Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 87/11 Einigungsstellenbesetzung;

Juni 2, 2018

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 87/11

Einigungsstellenbesetzung;

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 11.11.2011 – 2 BV 50/11 – wird zurückgewiesen.

 

 

Gründe

 

A

 

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

 

Der Antragsteller ist der für die beiden Arbeitgeberinnen, die Beteiligte zu 2. und die Beteiligte zu 3., gebildete Betriebsrat.

 

Die Arbeitgeberin zu 2. fertigt Müllgefäße aus Kunststoff. Die in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sind in einem 18-Schichten-Modell eingesetzt und arbeiten sieben Tage die Woche mit entsprechender Genehmigung durch die Bezirksregierung. Die Arbeitgeberin zu 2. ist nicht tarifgebunden, in ihrem Betrieb gilt ein Haustarifvertrag vom 25.03.2010, wonach der Manteltarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung findet.

 

Die Arbeitgeberin zu 3. fertigt Emballagen schwerpunktmäßig für die chemische Industrie und die Petro-Industrie. In ihrem Betrieb wird dreischichtig an fünf Tagen in der Woche gearbeitet. Die Arbeitgeberin zu 3. ist kraft Verbandsmitgliedschaft an den Manteltarifvertrag der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW gebunden.

 

Im Frühjahr 2011 fanden mit der IG Metall Tarifverhandlungen über Entgelterhöhungen statt, bei denen die Forderungen der Belegschaft und der IG Metall nach Auffassung der Arbeitgeberinnen über das hinausgingen, was die Unternehmen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation in der Lage waren zu verkraften. Im Rahmen der geführten Tarifverhandlungen wurden die im Betrieb der Arbeitgeberinnen gewährten Zuschläge und Zulagen überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass durch das im Betrieb der Arbeitgeberin zu 2. praktizierte 18-Schichten-Modell mit den dazugehörigen unmittelbaren Freischichten ein Modell gefahren wird, bei dem die Mitarbeiter im Durchschnitt weniger als die üblichen fünf Tage in der Woche anwesend sind. In der Vergangenheit hatte die Arbeitgeberin zu 2. jährlich 30 Urlaubstage gewährt.

 

Nachdem nach Durchführung von Streikmaßnahmen zwischen den Tarifvertragsparteien ein neuer Entgelttarifvertrag abgeschlossen worden war, entstand zwischen den Betriebsparteien Streit über die Höhe des den Mitarbeitern der Arbeitgeberin zu 2. zustehenden Urlaubsanspruchs. Durch Aushang vom 31.08.2011 (Bl. 61 d. A. 10 TaBV 87/11) teilte die Arbeitgeberin den tariflichen Mitarbeitern der Arbeitgeberin zu 2. daraufhin unter anderem folgendes mit:

 

„…Da es uns nicht gelungen ist, im Rahmen der Tarifverhandlungen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit im Produktionsbereich zu erreichen, haben wir in den letzten Wochen erneut alle Kosten auf den Prüfstand gestellt. Als ein Ergebnis dieser Analyse sehen wir uns leider gezwungen, die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

 

  • Anrechnung freiwilliger Zulagen und anrechenbarer Anteile übertariflicher Zulagen auf die Entgelterhöhung. Im Einklang mit den bestehenden Betriebsvereinbarungen.
  • Wegfall der Rufbereitschaft mit sofortiger Wirkung
  • Strikte Anwendung des tariflichen bzw. arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruchs im 5-Schichtbetrieb: Mit sofortiger Wirkung wird der bis dato irrtümlich gewährte, den tariflichen Anspruch übersteigende Urlaub der Kollegen im 5-Schichtbetrieb auf die tariflich festgelegten 25,2 Tage je Kalenderjahr angepasst. Sofern der im Kalenderjahr 2011 beantragte und vom Vorgesetzten bereits im System genehmigte Urlaub diese Anzahl übersteigt, kann dieser unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch des Folgejahres genommen werden. …“

 

Die daraufhin stattgefundenen Gespräche zwischen dem Betriebsrat und den Arbeitgeberinnen über eine angemessene Reduzierung des Urlaubs der Mitarbeiter für das Jahr 2011 verliefen ergebnislos. Der Betriebsrat vertrat in diesen Gesprächen die Auffassung, dass allen Mitarbeitern ein ungekürzter Urlaub in Höhe von 30 Tagen pro Kalenderjahr zustehe.

