OLG Hamm, Beschl. v. 10.07.2014 – 15 W 73/14 Beschwerdebefugnis des Rechtspflegers gegen Sicherungsanordnung (AG Essen, Verf. v. 07.02.2014 – 150 VI 237/12)

Juni 17, 2018

OLG Hamm, Beschl. v. 10.07.2014 – 15 W 73/14

Beschwerdebefugnis des Rechtspflegers gegen Sicherungsanordnung

(AG Essen, Verf. v. 07.02.2014 – 150 VI 237/12)

Gründe:

I.

Der Erblasser ist am 10.07.2012 verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Die bisher ermittelten gesetzlichen Erben des Erblassers haben die Erbschaft ausgeschlagen (AG Essen, 150 I 128/12 und 173/12).

Das im Todeszeitpunkt vorhandene Vermögen des Erblassers betrug nach den Ermittlungen des Nachlassgerichts 2.139,22 €. Auf dem bei der Beteiligten geführten Girokonto befand sich am 10.07.2012 ein Betrag von 1.312,32 € und am 15.11.2012 nach weiteren Buchungen noch ein Betrag von 1.029,57 €.

Der Aufforderung des Nachlassgerichts, den auf dem Girokonto verbliebenen Betrag zugunsten der noch unbekannten Erben des Erblassers zu hinterlegen, kam die Beteiligte nicht nach. Sie erklärte, dass sie ohne Einrichtung einer Nachlasspflegschaft keine Dispositionen über das Girokonto treffen werde.

Mit Beschluss v. 06.01.2014 sperrte das Nachlassgericht das oben näher bezeichnete Girokonto und ordnete an, dass die Beteiligte den Guthabenbetrag für die unbekannten Erben zu hinterlegen oder zum Nachlassverfahren 150 VI 237/12 auf das Konto der Gerichtskasse zu überweisen habe.

Die Beschwerde hat das AG – Rechtspfleger – ausdrücklich zugelassen und dazu ausgeführt, dass unklar sei, ob die Beschwerdesumme von 600,00 € noch überschritten werde, es sich aber um eine Frage von grds. Bedeutung handele, da „die Sparkassen häufiger den Aufforderungen und Anordnungen der Gericht“ nicht nachkommen würden.

Mit der Beschwerde v. 06.02.2014 wendet sich die Beteiligte gegen den Beschluss v. 06.01.2014, den sie für rechtlich nicht geboten hält. […]

Das als Erinnerung auszulegende Rechtsmittel der Beteiligten führt zur Aufhebung der Vorlageverfügung der Rechtspflegerin v. 07.02.2014 und zur Zurückverweisung an das AG – Nachlassgericht – Essen zur erneuten Bescheidung über die Erinnerung.

Als Beschwerde wäre das Rechtsmittel der Beteiligten v. 06.02.2014 bereits unzulässig, da die Beteiligte durch den Beschluss nicht in ihren Rechten beeinträchtigt wird (§ 59 FamFG).

Beschwerdeberechtigt ist nach dieser Vorschrift nur derjenige, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

Erforderlich ist hierfür die Beeinträchtigung eines durch Gesetz verliehenen oder durch die Rechtsordnung anerkannten und von der Staatsgewalt geschützten, dem Beschwerdeführer zustehenden, materiellen Rechts. Wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige berechtigte Interessen genügen hingegen grds. nicht (OLG Rostock, Beschl. v. 25.10.2012 – 3 W 155/12); OLG München, NJW 2010, 2364 [OLG München 26.02.2010 – 31 Wx 16/10]; Keidel/Meyer-Holz,FamFG, 18. Aufl., § 59 Rn. 6 m.w.N.).

