Kein Versicherungsschutz bei Tanken auf dem Heimweg

August 2, 2018

Das SG Stuttgart hat entschieden, dass ein Beschäftigter, der auf der Fahrt von seiner Arbeitsstelle zu seiner Wohnung seine Heimfahrt unterbricht, indem er zum Tanken seines Fahrzeugs (hier Mofa) eine Tankstelle anfährt und auf dem Tankstellengelände von einem anderen Fahrzeug gerammt und dadurch verletzt wird, bei diesem Ereignis keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen ist.

Die konkrete Verrichtung, bei der er angefahren worden sei und sich eine Prellung der Lendenwirbelsäule zugezogen habe, unterliege nicht dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so das Sozialgericht.

Das SG Stuttgart hat die auf Feststellung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall gerichtete Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Sozialgerichts stellt das Zurücklegen von Wegen – auch nach der Rechtsprechung des BSG und der Instanzgerichte – regelmäßig nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst dar, sondern ist eine der versicherten Tätigkeit vor oder nachgelagerte Tätigkeit, die zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr oder weniger engen Beziehung steht. Allgemeine Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Fahrzeugs, wenn dieses wie hier kein Arbeitsgerät im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII ist, seien als Vorbereitungshandlungen unversichert. Dies gelte für das Tanken, Inspektionen und Reparaturen, auch wenn sie letztlich mit einer auf die grundsätzlich versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (BSG, Urt. v. 04.09.2007 – B 2 U 24/06 R). Als Vorbereitungshandlungen in diesem Sinne würden solche Verrichtungen bezeichnet, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit vorangehen oder auch, wie hier, nachfolgen oder ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (beispielsweise die Nahrungsaufnahme, das Ankleiden, die Wartung und das Betanken des eigenen Pkw oder der Kauf einer Bahnfahrkarte für den Weg zur oder von der Arbeit nach Hause, eine Erkundigungsfahrt zur neuen Arbeitsstelle) oder die Beseitigung von Hindernissen beim Zurücklegen des Arbeitsweges (Schnee schaufeln zur Freilegung der Garagenausfahrt, Befreiung der Windschutzscheibe von Eis) .

Dabei seien Vorbereitungshandlungen trotz ihrer Betriebsdienlichkeit grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen und Versicherungsschutz bestehe nur ausnahmsweise, wenn diese Tätigkeiten einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit aufweise (BSG, Urt. v. 28.04.2004 – B 2 U 26/03 R). Nach den Regelungen in § 8 Abs. 1 und 2 SGB VII sei der Versicherungsschutz für vorbereitende Tätigkeiten grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nenne, und dass Ausnahmen hiervon nur in Betracht kommen, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung (Wegezurücklegung wie hier) so eng verbunden sei, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Maßgeblich sei dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt werde (LSG Berlin-Potsdam, Urt. v. 12.12.2014 – L 3 U 196/13). So sei bei Maßnahmen zur Behebung einer während eines versicherten Weges auftretenden Störung ein Fortbestehen des Versicherungsschutzes nur zu bejahen, wenn kein Zurücklegen des restlichen Weges ohne Behebung der Störung in angemessener Zeit auf andere Weise (z.B. zu Fuß) möglich sei, die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit nach Art und Zeitaufwand nicht in einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen stehe und der Versicherte sich auf Maßnahmen beschränke, die zur Fortsetzung des Weges notwendig seien.

Danach sei das Auftanken eines zur Fahrt nach oder von dem Ort der Tätigkeit benutzten Fahrzeuges grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen. So handele es sich um eine Verrichtung, die zwar üblicherweise der Aufnahme der Betriebstätigkeit vorangehe oder wie hier folge, der Betriebsarbeit aber zu fernstehe, als dass sie schon dem persönlichen Lebensbereich des Beschäftigten entzogen und der unter Versicherungsschutz stehenden betrieblichen Sphäre, die in § 8 Ab. 2 Nr. 1 SGB VII auf die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit ausgedehnt werde, zuzurechnen wäre. Etwas Anderes könne nur dann gelten, wenn das Nachtanken während der Fahrt unvorhergesehen notwendig werde, damit der restliche Weg zurückgelegt werden könne. Unter Beachtung der restriktiven Auslegung des Umfangs des Versicherungsschutzes bei Vorbereitungshandlungen sei von einem unvorhergesehenen Auftankenmüssen eines Fahrzeuges nur dann auszugehen, wenn der Treibstoff für das benutzte Fahrzeug plötzlich aus Umständen, die der Versicherte nicht zu vertreten habe, für ihn vollkommen unerwartet zur Neige geht, etwa weil wegen einer Verkehrsumleitung oder eines Staus der Kraftstoffverbrauch so stark ansteige, dass der Versicherte ohne ein Nachtanken die Arbeitsstelle bzw. hier seine Wohnung nicht mehr erreichen könne (LSG Berlin-Potsdam, Urt. v. 03.11.2011 – L 3 U 7/09).

Das Sozialgericht habe sich dieser Rechtsprechung nach eigener Prüfung angeschlossen. Es könne schon nicht angenommen werden, dass der Kläger den restlichen Heimweg, auch bei leerem Tank und stehengebliebenem Mofa, nicht hätte in angemessener Zeit auf andere Weise, z.B. zu Fuß und das Mofa schiebend, zurücklegen können. Dies ergebe sich bereits aus der Entfernung zwischen der Arbeitsstelle des Klägers und seiner Wohnung (drei Kilometer), die auch zu Fuß in angemessener Zeit zurückzulegen sei. Darüber hinaus sei auch nicht nachgewiesen und ersichtlich, dass der Kläger mit der Benzinreserve im Tank seines Mofas, wobei die Reserveanzeige nach den eigenen Angaben des Klägers erst bei Verlassen des Firmengeländes aufgeleuchtet habe, seinen Heimweg nicht hätte bis zu seiner Wohnung zurücklegen können. Das Sozialgericht gehe auch nicht davon aus, dass das Aufleuchten der Tankanzeige für den Kläger unvorhersehbar gewesen sei, weil er gewusst haben müsse, wann er sein Mofa zuletzt betankt und wie viele Kilometer er seither mit diesem zurückgelegt habe.

Das Urteil ist rechtskräftig.

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