 

Mit Formularanträgen aus September 2011 beantragten daraufhin 20 Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu 2. ihren restlichen Jahresurlaub aus 2011 an bestimmten Tagen, den sie auf der Grundlage von 30 Tagen pro Kalenderjahr berechneten (Bl. 4 d. A.).

 

Mit Schreiben vom 14.10.2011 (Bl. 59 d. A. 10 TaBV 87/11 LAG Hamm) teilte die Arbeitgeberin dem jeweiligen Mitarbeiter daraufhin mit:

 

„Sehr geehrter Herr B1,

 

über den Betriebsratsvorsitzenden Herrn L1 haben wir in der vergangenen Woche Ihren Urlaubsantrag erhalten. Nach eingehender Prüfung mussten wir feststellen, dass mit den von Ihnen beantragten Urlaubstagen ein Jahresurlaubskontingent von 30 Tagen erreicht werden würde.

 

Mit Aushang vom 31.08.2011 war Ihnen durch die Geschäftsführung und die Personalleitung mitgeteilt worden, dass ab 2011 die strikte Anwendung des tariflichen bzw. arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruchs für Mitarbeiter im 5-Schichtbetrieb erfolgen wird. Das hat zur Folge, dass der bis zu diesem Zeitpunkt irrtümlich gewährte und den tariflichen Anspruch übersteigende Urlaub auf die tariflich festgelegten 25,2 Tage angepasst wird.

 

Aus diesem Grunde können wir Ihrem Urlaubsantrag nicht entsprechen und bitten Sie, sofern nicht schon ausgeschöpft, diesen insgesamt auf die Ihnen tariflich zustehenden 25,2 Urlaubstage zu begrenzen.“

 

Mit Schreiben vom 18.10.2011 (Bl. 5 d. A.) teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats mit, dass der jeweilige Mitarbeiter den abgelehnten Urlaub gleichwohl in dem jeweils beantragten Zeitraum nehmen wolle; für den Fall, dass die Arbeitgeberin zu 2. bei ihrer Ablehnung bleibe, erkläre der Betriebsrat die Verhandlungen über den Urlaub für gescheitert und rufe die Einigungsstelle an. Mit Schreiben vom 21.10.2011 (Bl. 6 ff. d. A.) erwiderte die Arbeitgeberin, dass den Mitarbeitern in 5-Schicht-Betrieb aufgrund der Schichtsystematik tariflich nur 25,2 Urlaubstage zustünden, aus diesem Grunde sei wegen der fehlerhaften Berechnung des Urlaubsanspruchs der auf insgesamt 30 Tage berechnete Urlaubsantrag der jeweiligen Mitarbeiter nicht genehmigungsfähig. Die Arbeitgeberin habe sich nicht geweigert, dem vom Mitarbeiter gewünschten Urlaub festzusetzen und tatsächlich zu gewähren; das Problem habe einzig und allein darin bestanden, dass der Mitarbeiter Urlaub in einem Umfange beantragt habe, der ihm tarifvertraglich nicht zustehe und der vom Arbeitgeber so nicht gewährt werden könne. Einem auf 25,2 Urlaubstage pro Kalenderjahr begrenzten Urlaubsantrag werde die Arbeitgeberin wunschgemäß entsprechen.

 

Daraufhin leitete der Betriebsrat am 28.10.2011 das vorliegende Beschlussverfahren ein. Gleichzeitig wurden 19 weitere Beschlussverfahren mit dem Ziel der Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Jahresurlaub 2011 des Arbeitnehmers …………“ anhängig gemacht.

