Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 1036/06

Juni 3, 2018

Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 1036/06

 

Tenor:

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.06.2006 – 5 Ca 4397/02 – abgeändert:

Die Widerklage wird abgewiesen.

  1. Die Kosten des 1. Rechtszuges trägt der Kläger zu 11 %, die Beklagte zu 89 %. Die Kosten der Säumnis vom 22.04.2005 trägt der Kläger.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

T a t b e s t a n d :

 

Die Beklagte nimmt den Kläger im Wege der Widerklage auf Zahlung von Schadensersatzansprüchen in Anspruch.

 

Der Kläger war seit 01.07.1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt, seit 2000 als Einkäufer für Elektromaterial. Mit Schreiben vom 22.04.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht mit der Begründung, seit September 2000 habe der Kläger bei den Firmen F und H , T und T zu überhöhten Preisen eingekauft, um sich mit diesen den Mehrerlös zu teilen, sei es dass er vom Zeugen F , unter dessen Einfluss diese Firmen stünden, Barzahlungen erhalten habe oder an den dem Kläger und dessen Ehefrau gehörenden Häusern Leistungen zu einem nicht marktgerechten Preis erbracht worden seien. Zumindest bestehe der diesbezügliche Verdacht.

 

Durch Urteil des LAG Köln vom 18.07.2003 wurde die vom Kläger gegen diese Kündigung angestrengte Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen mit der Begründung, gegen den Kläger bestehe der dringende Verdacht, Untreue in dem behaupteten Sinne zum Nachteil der Beklagten begangen zu haben.

 

Im Wege der Widerklage verlangt die Beklagte die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 122.520,24 €. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der Kläger habe im Zeitraum 07.09.2000 – 31.03.2002 Waren (Elektroartikel) im Werte von 381.305,63 € bei den vom Zeugen F beherrschten Firmen zu überhöhten Preisen eingekauft. Bei anderen Lieferanten, etwa den Firmen S und I wären diese Artikel zu einem zum Teil erheblich niedrigeren Preis zu beziehen gewesen. Dafür hätten insgesamt nur 258.785,39 € bezahlt werden müssen. Die Beklagte verweist dazu auf die Zusammenstellung „Schadensersatzforderung“ vom 03.09.2002 (Bl. 199 – 205 d. A.). Dieses kollusive Zusammenwirken des Klägers mit dem Zeugen F zum Nachteil ihrer, der Beklagten, habe der Zeuge F im Übrigen zugestanden, und zwar einmal im Gespräch vom 10.04.2002, zum anderen gegenüber der Staatsanwaltschaft.

 

Mit Schriftsatz vom 10.07.2002, dem Kläger zugestellt am 15.07.2002 hat die Beklagte im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei, der ihr, der Beklagten dadurch entstanden sei, dass der Kläger in dieser Zeit den Firmen T , T und F Aufträge zu überhöhten Preisen erteilt habe. Mit Schriftsatz vom 06.09.2002, dem Kläger zugestellt am 16.09.2002 hat die Beklagte diesen Schaden auf 122.520,84 € beziffert.

 

Über diesen Betrag ist am 22.04.2005 gegen den nicht erschienenen Kläger Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat er rechtzeitig Einspruch eingelegt.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

das Versäumnisurteil vom 22.04.2005 aufrecht zu erhalten.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat ein kollusives Zusammenwirken mit dem Zeugen F bestritten. Soweit der Zeuge ihn belaste, geschehe dies zu Unrecht. Der Kläger hat außerdem bestritten, die hier in Rede stehenden Käufe vorgenommen zu haben, sie könnten auch unter seinem Namen von einem anderen Einkäufer veranlasst worden sein. Schließlich hat der Kläger die Schadenshöhe bestritten.

Durch Urteil vom 02.06.2006 hat das Arbeitsgericht der Widerklage entsprochen und das Versäumnisurteil vom 22.04.2005 aufrecht erhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den Schaden substantiiert dargetan, ohne dass der Kläger dem mit erheblichen Einwendungen habe entgegentreten können.

Wegen des weiteren Inhaltes des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 559 – 563 d. A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 11.08.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.09.2006 Berufung eingelegt und diese am 10.10.2006 begründet.

Der Kläger verbleibt dabei, dass er keine überhöhten Preise zu Lasten der Beklagte mit dem Zeugen F vereinbart und dementsprechend keine Gegenleistung von diesem erhalten habe. Bei den Bestellungen, soweit sie von ihm stammten, sei er stets entsprechend den ihm gegebenen Anweisungen verfahren. Seine Bestellungen seien durch seine Vorgesetzten stets genehmigt worden. Der Kläger bestreitet weiterhin die Höhe des von der Beklagten geltend gemachten Schadens.

