Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.12.2014, Az.: V ZR 32/13
Entsprechende Anwendung des § 780 Abs. 1 ZPO auf die Annahme der Erbschaft mit Vorbehalt der Inventarerrichtung nach italienischem Recht
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Roth und Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2012 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagten bezüglich der gesamten von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des am 26. Januar 2004 verstorbenen C. P. vorbehalten bleibt.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des nicht in die Revisionsinstanz gelangten Teils der Nichtzulassungsbeschwerde.
Der Kläger war zusammen mit dem am 26. Januar 2004 verstorbenen C. P. (im Folgenden: Erblasser) zu je 1/2 Miteigentumsanteilen Eigentümer eines Grundstücks in M. . Die Beklagte ist Tochter des Erblassers, der italienischer Staatsbürger war, seinen ständigen Wohnsitz jedoch in Deutschland hatte.
Mit notariellem Vertrag verkaufte der Erblasser seinen Miteigentumsanteil an dem betreffenden Grundstück zu einem Gesamtpreis von 141.710,23 € an den Kläger. Dieser sollte in Anrechnung auf den Kaufpreis mehrere Buchgrundschulden und die durch diese gesicherten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Kreissparkasse P. (im Folgenden: Sparkasse) übernehmen, deren Höhe im Kaufvertrag mit 61.710,23 € angegeben wurde. Der Kläger unterwarf sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. In der Folgezeit übernahm der Kläger die in dem Kaufvertrag bezeichneten Darlehensverbindlichkeiten und überwies den Restkaufpreis in Höhe von 80.000 € – wie in dem Kaufvertrag vorgesehen – auf ein Konto des Erblassers in Deutschland.
Die testamentarisch eingesetzte Lebensgefährtin des Erblassers schlug die Erbschaft aus. Gesetzliche Erben waren die beiden in Italien lebenden Töchter des Erblassers, die Beklagte und ihre Schwester. Diese nahmen im Jahr 2007 die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung an. Nachdem die Schwester ihren Erbteil auf sie übertragen hatte, ließ sich die Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde wegen eines Kaufpreisrestbetrages von 29.971,94 € erteilen. Sie ist der Ansicht, aus dem Kaufvertrag ergebe sich ein zusätzlicher Zahlungsanspruch in Höhe der Hälfte der von dem Kläger übernommenen Darlehensverbindlichkeiten, weil der Erblasser und der Kläger gemeinsam Darlehensschuldner gewesen seien und im Innenverhältnis jeweils hälftig hafteten.
Der Kläger hat beantragt,
die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung an den Kläger herauszugeben. Das Landgericht hat beiden Klagen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagte auch zur Herausgabe der ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigung verurteilt worden ist.
I.
Das Berufungsgericht meint, die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus Art. 22 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12/1; im Folgenden: EuGVVO). Die Klage sei begründet, da dem Erblasser kein weiterer Zahlungsanspruch zugestanden habe. Die Annahme der Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung habe nicht zur Folge, dass eine Verurteilung nur in Bezug auf das zum Nachlass gehörende Vermögen hätte erfolgen können.
II.
Über die Revision ist durch Urteil- und Versäumnisurteil zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 5). Inhaltlich beruht das Urteil jedoch – soweit zum Nachteil des Klägers zu erkennen ist – nicht auf dessen Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
Auf Grund der beschränkten Zulassung der Revision sind nur noch die Klage auf Herausgabe des Titels und die Kosten des Rechtsstreits Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das Berufungsurteil hält insoweit einer revisionsrechtlichen Überprüfung mit der Maßgabe stand, dass der Beklagten hinsichtlich der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten wird.
Dafür spricht der enge prozessrechtliche und sachliche Zusammenhang der beiden Klagen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Januar 1994 – V ZR 238/92, NJW 1984, 1161, 1162; BGH, Urteil vom 14. Juli 2008 – II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 9) sowie der Umstand, dass die Rechtsverfolgung für den Schuldner wesentlich erschwert würde, wenn er zwei Klagen in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten (mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen) erheben müsste. Gegen die Annahme einer internationalen Zuständigkeit könnte sprechen, dass die Bestimmungen über die ausschließliche Zuständigkeit in Art. 22 EuGVVO eng auszulegen sind (EuGH, Urteil vom 26. März 1992 – Rs. C-261/90, IPRax 1993, 28 Rn. 27) und dass die EuGVVO keine allgemeine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs kennt (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 – Rs. C-51/97, RIW 1999, 57 Rn. 39; Urteil vom 5. Oktober 1999 – Rs. C-420/97, NJW 2000, 721 Rn. 38).
