BGH, Beschl. v. 14.03.2018 – IV ZB 16/17 Zu der Vergütung des Nachlassverwalters

Juni 17, 2018

BGH, Beschl. v. 14.03.2018 – IV ZB 16/17

Zu der Vergütung des Nachlassverwalters

(OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25.04.2017 – 20 W 379/15; AG Offenbach, Entsch. v. 05.11.2014 – 4 VI 933/08M)

Gründe:

  1. a) Die Frage, ob für den Vergütungsanspruch des Nachlassverwalters die Ausschlussfrist des 2 Satz 1 VBVG gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB gilt, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt.
  2. aa) Neben dem Beschwerdegericht vertreten das Saarländische OLG (NJW-RR 2015, 844 [OLG Saarbrücken 02.09.2014 – 5 W 44/14]31 f. mit zust. Anm. Stein, NZFam 2015, 574) sowie ein Teil der Literatur (Erman/Horn, BGB 15. Aufl. § 1987 Rn. 2; Palandt/Weidlich, BGB 77. Aufl. § 1987 Rn. 1; BeckOGK-VBVG/Bohnert, § 2 Rn. 8 (Stand: 01.11.2017); vgl. auch MünchKomm-BGB/Küpper, 7. Aufl. § 1987 Rn. 3) die Auffassung, dass auch bei einem Vergütungsfestsetzungsantrag des Nachlassverwalters die 15-monatige Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG zu beachten sei.
  3. bb) Demgegenüber hält die überwiegende Auffassung im Schrifttum die Bestimmung des 2 Satz 1 VBVG auf den Fall der Nachlassverwaltung wegen des mit der Regelung verfolgten Zwecks für nicht entsprechend anwendbar (Staudinger/Dobler, BGB [2016] § 1987 Rn. 19; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 30 [Stand: 01.12.2017]; jurisPK-BGB/Klinck, 8. Aufl. § 1987 Rn. 8, der allerdings nunmehr in Rn. 8.1 [Aktualisierung vom 05.09.2017] Zweifel äußert; Graf, in: Firsching/Graf, Nachlassrecht 10. Aufl. Rn. 4.848; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. Rn. 1135; Groll/Schulz, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung 4. Aufl. Abschnitt C Rn. 169; Homann, Die Vergütung von Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlassinsolvenzverwalter 2007 S. 184 f.; Otte, ZEV 2004, 9 (11); vgl. auch Rudolf/Eckhardt, ZErbR 2006, 112 ff. zur Vergütung des Nachlasspflegers).
  4. b) Die letztgenannte Auffassung trifft im Ergebnis zu. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts gilt die Ausschlussfrist des 2 Satz 1 VBVG nicht für die Vergütung des Nachlassverwalters. Zwar ist die Nachlassverwaltung gem. § 1975 BGB eine Unterart der Nachlasspflegschaft und die Ausschlussfrist auf die Vergütung des berufsmäßig tätigen Nachlasspflegers anwendbar (vgl. BGH, ZEV 2013, 84 Rn. 7). Aber gem. § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB finden die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften nur insoweit entsprechende Anwendung, als sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Für die Vergütung des Nachlassverwalters enthält § 1987 BGB jedoch eine von der Vormundschaft und der Nachlasspflegschaft im Übrigen abweichende Bestimmung, so dass die für die Vergütung des Vormunds geltenden Vorschriften einschließlich der Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG dort nicht entsprechend gelten.
  5. aa) 1987 BGB bestimmt zunächst, dass der Nachlassverwalter, anders als der Vormund oder sonstige Pfleger, stets zu vergüten ist. Grund dieser Regelung ist, dass der Nachlassverwalter zu einer Amtsübernahme nicht verpflichtet ist und seine Tätigkeit vorrangig den privaten Interessen des Erben und der Nachlassgläubiger dient (Erman/Horn, BGB 15. Aufl. § 1987 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 2 (Stand: 01.12.2017); Staudinger/Dobler, BGB [2016] § 1987 Rn. 1; jurisPK-BGB/Klinck, 8. Aufl. § 1987 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, 7. Aufl. § 1987 Rn. 1; vgl. auch Protokolle zum BGB, Bd. V 1899 S. 820). § 1987 BGB spricht dem Nachlassverwalter darüber hinaus einen Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung zu. Insoweit ist der Nachlassverwalter – anders als der Nachlasspfleger – dem Testamentsvollstrecker, § 2221 BGB, gleichgestellt (vgl. MünchKomm-BGB/Küpper, 7. Aufl. § 1987 Rn. 1; Homann, Die Vergütung von Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlassinsol venzverwalter 2007 S. 164). § 1987 BGB regelt damit den Vergütungsanspruch des Nachlassverwalters nach Grund und Höhe eigenständig und abschließend (vgl. Staudinger/Dobler, BGB [2016] § 1987 Rn. 3 f.; MünchKomm-BGB/Küpper, 7. Aufl. § 1987 Rn. 2; Graf, in: Firsching/Graf, Nachlassrecht 10. Aufl. Rn. 4.848; Klingelhöffer, Vermögensverwaltung in Nachlaßsachen 2002 Rn. 126; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft 5. Aufl. Rn. 1129; Pfeuffer in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren 2009 S. 281; Groll/Schulz, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung 4. Aufl. Abschnitt C Rn. 170; Fromm, ZEV 2006, 298 [300]; Otte, ZEV 2004, 9 [11]). Daher geht der speziell für den Nachlassverwalter geschaffene § 1987 BGB der allgemeinen Regelung in § 1915 Abs. 1, § 1836 Abs. 1 BGB vor (vgl. Staudinger/Dobler, BGB (2016) § 1987 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 2 [Stand: 01.12.2017]).