Schließlich rügt der Kläger die Nichteinhaltung der Ausschlussfristen nach § 21 des einschlägigen Manteltarifvertrages, wonach die Forderung drei Monate nach Fälligkeit hätte schriftlich geltend gemacht werden müssen. Die hier in Rede stehenden Schadensersatzansprüche seien der Beklagten bereits Ende 2001 bekannt gewesen. Die Klage sei aber erst im September 2002 erhoben worden.

Der Kläger beantragt,

auf die Widerklage des Widerbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.06.2006 – 5 Ca 4397/02 – abgeändert:

Die Widerklage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 22.04.2006 abgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages dem angefochtenen Urteil bei. Die Beklagte macht insbesondere geltend, sie habe die einschlägigen Ausschlussfristen eingehalten.

Wegen des erst- und zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02.02.2007 durch Vernehmung der Zeugen F , B und S (S ). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.04.2007 verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat vom Kläger den erstinstanzlich ausgeurteilten Schadensersatzanspruch nicht zu beanspruchen. Das Versäumnisurteil vom 22.04.2005 ist daher aufzuheben und die Widerklage abzuweisen (§ 343 S. 2 ZPO).

  1. Dies ergibt sich bereits daraus, dass ein von der Beklagen etwa erworbener Schadensersatzanspruch gemäß § 21 des auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Manteltarifvertrages verfallen ist, der lautet:

Alle Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag, dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag und dem Arbeitsverhältnis sind binnen drei Monaten nach Fälligkeit, auch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf der festgesetzten Frist können Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.

Diese Frist hat die Beklagte nicht eingehalten.

  1. Der hier streitgegenständliche Schadensersatzanspruch ist ein solcher „aus dem Arbeitsverhältnis“. Die Beklagte stützt ihn nämlich darauf, dass der Kläger die ihm aus dem Arbeitsvertrag obliegende Pflicht, ihre, der Beklagten, Interessen zu wahren, nicht erfüllt, sondern dieser aus Eigennutz groberweise zuwidergehandelt hat. Den ihr dadurch entstandenen Schaden verlangt sie ersetzt. Dass es sich auch um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG zählen zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis wegen des einheitlichen Lebensvorganges nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung (BAG, Urteil vom 26.05.1981 – 3 AZR 269/78 – AP Nr. 71 zu § 4 TVG, Ausschlussfristen).
  2. Fällig wird ein solcher Schadensersatzanspruch, wenn er feststellbar ist und geltend gemacht werden kann. Feststellbar ist der Schaden, sobald der Geschädigte vom schädigenden Ereignis Kenntnis hat oder bei der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können. Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und seine Forderungen wenigstens annähernd zu beziffern. Zur Fälligkeit der Forderung reicht es aus, dass der Anspruchsteller seine Ansprüche so deutlich bezeichnen kann, dass der Anspruchsgegner erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll (BAG, Urteil vom 14.12.2006 – 8 AZR 628/05 – NZA 2007, 262, 265). Bei Anwendung dieser Grundsätze war die streitgegenständliche Forderung nach der Rechtsüberzeugung des LAG allerspätestens Ende Mai 2002 fällig.
  3. Dass der Kläger, worauf die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch stützt, mit dem Zeugen F zu ihrem Nachteil zusammengearbeitet hat, indem er Elektroartikel zu überhöhten Preisen bestellte, davon hatte die Beklagte jedenfalls seit 10.04.2002 sichere Kenntnis. An diesem Tag hat der Zeuge F in einem über mehrere Stunden dauernden Gespräch derartige Verfehlungen als zutreffend eingeräumt. Dabei hat die Beklagte, die offensichtlich bereits über einen entsprechenden, durch Tatsachen belegten Verdacht verfügte, die Unterredung gezielt gerade zu diesem Zweck stattfinden lassen und nicht, um die Firmen des Herrn F kennen zu lernen. Ab dem 10.04.2002 hätte die Beklagte also mit der gebotenen Zügigkeit (vgl. dazu BAG, Urteil vom 26.05.1981 – 3 AZR 269/78 – AP Nr. 71 zu § 4 TVG, Ausschlussfrist) zumutbare Ermittlungen über den Sachverhalt einleiten müssen.
  4. An der gebotenen Zügigkeit hat die Beklagte es hier fehlen lassen. Davon geht das LAG nach Durchführung der Beweisaufnahme aus. Richtig ist zwar, dass der Beklagten angesichts der Vielzahl der zu überprüfenden Bestellungen (1.407) über einen Zeitraum von gut 1,5 Jahren (07.09.2000 – 21.03.2002) eine angemessene Zeit zur Überprüfung zur Verfügung stehen musste. Angesichts dessen neigte das LAG auch zunächst dazu, die Ausschlussfristen als gewahrt anzusehen. Aus der zur Frage eines kollusiven Zusammenwirkens mit dem Zeugen F und zur Schadenshöhe durchgeführten Beweisaufnahme haben sich jedoch Umstände ergeben, die gegen die gebotene Zügigkeit der Sachverhaltsermittlung sprechen.