 

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die einzurichtende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Es bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht bestehe auch bei der Festlegung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer. Ein Einverständnis über die Lage des Jahresurlaubs für das Jahr 2011 des jeweiligen Mitarbeiters nach dessen Urlaubsantrag sei nicht zustande gekommen. Die Arbeitgeberin zu 2. habe eine Genehmigung des Urlaubs abgelehnt. Damit bestehe ein Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs. Gegebenenfalls werde die Einigungsstelle als Vorfrage auch festzustellen haben, in welchem tatsächlichen Umfang dem betroffenen Arbeitnehmer noch Urlaubsansprüche für das Jahr 2011 zustünden.

 

Der Betriebsrat hat beantragt,

 

  1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Jahresurlaub 2011 des Arbeitnehmers S3 B1“ wird der Direktor des Arbeitsgerichts M Herr W1 bestellt,

 

  1. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf 3 festgesetzt.

 

Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,

 

die Anträge abzuweisen.

 

Sie haben die Auffassung vertreten, dass die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Es bestehe kein Streit über die zeitliche Lage des dem jeweiligen Mitarbeiter zustehenden Jahresurlaubs. Die Arbeitgeberin habe sich auch nicht geweigert, den beantragten Urlaub festzusetzen. Streit bestehe nur über die Dauer und den Umfang des den Mitarbeitern zustehenden Jahresurlaubs. Hierfür bestehe kein Mitbestimmungsrecht.

 

Durch Beschluss vom 11.11.2011 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG beziehe sich nur auf die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem beteiligten Arbeitnehmer kein Einverständnis erzielt werde. Ein Streit zwischen der Arbeitgeberin und den betroffenen Mitarbeitern bestehe aber lediglich darüber, ob vor dem Hintergrund des Schichtsystems von einem Jahresanspruch von 25,2 Urlaubstagen oder von 30 Urlaubstagen auszugehen sei. Mit Schreiben vom 21.10.2011 seien die Mitarbeiter ausdrücklich aufgefordert worden, auf der Grundlage von 25,2 Urlaubstagen den bisher eingereichten Urlaubsantrag zu korrigieren und zu konkretisieren. Die Frage, welche Resturlaubsansprüche für das Jahr 2010 noch bestünden, sei allein individualrechtlich zu klären.

 

Gegen den dem Betriebsrat am 15. bzw. 17.11.2011 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 18.11.2011 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

 

Der Betriebsrat ist nach wie vor der Auffassung, die einzurichtende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ergebe sich bereits daraus, dass die Arbeitgeberin den von dem jeweiligen Mitarbeiter beantragten Urlaub abgelehnt habe. Die Argumentation der Arbeitgeberin könne die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht begründen. Ob dem jeweiligen Mitarbeiter ein Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen zustehe, könne der Betriebsrat nicht beurteilen. Bisher hätten auch alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu 2., die im 5-Schicht-Betrieb arbeiteten, einen Jahresurlaub von 30 Tagen erhalten. Ob den jeweiligen Mitarbeitern ein derartiger Urlaubsanspruch zustehe, müsse die Einigungsstelle als Vorfrage klären. Auch das Argument des Arbeitsgerichts, der jeweilige Mitarbeiter hätte schließlich im Umfange bis zu 25,2 Urlaubstagen Urlaub beantragen können, verfange nicht. Die Arbeitgeberin hätte im Umfang der von ihr für zutreffend erachteten Urlaubsdauer von 25,2 Tagen Urlaub bewilligen können. Das habe sie jedoch nicht getan, sondern den beantragten Urlaub abgelehnt. Hinzu komme, dass ein großer Teil der Mitarbeiter den Resturlaub für den Monat Dezember 2011 beantragt habe. Damit bestehe insgesamt Streit über die Lage des Urlaubs einzelner Mitarbeiter.

 

Der Betriebsrat beantragt,

 

den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 11.11.2011 – 2 BV 50/11 – abzuändern und

 

  1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Jahresurlaub 2011 des Arbeitnehmers S3 B1“ den Direktor des Arbeitsgerichts M Herrn W1 zu bestellen,

 

  1. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf 3 festzusetzen.

