31.12.2014 verjährt. Hierauf kann sich der Beklagte wirksam berufen, auch erstmals in der Berufungsinstanz (vgl. BGH NJW 2008, 3434 [BGH 23.06.2008 – GSZ 1/08]).

Monatliche Raten aus einer Reallast sowie einer parallelen schuldrechtlich eingegangenen Verpflichtung unterliegen als wiederkehrende Einzelansprüche nach dem Willen des Gesetzgebers stets der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB (vgl. BGH DNotZ 2010, 292 [BGH 09.10.2009 – V ZR 18/09]; BGH NJW 2014, 1000 [BGH 08.11.2013 – V ZR 95/12]).

Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Reallast um ein eingetragenes Recht im Sinne des § 902 Abs. 1 S 1. BGB, die dort geregelte Unverjährbarkeit eingetragener Rechte erfasst gemäß § 902 Abs. 1 S. 2 BGB jedoch ausdrücklich nicht die Rückstände wiederkehrender Leistungen, für die es bei der Regelverjährung verbleibt.

Auch aus der unter § 12 Nr. 2 der notariellen Urkunde zwischen Erblasser und Beklagtem getroffene Verjährungsabrede folgt keine längere Verjährungsfrist. Mit dieser Klausel haben die Vertragsparteien dem Wortlaut des § 196 BGB folgend die dort geregelte 10-jährige Verjährungsfrist wirksam auf 30 Jahre verlängert, § 202 Abs. 2 BGB. Jedoch nicht die einzelnen Reallastraten sind als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung im Sinne dieser Vorschrift zu sehen, sondern nur die Einräumung des Stammrechts, also die Bestellung der Reallast (vgl. BGH DNotZ 2010, 292 [BGH 09.10.2009 – V ZR 18/09]; BGH NJW 2014, 1000 [BGH 08.11.2013 – V ZR 95/12]). Die allgemeine Verjährungsfrist gilt auch für die auf rein schuldrechtlicher Grundlage zu bezahlenden, monatlich wiederkehrenden Leistungen, was der BGH insbesondere aus der in § 197 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Gesetzessystematik folgert (BGH DNotZ 2010, 292 [BGH 09.10.2009 – V ZR 18/09]).

Die streitgegenständlichen offenen Raten der dauernden Last sind in den Jahren 2008 bis 2011 fällig geworden, nach der vom Kläger vorgenommenen Verrechnung stehen noch Raten aus den Jahren 2010 und 2011 offen. Verjährung der Raten aus dem Jahr 2010 ist damit gemäß §§ 195, 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2013 eingetreten, im Übrigen mit Ablauf des 31.12.2014.

Die am 05.05.2015 bei Gericht eingegangene und dem Beklagten am 16.06.2015 zugestellte Klage konnte somit die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen. Eine vor Verjährungseintritt vorgenommene verjährungshemmende Rechtshandlung hat der Kläger nicht dargetan. Der mit Schreiben vom 05.09.2014 erfolgten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung kommt keine verjährungshemmende Wirkung zu.

Die in § 211 BGB normierte Ablaufhemmung in Nachlassfällen, wonach die Verjährung eines Anspruchs, der zum Nachlass gehört, nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens eintritt, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Das Nachlassinsolvenzverfahren wurde bereits mit Beschluss vom 15.05.2012 eröffnet, die Verjährung der ältesten streitgegenständlichen Forderungen trat jedoch erst lange nach Ablauf des 6-Monats-Zeitraums ein, nämlich erst mit Ablauf des 31.12.2013. In einer solchen Konstellation bleibt für die Regelung des § 211 BGB kein Anwendungsbereich.

Die Klageforderung ist auch nicht über § 143 InsO begründet, denn entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Umstand, dass der Erblasser zu Lebzeiten die streitgegenständlichen Forderungen nicht in verjährungshemmender Weise gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat, nicht als gemäß §§ 129 Abs. 2 , 134 InsO anfechtbare unentgeltliche Leistung zu werten.

Zwar kann auch in einem Unterlassen eine insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung liegen (vgl. MüKo-Kayser; 3. Aufl. 2013, § 129 InsO Rn. 23 ff.). Voraussetzung ist jedoch, dass die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, somit in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Untätigkeit irgendwelche Rechtsfolgen auslöst (vgl. Uhlenbruck-Hirte/Ede, Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015, § 129 InsO Rn. 119). Schon hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Dass der am …2011 verstorbene, hochbetagte und erkrankte Erblasser in seinen letzten Lebenswochen bewusst davon abgesehen haben soll, die aus seinem letzten Lebensjahr herrührenden streitgegenständlichen Raten der dauernden Last in verjährungshemmender Weise gegenüber seinem Sohn geltend zu machen, hat der Kläger nicht dargetan. Dies ergibt sich auch nicht etwa aus den Umständen, da hier nichts dafür ersichtlich ist, dass die Nichtgeltendmachung auf einer Willensbetätigung des Erblassers beruhte.

Im Übrigen löste die unterbliebene Geltendmachung durch den Erblasser zu dessen Lebzeiten auch keine Rechtswirkungen aus. Insbesondere ließ der Erblasser die streitgegenständlichen Forderungen nicht verjähren, vielmehr begann die Verjährung der ältesten streitgegenständlichen, aus dem Jahr 2010 herrührenden, Forderungen erst weniger als drei Monate vor dem Tod des Erblassers zu laufen.

Insbesondere war mit der unterbliebenen Geltendmachung zu Lebzeiten auch keine Gläubigerbenachteiligung verbunden, da die Nichtgeltendmachung auf den Bestand der Forderung keinen Einfluss hatte.

Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte nach § 97 Abs. 2 ZPO zu tragen, weil er nur aufgrund der erst in der Berufung erhobenen Verjährungseinrede obsiegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

 

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