Im Streitfall waren beide Hauptleistungspflichten in Deutschland zu erfüllen, denn der Erblasser veräußerte den Miteigentumsanteil an einem in Deutschland belegenen Grundstück, und hinsichtlich des Kaufpreises hatten die Parteien vereinbart, dass dieser auf ein Konto des Erblassers in Deutschland zu zahlen ist. Dies trifft auch auf die Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten zu, da der Übernehmer (Kläger) in Deutschland wohnt und der Gläubiger (die Sparkasse) seinen Sitz in Deutschland hat. Der Umstand, dass die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Gerichtsstand des Erfüllungsortes auch zu Gunsten und zu Lasten der Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien gilt (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 – VIII ZR 156/07, RIW 2009, 568, 569; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 49).
(1) Wenn der Schuldner neben der Vollstreckungsabwehrklage die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangt, hängt der Erfolg dieses Antrags in der Regel von dem Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruchs ab (vgl. Senat, Urteil vom 24. Oktober 2014 – V ZR 45/13 unter III.3; BGH, Urteil vom 14. Juli 2008 – II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 12). So verhält es sich auch hier, weil für beide Klagen allein entscheidend ist, ob die in der notariellen Urkunde titulierte Kaufpreisforderung durch die unstreitig erfolgte Zahlung in Höhe von 80.000 € sowie die Übernahme der Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der Sparkasse vollständig erfüllt worden ist, oder ob nach dem Vertrag eine darüber hinausgehende Zahlung geschuldet ist.
(2) Das hängt von der Höhe des Preises ab, den der Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils nach dem notariellen Kaufvertrag schuldete. Das Berufungsgericht ist nach dessen Auslegung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagten keine weiteren Ansprüche zustehen.
(a) Die tatrichterliche Auslegung der Abreden in einem nicht von einer Seite vorformulierten Vertrag nach §§ 133, 157 BGB kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zu Grunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt worden sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar 2009 – V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, Rn. 8; Urteil vom 16. September 2011 – V ZR 236/10, NJW-RR 2012, 218 Rn. 5 mwN; Urteil vom 8. November 2013 – V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rn. 9). Solche Fehler liegen hier nicht vor.
(b) Die Tatsache, dass der Kläger gemeinsam mit dem Erblasser Schuldner der von ihm als Käufer übernommenen Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Sparkasse war, hat das Berufungsgericht bei seiner Vertragsauslegung berücksichtigt, aber angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelungen über die Preisbemessung für nicht entscheidend erachtet. Dass es sich dabei auf den Wortlaut des Vertrags gestützt hat, stellt nicht – wie die Revision meint – eine Verletzung des § 133 BGB dar, nach dem bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Das Berufungsgericht ist vielmehr dem Grundsatz gefolgt, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen in erster Linie deren Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 – I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 16). Nach dem Kaufvertrag bestand die seitens des Klägers zu erbringende Gegenleistung für den Erwerb des Miteigentumsanteils darin, die bei der Sparkasse bestehenden Darlehensverbindlichkeiten zu übernehmen und zusätzlich einen Geldbetrag in einer bestimmten Höhe zu zahlen. Anhaltspunkte für einen vom Vertragswortlaut abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zu einer darüber hinausgehenden Zahlungspflicht des Käufers hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch die Revision zeigt solche nicht auf, sondern verweist lediglich auf streitigen, nicht unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten zum Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dem Erblasser.