Zudem muss der angefochtene Beschluss den Beschwerdeführer in einem subjektiven Recht unmittelbar nachteilig beeinträchtigen. Deshalb muss der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung, d.h. ihr der formellen und materiellen Rechtskraft fähiger Inhalt, ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren. Es genügt nicht, wenn sich die angefochtene Entscheidung nur mittelbar auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers auswirkt und er deshalb ein berechtigtes Interesse an der Änderung hat. Ebenso wenig reicht regelmäßig die Möglichkeit künftiger Rechtsbeeinträchtigungen aus (vgl. OLG München, a.a.O.; Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 59 Rn. 9 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze ist eine Rechtsbeeinträchtigung der Beteiligten nicht gegeben. Die Anordnung des Nachlassgerichts zur Sicherstellung des auf dem Girokonto verbliebenen Guthabenbetrags greift nicht in ein materielles Recht der Beteiligten ein. Das Nachlassgericht kann zur Sicherung des Nachlasses für noch unbekannte Erben entweder einen Nachlasspfleger bestellen oder aber selbst Sicherungsmaßnahmen ergreifen (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 1960 Rn. 3). Der Guthabenbetrag steht den noch unbekannten Erben des Erblassers zu und nicht der Beteiligten. Ein materielles Recht der Beteiligten an dem Verbleib des Guthabenbetrags auf dem Girokonto ist nicht erkennbar und wird von der Beteiligten auch nicht dargelegt. Die Beteiligte bezweifelt lediglich die Befugnis des Nachlassgerichts zu der getroffenen Anordnung, die – wie oben dargelegt – aber besteht, und führt im Übrigen lediglich Zweckmäßigkeitserwägungen an.

An der Unzulässigkeit der Beschwerde ändert auch die Zulassung der Beschwerde durch die Rechtspflegerin in dem Beschluss v. 06.01.2014 nichts. Zum einen beschränkt sich diese Zulassung auf den Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 und 2 FamFG). Zum anderen kann es nicht der Disposition des Rechtspflegers überlassen bleiben, ob über das gegen seine Entscheidung eingelegte Rechtsmittel der Richter des AG oder die nächsthöhere Instanz entscheidet.

Da das Rechtsmittel der Beschwerde unzulässig wäre, ist das von dem Antragsgegner eingelegte Rechtsmittel als Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG auszulegen, über die der Richter des AG zu entscheiden hat.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RPflG ist bei einer Entscheidung des Rechtspflegers, gegen die ein Rechtsmittel nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht gegeben ist, die Erinnerung statthaft. Ein Rechtsmittel i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn es nicht statthaft ist oder wenn es zwar statthaft, aber unzulässig ist. Der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 RPflG ist dabei nicht auf Fallkonstellationen beschränkt, in denen der Beschwerdewert nicht erreicht wird (BGH, FamRZ 2008, 1433 für das vereinfachte Unterhaltsverfahren nach §§ 645 ff. ZPO; BGH, MDR 2013, 1060 [BGH 26.06.2013 – XII ZB 31/13] für das Vormundschaftsrecht; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., Anhang zu § 58 Rn. 2).

Nach der Auffassung des BGH (MDR 2013, 1060 [BGH 26.06.2013 – XII ZB 31/13]), der sich der Senat anschließt, sind an das Vorliegen einer Erinnerungsbefugnis, die entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 4 RPflG gegeben sein muss, geringere Anforderungen zu stellen als an das Vorliegen der Beschwerdebefugnis. Von daher kann nicht in jedem Fall, in dem – wie vorliegend – die Beschwerdebefugnis des Rechtsmittelführers fehlt, davon ausgegangen werden, dass diesem auch die Erinnerungsbefugnis fehlt.

Ob der Beteiligten in der vorliegenden Konstellation eine Erinnerungsbefugnis zukommt, wird allein der zur Entscheidung über die Erinnerung berufene Amtsrichter zu prüfen und zu entscheiden haben.

Über das als Erinnerung auszulegende Rechtsmittel der Beteiligten, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat, hat daher gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG der Nachlassrichter des Amtsgerichts zu entscheiden, so dass die Vorlageverfügung an das OLG aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das AG zurückzuverweisen war.

 

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