Diese ging nach den Bekundungen der Zeugen B und insbesondere der Zeugin S so vonstatten, dass über sämtliche dem Kläger zuzurechnenden Bestellungen eine SAP-Liste gefertigt wurde. Eine solche Liste kann in recht kurzer Zeit erstellt werden. Die Durchsicht und Überprüfung nimmt dann allerdings sicherlich einige Zeit in Anspruch. Allerdings war der Prüfungszweck klar, nämlich, ob die Preise, zu denen der Kläger bei F und Co. bestellt hatte, angemessen oder überzogen waren. Dies ließ sich jedoch relativ einfach feststellen, nämlich anhand von vorliegenden Preislisten, Vorbestellungen und Rahmenverträgen. Soweit diese nicht vorlagen sind wegen der Preise Anfragen bei den Lieferanten gemacht worden. Dies nahm sicherlich mehrere Wochen in Anspruch, wie auch die Zeugin S bekundet hat. Wieso dies allerdings derart lange dauerte, dass die Liste erst zum 03.09.2002 erstellt werden konnte, ist nicht erklärbar. Die oben erwähnten Anfragen an die Firmen sind z. T. erst Ende Mai oder auch erst im August 2002 hinaus gegangen, obwohl Handlungs- und Aufklärungsbedarf auf jeden Fall bereits seit 10.04.2002 bestand.

Eine Erklärung für diese aus Sicht des LAG allzu verzögerliche Verfahrensweise war wohl, wie sich aus den Bekundungen der Zeugin S ergibt, dass diese all dies neben ihrer laufenden Arbeit machen musste. Dies erscheint dem LAG nicht sachgerecht. Die Beklagte hätte angesichts des mit den Ausschlussfristen verfolgten Zwecks, die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zu erleichtern und binnen kurzer, den Bedürfnissen des jeweiligen Wirtschaftszweiges angepassten Fristen, den endgültigen Rechtsfrieden herbeizuführen, eine konzentriertere Aufarbeitung veranlassen müssen. Dies ist offensichtlich nicht geschehen. Die diesbezüglichen Recherchen liefen anscheinend über Monate, wobei die Zeugin S dazu genaueres nicht bekunden konnte. Dabei kann die Beklagte sich nicht auf das außerdem laufende Strafverfahren berufen. Dessen Ergebnis hat sie nicht abgewartet, sondern eigene Ermittlungen angestellt, wozu sie aufgrund ihrer Organisation und Kapazitäten auch durchaus in der Lage war.

Das LAG geht jedenfalls davon aus, dass die Beklagte bis Ende Mai 2002 hätte in der Lage sein müssen, ihre Forderung wenigstens annähernd zu beziffern, so dass die Ausschlussfrist mit Ende August 2002 ablief. Dafür spricht auch der Schriftsatz der Beklagten vom 03.06.2002, in dem bereits sehr konkrete Zahlen genannt worden sind, ohne dass die Beklagte dies zum Gegenstand einer Geltendmachung gemacht hätte.

  1. Innerhalb der bis Ende August 2002 laufenden Frist ist eine formgerechte Geltendmachung nicht erfolgt, wozu es einer zumindest ungefähren Bezifferung bedurfte, und wenn – wie hier – mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, die jedenfalls ungefähre Benennung der Höhe dieser Forderungen. In der Feststellungsklage vom 10.07.2002 fehlt es daran. Die Beklagte spricht dort (S. 6) von einem „derzeit noch nicht hinreichend genau bezifferbarem Schaden“. Zur einzigen dort genannten Zahl heißt es: „Streitwert für die Widerklage: geschätzt 160.000,00 €“. Wie sich dieser Betrag jedoch auch nur annähernd zusammensetzt, ist nicht nachvollziehbar.

Eine formgerechte Geltendmachung ist damit erst im Schriftsatz vom 06.09.2002 vorgenommen worden, der dem Kläger am 16.09.2002 zugestellt wurde und damit außerhalb der Dreimonatsfrist.

Der von der Beklagten etwa erworbene Schadensersatzanspruch ist damit gemäß § 21 MTV verfallen.

  1. Angesichts dessen kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bewiesen hat, dass der Kläger ihr durch rechtswidrigen und schuldhaften Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten einen Schaden in der verlangten Höhe zugefügt hat. Die Beweisaufnahme hat insoweit kein einheitliches und widerspruchsfreies Bild ergeben. Es gibt zugunsten des Klägers sprechende Umstände, aber auch solche, die zu seinen Lasten gehen. Dies im Einzelnen zu bewerten bestand angesichts des Eingreifens der Ausschlussfrist keine Notwendigkeit mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 344 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreites wurden den Parteien – abgesehen von den Kosten der Säumnis am 22.04.2005 – nach dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen auferlegt. Dabei ist für die erste Instanz eine einheitliche Kostenentscheidung vorzunehmen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :

Die Revision wurde nicht zugelassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

zugleich für den Vorsitzenden (Buchholz) (Ewerling)

 

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