Der Meinung, bei der Nachlassabwicklung richte sich die Schuldenhaftung nach außen und dabei insbesondere die Möglichkeit der Vornahme haftungsbeschränkender Maßnahmen nach der lex fori (Ferid in FS Cohn, 1975, S. 31, 37; Zillmann, Die Haftung der Erben im internationalen Erbrecht, 1998, S. 187), vermag der Senat nicht beizutreten. Der Grundsatz, dass Verfahrensfragen nach dem jeweiligen Prozessrecht des erkennenden Gerichts zu beurteilen sind, führt nicht dazu, dass auch die damit im Zusammenhang stehenden sachrechtlichen Fragen unter Anwendung des materiellen Rechts des Prozessgerichts zu beantworten sind. Ob der verurteilte Erbe uneingeschränkt oder beschränkt (nur mit dem Nachlass) für die Prozesskosten haftet, bestimmt sich gemäß Art. 25 EGBGB nach dem Erbstatut. Dieses entscheidet über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten sowie über die Voraussetzungen und die Folgen einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass und damit insbesondere, für welche mit dem Erbfall zusammenhängenden Schulden der Erbe einzustehen hat (BGH, Urteil vom 26. März 1953 – IV ZR 128/52, BGHZ 9, 151, 154; MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 254; Staudinger/ Dörner, BGB [2007], Art. 25 EGBGB Rn. 225; Burandt/Rojahn/Franke, Erbrecht, 2. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 63). Es bestimmt, welche Arten von Verbindlichkeiten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören, ob hierzu nur die vom Erblasser herrührenden Schulden oder auch die durch die Nachlassabwicklung oder die Verwaltung des Nachlasses entstehenden Kosten zu zählen sind. Soweit die jeweils einschlägigen Rechtsordnungen die Möglichkeit einer Beschränkung der Erbenhaftung durch Inventarerrichtung bei Annahme der Erbschaft vorsehen, beurteilen sich die Voraussetzungen, Modalitäten und Wirkungen einer Inventarerrichtung ebenfalls nach dem Erbstatut (MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 258; Staudinger/Dörner, BGB [2007], Art. 25 EGBGB Rn. 226).
Aus dem italienischen Erbrecht könnte sich ergeben, dass – wie seitens der Beklagten unter Vorlage einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme vorgetragen – abweichend von dem deutschen Recht die Prozesskosten aus einem gegen den Erben geführten Rechtsstreit, der eine Forderung des Nachlasses betrifft, nur vom Nachlass und nicht von dem Erben persönlich zu tragen sind.
Nach italienischem Recht hat der Erbe zum einen die Möglichkeit, die Erbschaft vorbehaltlos anzunehmen, was die Verschmelzung des ererbten mit dem eigenen Vermögen herbeiführt und eine Haftung für die Erblasserschulden und Vermächtnisse mit dem gesamten Vermögen in voller Höhe nach sich zieht. Der Berufene kann die Annahme der Erbschaft aber auch mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung erklären. Der wesentliche Unterschied zur vorbehaltlosen Annahme besteht hierbei in der Haftung, die sich bei der vorbehaltlosen Annahme auf das gesamte Vermögen des Erben erstreckt, während der Erbe bei der Annahme mit Vorbehalt für die Erblasserschulden und Vermächtnisse gemäß Art. 490 Abs. 2 Nr. 2 Codice Civile nur mit dem Nachlassvermögen haftet. Es findet keine Verschmelzung des ererbten mit dem eigenen Vermögen statt; der Nachlass bleibt gemäß Art. 490 Abs. 1 Codice Civile vom persönlichen Vermögen des annehmenden Erben getrennt. Der Erbe wird zugleich verpflichtet, die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände der Befriedigung der Gläubiger zuzuführen, indem er den Nachlass verwaltet (Art. 491 Codice Civile) und im Rahmen der Liquidation die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten gemäß Art. 495 ff. Codice Civile veranlasst (Ferid/ Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Grdz. J Rn. 603 ff. und Grdz. L Rn. 708 ff.; Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., B. I. Rn. 401 ff.; Süß/Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, 2. Aufl., Länderbericht Italien, Rn. 177; Flick/Piltz/Cornelius, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., 2. Teil B. Rn. 628; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 150; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rn. 45).
III.
Die Revision ist nach dem Vorstehenden mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagten bezüglich der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des am 26. Januar 2004 verstorbenen C. P. vorbehalten bleibt.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Rechtsmittel ist auch dann als erfolgslos anzusehen, wenn die angegriffene Entscheidung – wie hier durch Ergänzung der Kostenentscheidung um den Vorbehalt gemäß § 780 ZPO – lediglich in einem Nebenpunkt abgeändert wird (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 97 Rn. 1 mwN; MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 97 Rn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 97 Rn. 3).
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