 

Die Arbeitgeberinnen beantragen,

 

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts und sind weiter der Auffassung, die beantragte Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Sämtliche Urlaubsanträge der betroffenen Mitarbeiter seien auf der Grundlage von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr berechnet und gestellt worden. Nur aus diesem Grunde habe die Arbeitgeberin den Anträgen nicht entsprechen können. Den Mitarbeitern sei mit Schreiben vom 14.10.2011 mitgeteilt worden, dass sie neue Urlaubsanträge auf der Grundlage eines Jahresurlaubs von 25,2 Tagen stellen könnten. Dies habe keiner der betroffenen Mitarbeiter getan. Bereits hieraus ergebe sich, dass allein um die Dauer des den jeweiligen Mitarbeitern zustehenden Jahresurlaubsanspruchs gestritten werde. Das vorliegende Verfahren diene offensichtlich ausschließlich dazu, über den Umweg des Anrufens der Einigungsstelle durch den Betriebsrat die Frage zu klären, ob den Mitarbeitern im Betrieb ein Anspruch auf 25,2 oder weiterhin auf 30 Tage Tarifurlaub zustehe. Ein Streit über die zeitliche Lage des jeweiligen Urlaubs bestehe nicht.

 

Hinzu komme, dass der Streit die Arbeitgeberin zu 3. gar nicht betreffe. Bei der Arbeitgeberin zu 3. werde unstreitig nur in der 5-Tage-Woche gearbeitet. Die Urlaubsdauer der Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu 3. sei unstreitig.

 

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

 

B

 

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats als unbegründet abgewiesen.

 

  1. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

 

  1. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Einrichtung einer Einigungsstelle nach den §§ 76 BetrVG, 98 ArbGG.

 

  1. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren ergeben sich aus den §§ 10, 81, 83 Abs. 3 ArbGG.

 

Der Betriebsrat ist antragsbefugt, weil er ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht geltend macht.

 

Regelmäßig kann nur derjenige ein gerichtliches Verfahren einleiten, der vorträgt, Träger eines streitbefangenen Rechts zu sein. Ausnahmen gelten im Fall zulässiger Prozessstandschaft. Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dienen dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen werden kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht (BAG 25.08.1981 – 1 ABR 61/79 – AP ArbGG 1979 § 83 Nr. 2; BAG 30.10.1986 – 6 ABR 52/83 – AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 6; BAG 18.08.1987 – 1 ABR 65/86 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 6; BAG 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 – AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11).

 

Die Auslegung des Begehrens des Betriebsrats im vorliegenden Fall ergibt, dass dieser eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als gänzlich aussichtslos erscheint (BAG 19.09.2006 – 1 ABR 53/05 – AP BetrVG 1972 § 2 Nr. 5; BAG 20.05.2008 – 1 ABR 19/07 – AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4). Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass zwischen der Arbeitgeberin zu 2. und den jeweils betroffenen Mitarbeitern Streit über die zeitlicher Lage des von diesen beantragten Urlaubs besteht. Aus diesem Grunde nimmt er ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 für sich in Anspruch. Dies ist für die Antragsbefugnis im Sinne des § 81 Abs. 1 BetrVG ausreichend. Ob der Betriebsrat mit dieser Begründung die Einrichtung einer Einigungsstelle verlangen kann, ist keine Frage der Antragsbefugnis, sondern eine Frage der Begründetheit des gestellten Antrags (vgl. Germelmann/Matthes/-Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 81 Rn. 56; ErfK/Koch, 12. Aufl., § 81 ArbGG Rn. 10 m.w.N.).