Damit ist der Nachlassverwalter von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 1836 BGB, der für den Vormund und gem. § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für sonstige Pfleger gilt, ausgenommen. Nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB wird dem grds. unentgeltlich tätigen Vormund oder Pfleger bei einer berufsmäßigen Führung der Vormundschaft oder Pflegschaft ausnahmsweise ein Vergütungsanspruch gewährt. Nur für diesen Vergütungsanspruch gilt dann aber nach § 1836 Abs. 1 Satz 3 das VBVG einschließlich seines § 2 Satz 1.

  1. bb) Allein dieses Ergebnis wird auch dem Zweck der Ausschlussfrist gerecht. 2 Satz 1 VBVG entspricht – wie das Beschwerdegericht insoweit zutreffend erkannt hat – sinngemäß der bis zum 30.06.2005 geltenden Regelung in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB (BT-Drucks. 15/4874, S. 30), die vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden war (BT-Drucks. 13/7158, S. 22 f., 27). Sie soll – wie die vergleichbaren Bestimmungen in den §§ 1835 Abs. 1 Satz 3, 1835a Abs. 4 BGB– den Vormund zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anhalten, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, welche die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert, seine Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei einer rechtzeitigen Inanspruchnahme nicht begründet gewesen wäre (vgl. BT-Drucks. 13/7158, S. 27; vgl. auch BGH, ZEV 2013, 84 Rn. 9; BGH, NJW 2014, 1007 Rn. 20; BGH, NJW-RR 2016, 129 Rn. 15; BVerfG, FamRZ 2015, 2040 Rn. 15; OLG Köln, FamRZ 2013, 1837 [1838, juris Rn. 10]; OLG Naumburg Rpfleger 2012, 319 [320, juris Rn. 13]; MünchKomm-BGB/Fröschle, 7. Aufl. § 2 VBVG Rn. 1; Palandt/Götz, BGB 77. Aufl. Anh. zu § 1836 [VBVG], § 2 Rn. 1; jurisPK-BGB/Jaschinski, 8. Aufl. § 2 VBVG Rn. 1).

Anders als bei der Nachlasspflegschaft (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 24.10.2012 a.a.O.) steht dieser mit der Einführung der Ausschlussfrist vom Gesetzgeber verfolgte – verfassungsrechtlich legitime (BVerfG a.a.O.) – Zweck einer Reduzierung der (Ersatz-)Haftung der Staatskasse (vgl. zu § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB: BGH, NJW 2017, 574 [BGH 05.10.2016 – XII ZB 464/15] Rn. 23) bei der Nachlassverwaltung nicht in Rede. Während § 1960 BGB das Nachlassgericht unter den dort genannten Voraussetzungen als Ausfluss der staatlichen Fürsorge- und Aufsichtspflicht und damit im öffentlichen Interesse von Amts wegen verpflichtet, vorübergehend für die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses zu sorgen (vgl. Palandt/Weidlich, BGB 77. Aufl. § 1960 Rn. 1), erfolgt die Anordnung der Nachlassverwaltung nur auf Antrag und dient – wie schon ausgeführt – vorrangig den privaten Interessen des Erben und der Nachlassgläubiger.

Demgemäß scheidet bei der Nachlassverwaltung eine subsidiäre Haftung der Staatskasse für die Vergütung des Nachlassverwalters auch dann aus, wenn der Nachlass mittellos ist (vgl. KG, FamRZ 2006, 559 [juris Rn. 4]; Staudinger/Dobler, BGB (2016) § 1987 Rn. 18; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 13.1 [Stand: 01.12.2017]; Burandt/Rojahn/Joachim, Erbrecht 2. Aufl. § 1987 BGB Rn. 2; ders., Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten 3. Aufl. Rn. 299; jurisPK-BGB/Klinck, 8. Aufl. § 1987 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, 7. Aufl. § 1987 Rn. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1987 Rn. 4 [Stand: 01.11.2017]; Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1987 Rn. 4; Jauernig/Stürner, BGB 16. Aufl. § 1987 Rn. 1; Palandt/Weidlich, a.a.O. § 1987 Rn. 1; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. Rn. 1133; MAH Erbrecht/Wiester, 4. Aufl. § 24 Rn. 84; Homann, Die Vergütung von Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlassinsolvenzverwalter 2007 S. 184 f.; vgl. auch RG, SeuffArch 69 [1914] Nr. 161; a.A. Zimmermann, ZEV 2007, 519 [520 f.]).

 

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