 

  1. Die Anträge des Betriebsrats sind jedoch nicht begründet, wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat.

 

Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm 07.07.2003 – 10 TaBV 92/03 – NZA-RR 2003, 637; LAG Köln 14.01.2004 – 8 TaBV 72/03 – AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm 09.08.2004 – 10 TaBV 81/04 – AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43 m.w.N.). Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich gegebenenfalls für unzuständig erklären kann (BAG 30.01.1990 – 1 ABR 2/89 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 41). Das vorliegende Einigungsstellenbesetzungsverfahren bindet die zu bildende Einigungsstelle insoweit nicht.

 

  1. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auch die Beschwerdekammer zu der Auffassung gelangt, dass die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.

 

Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich daraus, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats offensichtlich nicht in Betracht kommen.

 

  1. a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.

Durch die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG wird das dem Arbeitgeber bei der Festlegung der Lage des Urlaubs zustehende Gestaltungsrecht beschränkt. Dadurch sollen die Urlaubswünsche der einzelnen Arbeitnehmer und das betriebliche Interesse an der Kontinuität des Betriebsablaufs sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Sinn und Zweck ist dabei der Ausgleich der bei der Urlaubsfestlegung bestehenden widerstreitenden Interessen, namentlich zwischen den Urlaubswünschen einzelner Arbeitnehmer – auch untereinander – und dem Interesse des Arbeitgebers an einem geordneten, kontinuierlichen Betriebsablauf (BAG 28.05.2002 – 1 ABR 37/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Urlaub Nr. 10; BAG 10.12.2002 – 1 ABR 27/01 – AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 25. Aufl., § 87 Rn. 204 f.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 12. Aufl., § 87 Rn. 111, 118; Wiese/GK-BetrVG, 9. Aufl., § 87 Rn. 443, 470; Wlotzke/Preis/Kreft/Bender, BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rn. 92, 101 m.w.N.). Durch das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG soll der Betriebsrat auch in die Lage versetzt werden, die Interessen innerhalb der Belegschaft, also zwischen einzelnen Arbeitnehmern, die betroffen sind, auszugleichen.

Demgegenüber bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht auf die Dauer des Urlaubs. Der Anspruch auf Urlaub und dessen Dauer bemessen sich vielmehr nach dem Gesetz (etwa § 3 BUrlG), den Vorschriften der Tarifverträge und nach günstigeren Individualvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien. Mitbestimmungsfrei ist – auch bei einem rollierenden betrieblichen Freizeitsystem – auch die konkrete Berechnung der Urlaubsdauer (BAG 14.01.1992 – 9 AZR 148/91 – AP BurlG § 3 Nr. 5; Fitting, a.a.O., § 87 Rn. 212; DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rn. 120; Wiese/GK-BetrVG, a.a.O., § 87 Rn. 446; Richardi, BetrVG, 12. Aufl., § 87 Rn. 456 m.w.N.).

  1. b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt. Insbesondere besteht zwischen den betroffenen Mitarbeitern und der Arbeitgeberin zu 2. kein Streit über die zeitliche Lage des jeweils beantragten Urlaubs. Die Beteiligten streiten allein über die Dauer des dem jeweiligen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zu 2. zu gewährenden Erholungsurlaubs. Die Arbeitgeberin zu 2. hat auch die Festlegung der zeitlichen Lage des jeweils beantragten Urlaubs auf bestimmte Tage nicht endgültig abgelehnt.

Zwar heißt es im Schreiben der Arbeitgeberin zu 2. vom 14.10.2011 unter anderem: „Aus diesem Grunde können wir Ihrem Urlaubsantrag nicht entsprechen …“ Das Schreiben vom 14.10.2011 nimmt auch Bezug auf den jeweils von dem betreffenden Mitarbeiter gestellten Urlaubsantrag. Aus dem weiteren Inhalt des Schreibens vom 14.10.2011 im Zusammenhang mit der Bezugnahme auf den Aushang der Arbeitgeberin vom 31.08.2011 ist jedoch zu entnehmen, dass die Ablehnung des Urlaubsantrags des betroffenen Mitarbeiters lediglich die Dauer des von diesem Mitarbeiter in Anspruch genommenen Jahresurlaubs betraf. Alle 20 betroffenen Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu 2. hatten nämlich nahezu zeitgleich die Erteilung von Resturlaub auf der Grundlage eines Jahresurlaubs von 30 Tagen beantragt. Im Schreiben vom 14.10.2011 ist von der Arbeitgeberin zu 2. hingegen deutlich darauf hingewiesen worden, dass dem betroffenen Mitarbeiter ein Erholungsurlaub nach Auffassung der Arbeitgeberin lediglich in Höhe von 25,2 Tagen pro Jahr zusteht. Die Festlegung eines restlichen Urlaubs auf der Grundlage eines Jahresurlaubs von 25,2 Tagen ist von der Arbeitgeberin zu 2. nicht endgültig abgelehnt worden. Dies ergibt sich daraus, dass die Arbeitgeberin zu 2. im Schreiben vom 14.10.2011 sämtliche betroffenen Mitarbeiter, die Erteilung des restlichen Jahresurlaubs beantragt hatten, gebeten hat, den Jahresurlaub insgesamt auf die ihnen tariflich zustehenden 25,2 Urlaubstage zu begrenzen. Hieraus folgt, dass zwischen den Beteiligten kein Streit darüber besteht, dass ein Resturlaub des jeweils betroffenen Mitarbeiters auf der Grundlage von 25,2 Urlaubstagen pro Kalenderjahr im Jahre 2011 noch genommen werden kann. Der ausdrücklichen Bitte der Arbeitgeberin, den Urlaubsantrag auf die den Mitarbeitern zustehenden 25,2 Urlaubstage zu begrenzen, ist keiner der betroffenen Mitarbeiter bislang nachgekommen. Dies zeigt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beschwerdekammer noch gar nicht feststeht, ob zwischen der Arbeitgeberin zu 2. und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis über die zeitliche Lage des jeweiligen Urlaubs erzielt worden ist.

Der Hinweis des Betriebsrats in der Beschwerdeinstanz darauf, die Arbeitgeberin hätte im Umfang der von ihr für zutreffend erachteten Urlaubsdauer von 25 Tagen Urlaub gemäß dem Antrag bewilligen können, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Arbeitgeberin zu 2. hat nämlich völlig zutreffend dem Urlaubswunsch der einzelnen betroffenen Arbeitnehmer den Vorrang eingeräumt, die betroffenen Arbeitnehmer sollten zunächst selbst bestimmen, zu welchen Zeitpunkten sie – auf der Grundlage eines Urlaubsanspruchs von insgesamt 25, 2 Tagen pro Jahr – ihren Resturlaub nehmen wollten. Damit ist die Arbeitgeberin der Bestimmung des § 7 Abs. 1 BurlG nachgekommen, wonach bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs in erster Linie die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.

Der Betriebsrat kann sich zur Begründung des in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG auch nicht auf das im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 12.12.2011 überreichte Schreiben eines der Geschäftsführer der Arbeitgeberin zu 2. vom 19.09.2011 beziehen. Zwar sind in diesem Schreiben hinsichtlich der Urlaubsplanung bis Dezember 2011 ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats entsprechende Vorgaben gemacht worden. Die von der Arbeitgeberin einseitig in Kraft gesetzten verbindlichen Regelungen für den Produktionsbereich gemäß Schreiben vom 19.09.2011 sind jedoch zeitlich vor dem Entstehen des vorliegenden Streit zwischen Betriebsrat und der Arbeitgeberin festgesetzt worden. Das vorliegende Verfahren betrifft zudem einen völlig anderen Regelungsgegenstand als die im Schreiben vom 19.09.2011 angesprochene Urlaubsplanung. Regelungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nämlich nach dem ausdrücklichen Antrag des Betriebsrats der Jahresurlaub 2011 eines bestimmten Mitarbeiters, nicht die Urlaubsplanung bis Ende Dezember 2011. Auch wenn insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unzweifelhaft besteht, ist die allgemeine Urlaubsplanung bis Ende Dezember 2011 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

 

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